Digitale Technologien haben in allen Lebensbereichen Einzug gehalten und finden auch in Psychiatrie und Psychotherapie zunehmend Nutzung. Das Symposium zeigt die heutige Anwendung, die zukünftigen Möglichkeiten, ihre Grenzen und ihre Risiken auf. Hierbei spannt es den Bogen von der Diagnostik und Befunderhebung (B. Ochs) über Smartphone-gestütztes Monitoring und Selbsthilfe (M. Goering) und professionelle Therapie (P. Schäfer) zur direkten Interaktion von Gehirn und Maschine (S. Soekadar). Jeweils soll der Blick von der Gegenwart auf die kommenden zehn Jahre geworfen werden.
Der psychiatrische Befundomat ist ein aus der täglichen psychiatrischen Praxis heraus entwickeltes, frei zugängliches Online-Programm zur voll automatisierten Erstellung eines hoch-differenzierten psychopathologischen Befundes. Eine Evaluationsstudie mit Vergleich zu konventionell erstellten psychopathologischen Befunden wird von B. Ochs präsentiert. Auf den mit Abstand größten Anwender-Datensatz kann die von M. Goering entwickelte Smartphone-App Moodpath zurückgreifen (> 1 Mio. Downloads). Er wird die Studienergebnisse seiner Forschungskooperationen (FU Berlin, Columbia University) vorstellen und über die Bedeutung von Personalisierung für die Wirksamkeit von e-Mental Health-Angeboten sprechen. Der Einsatz von virtueller Realität zur Behandlung von Angsterkrankungen ist viel versprechend, aber noch nicht in der ambulanten Versorgungspraxis angekommen. Die aktuellen technischen Entwicklungen neuester Simulationssysteme und deren Potenzial für die zukünftige Anwendung werden von P. Schäfer erläutert. S. Soekadar beleuchtet abschließend das enorme Potenzial von Gehirn-Computer-Schnittstellen in der Therapie psychischer Erkrankungen.
Befundomat.de ‒ ein Online-Programm zur vollautomatischen Erstellung des psychopathologischen Befundes
Benjamin Ochs, Berlin (Germany)
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Benjamin Ochs, Berlin (Germany)
Die Erhebung und Dokumentation des psychopathologischen Befundes stellt hohe Ansprüche an die Untersuchenden. Für einen aussagekräftigen Befund gilt es, ein hohes sprachliches Niveau aufrecht zu erhalten.
Bei der täglichen klinischen Arbeit unter Zeitdruck behelfen sich gerade Krankenhausärztinnen und -ärzte mit unterschiedlichen Methoden: So werden Textblöcke mit Normalbefunden kopiert, mühsam einzeln modifiziert und nicht immer auf Fehler gegengelesen. Krankenhausinformationssysteme bieten mitunter nur rudimentäre Textbausteine und sind nicht für eine komfortable Befunderstellung optimiert. Spracherkennungssysteme oder Schreibkräfte sind nicht zu jeder Zeit und überall verfügbar.
Benjamin Ochs (Arzt in Weiterbildung) stellt Befundomat.de vor, eine Internetseite, die er selbst designt und programmiert hat. Der Befundomat vereint die Vorteile einer Textbausteinsammlung, Untersuchungscheckliste und eines Lexikons in einem einzigen Programm. Komfortabel kann entweder schnell ein Normalbefund oder aus hunderten von Textbausteinen ein passgenauer Befund erstellt werden. Klobige Formulierungen werden von einem Umformulierungsalgorithmus zu einem elegant klingenden Befund umgewandelt. Eine Lexikonfunktion ermöglicht bereits während der Befunderstellung das Nachschlagen der Definition und Bedeutung eines Symptoms. Die Befunderstellung erfolgt lokal im Browser des Benutzers und es werden keine Befunddaten an den Server übermittelt. Mit ca. 5.000 Besuchern pro Monat erfreut sich das kostenfrei nutzbare Internetportal (https://befundomat.de) stetig steigender Beliebtheit.
Eine Evaluationsstudie mit Vergleich zu konventionell erstellten psychopathologischen Befunden wird präsentiert. Die mit einer Befundomat-Version erstellten Befunde wiesen signifikant überlegene Bewertungen bei Vollständigkeit und Differenziertheit auf.
Der Vortrag endet mit einem Ausblick auf die geplanten Entwicklungsschritte, insbesondere die Möglichkeiten einer Integration multimedialer Inhalte.
Virtual Reality Exposure Therapy auf dem Vormarsch in die ambulante Praxis? Innovationstransfer in die Anwendung
Philip Schäfer, Heilbronn (Germany)
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Philip Schäfer, Heilbronn (Germany)
Mittels moderner Technik erzeugen Virtual Reality-Systeme für Benutzer die Illusion, sich in einer computergenerierten Welt zu befinden. Ihr Denken und Handeln richtet sich während der Exposition auf Ereignisse in der Simulation. Die Wirksamkeit der Konfrontationstherapie in virtueller Realität (VRET) gilt bereits als belegt. Durch die rasante technische Entwicklung der letzten Jahre wurden Virtual Reality-Komponenten zunehmend erschwinglicher und die VRET als Behandlungsmethode auch für niedergelassene Psychotherapeuten immer attraktiver. Jedoch ist VRET für die Behandlung von Angststörungen in Deutschland noch nicht verfügbar. Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt EVElyn (FKZ: 13GW0169) wird das Ziel verfolgt, ein effizientes VR-Therapiesystem für die ambulanten Praxis zu entwickeln. Dabei werden die Bedürfnisse von Patienten und Therapeuten von Anfang an mit im Entwicklungsprozess berücksichtigt. Neben dem aktuellen Projektverlauf werden im Symposium System-Konzepte, technische und therapeutische Möglichkeiten sowie Herausforderungen der Konfrontationstherapie in virtueller Realität beleuchtet.