Neurophysiologie von impliziten Alkoholassoziationen bei Personen mit Alkoholkonsumstörungen
Raphaela M. Tschümperlin, Bern (Switzerland)
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Autor:innen:
Raphaela M. Tschümperlin, Bern (Switzerland)
Hallie M. Batschelet, Bern (Switzerland)
Franz Moggi, Bern (Switzerland)
Susanne Rösner, Ellikon an der Thur (Switzerland)
Anne Keller, Ellikon an der Thur (Switzerland)
Thomas König, Bern (Switzerland)
Leila Maria Soravia, Bern (Switzerland)
Maria Stein, Bern (Switzerland)
Hintergrund
Die erhöhte automatische Anreizwirkung auf Alkoholreize ist bedeutend für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Alkoholkonsumstörungen (AUD). Implizite Alkoholassoziationen sind ein Indikator dieser Anreizwirkung. Laut behavioralen Studien weisen sowohl Gesunde als auch Patient_innen mit AUD negative implizite Alkoholassoziationen auf, Patient_innen haben aber einen schwächeren negativen Bias. Studien zur Neurophysiologie bei Patient_innen mit einer AUD im Vergleich zu Gesunden ergänzen und erweitern bisherige Reaktionszeitanalysen.
Methoden
Die Hirnströme von 63 Patient_innen mit AUD und 21 Gesunden werden während der Durchführung eines Impliziten Assoziationstests (IAT) mit einem 64-Kanal-EEG abgeleitet. Darauf werden ereignisbezogene Potentiale (Alkohol-positiv und Alkohol-negativ) berechnet. Mittels Microstates werden quasi-stabile topografische Zustände von 0-1000ms nach Stimulus identifiziert. Innerhalb dieser wird analysiert, ob sich Patient_innen und Gesunde in der Verarbeitung positiver und negativer Alkoholzuordnungen unterscheiden.
Ergebnisse/Diskussion
Laut ersten Analysen weisen Patient_innen und Gesunde um 400ms nach Stimulus unterschiedliche Microstates mit divergenten zugrundeliegenden Netzwerken auf. Bei Patient_innen zeigen sich beim Vergleich der Alkohol-positiven mit den Alkohol-negativen ERPs eine signifikante Differenz in der Amplitude (meanGFP, p=0.002) sowie Trends in Dauer und Schwerpunkt. Gesunde unterscheiden sich nicht signifikant hinsichtlich der Alkohol-Valenz-Bedingung.
Schlussfolgerung
Anders als bei Gesunden wird bei Patient_innen in der Verarbeitung positiver Alkoholassoziationen rund 400ms nach Stimulus mehr Gehirnaktivität benötigt als bei negativen Zuordnungen. Bisherige Forschung verband höhere Amplituden in diesem Zeitfenster (N400) mit Mehraufwand in der semantischen Verarbeitung. So könnte bei Patient_innen während der Verarbeitung positiver Alkoholassoziationen höhere semantische Inkongruenz vorliegen.
Neurophysiologische Korrelate der Alkoholabhängigkeit: Kontextabhängige Cue Reaktivität – eine fMRI-Studie
Werner Fey, Bern (Switzerland)
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Autor:innen:
Werner Fey, Bern (Switzerland)
Frauke Conring, Bern (Switzerland)
Andrea Federspiel, Bern (Switzerland)
Franz Moggi, Bern (Switzerland)
Maria Stein, Bern (Switzerland)
Einleitung
Trotz Fortschritten in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit sind die Rückfallraten nach Klinikentlassung hoch. Da eine Rückkehr in die gewohnte Trinkumgebung häufig zu Rückfällen führt, wird die Untersuchung von Umgebungseinflüssen zunehmend als wichtig erachtet. Die Forschung zeigt vermehrt, dass kontextuelle Einflüsse, wie beispielsweise die Umgebung des häufigen Konsums wesentlichen Einfluss auf die Rückfallhäufigkeit haben. Das komplexe Zusammenspiel von Kontexteinflüssen und cue-induzierten neuronale Reaktionen soll in der aktuellen Studie systematisch untersucht werden.
Methode
13 alkoholabhängige Patienten (40 - 56 Jahre) und 13 Kontrollpersonen (29-58 Jahre) absolvierten innerhalb eines fMRT-Scanners jeweils zwei Durchgänge eines Cue-Reaktivitäts-Paradigmas, bei denen sie mit alkoholbezogenen und neutralen Stimuli konfrontiert wurden. Um die Kontextabhängigkeit von Cue-Reaktivität zu untersuchen, wurde unmittelbar zuvor im fMRT-Scanner eine neutrale und eine alkohol-bezogene Imaginationsübung durchgeführt. Mit allen Teilnehmern wurde zuerst eine 2 (Gruppe) x 2 (Imagination) x 2 (Stimulustyp) Varianzanalyse (ANOVA) durch durchgeführt. Anschliessend wurden die Gruppen separat untersucht und Post-hoc-Vergleiche (t-Tests) errechnet.
Ergebnis
Die 2 x 2 x 2 ANOVA ergab einen signifikanten Haupteffekte «Imagination» und einen signifikanten Interaktionseffekt «Imagination x Gruppe». Die signifikanten Effekte waren v.a. im Thalamus beidseits und im Nuclueus caudatus beidseits lokalisiert. Weiterführende Berechnungen (beta weights) ergaben, dass vor allem alkoholkranke Patienten nach alkoholbezogener Imagination eine erhöhte Aktierung in diesen Bereichen aufweisen.
Diskussion
Die Resultate der Untersuchung unterstützen die Wichtigkeit der kontextuellen Einflüsse bei der Verarbeitung von spezifischen alkoholbezogenen Stimuli. Erste Ergebnisse legen nahe, dass die zentrale neuronale Aktivierung in einem alkoholbezogenen Kontext bei Patienten stärker
Neurophysiologische Korrelate der Inhibitionskontrolle bei Patienten mit einer Alkoholkonsumstörung und der Einfluss des Schweregrades
Hallie M. Batschelet, Bern (Switzerland)
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Autor:innen:
Hallie M. Batschelet, Bern (Switzerland)
Raphaela M. Tschümperlin, Bern (Switzerland)
Franz Moggi, Bern (Switzerland)
Leila Maria Soravia, Bern (Switzerland)
Thomas König, Bern (Switzerland)
Susanne Rösner, Ellikon an der Thur (Switzerland)
Anne Keller, Ellikon an der Thur (Switzerland)
Maria Stein, Bern (Switzerland)
Einführung
Patienten mit Alkoholkonsumstörungen (AUD) haben eine verminderte Inhibitionskontrolle. Wird Elektroenzephalographie (EEG) während einer Go-NoGo-Aufgabe zur Messung der Inhibition abgeleitet, so wurden bei Patienten mit AUD Veränderungen bestimmter evozierter Potentiale (EP; z.B. N2- und P3-Komponenten) im Vergleich zu gesunden Kontrollen festgestellt. Ob der AUD Schweregrad mit Veränderungen in den neurophysiologischen Korrelaten der Inhibition einhergeht, ist noch nicht untersucht.
Methoden
Ein 64-Kanal-EEG wird von 60 AUD-Patienten sowie 20 gesunden Kontrollen abgeleitet, während diese eine Go-NoGo-Aufgabe mit alkoholbezogenen und neutralen Reizen durchführen. Dies ermöglicht den Vergleich der neurophysiologischen Aktivität in Bezug auf verschiedene Reaktionstypen (Go, NoGo) und verschiedene Stimuli (Alkohol, Neutral). Die Differenzkurven (NoGo-Go) verschiedener EPs werden allgemein und stimulusspezifisch berechnet. Die Stärke und Topografie dieser Differenkurven werden dann zwischen der Patienten- und Kontrollgruppe verglichen. Der Einfluss des Schweregrades auf Stärke und Topografie der Differenzkurven wird analysiert.
Ergebnisse
Vorläufige Resultate zeigten bereits Unterschiede zwischen Patienten mit AUD und gesunden Kontrollen. Diese Ergebnisse mit der Gesamtstichprobe sollen zeigen, ob diese Unterschiede nach wie vor bestehen. Zudem wird erstmalig untersucht, ob der Schweregrad der AUD einen Einfluss auf die neurophysiologische Verarbeitung der Inhibition hat.
Diskussion
Es wird vermutet, dass N2- und P3-EPs den Konflikt zwischen dem Impuls und der erforderlichen Inhibition (N2) und dem Aufwand für die Inhibition selbst (P3) widerspiegeln. Ob ein Unterschied in der neurophysiologischen Aktivierung zwischen Patienten und gesunden Kontrollpersonen repliziert werden kann, wird sich anhand dieser Analysen zeigen und wird im Kontext bestehender Forschung diskutiert. Der Einfluss des Schweregrades der AUD war bisher gänzlich unerforscht.
Das Two-Part-Modell zur Behandlung einer hohen Anzahl von Nullwerten bei longitudinalen stetigen Trinkdaten alkoholabhängiger Patienten
Iris Reinhard, Mannheim (Germany)
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Autor:innen:
Iris Reinhard, Mannheim (Germany)
Tagrid Leménager, Mannheim (Germany)
Karl Mann, Mannheim (Germany)
Falk Kiefer, Mannheim (Germany)
Sabine Hoffmann, Mannheim (Germany)
Einleitung:
Verschiedene stetige Maße zum Alkoholkonsum werden in Therapiestudien zur Alkoholabhängigkeit neben der Zeit bis zum ersten Rückfall häufig als begleitende Outcomekriterien analysiert. Ein methodisches Grundproblem bei der Auswertung solcher Studien ist die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Anteil von Patienten bei Outcomemaßen wie "Trinkmenge" oder "Blutalkoholkonzentration" Nullwerte aufweist. Die Verteilung der Outcomemaße weist also eine sogenannte "Klumpung" in der Null auf. Standard-Verfahren zur Auswertung solcher longitudinaler Daten wie das lineare gemischte Modell ignorieren aber diesen Fakt.
Methode:
Zur Untersuchung möglicher Einflussfaktoren auf longitudinale stetige Zielgrößen mit einer Klumpung in der Null bietet sich die Berechnung von Two-Part-Modellen an. Dabei wird eine 2-Stufen-Struktur zugrunde gelegt. Die 1. Stufe beinhaltet das Risiko für das Vorkommen eines positiven Outcomes (z.B. positive Trinkmenge ja/nein) und die 2. Stufe modelliert die Intensität für die Subgruppe von Patienten, die in der ersten Stufe mit „ja“ kodiert wurden. Dabei können simultan zwei Sets von Kovariaten/Faktoren zur Prädiktion auf den 2 Stufen geprüft werden. Die Daten dieser Untersuchung stammen aus der PREDICT-Studie (Mann & Leménager et al.: Results of a double-blind, placebo-controlled pharmacotherapy trial in alcoholism conducted in Germany and comparison with the US COMBINE study. Addict Biol. 2013 18(6): 937-46) und beinhalten alkoholabhängige Patienten (N=426), die nach stationärer Entgiftung in drei Behandlungsarme (Acamprosat, Naltrexon und Placebo) randomisiert und über maximal 18 Monate beobachtet wurden.
Ergebnisse und Schlussfolgerung:
Das vorgeschlagene 2-Stufen-Modell verbessert die Güte der Analysen von Daten mit einer Klumpung in der Null gegenüber Modellen, die diese Eigenschaft ignorieren und damit verzerrte Ergebnisse liefern. Einflussfaktoren können simultan, aber unterschiedlich für die beiden Stufen geprüft werden.
Der Einfluss von alkoholbezogenen Bildern auf die Reaktionszeit von alkoholabhängigen Patienten beim Attention Modulation by Salience Task (AMST)
Katharina Krug, Bad Endorf (Germany)
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Autor:innen:
Katharina Krug, Bad Endorf (Germany)
Louise Martens, Tübingen (Germany)
Marina Krylova, Tübingen (Germany)
Sabine Schneider, Tübingen (Germany)
Michaela Walcker, Tübingen (Germany)
Katrin von der Ehe, Tübingen (Germany)
Anil Batra, Tübingen (Germany)
Martin Walter, Tübingen (Germany)
Einleitung:
Gegenstand der Forschung war bisher, ob Reaktionszeiten alkoholabhängiger Probanden durch alkoholbezogene Wörter beeinflusst werden¹ ². Es wurde jedoch noch nicht untersucht, ob eine solche Beeinflussung auch durch alkoholbezogene Bilder auftritt. Dies soll daher mit dem Attention Modulation by Salience Task (AMST) erforscht werden³.
Methoden:
In der vorliegenden Studie werden die Daten von 30 alkoholabhängigen Patienten mit 30 gesunden Kontrollpersonen verglichen. Der AMST ist ein Reaktionszeitexperiment, das am Computer zu absolvieren ist. Dabei werden verschiedene Bilder in unterschiedlicher Reihenfolge gezeigt. Währenddessen sollen die Probanden so schnell wie möglich auf ab- bzw. aufsteigende Töne mit einem Mausklick (Rechts- bzw. Links-Klick) reagieren. Es sind folgende Bildkategorien vorhanden: hoch salient, niedrig salient, negativ und positiv emotional, sowie Alkohol-bezogen und neutral. Die Auswertung wird mit MATLAB durchgeführt.
Ergebnisse/Diskussion:
Endgültige Ergebnisse liegen aktuell noch nicht vor (Stand: Juni 2019). Aus den vorläufigen Ergebnissen vom November 2018 ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Reaktionszeiten der beiden Gruppen bezüglich alkoholbezogener Bilder (F(1,26) = 0,097; p = 0,758). Das lässt vermuten, dass sich die Reaktionszeit von Alkoholabhängigen nicht signifikant bei Alkohol bezogenen visuellen Stimuli verlängert. Ein Grund für dieses Ergebnis könnte sein, dass im Test wenig ansprechende Alkohol-Bilder verwendet wurden. Im November 2019 werden voraussichtlich die finalen Ergebnisse präsentiert.
Einfluss kathodaler tDCS auf alkoholbezogene implizite Assoziationen bei abstinenten Menschen mit Alkoholabhängigkeit
Tobias Schwippel, Tübingen (Germany)
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Autor:innen:
Tobias Schwippel, Tübingen (Germany)
Philipp Schroeder, Tübingen (Germany)
Christian Plewnia, Tübingen (Germany)
Drei Millionen Todesfälle werden jährlich auf der ganzen Welt durch Alkohol verursacht. Der Gebrauch ist für 5,1 % der globalen Krankheitslast verantwortlich und steht in kausalen Zusammenhang zu einer Reihe von weiteren psychischen Erkrankungen. Alkoholabhängigkeit ist charakterisiert durch eine Reduktion der Selbstkontrolle und eine Steigerung des Cravings, was zu häufigen Rückfällen führt. Implizite Assoziationen hinsichtlich alkoholbezogener Stimuli spielen bei diesem Geschehen eine Rolle, so dass die Modifikation dieser impliziten Assoziationen ein therapeutisches Ziel darstellt.
Eine Möglichkeit kognitive Prozesse gezielt zu modulieren ist die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS). Durch die Applikation von schwachen Gleichstrom kann der neuronale Erregungszustand verändert werden, was in vorherigen Studien zu einer Reduktion des Cravings nicht jedoch zu einer deutlichen Modulation alkoholbezogener impliziter Assoziationen durch anodale tDCS führte. Im Kontrast hierzu konnten durch die Verwendung von kathodaler tDCS implizite Assoziationen bei gesunden Probanden verringert werden.
Die vorliegende Studie hat das Ziel das Parameterspektrum der tDCS bei Patienten zu erweitern und den Einfluss von kathodaler tDCS auf alkoholbezogene implizite Assoziationen zu untersuchen. In einem cross-over Messwiederholungsdesign werden 30 rechtshändige und abstinente Menschen mit Alkoholabhängigkeit rekrutiert. Sie führen während 1 mA kathodaler tDCS oder 1 mA Placebo tDCS des linken dorsolateralen Kortex mehrere implizite Assoziationstests (IAT) durch. Wir erwarten eine Verringerung der IAT Effekte für alkoholbezogene Stimuli durch die Anwendung von kathodaler tDCS.
Kleines Zeige-/Ringfingerlängenverhältnis bei Alkoholabhängigkeit: Konfirmation und Mechanismen
Bernd Lenz, Erlangen (Germany)
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Autor:innen:
Bernd Lenz, Erlangen (Germany)
Christiane Mühle, Erlangen (Germany)
Johannes Kornhuber, Erlangen (Germany)
Einführung: Mehrere Fall-Kontroll-Studien zeigen eine Assoziation zwischen Alkoholabhängigkeit und einem kleineren Zeige-/Ringfingerlängenverhältnis (2D:4D), einem Marker für pränatale Hyperandrogenisierung. Diese Untersuchungen sind unter anderem limitiert durch die moderaten Fallzahlen und das mittlere Erwachsenenalter der untersuchten klinischen Kohorten. Das Wissen über zugrundeliegende Mechanismen ist ebenfalls stark begrenzt.
Methode: Es wurden selbstberichtete Daten von 4989 jungen Männern aus der populationsbasierten Cohort Study on Substance Use Risk Factors (C-SURF; www.c-surf.ch) zu folgenden Bereichen ausgewertet: 2D:4D, DSM-IV/-5-Kriterien für Alkoholabhängigkeit und alkoholbezogene Störung, erwartete Reaktionen auf Alkoholkonsum und Bereitschaft, Geld für alkoholische Getränke auszugeben.
Ergebnisse/Diskussion: Kleineres 2D:4D war signifikant assoziiert mit DSM-IV Alkoholabhängigkeit (2D:4D: Alkoholabhängigkeit 0.975 vs. keine Alkoholabhängigkeit 0.981), moderater bis schwerer DSM-5 alkoholbezogener Störung (2D:4D: moderate bis schwere 0.974 vs. milde 0.982 vs. keine alkoholbezogene Störung 0.981) und kürzlich zurückliegender Inanspruchnahme des Gesundheitssystems wegen Substanzstörungen (2D:4D: Inanspruchnahme 0.968 vs. keine Inanspruchnahme 0.981). Außerdem korrelierte kleineres 2D:4D signifikant mit einer stärkeren Erwartung, sich nach fünf Standardgetränken berauscht zu fühlen (Gesamtkohorte: ρ = -0.033), und in der Gruppe mit DSM-IV Alkoholabhängigkeit mit einer höheren Bereitschaft, mehr Geld für höherpreisige alkoholische Getränke auszugeben (ρmin = -0.162).
Schlussfolgerung: Diese populationsbasierte Studie zeigt, dass kleineres 2D:4D (ein Marker für pränatale Hyperandrogenisierung) unabhängig vom Bildungsniveau bereits im jungen Erwachsenenalter mit Alkoholabhängigkeit zusammenhängt, und liefert erste mechanistische Einblicke.
Lernen, dem Verlangen zu widerstehen: erste Ergebnisse zur Wirksamkeit eines alkohol-spezifischen Inhibitionstrainings bei Patienten mit einer Alkoholkonsumstörung
Maria Stein, Bern (Switzerland)
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Autor:innen:
Maria Stein, Bern (Switzerland)
Franz Moggi, Bern (Switzerland)
Hallie M. Batschelet, Bern (Switzerland)
Raphaela M. Tschümperlin, Bern (Switzerland)
Susanne Rösner, Zürich (Switzerland)
Anne Keller, Zürich (Switzerland)
Leila Maria Soravia, Bern (Switzerland)
Einführung: Innovative computergestützte Trainings versuchen, automatische Reaktionen auf alkoholbezogene Reize und beeinträchtigte Kontrollfunktionen bei Patienten mit Alkoholkonsumstörungen (AKS) direkt zu verändern. In einigen prä-klinischen Studien reduzierte ein alkoholspezifisches Inhibitionstraining (Alc-IT) Konsumverhalten sowie implizite Einstellung gegenüber Alkohol (Wiers, Boffo et al. 2018, aber siehe Cristea, Kok et al. 2016). Während des Alc-ITs müssen Patienten wiederholt die Reaktion auf alkoholspezifische Stimuli unterdrücken. Als Wirkmechanismen werden a) eine durch die wiederholte Hemmung herbeigeführte Stimulus-Devaluation oder b) verbesserte Kontrollfunktionen diskutiert.
Methode: Über 200 Patienten mit AKS nahmen während des stationären Entwöhnungsaufenthaltes an einem Alc-IT oder einem Kontrolltraining teil. Vor und nach dem Training wurden implizite Alkoholassoziationen (mittels alkohol-spezifischem impliziten Assoziationstests, IAT) und alkohol-spezifische Inhibitionsfertigkeiten (mittels Go-NoGo-Task, GNG) gemessen. Drei, sechs und zwölf Monate nach Austritt wurden Rückfallraten erhoben. Der Effekt des Alc-ITs auf implizite Assoziationen und Inhibitionsfertigkeiten wird mittels einer MANCOVA untersucht. Der Einfluss des Trainings auf die Rückfallraten wird mittels einer ANOVA untersucht.
Resultate: Die Analyse der experimentellen Parameter des IAT und des GNG werden Aufschlüsse über die Wirkweise des Alc-ITs geben. Die Analyse der Trainingseffekte auf die Rückfallraten wird aufzeigen, ob das Alc-IT effektiv zur Verbesserung des Behandlungserfolgs beiträgt.
Schlussfolgerung: Die auf dem Poster präsentierten Resultate werden zeigen, ob sich die Wirkweise des Alc-ITs eher (wie die Stimulus Devaluations-Hypothese vermutet) im IAT oder (wie der inhibitionsbezogenen Wirkmechanismus nahelegt), im GNG zeigt. Die Untersuchung der Rückfallraten wird zudem zeigen, ob Alc-IT eine klinisch relevante Ergänzung der Entwöhnungsbehandlung ist.
Alkoholabhängige Patienten mit gekreuzter Augen/Hand Lateralität und Linksäugigkeit zeigen besseres Outcome nach stationärer Entzugsbehandlung
Christian Weinland, Erlangen (Germany)
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Autor:innen:
Christian Weinland, Erlangen (Germany)
Christiane Mühle, Erlangen (Germany)
Johannes Kornhuber, Erlangen (Germany)
Bernd Lenz, Erlangen (Germany)
Einleitung:
Die Vorhersage und Vorbeugung von Rückfällen stellen im klinischen Alltag eine große Herausforderung in der Behandlung alkoholabhängiger Patienten dar. Verschiedene Lateralitätsmarker des Gehirns sind mit vermehrtem Alkoholkonsum und Alkoholabhängigkeit assoziiert. In der aktuellen Studie untersuchten wir, ob bestimmte Lateralitätsmuster auch mit Rückfall bei Alkoholabhängigkeit verbunden sind.
Methode:
Die Händigkeit und Äugigkeit wurde bei 200 alkoholabhängen Patienten (♂ =113, ♀= 87) während einer stationären Entzugsbehandlung sowie bei 240 gesunden Kontrollprobanden (♂= 133, ♀= 107) bestimmt. Alkoholbezogene Wiederaufnahmen der Patienten wurden über 24 Monate hinweg erfasst.
Ergebnisse:
Patienten mit gekreuzter Hand-/Fußlateralität und Linksäugigkeit zeigten innerhalb des Beobachtungszeitraumes ein signifikant geringeres Risiko für alkoholbezogene Wiederaufnahmen, eine signifikant längere Latenz bis zur ersten Wiederaufnahme sowie eine signifikant größere Anzahl an Wiederaufnahmen im Vergleich zu anders lateralisierten Patienten. In der geschlechtsgetrennten Analyse waren die Ergebnisse nur in der männlichen Subkohorte signifikant. Im Gruppenvergleich alkoholabhängiger Patienten mit gesunden Kontrollprobanden zeigten sich keine Unterschiede in den Lateralitätsmarkern.
Schlussfolgerung:
Die Bestimmung der Äugigkeit und Händigkeit könnten als zukünftige Instrumente und in Ergänzung zu anderen Faktoren die Rückfallprädiktion bei alkoholabhängigen Patienten verbessern.
Soziale Kognition bei Alkoholabhängigkeit: Persistieren die Defizite unter kontrollierter Abstinenz?
Claudia Ines Rupp, Innsbruck (Austria)
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Autor:innen:
Claudia Ines Rupp, Innsbruck (Austria)
Birgit Derntl, Tübingen (Germany)
David Junker, Innsbruck (Austria)
Barbara Mangweth-Matzek, Innsbruck (Austria)
Neurokognitive Defizite bei Alkoholabhängigkeit betreffen die Bereiche Exekutivfunktionen/Impulsivität, Gedächtnis und wie die jüngere Fachliteratur aufzeigt die soziale Kognition. Die klinische Relevanz sozial kognitiver Defizite bei Alkoholabhängigkeit bezüglich Krankheitsverlauf wurde kürzlich demonstriert. Die Möglichkeit ihrer Erholung unter Abstinenz wurde bisher noch nicht untersucht. Ziel dieser prospektiven Longitudinalstudie war es zu untersuchen, ob sich sozial kognitive Defizite bei Alkoholabhängigkeit unter Abstinenz erholen.
77 Teilnehmer/Innen (42 abstinente alkoholabhängige Patienten/Innen; 35 vergleichbare gesunde Kontrollpersonen) wurden zweimal (Baseline T1, Follow-up T2) neuropsychologisch hinsichtlich Emotionserkennung/EE, Perspektivenübernahme/PERSÜ und affektivem Nacherleben/AFFN untersucht. Die neuropsychologischen Untersuchungen erfolgten dabei bei den Patienten/Innen am Beginn (T1) und am Ende (T2) ihrer knapp 2-monatigen stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung.
Die Hauptergebnisse zeigen, dass alkoholabhängige Patienten/Innen bei Therapiebeginn mit bereits knapp durchschnittlicher 2-monatiger Abstinenzdauer (T1) im Vergleich mit gesunden Kontrollpersonen signifikant schlechtere sozial kognitive Fähigkeiten in allen 3 untersuchten Komponenten (EE, PERSÜ, AFFN) aufwiesen. Diese signifikanten Gruppenunterschiede zeigen sich auch im Follow-up, bzw. am Ende der abstinenzkontrollierten stationären Therapie (T2).
Die Ergebnisse demonstrieren weitreichende Defizite in klinisch relevanten sozial kognitiven Funktionen, die auch unter kontrollierter Abstinenz während stationärer Therapie ohne spezifischen therapeutischen Fokus darauf weiter persistieren. Sie bedürfen individueller therapeutischer Berücksichtigung und gezielter Behandlung. Die Erweiterung zukünftiger Forschung mit Therapiestudien zur Behandlung sozial kognitiver Defizite bei Alkoholabhängigkeit erscheint daher dringend notwendig.
Sozial-kognitive Funktionen und EEG-Korrelate bei Patienten mit Substanz- und nicht-Substanz-gebundenen Abhängigkeiten
Christian Luckhaus, Mauer bei Amstetten (Austria)
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Autor:innen:
Christian Luckhaus, Mauer bei Amstetten (Austria)
Manuel Wischnewski, Bochum (Germany)
Vera Flasbeck, Bochum (Germany)
Einleitung: Abhängigkeitspatienten weisen phänotypische und komorbide Überlappungen auf. Hieraus schließt man auf pathogenetische Gemeinsamkeiten und Analogien der verschiedenen Suchtformen. Der Grad pathogenetischer Gemeinsamkeiten von nicht-Substanz- und Substanz-gebundenen Abhängigkeiten ist jedoch noch nicht klar bestimmt. Wir untersuchen hierzu Patienten mit verschiedenen Suchtformen hinsichtlich sozial-kognitiver Funktionen und EEG-Korrelaten. Methoden: Rekrutierung von Alkohol-, Amphetamin- oder Glücksspiel-Abhängigen sowie gesunden Kontrollprobanden (je n = 20). Psychometrie: Emotionserkennung (PFA) Empathie (MET), Depressivität (BDI), Intelligenz (MWT-B), Persönlichkeit (PSSI). Elektrophysiologie: Ereignis-korrelierte Potentiale (EKPs) mittels 64-Kanal-EEG während PFA-Task. Statistik: Deskriptive Statistik, ANOVA, post hoc t-Tests, Korrelationen, LORETA. Ergebnisse: Eine erste deskriptive Zwischenauswertung (n = 40) zeigt bereits deutliche Gruppenunterschiede: Erhöhte emotionale Empathie für negative Emotionen und reduzierte kognitive Empathie für positive Emotionen bei Alkoholabhängigkeit. Stärkere Positivierung später EKPs unter PFA-Task bei Substanzabhängigen vs. Gesunden und Glücksspiel-Abhängigen. Diskussion: Unsere ersten Ergebnisse weisen daraufhin, dass sozial-kognitive Leistungen und EKPs bei verschiedenen Subtanzabhängigkeiten im Vergleich zu Gesunden unterschiedlich verändert sind: Ausgeprägte Veränderungen der Empathie-Fähigkeit bei Alkoholabhängigen; EKP-Änderungen während Verarbeitung von Gesichtsemotionen bei Substanzabhängigen vs. Gesunden, nicht aber bei Glücksspiel-Abhängigen. Somit erste psychometrische und EEG- Hinweise, die gegen die generelle Annahme sprechen, dass die verschiedenen Substanz- und nicht-Substanz-gebundenen Abhängigkeitserkrankungen auf pathogenetischer Ebene gleich oder analog seien. Möglicherweise stehen Glücksspiel-Abhängige in sozial-kognitiven Funktionen psychisch Gesunden näher als Substanz-Abhängigen.
Methamphetamin Entzug und die Regeneration kognitiver Funktionen über einen Abstinenz Zeitraum von sechs Monaten
Lisa Proebstl, München (Germany)
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Autor:innen:
Lisa Proebstl, München (Germany)
Daniela Krause, München (Germany)
Felicia Kamp, München (Germany)
Michael Soyka, Bernau am Chiemsee (Germany)
Gabi Koller, München (Germany)
Einführung: Der Konsum von Methamphetamin (MA) nimmt zu, die Forschung ist sich aber uneinig, inwieweit damit bleibende oder reversible kognitive Defizite einhergehen. Ziel der Studie ist es, Zusammenhänge zwischen kognitiven Funktionen/Defiziten und soziodemografischen Daten, Konsummustern und Behandlungsprofilen von MA-Konsumenten über einen Abstinenzzeitraum von 6 Monaten zu untersuchen.
Methode: Daten wurden an 108 MA-Konsumenten in stationärer Rehabilitation erhoben. Das Durchschnittsalter betrug 31,7 und die durchschnittliche Dauer des MA-Konsums 11,5 Jahre. Interviews und kognitive Tests (Cognitrone, Stroop, TMT, nback) wurden zu zwei Testzeitpunkten durchgeführt: Nach dem MA Entzug und nach ca 6 Monaten Therapie/ Abstinenz. Es wurden Vergleiche und explorative Analysen zwischen den Gruppen (Geschlecht, MA/polytoxe Konsumenten, Therapieabbruch/Completer) hinsichtlich soziodemografischer, kognitiver Variablen und Behandlungsdauern berechnet.
Ergebnisse: Zum ersten Testzeitpunkt, zeigt sich eine signifikante Abnahme der allgemeinen kognitiven Funktion (p < .01) sowie der Aufmerksamkeit und Konzentration (p=.03) mit fortlaufenden Konsumjahren. Nach 6 Monaten Abstinenz blieb die kognitive Leistung entweder stabil oder verbesserte sich signifikant für den Cognitrone Test (p < .01) sowie die kognitive Flexibilität (p > .01). 59,3% der Teilnehmer brachen die Therapie nicht vorzeitig ab, wohingegen jede zusätzlich konsumierte Substanz die Wahrscheinlichkeit der Behandlungsdauer um das -.21-fache verringerte.
Schlussfolgerung: Bei ehemaligen MA-Konsumenten wurden nach akutem Entzug keine Auffälligkeiten in den kognitiven Funktionen gemessen. Über die 6-monatige Abstinenz blieb die Kognitionsfähigkeit stabil oder verbesserte sich teilweise. Als einziger Indikator für eine schlechtere kognitive Leistung konnte die Langzeit-Einnahme von MA identifiziert werden. Diese Ergebnisse deuten dennoch auf eine Wiedererlangung der kognitiven Leistung bei abstinenten Patienten hin
Neurowissenschaftlich informierte Psychoedukation bei Sucht-/Abhängigkeitserkrankungen
David Junker, Innsbruck (Austria)
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Autor:innen:
David Junker, Innsbruck (Austria)
Hamed Ekhtiari, Tulsa, OK (United States)
Claudia Ines Rupp, Innsbruck (Austria)
Trotz großer neurowissenschaftlicher Erkenntnisfortschritte bei Abhängigkeitserkrankungen, fließen diese bisher noch zu wenig in die tatsächliche Suchtbehandlung, inklusive häufig angewandter psychoedukativer Interventionen, mit ein.
Psychoedukation (PE) ist eine Intervention mit strukturiertem und didaktischem Wissenstransfer zur Erkrankung selbst und ihrer Behandlung. „Neurowissenschaftlich informierte“ Psychoedukation (NIPE) kann hinsichtlich 2 Dimensionen ausgebaut werden: Inhalt (vermitteltes Wissen) und Struktur (verwendete Methoden).
Suchterkrankungen gehen mit typischen Veränderungen in neuronalen Netzwerken einher, die wesentliche kognitive Funktionen wie bspw. Aufmerksamkeit, Lernen/Gedächtnis, exekutive Funktionen und sozial kognitive Fähigkeiten vermitteln. Das Hinzufügen neurowissenschaftlicher Erkenntnisse in der PE (Inhalt) sowie die Optimierung der methodischen Vermittlung (Struktur), bspw. durch Involvierung verschiedener neurokognitiver Prozesse (z.B. aufmerksamkeitslenkende Aufbereitung von Informationen), kann in der Suchtbehandlung hilfreich zur Vermittlung suchtrelevanter Aspekte (Ätiologie, Behandlungsprozesse, Copingstrategien, etc.) beitragen, zu einer höheren Compliance führen und die Motivation zur Verhaltensänderung unterstützen.
Die „Brain awareness for Addiction Recovery Initiative“ (BARI) widmet sich diesem Thema und hat in Anlehnung an die NIMH Research Domain Criteria (RDoC) (Inhalt) eine „brain-based“ NIPE für Suchterkrankungen mit ausgewählten Cartoons (Struktur) in Posterform (mit Arbeitsbuch) entwickelt. Diese wurde nun ins Deutsche übersetzt und die 3 Poster (1. „10 Brain Functions injured by Alcohol & Other Drugs“; 2. „10 „Do´s” to foster Brain Recovery starting at Initial Abstinence“; 3. „10 Series of Daily Brain Exercises for Brain Recovery During Abstinence“) werden für die klinische Anwendung präsentiert.
Therapieerfolg in zwei deutschen Suchtfachkliniken nach sechsmonatiger stationärer Methamphetamin-Entwöhnung
Felicia Kamp, München (Germany)
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Autor:innen:
Felicia Kamp, München (Germany)
Lisa Proebstl, München (Germany)
Michael Soyka, Bernau (Germany)
Gabi Koller, München (Germany)
Einleitung: Der Therapiebedarf von Methamphetamin- (MA) Konsumenten nimmt seit den letzten Jahren zu, es mangelt jedoch an Studien, die das bisherige Behandlungsangebot in Deutschland evaluieren. Diese Längsschnittstudie vergleicht daher zwei stationäre Therapiekonzepte für MA-Konsumenten und analysiert Prädiktoren des Therapieerfolgs.
Methode: Insgesamt wurden 108 PatientInnen aus zwei Suchtfachkliniken, der Bezirksklinik Hochstadt und der MEDIAN Klinik Mecklenburg, rekrutiert. In Hochstadt werden für MA-Konsumenten zusätzlich zur regulären Gruppentherapie 10 Stunden spezifische Gruppentherapie zu amphetamintypischen Substanzen angeboten, die an das bewährte „Matrix“ Modell angelehnt ist. In der MEDIAN Klinik erhalten MA-Patienten neben ihrer regulären Gruppentherapie keine zusätzliche „Matrix“ Therapie. Es werden Daten zur Suchtanamnese, Craving und psychiatrische Beschwerden zu Therapiebeginn, -ende und zur 1 und 1,5 Jahres Katamnese erfasst.
Ergebnisse: 40.7% der PatientInnen beendeten die Behandlung vorzeitig, ohne sign. Unterschied zwischen den Zentren. Injizierender MA-Gebrauch war ein signifikanter Prädiktor für einen vorzeitigen Therapieabbruch. Klinikunabhängig zeigten sich bei Therapieende signifikant reduzierte Depressionswerte, psychiatrische Beschwerden und Craving, wie auch eine sign. Verbesserung der psychosozialen Ressourcen, Verarbeitungsgeschwindigkeit und kognitiven Flexibilität. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass 62% (von n=35) im Jahr nach der Entlassung kein MA konsumiert haben und 29% außer Tabak auch keine weitere Substanz. Es zeigt sich kein Unterschied zwischen den Kliniken.
Schlussfolgerung: Circa 60% der MA-Konsumenten beenden die Therapie in Deutschland erfolgreich und konsumieren im Jahr nach der Entlassung kein MA mehr. Aktuelle Behandlungsansätze reduzieren psychiatrische Symptome und steigern Ressourcen sowie einige kognitive Funktionen. Eine stimulanzienspezifische Therapie scheint einer unspezifischen Therapie nicht überlegen.
Qualifizierte Entzugsbehandlung bei Ketaminabhängigkeitssyndrom – ein Case Report
Jelena Kreuer, Oetwil am See (Switzerland)
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Autor:innen:
Jelena Kreuer, Oetwil am See (Switzerland)
Birgit Ingenbleek, Oetwil am See (Switzerland)
Jacqueline Shirahama, Oetwil am See (Switzerland)
Thomas Ingenbleek, Oetwil am See (Switzerland)
Franziskos Xepapadakos, Oetwil am See (Switzerland)
Markus Baumgartner, Oetwil am See (Switzerland)
Einführung
Ketamin hat einen schnellen hypnotischen, anästhetischen und antidepressiven Effekt und erleichtert in der Psychiatrie die Therapie von Patienten mit chronischer Depression. Die Limitationen des Medikaments, insbesondere die Abhängigkeit von diesem, sind in Europa allerdings weitestgehend unerforscht und es findet sich nur wenig Literatur zur Entzugsbehandlung. In der Schweiz tritt die Abhängigkeit von Ketamin noch vereinzelt, jedoch mit zunehmender Tendenz auf, einem Trend aus den USA und Asien folgend.
Methode
Eine 27-jährige Patientin wurde zur stationären Behandlung mit einem seit dem 17. Lebensjahr bestehenden Ketaminabhängigkeitssyndrom in unsere Klinik zugewiesen. Psychopathologisch präsentierte sich die Patientin mit Kurzzeitgedächtnisstörungen, dysthymem Affekt, Craving und psychomotorischer Unruhe. Die Patientin klagte über diffuse Hypästhesien, rezidivierende Zystitiden und Harnverhalte. Sonographisch zeigte sich abdominell ein unauffälliger Befund. In der ansonsten altersentsprechenden cMRT zeigten sich einzelne Marklagerveränderungen im linken Centrum semiovale.
Ergebnisse
Wir initiierten eine symptomorientierte Entzugsbehandlung (analog zur AES-Scala nach Veltrup und Wetterling) mit Diazepam bis 45 mg/d. Bei Craving erhielt die Patientin Acetylcystein, zudem wurde in Reserve Clonidin ergänzt. Diazepam konnte sukzessiv reduziert und nach 15 Tagen sistiert werden. Nach erfolgreicher qualifizierter Entzugsbehandlung erfolgte die Entlassung in die bisherige ambulante Therapie.
Schlussfolgerung
Eine Ketamin-Entzugsbehandlung sollte analog zu anderen Entgiftungstherapien unter stationären Bedingungen erfolgen und die Entzugssymptomatik pharmakologisch mit z.B. Benzodiazepinen und α2-Adrenozeptor-Agonisten unterstützt werden. Neben den vegetativen Entzugssymptomen mit v.a. hypertonen Entgleisungen sollten zudem die Konsumfolgeschäden wie neuropsychiatrische und urologische Symptome diagnostisch und therapeutisch mitberücksichtigt werden.
Konsumerfahrungen, Trait-Angst und Konservatismus als Prädiktoren für die Einstellung zur Legalisierung von Cannabis - eine Querschnittstudie
Nils Kusenberg, Ronneburg (Germany)
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Autor:innen:
Nils Kusenberg, Ronneburg (Germany)
Anna-Maria Huhn, Greiz (Germany)
Thomas Fankhänel, Gera (Germany)
Laut WHO konsumieren weltweit 181,8 Mio. Menschen Cannabis aus nicht-medizinischen Gründen. Mit mehr als zwei Millionen Konsumenten ist Cannabis in Deutschland das am häufigsten konsumierte illegale Rauschmittel. Neben einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen wie Abhängigkeit, affektiven Störungen oder Psychosen sind die Konsumenten u.a. auch mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko konfrontiert. Ungeachtet dessen findet sich in Deutschland eine breit geführte Debatte zur Legalisierung von Cannabis, wobei sich Gegner wie Befürworter u.a. in einer diskrepanten Betonung nicht in Widerspruch stehender Argumente unterscheiden. Es war deshalb das Ziel unserer Untersuchung, psychische Merkmale zu bestimmen, die eher mit Befürwortung bzw. Ablehnung einhergehen. Neben Trait-Angst und Konservativismus wurden bisherige Konsumerfahrungen einbezogen.
Die Rekrutierung der Probanden erfolgte durch Aufruf in sozialen Netzwerken. Für die Erfassung der Einstellung zur Legalisierung von Cannabis wurde eine 10-Item Likert Skala entwickelt. Trait-Angst wurde mit der Subskala des State-Trait-Angstinventars und Konservativismus mit der deutsch-sprachigen Fassung der Wilson-Patterson-Konservativismus-Skala erfasst. Neben demografischen Daten wurden die bisherigen Konsumerfahrungen erfragt.
Die Beantwortungen von 158 Probanden im mittleren Alter von 26 Jahren wurden ausgewertet. Personen ohne Konsumerfahrungen zeigten eine negativere Einstellung zur Legalisierung als Personen mit Konsumerfahrungen, t(156) = 5.033, p < .000. Für Trait-Angst und Konservativismus konnte lediglich ein Trend (beide p < .1) ermittelt werden.
Wie die Ergebnisse zeigen, sind die Befürworter einer Legalisierung eher durch Merkmale wie bisherige Konsumerfahrungen und eine eher geringe Ausprägungen bzgl. Trait-Angst und Konservativismus gekennzeichnet. Psychische Merkmale von Befürwortern wie Gegnern sollten deshalb in der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis mehr Berücksichtigung finden.