Die Ableitung elektrophysiologischer Zeitreihen des Elektroenzephalogramms (EEGs) und Elektrokardiogramms (EKG) unter Ruhebedingungen ist erneut in den Fokus der Biomarker Forschung gerückt. Neben potentiellen Markern für psychiatrische Erkrankungen zeigt sich auch ein möglicher Nutzen zur Prädiktion des Behandlungserfolgs. Insbesondere mit Analysetechniken wie “Deep Learning” zeigt sich die Stärke dieser Zeitreihenanalyse. S. Olbrich gibt einen Überblick über den Stand der aktuellen elektrophysiologischen Biomarker-Forschung zur Prädiktion bei depressiven Störungen. Neueste Analysemethoden werden aufgezeigt, die unter Verwendung neuronaler Netze wertvolle Informationen zur Prädiktion liefern. U. Hegerl wird den EEG-basierten Algorithmus “Vigilance Algorithm Leipzig” vorstellen sowie seine Anwendung bei Depression und ADHS. Es kann gezeigt werden, dass (a) Depression mit Hypervigilanz und (b) ADHS mit einer instabilen Arousal-Regulation einhergehen. Zusätzlich bestehen Prädiktionsmöglichkeiten: eine Hypervigilanz bei Baseline sagt ein Ansprechen auf Antidepressiva, eine instabile Regulierung bei ADHS eine Response auf Psychostimulatoren voraus. M. Pawlowski zeigt, dass die Schlafforschung nicht nur auf zahlreiche elektrophysiologische Parameter zugreifen kann, sondern diese auch für die Erkennung der Depression mit hoher Effektstärke nutzen kann. Die Herzratenvariabilität (HRV) zeigt wesentliche Unterschiede vom unmedizierten zum mit Antidepressiva medizierten Zustand auf, der auch zwischen Respondern und Non-Respondern unterscheiden lässt. Schliesslich referiert T. Mikoteit über die Zusammenhänge zwischen Schlafstörungen und Hyperarousal. Die Diagnose Insomnie beruht ausschliesslich auf der subjektiven Wahrnehmung unzureichender Schlafqualität. Andererseits sind objektive Parameter bei der Insomnie oft unauffällig. Die HRV kann als objektive Schlafvariabel mit großer Effektstärke zwischen Insomnie und normalem Schlaf unterscheiden - passend zur Hyperarousaltheorie.
Hypervigilanz bei Depression und instabile Arousal-Regulation bei ADHS sagt Response unter Pharmakotherapie voraus
Ulrich Hegerl, Leipzig (Germany)
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Ulrich Hegerl, Leipzig (Germany)
The human brain can take over different global functional states not only during sleep (sleep stages, e.g. slow wave sleep, REM sleep) but also during wakefulness (arousal levels). Converging evidence indicates that in major depression (MD) an upregulated brain arousal and in ADHD an insufficient maintenance of high arousal levels play a pathogenetic role. The hyperactivity and sensation seeking observed in overtired children, ADHD and mania is interpreted as an autoregulatory attempt of the organism to stabilize brain arousal level by increasing external stimulation. Correspondingly the withdrawal and sensation avoidance in MD is interpreted as a reaction to a state with upregulated brain arousal (1). The EEG-based algorithm (Vigilance Algorithm Leipzig, VIGALL, free download http://www.uni-leipzig.de/~vigall/) allows to objectively assess the level as well as the regulation of brain arousal within a 15-minutes EEG recording under quiet rest. Further support for this concept is provided by the finding in a recent GEWA that the genetic variant most closely associated with upregulated brain arousal (assessed with VIGALL 2.1.) has also been found by others to be associated with depression (2). Recent studies indicate that an upregulated brain arousal at baseline in major depression predicts response to antidepressants (3) and an unstable brain arousal regulation in ADHD that to psychostimulants. Unstudied up to now is the question whether an upregulated arousal also predicts antidepressant response to ketamine or esketamine.
Schlaf-basierte Biomarker der Depression und Vorhersage der Response unter Antidepressiva
Marcel Zeising, Ingolstadt (Germany)
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Marcel Zeising, Ingolstadt (Germany)
Most antidepressants lead to a decrease in heart rate variability (HRV), an increase in subjective sleep quality and a suppression of rapid eye movement (REM) sleep. We hypothesized that changes in these variables, from unmedicated to medicated state, predict the reduction in depressive symptoms.
A retrospective study was conducted with 29 patients (16 females, mean age = 31.76 ± SD = 10.80). Before and after one week of antidepressant treatment, classical sleep parameters, subjective sleep quality and the HRV of N2, N3 and REM sleep were assessed. Depressive symptoms were measured at baseline, after one and four weeks of therapy.
Overall, HRV decreased from unmedicated to medicated state. Furthermore, a multiple linear regression revealed that an increase in REM latency and a decrease in Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) as well as the relative power of very low frequency band in REM sleep (REM VLFrel) from unmedicated to medicated state significantly predicted the improvement in symptoms after four weeks. The interaction of REM VLFrel with the PSQI was associated with a decrease in symptoms, as well.
In summary, our findings indicate that measuring the HRV during sleep, in particular REM sleep has a great potential for the prediction of treatment outcome, especially in interaction with the subjective sleep quality.
Herzratenvariabilität als objektive Schlafvariable differenziert zwischen Insomnie und subjektiv normalem Schlaf
Thorsten Mikoteit, Solothurn (Switzerland)
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Thorsten Mikoteit, Solothurn (Switzerland)
Einführung:
Bei der Insomnie stehen sehr oft die subjektiv wahrgenommenen Schlafstörungen im Widerspruch zu relativ normalen objektiven Schlafkontinuitätsmassen. Die Frage ist, wie sich die Insomnie besser objektivieren liesse. Ausgehend von der Hyperarousal-Theorie der Insomnie war das Ziel dieser Studie zu untersuchen, ob anhand der Herzratenvariabilität (HRV), einem Korrelat der Aktivität des autonomen Nervensystems, Insomnie von normalem Schlaf zu unterscheiden ist. Da die HRV je nach Schlaf-EEG-Stadium sehr unterschiedlich ist, wurde sie nach diesen differenziert untersucht.
Methode:
Zweiunddreissig Erwachsene mit einer Insomnie nach DSM-IV (Insomnie Gruppe, IG) wurden mit neunzehn gesunden, alters- und geschlechtskontrollierten Probanden ohne Schlafprobleme (Kontrollgruppe, KG) verglichen. Der Schlaf wurde subjektiv mit dem Insomnia Severity Index (ISI) und objektiv mit einer Polysomnographie (PSG) erfasst. Die HRV wurde aus den PSG in artefakt- und arousalfreien, fünfminütigen EKG-Segmenten von jeweils reinem Non-REM-N2, Non-REM-N3 und REM-Schlaf ermittelt.
Ergebnisse:
Die IG unterschied sich von der KG hinsichtlich des ISI-Scores (p < .001, g = 4.73 [L]). Es bestand allerdings kein Gruppenunterschied bei den objektiven Schlaf EEG-Kontinuitätsparametern, wie Einschlaflatenz, Schlafeffizienz, Gesamtschlafzeit oder Wachdauer nach Schlafbeginn. Die Insomnie war mit vermindertem REM-Schlaf verbunden (p = .024, g = .71 [M]). Die HRV Frequenz-Power im frühen Non-REM-N2 Schlaf unterschied zwischen den Gruppen signifikant, wobei für die IG eine höhere VLF-Power und eine niedrigere HF-Power typisch war (VLF-HF-Quotienten, p = .01, g = .80 [L]).
Diskussion/ Zusammenfassung:
Unsere Ergebnisse passen zur Hyperarousal-Hypothese der Insomnie; das Muster der HRV-Befunde spricht für eine relativ verminderte vagale Aktivität. Die Schlafstadien bezogene HRV kann die Insomnie besser objektivieren als die Schlafkontinuitätsmasse.