Laut einer im November 2018 vom Bundeskriminalamt veröffentlichten Studie waren 2017 in Deutschland mehr als 138‘000 Personen von Gewalt in Paarbeziehungen betroffen. Dabei kam es zu 179 vollendeten Tötungsdelikten, die in ca. 60% Ehepartner betrafen.
Die Problematik ist für viele Bereiche der Psychiatrie (Kinder- und Jugendpsychiatrie, Allgemeinpsychiatrie und Forensische Psychiatrie) relevant: In den erstgenannten Bereichen geht es um die Behandlung von Opfern. Die Forensische Psychiatrie wiederum beschäftigt sich mit dem Risikopotential bestimmter Tätergruppen. Allen Disziplinen gemeinsam ist das Ziel, ähnliche Delikte durch adäquate Hilfsangebote zu verhindern. Für diese Präventionsarbeit ist insbesondere die Behandlung (kindlicher) Opfer relevant, denn diese tragen ein erhöhtes Risiko, im Erwachsenenalter ebenfalls häusliche Gewalt auszuüben.
Das Symposium wird die komplexe Problematik mit jeweils zwei Vorträgen, die sich mit den Tätern bzw. Opfern beschäftigen, ausloten:
Zunächst wird Elmar Habermeyer einen Überblick über kriminologische Daten, Tätermerkmale und Risikoerfassung geben. An-schliessend wird sich Thomas Gerber, der bei der Kantonspolizei Zürich als Brücken-bauer tätig ist, mit interkulturellen Aspekten der häuslichen Gewalt auseinandersetzen und Wege skizzieren, mit Tätern an der Korrektur ihrer zugehörigen Narrative zu arbeiten.
Anschliessend geht es um – auch langfristige - Auswirkungen häuslicher Gewalt, wobei Manuela Dudeck sich mit der Möglichkeit des Übergangs zu einer späteren Tä-terschaft beschäftigt. Sabine Herpertz setzt sich mit dem späteren Elternverhalten Be-troffener und Merkmalen der nachfolgenden Generation auseinander.
Ziel des Symposiums ist es, das Bewusstsein der Besucher aus allen Disziplinen für dieses wichtige Thema zu wecken bzw. durch wesentliche Informationen zu schärfen. Die Zuhörer werden darüber hinaus praxisrelevante Vorschläge zum Umgang mit Opfern und Tätern erhalten.
Kriminologische Daten und psychiatrisch relevante Tätermerkmale
Elmar Habermeyer, Zürich (Switzerland)
Details anzeigen
Autor:in:
Elmar Habermeyer, Zürich (Switzerland)
Der Vortrag wird einen Überblick über kriminologische Daten, Tätermerkmale und die Risikoerfassung bei häuslicher Gewalt geben. Das Thema ist von hoher Relevanz, denn laut einer im November 2018 vom Bundeskriminalamt veröffentlichten Studie waren 2017 in Deutschland mehr als 138‘000 Personen von Gewalt in Paarbeziehungen betroffen. Dabei kam es zu 179 vollendeten Tötungsdelikten, die in ca. 60% der Fälle Ehepartner betrafen.
Sowohl Opfer als auch Täter weisen oftmals psychische Störungen auf, wobei insbesondere Substanzgebrauchsstörungen und depressive Symptomenbilder relevant sind. Häusliche Gewalt kann jedoch nicht monokausal auf eine psychische Störung zurückgeführt werden, weshalb die Risikoerfassung auch kriminologische Merkmale berücksichtigen muss. Entsprechend ist die Präventionsarbeit komplex und in der Regel interdisziplinär. Ein in Zürich praktizierter Ansatz mit enger Zusammenarbeit zwischen den polizeilichen Gewaltschutzstellen und der Klinik für Forensische Psychiatrie wird kurz vorgestellt.
Häusliche Gewalt – interkulturelle Aspekte – Erkenntnisse einer polizeilichen Fachstelle
Thomas Gerber, Zürich (Switzerland)
Details anzeigen
Autor:in:
Thomas Gerber, Zürich (Switzerland)
Der Vortrag gibt Einblicke in die Tätigkeiten polizeilicher Brückenbauer, welche sich in der Präventionsabteilung der Kantonspolizei Zürich interkultureller Fragestellungen annehmen. Inwiefern spielt die kulturelle Prägung von Individuen eine Rolle in ihrer Legitimation zur Ausübung Häuslicher Gewalt? Was hat es mit kulturell geprägten Erwartungen in der Fallbearbeitung von Fällen Häuslicher Gewalt auf sich? Wie können Fachpersonen im Gespräch eine konstruktive Entwicklung bahnen? Anhand eines Fallbeispiels wird der Referent aus Sicht der Polizei mögliche Wege skizzieren, mit Tätern an der Korrektur ihrer zugehörigen Narrative zu arbeiten.
Folgen früher häuslicher Gewalt für Elternverhalten und die nachfolgende Generation
Sabine C. Herpertz, Heidelberg (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Sabine C. Herpertz, Heidelberg (Germany)
Frühe Gewalterfahrungen führen im elterlichen Verhalten zu Veränderungen auf behavioraler und neuronaler Ebene einschließlich Persönlichkeitseigenschaften und Bindungsstil der betroffenen Frauen. Die Kinder von Müttern mit frühen Gewalterfahrungen haben ein erhöhtes Risiko, misshandelt zu werden, in ihrer Entwicklung verzögert zu sein sowie selbst eine psychische Störung zu entwickeln. Dabei scheinen die Kinder von Müttern mit frühen Gewalterfahrungen und einer psychischen Störung besonders großem Stress ausgesetzt zu sein und weisen die schwersten Beeinträchtigungen und Risiken im Elternverhalten auf. Traumatisierte Mütter verhalten sich weniger intuitiv zu ihren Kindern und erleben die Beziehung zu ihren Kindern weniger befriedigend und belohnend. Befunde aus funktioneller Bildgebung zeigen, dass negative Interaktionen mit dem eigenen Kind eine höhere Aufmerksamkeit als positive Interaktionen erfahren, dass das Zusammenspiel, die sog. funktionelle Konnektivität, zwischen Affektregulations- und Mentalisierungs-Netzwerken eingeschränkt ist, und dass frühe Traumatisierungen mit einer Störung zentraler Oxytocin-Pathways verbunden sind.