Mit der Jahrtausendwende sind wir im Zeitalter der digitalen Informationstechnologie angekommen, was substantielle Auswirkungen darauf hat, wie wir Daten sammeln, speichern, teilen und analysieren können. Die Handhabbarkeit größerer und komplexerer Datensätze eröffnet auch aufregende neue Möglichkeiten für die Forschung im Bereich der Altersepidemiologie. Es sind nationale und internationale Initiativen entstanden, die Alterskohortendaten von Längsschnittstudien auf Individualebene zusammenführen, also poolen und harmonisieren. So kann es gelingen, Forschungsfragen zu beantworten, die auf Ebene einzelner Studien unklar bleiben: zum Beispiel weil Fallzahlen zu gering sind. Insbesondere Fragen zu regionalen und Länderunterschieden oder ethnischen und kulturellen Differenzen können durch internationale Kollaborationen überhaupt erst realisiert werden. Multikohortenanalysen bieten eine Reihe von Vorteilen, sind aber auch mit Herausforderungen verbunden. Sie sind vor allem methodisch komplex und zeitaufwändig. Unser Symposium stellt aktuelle Forschungsarbeiten aus vier verschiedenen nationalen (AgeDifferent.de) und internationalen (COSMIC, IASLA, HRS/SHARE/SAGE) Kollaborationen vor und zeigt auf, welche neuen Erkenntnisse wir dadurch für kognitives Altern und Demenzerkrankungen noch gewinnen können. Dabei halten wir Stärken und Limitationen solcher gepoolter Analysen im Blick.
Zusammenhang zwischen Depression und späterem Demenzrisiko im Alter: Gibt es Geschlechtsunterschiede? Ergebnisse aus dem Verbundprojekt AgeDifferent.de
Kathrin Heser, Bonn (Germany)
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Kathrin Heser, Bonn (Germany)
Ein Zusammenhang zwischen depressiven Symptomen und einem erhöhten späteren Demenzrisiko wurde vielfach gefunden. Geschlechtsspezifische Zusammenhänge sind bisher jedoch nur selten untersucht worden. Das Ziel ist es daher, Zusammenhänge zwischen depressiven Symptomen und dem späteren Demenzrisiko bei Männern und Frauen zu untersuchen.
Längsschnittliche Analysen wurden in einem gepoolten Datensatz (n = 4255, M = 80 Jahre) zweier prospektiver Kohortenstudien (LEILA 75+ und AgeCoDe Studie) durchgeführt. Daten zu depressiven Symptomen zweier Depressions-Screening-Skalen wurden harmonisiert. Die Dauer bis zur Entwicklung einer Demenzdiagnose wurde in Cox Regressionsanalysen als Zielvariable verwendet.
Depressive Symptome zur Baseline waren mit einem erhöhten späteren Demenzrisiko assoziiert. Geschlechts-stratifizierte Analysen zeigten stärkere und signifikante Zusammenhänge zwischen depressiven Symptomen und späterer Demenz bei Männern (kontrolliert für Studie, Alter und Bildung sowie unter zusätzlicher Berücksichtigung subjektiver und objektiver Kognition).
Insgesamt fanden wir Hinweise auf einen stärkeren Zusammenhang zwischen depressiven Symptomen und Demenz bei Männern. Depressive Symptome bei Älteren sollten um ihrer selbst willen und auch mit Blick auf das spätere Demenzrisiko, insbesondere bei älteren Männern, diagnostiziert, nachverfolgt und behandelt werden.
Subjektiver kognitiver Abbau bei präklinischer Alzheimer-Demenz in internationalen Kohortenstudien: Ergebnisse aus der COSMIC Collaboration
Susanne Röhr, Leipzig (Germany)
Der Effekt von APOE-e4 im Verlauf der Alzheimer-Erkrankung: eine Multikohortenanalyse im Rahmen des IALSA-Netzwerks
Luca Kleineidam, Bonn (Germany)
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Luca Kleineidam, Bonn (Germany)
Das ε4 Allel des Apolipoprotein E (APOE) Gens ist der stärkste genetische Risikofaktor der Alzheimer Demenz (AD). Bisherige Querschnittstudien legen nahe, dass sich dessen Einfluss im hohen Lebensalter abschwächt. Durch die selektive Untersuchung von Probanden, die bis zu einem gewissen Alter überlebt haben, könnten diese Studien jedoch verfälscht sein (survival bias). Aus diesem Grund, wurden der Effekt des APOE-ε4 Allels auf das Risiko zur Entwicklung einer leichten kognitiven Störung (engl. MCI) oder Demenz in zwei Längsschnittkohorten (AgeCoDe Studie (n=3000), Einstein Aging study (n=744); Alter >70 Jahre) mittels Multi-State-Models untersucht. Multi-State-Models berücksichtigen das Versterben der Probanden (competing risk). In beiden Kohorten zeigte sich eine Erhöhung des Risikos, eine Demenz oder ein MCI zu entwickeln. Während der Effekt des APOE-ε4 Allels auf die Entwicklung von MCI in allen Altersgruppen konstant blieb, zeigte sich im Gegensatz dazu mit steigendem Alter eine Verstärkung des Effekts des APOE-ε4 Allels auf den Übergang von MCI zu einer Demenz.
Um die ätiologische Grundlage dieser Beobachtung zu untersuchen, wurde der Effekt des APOE-ε4 Allels auf Biomarker der Alzheimer Erkrankung im Liquor von 1045 Patienten mit MCI oder einer Demenz analysiert. Hierbei zeigte sich keine Altersabhängigkeit des Effekts von APOE-ε4 auf einen Marker der Amyloid-Pathologie (Abeta1-42). Eine erhöhte Amyloid-Pathologie war jedoch mit erhöhten Markern der Tau-Pathologie (pTau181) assoziiert. Bei Vorliegen von APOE-ε4 war zudem nur eine geringere Ausprägung der Amyloid-Pathologie nötig, um diese Erhöhung hervorzurufen. Dieser Effekt verstärkte sich im Alter, sodass bei älteren APOE-ε4 Trägern noch geringere Mengen an Amyloid mit erhöhter Tau-Pathologie assoziiert waren.
Gemeinsam legen diese Befunde nahe, dass APOE-ε4 mit steigendem Alter die Progression der AD beschleunigt, möglicherweise durch veränderte neuroinflammatorische Prozesse.