Autor:in:
Sermin Toto, Hannover (Germany)
Zielsetzung: Medikamentenbedingte Lebererkrankungen sind bei Arzneimitteln aus allen Indikationsgebieten bekannt und können ein breites Symptombild umfassen, aber auch klinisch asymptomatisch verlaufen. Werden medikamentös induzierte Leberschäden frühzeitig erkannt und die angeschuldigte Medikation sofort abgesetzt, ist die Prognose meistens günstig. Selten können letale Verlaufsformen auftreten.
Die vorliegende Datenanalyse von stationär psychiatrisch behandelten Patienten illustriert Leberenzym-Erhöhungen als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) unter der Medikation mit Antipsychotika in Mono- und Kombinationstherapie.
Methodik: Die UAW-Daten zu Leberwerterhöhungen unter Antipsychotika-Therapie zwischen 1993 und 2016 basieren auf dem Pharmakovigilanz-Projekt „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie” (AMSP). Erhöhungen der Leberenzymwerte werden gemäß einer projekteigenen Definition als UAW erfasst, falls ein Leberwert mehr als das Fünffache der Norm erhöht ist.
AMSP ist ein prospektives, multizentrisches Programm zur kontinuierlichen Erfassung schwerwiegender UAW unter Psychopharmaka sowie zur Erhebung von Psychopharmaka-Anwendungsdaten an zwei Stichtagen jährlich bei stationären psychiatrischen Patienten in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter naturalistischen Bedingungen. Im Rahmen des AMSP-Projektes werden ca. 20.000 Patienten pro Jahr überwacht.
Ergebnisse: Im Beobachtungs-Zeitraum von 1993 bis 2016 konnten von 245958 stationär mit Antipsychotika behandelten überwachten Patienten 246 Fälle (0,1%) von Antipsychotika-induzierten Leberenzymerhöhungen aus der Datenbank des Instituts für „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“ extrahiert werden.
Die Inzidenz von Antipsychotika-induzierten Leberwerterhöhungen lag bei Männern (n=130) mit 0,12% signifikant höher als bei Frauen mit 0,09% (n=116). Ebenfalls signifikant waren jüngere (<65 Lebensjahre, n=224) im Vergleich zu älteren Patienten (≥65 Lebensjahre, n=22) betroffen.
Patienten mit Schizophrenie (0,13%) und Manie (0,16%) zeigten signifikant häufiger schwere Leberenzymerhöhungen auf.
In 168 Fällen wurde das Antipsychotikum alleine, in 78 Fällen wurden Medikamenten-Kombinationen angeschuldigt. Unter den Antipsychotika-Gruppen induzierten Antipsychotika der 2. Generation signifikant häufiger Leberenzymerhöhungen (0,10%) im Vergleich zu den hochpotenten (0,08%) und niederpotenten Antipsychotika der 1. Generation (0,05%). Bei den Alleinanschuldigungen war insgesamt die Dominanz der Antipsychotika der 2. Generation noch deutlicher (0,08%) gegenüber den Antipsychotika der 1. Generation (0,04% und 0,01%). Schwere Leberenzymerhöhungen traten am häufigsten unter den Einzelsubstanzen Perazin (0,34%), Olanzapin (0,20%) und Clozapin (0,19%) auf.
Bei Kombinationen war die Kombination mit Antidepressiva am häufigsten, gefolgt von Kombinationen mit einem weiteren Antipsychotikum. In 97% aller Fälle zeigten sich die Leberwerterhöhungen als UAW, zum Teil mit protrahierten Verläufen, rückläufig. Die angeschuldigte Substanz wurde in den meisten Fällen abgesetzt (80,5%). In zwei Fällen kam es zu einem Leberversagen, in einem der beiden Fälle sogar zu einer Lebertransplantation. Relevante Patiemten-spezifische Risikofaktoren für eine Antipsychotika-bedingte Leberschädigung umfassten z.B. hepatische Vorerkrankungen, UAW-Empfindlichkeit und (frühere) Abhängigkeit/schädlicher Gebrauch von Alkohol.