Autor:innen:
Marcel Sieberer, Wunstorf (Germany)
Xueqiong Bernegger, Kilchberg (Switzerland)
Fabienne Führmann, Wunstorf (Germany)
Waldemar Greil, Kilchberg (Switzerland)
Einführung: Routinedaten zu ambulanten Arzneimittelverordnungen sprechen dafür, dass Frauen zwei- bis dreimal häufiger Antidepressiva, Tranquilizer und Schlafmittel erhalten als Männer. In dieser Studie sollten bei Patienten mit Depression die Geschlechterunterschiede in den Verordnungen von Psychopharmaka untersucht werden.
Methode: Die Daten von 30.063 Patienten mit depressiver Störung in stationärer Behandlung wurden auf Geschlechterunterschiede der Psychopharmakotherapie analysiert. Die Studie basiert auf Stichtagsdaten des Projekts „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“ (AMSP), die über Arzneimittelverordnungen in mehr als 60 Psychiatrischen Kliniken (Zeitraum von 2001-2015) systematisch erhoben wurden.
Ergebnisse: Über 90% aller Patienten erhielten mindestens ein Antidepressivum. Monotherapie findet sich häufiger bei Männern (21,8% vs, 19,7%, p < 0.01), Polypharmazie (>3 Psychopharmaka) häufiger bei Frauen (24,7% vs. 23,5%, p < 0.01). Frauen erhalten öfter SSRI, trizyklische und pflanzliche Antidepressiva, Männer öfter NaSSA. Sedierende typische Antipsychotika (AP) werden häufiger bei Frauen, sedierende atypische AP häufiger bei Männern verordnet (p < 0.01).
Für die Gesamtgruppe der Patienten zeigt sich über die Zeit eine Abnahme der Verordnungen von Benzodiazepinen (38% vs. 24%) und Hypnotika, der Anteil der Frauen lag jeweils höher. Gleichzeitig nahmen Kombinationstherapien von Antidepressiva mit atypischen AP zu (25% vs. 35%). Der Anteil der Patienten mit SSRI, die zusätzlich AP erhielten, blieb über die Jahre hoch ( > 45%).
Schlussfolgerung: Frauen mit depressiven Störungen erhalten insgesamt geringfügig mehr Psychopharmaka, speziell sedierende niederpotente AP, Antidepressiva (außer NaSSA) und Benzodiazepine. Im Trend nimmt die Verordnungshäufigkeit von Benzodiazepinen und Hypnotika ab, die zusätzliche Verordnung von AP zu. QT-verlängernde Kombinationen (wie SSRI plus AP) werden auch nach den Warnungen durch Rote-Hand-Briefe 2012 häufig verordnet.