Es ist ein Grundprinzip der Psychotherapie, dass es sich um eine Interaktion zwischen zwei Personen handelt. Daher spielt nicht nur die Fachkunde des Therapeuten, sondern auch seine Persönlichkeit eine große Rolle. Unter dem Einfluss der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie gibt es wissenschaftliche Positionen, die sogar der Therapeutenpersönlichkeit einen größeren Wirkeffekt zusprechen, als technischen Interventionen.
In der Psychotherapieweiterbildung von Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten gibt es daher eine Reihe von Schulungsmaßnahmen, die explizit auf die Entwicklung der Therapeutenpersönlichkeit abzielen, wie die Lehranalyse, Selbsterfahrung, Balint/IFA-Gruppen oder Fallsupervisionen mit Bandaufnahmen.
Eine offene Diskussion ist, ob unabhängig vom jeweiligen Psychotherapieverfahren Methoden zur Entwicklung der Therapeutenpersönlichkeit in gleicher Art zum Einsatz kommen sollten, oder ob dies verfahrensspezifisch unterschiedlich erfolgen muß.
Im Referat Psychotherapie wird derzeit an Empfehlungen zur Durchführung der Selbsterfahrung in der Psychotherapieweiterbildung gearbeitet. In diesem Symposium soll auf diesem Hintergrund die Frage der Anforderungen an Therapeuten in den unterschiedlichen Psychotherapieverfahren zur Diskussion gestellt und empirische Studien referiert und diskutiert werden. Themen und Teilnehmer sind:
B. Strauß, Jena
Wissenschaftlicher Stand zum "T-Faktor" in der Psychotherapie.
F. Jacobi/T. Storck, Berlin
Nähe und Distanz in der verschiedenen Psychotherapieverfahren.
M. Linden, Berlin
First Impression Formation“. Die Bedeutung von „Äußerlichkeiten
S. Taubner, Heidelberg
Wie wird die Person der Psychotherapeutin und des -therapeuten in der Ausbildung berücksichtigt?
Nähe und Distanz in den verschiedenen Psychotherapieverfahren
Frank Jacobi, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Frank Jacobi, Berlin (Germany)
Frank Jacobi & Timo Storck: Nähe und Distanz in verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren
Wenn es um den „Therapeutenfaktor“ in der Psychotherapie geht, werden v.a. Aspekte wie das Vermögen, eine therapeutische Allianz herzustellen bzw. wieder herzustellen, diskutiert. Dabei stellen sich Fragen dazu, wieviel Nähe und Distanz für welche Patientin bzw. welchen Patienten zu welchem Zeitpunkt der Behandlung und in welcher Weise hilfreich und veränderungswirksam ist.
Im Beitrag werden zum einen therapeutische Nähe vs. Distanz betreffende Techniken differenzieller Beziehungsgestaltung diskutiert, wie z.B. die sogenannte Motivorientierte Beziehungsgestaltung oder Beziehungsgestaltungstechniken aus CBASP, DBT und Schematherapie, die in der Verhaltenstherapie vor allem bei besonderen interaktionellen Problemen und Persönlichkeitsstörungen zum Einsatz kommen können. Aus psychodynamischer Perspektive wird hier beispielhaft auf die sog. Abstinenzregel sowie auf das Alliance Focused Training (Jeremy Safran) eingegangen.
Zum anderen wird es um den Vorschlag gehen, den Zusammenhang zwischen Therapeutenfaktor, Behandlungstechnik und Veränderungsmechanismen über das Konzept „psychotherapeutischer Arbeitsmodelle“ greifbar zu machen. So wird ein schulenübergreifender Forschungszugang dazu möglich, wie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Rahmen eines verlässlichen, professionellen und authentischen Beziehungsangebots ein fallspezifisches Modell davon entwickeln, was Veränderungen bei ihren Patientinnen und Patienten individuell bewirkt.
First Impression Formation: die Bedeutung von Äußerlichkeiten
Michael Linden, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Michael Linden, Berlin (Germany)
Hintergrund: Das Phänomen der Eindrucksbildung stellt in der Sozial- und Persönlichkeitspsychologie ein umfangreiches Forschungsfeld dar. Nur 100 Millisekunden braucht es, um sich einen ersten Eindruck seines Gegenübers hinsichtlich Attraktivität, Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit oder Aggressivität zu schaffen. Dies betrifft in der Psychotherapie die Wahrnehmung des Therapeuten durch den Patienten wie die Wahrnehmung des Patienten durch den Therapeuten.
Methode: Zur Untersuchung der Objektivität wie auch der Beeinflussbarkeit der First Impression Formation wurden 92 Versuchsteilnehmern jeweils zwei Bilder derselben Person mit unterschiedlichem Outfit vorgelegt.
Ergebnisse und Diskussion: Es fanden sich auf der bipolaren MED-Skala bei 15 von 23 Items signifikante Bewertungsunterschiede.
Schlussfolgerung: Das Phänomen der First Impression Formation findet bisher wenig Aufmerksamkeit in der Psychotherapie allgemein und in der Psychotherapeutenausbildung im Besonderen. Die Daten zeigen, dass Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild derselben Person zu unterschiedlichen sozialen Reaktionen führen kann. Die sorgfältige Gestaltung des eigenen äußeren Erscheinungsbildes, wie auch eine Schulung in der professionellen Ausdruckswahrnehmung sollten daher Teil der Psychotherapeutenausbildung sein.