In der aktuellen Diskussion um Patientenautonomie und Menschenrechte in der Psychiatrie nimmt der Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (FeM) einen großen Raum ein. Aus gesellschaftlich-ethischer und aus medizi¬nischer Sicht besteht Konsens, dass FeM äußerst restriktiv und nur als Ultima Ratio eingesetzt werden dürfen. Bei der Verfolgung dieses Ziels ist es wichtig besonders gefährdete Patientengruppen, aber auch institutions- und versorgungssystembezogene Faktoren zu identifizieren, die mit einem hohen Risiko für FeM assoziiert sind. Darüber hinaus kann die Identifikation besonderer Hochrisikokonstellationen im Sinne einer Interaktion verschiedener Risikofaktoren der Entwicklung gezielter Präventionsmaßnahmen dienen.
G. Juckel präsentiert Ergebnisse aus drei empirischen Studien zu Risikofaktoren für Zwangsaufnahmen und weitere FeM mit NRW-weiter und bundesweiter Datenerhebung. E. Gouzoulis-Mayfrank stellt Ergebnisse aus zwei empirischen Studien zu Risikofaktoren für Zwangsaufnahmen mit Datererhebung in der Großtadt Köln und in zwei weniger stark urbanen Regionen von NRW vor. Dabei wird ein komplexes statistisches Verfahren der Entscheidungsbaumanalyse zur Erfassung der relativen Bedeutung einzelner Risikofaktoren und Detektion möglicher Interaktionen eingesetzt. T. Steinert präsentiert Analysen zu Prädiktoren von Zwangsmaßnahmen aus dem baden-württembergischen Fallregister. T. Bock und C. Mahlke stellen aktuelle Ergebnisse von Befragungen Betroffener, Angehöriger und Professioneller zum Thema Erleben von und Alternativen zu Zwang vor. Die Daten stammen aus dem Forschungsverbund ZVP („Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem“).
Die vier Beiträge zeigen mehrere mögliche Ansätze zur Verbesserung der Versorgungsstruktur für Risikogruppen auf. Teilweise liegt für präventive Maßnahmen bereits eine umfangreiche Evidenzbasis vor, so dass sich vielmehr Fragen der personellen Absicherung, Finanzierung und flächendeckenden Implementierung stellen.