Mit dem Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes in Deutschland zum 1.1.2017 wurde ein umfassendes Gesetzespaket auf den Weg gebracht, welches auch Menschen mit psychischen Behinderungen wesentliche Verbesserungen bringen soll. Knapp 3 Jahre später und kurz vor Inkrafttreten eines Herzstückes des BTHG - der reformierten Eingliederungshilfe- ziehen wichtige Akteure eine erste Zwischenbilanz und blicken auf die noch anstehenden Umsetzungsschritte. Die Bundesregierung, repräsentiert durch das BMAS, wird die dem BTHG zugrunde liegenden Grundsätze darstellen und über erste Erkenntnisse und weitere Schritte bei der Umsetzung des BTHG berichten. Von anderen Vertretern werden auch kritische Aspekte beleuchtet werden, die einige prominente Vertreter bereits im Vorfeld umfangreich angemahnt haben. Hierbei wird es u.a. um die Frage gehen, ob die Vorgabe, Menschen mit (psychischen) Behinderungen aus dem Fürsorgesystem herauszulösen, wirklich umgesetzt werden kann und wird. Das BTHG stellt vor allem die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer vor vielfältige Herausforderungen. Diese sind u.a. aufgefordert, ihre Organisationsstrukturen, Arbeitsprozesse und die Personalstruktur zu überdenken, um neben der Anwendung des neuen Rechts zur Leistungsgewährung auch den umfangreichen Koordinations-, Kooperations-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben gerecht zu werden. Vertreter eines regionalen und eines großen überregionalen Trägerverbundes in Deutschland berichten über Ihre Erfahrungen, Chancen und Barrieren im Umsetzungsprozess der Forderungen aus dem BTHG.
BTHG – tatsächlich ein Meilenstein für Menschen mit Behinderungen?
Michael Konrad, Stuttgart (Germany)
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Michael Konrad, Stuttgart (Germany)
Im Koalitionsvertrag wurde zu.a.vereinbart, die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bei politischen Entscheidungen zu „berücksichtigen“, nicht etwa umzusetzen, die Menschen mit Behinderungen Behinderung aus dem bisherigen
„Fürsorgesystem“ herauszuführen und den persönlichen Leistungsbedarf mit einem bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogen zu ermittelten.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte stellt zur Umsetzung der UN-BRK fest:
“ Es wird ...der Anschein erweckt, dass der Gesetzentwurf die einschlägigen Vorgaben der
UN-BRK hinreichend oder gar vollständig umsetzt. Dies ist jedoch nicht der Fall.“
Der Auftrag, Menschen mit einer wesentlichen Behinderung aus dem „Fürsorgesystem“ herauszulösen, wird nur scheinbar umgesetzt. Die das Fürsorgerecht prägenden „Wesensmerkmale“ – z.B. das Minimalprinzip – werden uneingeschränkt beibehalten.
Leistungsrechtlich ergeben sich daraus in verschiedenen Leistungsbereichen für den gleichen individuellen Leistungsbedarf der Höhe und dem Umfang nach unterschiedliche Leistungen, je nachdem, ob ein Sozialversicherungsträger oder ein steuerfinanzierter Träger (Eingliederungshilfe, Kinder- und Jugendhilfe usw.) zuständig und Leistungsverpflichtet ist.
Das BTHG erfüllt den dritten Auftrag des Koalitionsvertrages und schreibt ein für alle Rehabilitationsträger einheitliches Verfahren zur Ermittlung des individuellen Bedarfs an Teilhabeleistungen vor. Ob ein von Behinderung bedrohter oder behinderter Mensch die nach seinem individuellen Bedarf erforderlichen Leistungen tatsächlich erhalten kann, hängt entscheidend von der rechtmäßigen Umsetzung dieser Regelungen ab. Das Referat wird das neue Recht erläutern und Hinweise auf die Auswirkungen bei Leistungsvereinbarung und -ausführung geben..
Die Umsetzung des BTHG aus Sicht der Eingliederungshilfe
Christian Kiebler, Friedrichshafen (Germany)
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Christian Kiebler, Friedrichshafen (Germany)
Das Bundesteilhabegesetz reformiert innerhalb des sechsjährigen Implementierungsprozesses schrittweise das Rehabilitations- und Sozialhilferecht in Deutschland. Aufgrund der Diversität der gesetzlichen Veränderungen der einzelnen Reformstufen stehen die Rehabilitationsträger, insbesondere die Träger der Eingliederungshilfe, vor vielfältigen Herausforderungen.
Die Träger der Eingliederungshilfe müssen sich neben der Anwendung des neuen Leistungsrechts auch auf die Umsetzung des neuen Verfahrensrechts nach dem Neunten Sozialgesetzbuch vorbereiten. Hierzu müssen die Träger der Eingliederungshilfe ihre Arbeitsprozesse, die Organisationsstrukturen und die Personalplanung analysieren und verändern, um den umfangreichen Koordinations-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben gewachsen zu sein.
Die Bedeutung dieser Veränderungen geht dabei weit über eine pflichtgemäße Erfüllung der erweiterten Koordinations-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben des Trägers der Eingliederungshilfe hinaus. Vielmehr bilden diese die Grundlage einer im Rahmen des Gesamt- beziehungsweise Teilhabeplanverfahrens personenzentrierten Bedarfsermittlung, Leistungsgestaltung und Leistungsgewährung, einem der Kernelemente des Bundesteilhabegesetzes.
Im Rahmen des Vortrags berichtet ein Vertreter eines örtlichen Trägers der Eingliederungshilfe über dessen bereits umgesetzte Veränderungen und die noch anstehenden Herausforderungen, um der Zielsetzung des Bundesteilhabegesetzes gerecht zu werden.
BTHG-Umsetzung 2019: Perspektive eines überregional tätigen Anbieters von Teilhabeleistungen
Ingmar Steinhart, Bielefeld (Germany)
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Ingmar Steinhart, Bielefeld (Germany)
Die von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel erleben in zahlreichen Bundesländern die aktuellen Schritte zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und gestalten diese mit. Es zeigen sich deutliche Nachteile der förderalen Ausgestaltung des Bundesgesetzes insbesondere bezogen auf unterschiedliche Instrumente zur Teilhabeplanung, auf die Umsetzungsgeschwindigkeit, die Bereitstellung notwendiger Informationen sowie den Mut zur Innovation und aktiven Ausgestaltung des Gesetzes. Aktuell als auch perspektivisch entsteht ein sehr hoher Verwaltungs- und Umsetzungsaufwand, während der Nutzen insbesondere für Menschen mit schweren und schwersten Beeinträchtigungen als bescheiden zu bewerten ist. Die Zwänge zur Budget neutralen Umstellung von der alten auf die neue Systematik konterkarieren die Intention des Gesetzes einer verbesserten Passgenauigkeit der Unterstützungsleistung. Auch möglicherweise nicht gewollte Nebeneffekte wie die Erhöhung der Zahl von Personen mit einer gesetzlichen Betreuung oder die Probleme der Liquiditätssicherung für die Anbieter werden herausgearbeitet. Die von Bodelschwinghschen Stiftungen Behtel, bewertet im Grundsatz die Intention des Gesetzes positiv. Aber das Zwischenfazit azit zur aktuellen Ausgestaltung kann zum Zeitpunkt dieses Abstracts noch nicht, sondern erst zum Kongress gezogen werden, da viele Umsetzungsschritte ihre Tauglichkeit in der Konkretisierung des Alltages erst beweisen müssen.