Durch den politischen Wandel der Versorgungsansprüche psychisch erkrankter Menschen wird die stationäre Eingliederungshilfe kontroverser diskutiert. Dieser Prozess findet einen Höhepunkt im kommenden Jahr.
Entsprechend dringlicher wird die Umsetzung individuellerer Angebote, die Selbstbestimmung & Teilhabe stärker gerecht werden. Einen zentralen Aspekt stellen die Wohnform & verbundene Unterstützungsleistungen dar.
Es stellt sich die Frage, ob & in welchem Umfang Plätze der stationären Eingliederungshilfe nötig & sinnvoll sind & wie diese mit den Anforderungen vereinbar sind. Inzwischen existieren alternative Modellprojekte, eine flächendeckende Umsetzung fehlt jedoch.
Gleichzeitig wird im Diskurs der Nutzerperspektive noch zu wenig Platz eingeräumt. Aktuell existieren kaum Einblicke in individuell erlebte Versorgungs- und Gesellschaftsrealitäten Betroffener, ihren konkreten Bedürfnissen & Vorstellungen von hilfreicher Unterstützung.
Auch die ambulante Versorgung sieht sich stetig mit Herausforderungen konfrontiert & ist gefordert, flexibel auf individuelle Erfordernisse zu reagieren.
Im Bereich der Akutversorgung stellt sich die Situation, dass Patienten dauerhaft in Kliniken verweilen, da andernorts gegebene Möglichkeiten nicht ausreichen, adäquate Unterstützung zu leisten.
Basierend auf den politischen Forderungen benötigt es nun auch eine entsprechende inhaltliche & praktische Umgestaltung, um das System zukunftsfähig zu gestalten.
Folgende Aspekte werden thematisiert:
1) Aktuelle Situation psychiatrischer Heime in D - Herausforderungen für Anbieter & Leistungsträger - Ergebnisse einer bundesweiten Befragung (I. Steinhart)
2) Versorgungsrealität & individueller Bedarf aus der Nutzerperspektive – Was fehlt wann wo? (J. Krieger / I. Graef-Calliess
3) Unabhängiges Wohnen mit Unterstützung – Forschungsstand & Umsetzung in CH. (D. Richter)
4) Stationär Langzeit behandelte Patienten - exemplarische Daten, Ursachen & Perspektiven (M. Sieberer / I. Graef-Calliess)
Die aktuelle Situation der psychiatrischen Heime in Deutschland – Herausforderungen für Anbieter und Leistungsträger – Ergebnisse einer bundesweiten Befragung
Ingmar Steinhart, Bielefeld (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Ingmar Steinhart, Bielefeld (Germany)
Die BMG geförderte Studie „Menschen in Heimen“ fokussierte sich auf die Beschreibung der bundesweiten Unterstützungslandschaft für Menschen mit wesentlichen seelischen Behinderungen und sehr hohen Hilfebedarfen, die in offenen und geschlossenen stationären Einrichtungen (inkl. CMA) der Eingliederungshilfe (SGB XII) unterstützt werden. Die Datenerhebung erfolgte mittels einer bundesweiten Online-Befragung von Heimleitungen, der Rücklauf ist mit 20% aufgrund der Datenlage als gut zu bezeichnen. Im Vortrag werden folgende Einzelergebnisse vorgestellt: Die Personalausstattung der Heime folgt überwiegend - entgegen dem Anspruch des Bundesteilhabegesetzes - einer einrichtungszentrierten als personenorientierten Logik. Nicht einmal die Hälfte der Heime hat ein eigenes Versorgungsgebiet und einen Versorgungsauftrag vergleichbar zur üblichen Praxis psychiatrischer Kliniken; auch finanziell wie personell fehlt in der Regel ein Grundverständnis und eine entsprechende Ausstattung seitens der Leistungsträger. In der Datenauswertung stellte sich ein Mangel an passgenauen Angeboten heraus, sowohl im Anschluss an das stationäre Wohnen als auch als Alternative zur geschlossenen Unterbringung, sodass auch heute noch Menschen fernab ihrer Heimat untergebracht werden. Anhand der hohen Zuweisungsraten aus dem klinischen Kontext wird deutlich, dass die Lösung der Thematik jedoch nicht in den offenen bzw. geschlossenen Heimen selbst liegt, sondern primär vor der Heimaufnahme, d.h. in der Steuerung durch die Gemeindepsychiatrie insgesamt und in der Ausgestaltung und Refinanzierung ihrer Unterstützungsangebote. Insbesondere die Schnittstelle zwischen Klinik und Wohnheim bedarf einer qualifizierten und regional ausgerichteten Optimierung
Unabhängiges Wohnen mit Unterstützung – Forschungsstand und Umsetzung in der Schweiz
Dirk Richter, Bern (Switzerland)
Details anzeigen
Autor:in:
Dirk Richter, Bern (Switzerland)
Nach mehreren Jahrzehnten der wissenschaftlichen Vernachlässigung erlebt die Wohnforschung im Kontext der psychiatrischen Versorgung aktuell einen Aufschwung. Diese Entwicklung wird vorangetrieben durch grosse internationale Forschungsprojekte wie die 'Housing First'-Programme in den USA und Kanada sowie durch politische Entwicklungen wie der UN-Behindertenrechtskonvention, die Menschen mit Wohnunterstützungsbedarf in der psychiatrischen Versorgung deutlich mehr Autonomie zuspricht, als dies bis anhin der Fall gewesen ist.
Das unabhängige Wohnen mit Unterstützung entwickelt sich in diesem Zusammenhang als die Wohnform, die von den meisten Personen mit Unterstützungsbedarf präferiert wird und zu der zunehmend auch wissenschaftliche Evidenz vorhanden ist. Der Beitrag berichtet über internationale Entwicklungen sowie über die Umsetzung von unterstützten Wohnformen in der Schweiz.