Die „sichere Bindung“ eines Kindes zu seinen primären Bezugspersonen gilt langfristig als wichtiger Faktor gelingender Entwicklung und psychischer Gesundheit. Bindung und Interaktion können jedoch von der Empfängnis an durch verschiedene Faktoren gestört werden, was bis hin zur Ablehnung des Kindes, Abbruch der Bindung oder Bindungsstörungen führen kann. Psychische Erkrankungen der Eltern können Bindungsschwierigkeiten verursachen oder verstärken.
In diesem Symposium werden Entstehungsbedingungen von Bindungsschwierigkeiten ab der Schwangerschaft bis zum Jugendalter dargestellt und mit ihren Implikationen und möglichen Handlungsansätzen diskutiert.
F. Lehnig untersuchte den Einfluss von mütterlichen Misshandlungs- oder Vernachlässigungserfahrungen auf die postpartale Mutter-Kind-Bindung an 752 Mutter-Kind-Paaren, ihre Ergebnisse betonen den deutlich negativen Einfluss v.a. von emotionaler Vernachlässigung.
F. Hanschmidt untersucht den Zusammenhang zwischen Stigmatisierung, Trauer, Trauma und Depression bei Schwangerschaftsabbruch an 184 Frauen, deren Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer fetalen Anomalie ein bis sieben Jahre zurücklag.
F. Caby erörtert die Frage, ob Kinder in Pflege- und oder Adoptivkonstellationen während des Bindungsprozesses in der neuen Familie mit ihren leiblichen Eltern Kontakt haben sollten und diskutiert den Einfluss von psychischer Erkrankung der leiblichen Eltern auf die Bindungsprozesse unter Berücksichtigung kinder- und jugendpsychiatrischer, bindungstheoretischer und systemisch-familientherapeutischer Aspekte .
R. Oelkers-Ax stellt aus der klinischen Arbeit einer familienpsychiatrischen Eltern-Kind-Tagesklinik familienpsychiatrische Fallkonstellationen (d.h. Komorbiditäten von Elternteil und Kind), die typischerweise mit erschwerter oder gestörter Bindung einhergehen, hinsichtlich ihrer Entstehungs- und Interaktionsmuster dar und diskutiert therapeutische Ansätze.
Kooperationssymposium mit der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF)
Mütterliche Misshandlungserfahrungen in der Kindheit und postpartale Mutter-Kind-Bindung
Franziska Lehnig, Leipzig (Germany)
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Autor:in:
Franziska Lehnig, Leipzig (Germany)
Einleitung: Nach der Geburt berichten bis 25% der Mütter von Beeinträchtigungen ihrer emotionalen Bindung zum Kind. Um betroffene Mütter frühzeitig identifizieren und unterstützen zu können, ist es notwendig, die Einflussfaktoren der Bindungsqualität zu kennen. Das Ziel der vorliegenden Studie war die differenzierte Untersuchung des Zusammenhangs von mütterlichen Misshandlungserfahrungen im Kindesalter und postpartaler psychischer Gesundheit mit der Mutter-Kind-Bindung nach der Geburt.
Methode: 725 Frauen, die am Universitätsklinikum Leipzig entbunden hatten, wurden innerhalb der ersten vier Monate nach der Entbindung befragt. Erhoben wurden die postpartale Mutter-Kind-Bindung (PBQ-16), Kindesmisshandlungen (CTQ) sowie Depression (BDI-II) und Ängstlichkeit (SCL-90-R). Die Zusammenhänge wurden mit Hilfe einer hierarchischen Regressionsanalyse modelliert.
Ergebnisse: 46% der Frauen berichteten mindestens eine Form von Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit, 13% wiesen eine erhöhte depressive und 20% eine erhöhte Angstsymptomatik auf. Das finale Regressionsmodell klärte 29% der Varianz in der postpartalen Mutter-Kind-Bindung zwei Monate nach der Entbindung auf. Von den Kindesmisshandlungsformen war emotionale Vernachlässigung mit einer stärkeren und körperliche Vernachlässigung mit einer geringeren Beeinträchtigung der postpartalen Mutter-Kind-Bindung assoziiert. In Bezug auf die psychische Gesundheit der Mutter nach der Entbindung wies die postpartale depressive Symptomatik einen negativen Zusammenhang mit der Mutter-Kind-Bindung auf.
Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Mütter mit Erfahrungen von emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit und postpartaler depressiver Symptomatik eine besondere Risikogruppe für frühe Störungen der Mutter-Kind-Beziehung darstellen. Implikationen für zukünftige Studien und die Praxis werden diskutiert.
Zusammenhänge zwischen Stigmatisierung, Trauer, Trauma und Depression bei Schwangerschaftsabbruch
Franz Hanschmidt, Leipzig (Germany)
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Autor:in:
Franz Hanschmidt, Leipzig (Germany)
Schwangerschaftsabbrüche nach Diagnose einer fetalen Fehlbildung (SDFF) sind gesellschaftlich umstritten, doch die Auswirkungen von Stigma auf die psychologische Verarbeitung eines SDFF wurden bislang kaum erforscht. Die vorgestellte Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Stigma-Erfahrungen und der langfristigen psychischen Gesundheit bei Frauen mit SDFF.
In einer retrospektiven Erhebung wurden 148 Frauen, deren SDFF 1 bis 7 Jahre zurücklag, mittels Selbstauskunftsfragebogen befragt. Der Fragebogen umfasste Fragen zu aktuellen und vergangenen Stigma-Erfahrungen im Kontext des SDFF (wahrgenommene negative Bewertung und negative Selbstbewertung) sowie zur aktuellen Trauer-, Trauma-, und Depressionssymptomatik. Die Datenauswertung erfolgte mit multipler linearer Regression.
Der Anteil an Frauen mit klinisch relevanter Symptomatik betrug 17.6% für Trauer, 18.9% für posttraumatischen Stress und 10.8% für Depression. Frauen mit aktuell negativer Selbstbewertung zeigten mehr Trauer-, Trauma-, und Depressionssymptome, nach Kontrolle für konfundierende Faktoren (Zeit seit dem SDFF, psychische Gesundheit vor dem SDFF und geburtsmedizinische Parameter). Wahrgenommene negative Bewertung zum Zeitpunkt des SDFF war assoziiert mit verstärkter Trauer,- und Traumasymptomatik und dieser Zusammenhang wurde mediiert durch aktuelle negative Selbstbewertung.
Die Studienergebnisse zeigen, dass Stigma in der Form von negativer Selbstbewertung langfristig mit eingeschränkter psychischer Gesundheit nach einem SDFF assoziiert ist. Wahrgenommene negative Bewertung zum Zeitpunkt des SDFF kann sich negativ auf die psychische Verarbeitung des Erlebnisses auswirken, aber längsschnittliche Studien sind notwendig, um die Befunde zu validieren. Medizinisches Fachpersonal und öffentliche Initiativen sollten sich dafür einsetzen, Stigma-Erfahrungen für betroffene Frauen zu minimieren.
Abgesagt - Pflege und Adoption: Können Kinder und Herkunftseltern Bindung noch lernen?
Filip Caby, Aschendorf (Germany)
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Autor:in:
Filip Caby, Aschendorf (Germany)
Kontaktgestaltung von Kindern in Pflege- und oder Adoptivkonstellationen während des Bindungsprozesses in der neuen Familie mit leiblichen Eltern
Familienpsychiatrische Fallkonstellationen: Komorbiditäten bei Eltern und Kind, die Bindung stören
Rieke Oelkers-Ax, Neckargemünd (Germany)
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Autor:in:
Rieke Oelkers-Ax, Neckargemünd (Germany)
Familienpsychiatrische Fallkonstellationen (d.h. Komorbiditäten Eltern-Kind), die gestörte Bindung bedingen, werden diskutiert auch bzgl. Therapie