Raum:
Saal A1
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 05: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, F4
Topic 12: Epidemiologie, Risikofaktoren und krankheitsübergreifende Mechanismen
Topic 11: Notfallpsychiatrie und Suizidalität
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Das Symposium beschäftigt sich mit Risikofaktoren und Bewältigungsstrategien bei
psychischen Belastungen von Einsatzkräften.
Michael untersucht Risiko- und Schutzfaktoren für die psychische Gesundheit von Einsatzkräften. Sie stellt eine Studie an medizinischem Personal (n=223), Polizisten (n=257) und Feuerwehrleuten (n=100) vor. Kohärenzgefühl, Resilienz und interne Kontrollüberzeugung korrelierten negativ mit allgemeinen psychischen Belastungen, posttraumatischem Stress und Burnout. In allen Berufsgruppen zeigte sich Kohärenzgefühl als wichtigster gesundheitsförderlicher Faktor.
Arndt und Beerlage setzten sich mit arbeitsbezogenen Extremereignissen und Alltagsstress im Polizeidienst auseinander. Einsatzkräfte der Polizei sind im hohen Maße gefährdet, psychische Traumafolgestörungen zu entwickeln, und gehören zu den Risikogruppen für alltagsbezogene Fehlbeanspruchungsfolgen und Stressfolgeerkrankungen. Anhand einer Querschnittschnittstudie mit 3.655 Polizisten und einer Längsschnittuntersuchung mit einer Teilstichprobe von 637 Polizisten konnte der enge Zusammenhang zwischen Alltagsstress, traumatisierenden beruflichen Ereignissen und psychischen Folgen gezeigt werden.
Roberto Rojas stellt die Ergebnisse einer Studie zu psychischen Belastungen und Bewältigungsstrategien von DRK Rettungsdienstmitarbeitern (RDM) vor. In einer Stichprobe von 115 RDM konnte identifiziert werden, welche situativen Aspekte von Rettungseinsätzen mit hoher Wahrscheinlichkeit als traumatisierend erlebt werden. Bei RDM mit stärkeren Belastungssymptomen fanden sich Tendenzen zur verstärkten Nutzung der Emotionsregulationsstrategien Grübeln, Unterdrücken von Gefühlen und Vermeiden von Gedanken sowie eine Tendenz zu weniger emotionaler Akzeptanz und ein geringerer Kohärenzsinn. Darüber hinaus könnten RDM, die Missbrauch und Vernachlässigung in ihrer Kindheit erlebten, wesentlich anfälliger für die Belastungen der Rettungstätigkeit sein.
Wesemann et al. berichten über Katamnese-Untersuchungen von Einsatzkräften nach einem Terroranschlag. An zwei Messzeitpunkten evaluierte das Psychotraumazentrum der Bundeswehr Einsatzkräfte der Feuerwehr, Polizei und zivilen Hilfsorganisationen 3-4 Monate nach einem terroristischen Anschlag und 15-18 Monate nach der ersten Erhebung. Erfasst wurden Stress, Lebensqualität und aktuelle Befindlichkeit. Es werden Prävention- und Nachsorgemaßnahmen diskutiert.
Psychische Gesundheit von Einsatzkräften: Welche Risiko- und Schutzfaktoren gibt es?
Tanja Michael, Saarbrücken (Germany)
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Autor:in:
Tanja Michael, Saarbrücken (Germany)
Tätige der Feuerwehr, Polizei und medizinisches Personal sind während ihrer Arbeit vielfältigen Stressoren ausgesetzt, u.a. traumatischen Ereignissen. Als Folge leiden sie stärker an Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und weiteren psychischen Störungen. Allerdings bewahrt sich die Mehrzahl der Angehörigen dieser Berufsgruppen ihre psychische Gesundheit. Bisherige Forschung weist darauf hin, dass insbesondere ein hohes Kohärenzerleben, internale Kontrollüberzeugungen und eine hohe Trait-Resilienz mit psychischer Gesundheit korreliert sind. Obwohl sich diese Konzepte z.T. überlappen sind sie bislang noch nicht gemeinsam untersucht worden und ihr originärer Beitrag ist unklar. Ziel dieser Studie ist, diese Konzepte gemeinsam in den genannten Risikogruppen zu erforschen und ihre relative Wichtigkeit zu bestimmen. Es nahmen insgesamt 580 Personen teil (medizin. Personal = 223, Polizisten = 257, Feuerwehrleute = 100). Die Ergebnisse zeigen, dass 56% der Varianz bezüglich allgemeiner Symptombelastung und 27% der Varianz von den PTBS Symptomen durch diese Konzepte erklärt werden, wobei Kohärenzerleben der wichtigste Einzelprädiktor ist. Ein Modellvergleich zeigt, dass es keine Gruppenunterschiede bei der allgemeinen Symptombelastung gibt. Bezüglich der PTBS-Symptome bleibt Kohärenzerleben der wichtigste Einzelprädiktor. Allerdings gibt es einen signifikanten Gruppenunterschied in Hinblick auf die externale Kontrollüberzeugung, die ein wichtigerer Prädiktor für Polizisten als für Feuerwehrleute und medizinisches Personal ist. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Kohärenzerleben als einem besonders wichtigen Faktor zum Erhalt von psychischer Gesundheit.
Arbeitsbezogene Extremereignisse und extremer Alltagsstress im Polizeidienst – langfristige Zusammenhänge und integrierte Handlungsnotwendigkeiten
Dagmar Arndt, Magdeburg (Germany)
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Autor:in:
Dagmar Arndt, Magdeburg (Germany)
Einsatzkräfte aus Landes- und Bundespolizei zählen aufgrund ihres spezifischen Anforderungsprofils einerseits zu den Risikogruppen für die Konfrontation mit Grenzsituationen bzw. potenziell traumatisierenden Ereignissen und damit für die Ausbildung psychischer Traumafolgestörungen (PTBS, Depression, u.a.); andererseits zählen sie auch zu den Risikogruppen von alltagsbezogenen Stressfolgen (z.B. Burnout) und Stressfolgeerkrankungen. Bislang werden die jeweiligen Belastungen weitgehend in getrennten Kontexten voneinander diskutiert und die Belastungsfolgen noch in getrennter Verantwortung von psychosozialen Angeboten der Einsatzvorbereitung und -nachsorge einerseits und dem betrieblichen Gesundheitsmanagement andererseits bearbeitet. Auf der Basis einer bundesweiten Querschnittschnittstudie an N= 3.655 und einer Längsschnitt-Teilstichprobe von N= 637 Polizeibeamtinnen und -beamten im Auftrag des Bundesministeriums des Innern kann gezeigt werden, dass die empirischen Zusammenhänge zwischen Alltagsstress, potenziell traumatisierenden beruflichen Ereignissen und psychischen Folgen weit enger sind. Es wird die Notwendigkeit der Integration der Strategien in einem umfassenden psychosozialen Ansatz der Prävention und Gesundheitsförderung begründet.
Kritische Einsatzereignisse, psychische Belastungen und Bewältigungsstrategien bei Rettungsdienstmitarbeitern
Roberto Rojas, Ulm (Germany)
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Autor:in:
Roberto Rojas, Ulm (Germany)
Hintergrund: Rettungsdienstmitarbeiter (RDM) sind regelmäßig und unmittelbar mit Schmerz, Leid, Verzweiflung und Tod konfrontiert und haben daher ein hohes Risiko für psychische und psychosomatische Belastungssymptome.
Methode: In einer querschnittlichen Mitarbeiterbefragung wurden Daten von N = 115 RDM (36% aller Beschäftigten) einer regionalen DRK-Rettungsdienstgesellschaft erhoben. Mithilfe von Regressionsmodellen wurden Zusammenhänge zwischen privaten und beruflichen Stressoren sowie Bewältigungsstrategien und Persönlichkeitseigenschaften mit der psychischen und körperlichen Gesundheit der RDM untersucht.
Ergebnisse: Unter Anwendung der Checkliste RESQ konnten situative Aspekte von Rettungseinsätzen identifiziert werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit als traumatisierend erlebt werden. RDM, die Missbrauch und Vernachlässigung in ihrer Kindheit erlebt haben, zeigten wesentlich stärkere Belastungssymptome bei gleicher beruflicher Stressbelastung. Die Nutzung der Emotionsregulationsstrategien Grübeln, Unterdrücken von Gefühlen und Vermeiden von Gedanken sowie die Tendenz zu weniger emotionaler Akzeptanz gingen mit mehr subjektivem beruflichem Stress und stärkerer Belastungssymptomatik einher. RDM mit höherem Kohärenzsinn und insbesondere einer stärkeren Manageability-Überzeugung wiesen weniger Belastungssymptomatik auf. Die Kortisolkonzentration im Haar der RDM korrelierte mit ihrer quantitativen Arbeitsbelastung.
Schlussfolgerung: Mit der Identifikation potentieller Schutz- und Risikofaktoren für die Gesundheit von RDM liefert das Projekt Ansatzpunkte für die gesundheitsförderliche, innerbetriebliche Präventionsarbeit.
Katamnese-Untersuchung von Einsatzkräften nach einem terroristisch bedingten Großschadensereignis
Ulrich Wesemann, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Ulrich Wesemann, Berlin (Germany)
Hintergrund: Auch aufgrund der Gefahr von Terroranschlägen und Amokläufen sind angepasste Einsatzvor- und Nachbereitungen für Einsatzkräfte wichtig. Voraussetzung dafür ist die Erfassung der berufs- und geschlechtsspezifischen Belastungen. In einer explorativen Pilotstudie wurden deshalb die Auswirkungen des Terroranschlags in Berlin auf die Einsatzkräfte untersucht. Diese Studie prüft, ob sich die Ergebnisse replizieren lassen und welchen Verlauf es über zwei Jahre gibt.
Methode: Alle am Terroranschlag in Berlin Breitscheidplatz 2016 eingerückten Einsatzkräfte konnten freiwillig an der Studie teilnehmen. Aus den gleichen Einheiten wurden Einsatzkräfte als Kontrollgruppe eingeschlossen. 3-4 Monate nach dem Anschlag und 18-21 Monate nach der ersten Erhebung wurden Stress (PHQ), Lebensqualität (WHOQOL-Bref) und aktuelle psychische Befindlichkeit (BSI) erfasst.
Ergebnisse: Weibliche Einsatzkräfte reagierten auf den Terroranschlag mit mehr Misstrauen und Stress. Die Zugehörigkeit zur Polizei der exponierten Kräfte hatte zu beiden Zeitpunkten einen signifikanten Einfluss auf höhere Aggression und Feindseligkeit, die Zugehörigkeit zur Feuerwehr hatte zu beiden Messzeitpunkten einen signifikanten Einfluss auf geringere umweltbezogener Lebensqualität.
Schlussfolgerung: Aufgrund der unterschiedlichen Belastungen der Einsatzkräfte, ist eine differenziertere Auseinandersetzung sinnvoll. Spezifischere Einsatzvor- und Nachbereitungen erscheinen notwendig, um den anhaltenden Belastungen entgegenzuwirken. Ein laufendes Forschungsprojekt differenziert dafür Geschlechts- und Berufsgruppenunterschiede weiter nach Ereignistypen.
Schlüsselwörter: Terroranschlag, psychische Gesundheit, Einsatzkräfte, Arbeit, Feindseligkeit