In der Session sollen vier theoretische und anwendungsorientierte Beiträge referiert werden. Sie sind single- case studies. Es wird – je nach Möglichkeit – eine zufallskritische Überprüfung der jeweiligen Effekte angestrebt.
Der erste Beitrag heißt „Eine sprachanalytische Perspektive Integration des Identitätskonzeptes in die Verhaltenstherapie“. Er beinhaltet sprach- und contentanalytische Merkmale bei der Analyse autobiographischer Erinnerungen und bei der Analyse des therapeutischen Dialoges.
Der zweite Beitrag ist ein case – Report. Er heißt „autobiographische Entscheidungskonflikte“. Er ist eine theoriegeleitete therapeutische Anwendung linguistischer Merkmale, um intraindividuelle und interindividuelle Inkonsistenzen zu erkennen und in Prioritäten überzuführen.
Der dritte Beitrag ist ein case – Report. Er heißt „Merkmale der Kohärenz vs. Inkohärenz der Identität“. Er ist eine Protokollanalyse über therapeutische Gespräche und intendiert die Erkennung intraindividueller und interindividueller Diskrepanzen und deren Oszillationen.
Der vierte Beitrag ist eine single-Case study. Der Beitrag heißt „Neurofeedback und sprachliche Attribute der Kohärenz“. Er verdeutlicht die Wechselwirkung von sprachlichen Merkmalen und EEG-Merkmalen bei zwei Personen mit einer Negativsymptomatik der Schizophrenie.
Eine sprachanalytische Perspektive zur Integration des Identitätskonzepts in die Verhaltenstherapie
Birgit Schwaighofer, Niederalm (Austria)
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Autor:in:
Birgit Schwaighofer, Niederalm (Austria)
Dieser Beitrag bildet den theoretischen Rahmen für die nachfolgenden Beiträge. Er beinhaltet sprach- und inhaltsanalytische Merkmale, die für autobiographischer Erinnerungen, Denkvorgänge und die Analyse von Dialogen relevant sind:
• Kohärenz (Omanson)
• Spezifität und Konkretheit (Semin)
• Abstraktion und Generalisierung (Williams)
• Positive und negative Valenz
Die Identität ist eine Sequenz autobiographischer Erinnerungen. Das Gedächtnismodell von Conway unterscheidet
• ein strukturelles System als Trägerfunktion des autobiographisch fundierten Wissens und
• ein prozedurales System als Grundlage des rekursiven Erinnerns an autobiographische Episoden.
Die Kommunikation zwischen beiden Systemen fundiert die Identität. Sie operieren auf der Grundlage sprachlicher Charakteristiken. Das strukturelle System arbeitet auf der Basis der Konkretheit resp. Abstraktion; das prozedurale System auf der Basis der Valenz der Inhalte.
1. Während des autobiographischen Erinnerns – so Nigro & Neisser –wird auch eine erste bzw. dritte Peron Perspektive aktiviert; je nachdem ob man die Ereignisse aus der eigenen oder aus der Perspektive einer anderen Person sieht.
2. Depressive Zustände sind durch die Verwendung genereller Begriffe gekennzeichnet.
3. Die Negativsymptomatik der Schizophrenie ist durch Inkohärenz episodischer Inhalte gekennzeichnet.
Die Analysen der Kasuistiken gründen sich auf die Spezifität und Konkretheit und der Kohärenz. Gezeigt werden Erkundungen über eine sprachanalytische Operationalisierbarkeit der Identität, mit folgenden Fragestellungen.
a. Wie konkret oder generell werden balancierte und konsistente resp. widersprüchliche Ereignisse erinnert?
b. Betrachtet man diese aus der eigenen oder aus einer externen Perspektive?
Autobiographische Entscheidungskonflikte
Cornelia Draxler, Salzburg (Austria)
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Autor:in:
Cornelia Draxler, Salzburg (Austria)
„Autobiographische Entscheidungskonflikte“ ist ein case-report.
Dem Patienten, dem es über Jahre nicht möglich war, sich für eine Ausbildung zu entscheiden, wurde durch die Anwendung linguistischer Merkmale als therapeutische Intervention geholfen zu erkennen, wo intraindividuelle und interindividuelle Inkonsistenzen bestehen und wie diese in Prioritäten überzuführen wären.
Grundlage sind Konzepte der Identität von Higgins u. Kuhl. Folgende Fragestellungen waren zentral:
• Lässt sich mit der linguistischen Bezugnahme auf diese Konzepte eine stabile und in das Selbst integrierte berufliche Entscheidung finden?
• Lässt sich die Unentschiedenheit auf Diskrepanzen zwischen dem Real-Selbst (Selbsteinschätzung), dem Ideal-Selbst (eigene Anspruchshaltung) und der Erwartung der Bezugspersonen zurückführen?
Dem liegen die Annahmen zugrunde, (1), dass eine Biographie eine permanente Sequenz von Entscheidungen ist, die sich (2) dann als stabil erweisen werden, wenn das reale und das ideale Konzept konsistent sind.
Der therapeutische Prozess gründet sich auf einen konkret formulierten sprachlichen Leitfaden. Darin werden
a. die Erkennung des intraindividuellen und interindividuellen Konfliktes
b. die Entscheidung für eine Alternative und
c. die Stabilisierung der Entscheidung angestrebt.
d. Zudem wird die Reflexion bisheriger interindividueller und intraindividueller autobiographischer Konflikte angestrebt.
Die statistische Einzelfallanalyse gründet auf den Vergleich folgender Instrumente:
• Inkongruenz– Fragebogen
• Fragebogens zur Lebensqualität
• Resilienz-Skala vor und nach der Therapie
• Polaritäten-Profil (Plessen, 1982)
• Ziel-Erreichungs-Skala
Die Therapie wurde vom Pat. mit einem PR=83% als überdurchschnittlich erfolgreich eingestuft.
In der Analyse seiner Selbsteinschätzungen zeigte sich seine Problemperspektive einerseits und seine Bewältigungsperspektive andererseits. Der Pat. wählte einen sozialen Beruf. Diese Entscheidung hatte stabile Gültigkeit.
Merkmale der Kohärenz vs. Inkohärenz der Identität
Max Leibetseder, Salzburg (Austria)
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Max Leibetseder, Salzburg (Austria)
Der dritte Beitrag (Damisch & Leibetseder) - „Merkmale der Kohärenz vs. Inkohärenz der Identität“ analysiert Gesprächssequenzen. Er berücksichtigt eine Person-Perspektive (Nigro & Neisser), Merkmale des Selbstkonzeptes (Higgins) und sprachliche Merkmale (Semin)
Unterschieden werden eine 1.-Person-Perspektive (1.PP) und eine 3.-Person-Perspektive (3.PP). In der 1.PP erinnert man sich unmittelbar an ein Geschehen, in welchem man selbst agierte. In der 3.PP erinnert man sich zugleich auch an sich selbst als agierende Person. Innerhalb des Selbstkonzeptes werden ein reales, ein ideales und ein sozial erwünschtes Ich identifiziert. Die Wortklassen werden bzgl. ihrer Abstraktheit und den ihnen immanenten kognitiven und emotionalen Merkmalen differenziert.
Diese Studie exploriert Interdependenzen zwischen den Person-Perspektiven, Aspekten des Selbstkonzeptes und Wortklassen. Diskrepanzen innerhalb der Aspekte des Selbstkonzeptes bei gleichzeitiger 3.PP könnten einer Depersonalisation zugrunde liegen. Diskrepanzen sind inkomplette Muster zwischen dem realen, idealen und sozial erwünschten Ich.
Während der Lektüre ihrer Protokollsätze eines therapeutischen Dialoges beurteilte eine Patientin ihre Personen-Perspektive und die Korrespondenz mit dem realen, idealen und sozial erwünschten Ich.
Kriteriumsvariablen waren die Auftretenswahrscheinlichkeiten der 1.- bzw. 3.PP; Prädiktoren waren die Muster aus realen, idealen und sozial erwünschten Kategorien, definiert als Wahrscheinlichkeiten des gemeinsamen Auftretens. Die Regression zwischen der 1.PP und den Mustern des Selbstkonzeptes (R=.519; F=3,592; p=.014) wurde signifikant.
Signifikante Regressionen zeigten sich zwischen der 1.PP (R=.567; F=3,006; p=.017) bzw. 3.PP (R=.623; F=4,023; p=.003) und den Wortklassen. Die kanonischen Korrelationen zwischen den expliziten Selbstbeurteilungen der Identitätsaspekte und den impliziten semantischen Merkmalen waren in der 3.PP (WilksLambda=.374; F=1.62; p=.046) signifikant.
Neurofeedback und sprachliche Attribute der Kohärenz
Max Leibetseder, Salzburg (Austria)
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Autor:in:
Max Leibetseder, Salzburg (Austria)
Der vierte Beitrag „Neurofeedback und sprachliche Attribute der Kohärenz“ (Pazooki, Leibetseder, Gruber) ist eine single-Case study. Er verdeutlicht die Wechselwirkung von sprachlichen Merkmalen und EEG-Merkmalen bei zwei Personen mit einer Negativsymptomatik der Schizophrenie.
Am Ende einer jeden Neurofeedback Sitzung wurden die beiden Personen um eine 5–minütige Sprachstichprobe ersucht.
Zu den EEG- Merkmalen zählen:
• Mean α
• Mean β
• Mean θ
• Mean SMR
• Mean EMG.
Sprachliche Kohärenz wurde in Anlehnung an das Konzept von Omanson operationalisiert. Zu den sprachlichen Merkmalen zählen in Anlehnung an Omanson (…) Kohärenz oder Zentralität, konditionale Unterstützung und die Inkohärenz stiftenden Distraktoren.
• Kohärenz wurde als intentionsgeleitetes Verhalten der Hauptperson in der Sprachstichprobe definiert oder
• durch Sätze mit einer konditionalen Unterstützung der Hauptperson
• Inkohärenz wurde durch die Identifizierung von Distraktoren erfasst. Distraktoren wurden durch jene Sätze definiert, die keine Relation zur Hauptperson beinhalten.
In den Kreuzkorrelationen ließ sich eine Interdependenz zwischen linguistischen Kohärenzmerkmalen und EEG - Parametern zeigen. Bei einer der beiden Personen wurden Kohärenzmerkmale durch vorausgehende (Lag 3) Hyperarousal – Merkmale im EEG (Mean β) begünstigt (r=.534) und ihrerseits später (Lag -3) durch diese sprachlichen Merkmale vermindert (r=-.771) und damit herabreguliert. Bei der anderen Person zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang (Lag 0) zwischen sedierenden EEG- Merkmalen (Mean θ) und linguistischen Kohärenzmerkmalen (r=487). Diese Strategie wurde als Adaptation interpretiert; die erste Strategie wurde als Habituation interpretiert.