Autor:innen:
Moritz Verdenhalven, Frankfurt am Main (Germany)
Ataraxia Hofstädter, Frankfurt am Main (Germany)
Fabian Fußer, Frankfurt am Main (Germany)
Andreas Reif, Frankfurt am Main (Germany)
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden 1939-1945 ca. 300000 Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen in den Heil- und Pflegeanstalten (HPA) des Deutschen Reiches und der besetzten Gebiete ermordet. Auch in den HPA des Bezirksverbandes Hessen-Nassau (Hadamar, Weilmünster, Eichberg und Herborn) wurden ca. 20.000 Menschen ermordet. In diese HPA erfolgten hauptsächlich die Verlegungen der Patienten der Universitätsnervenklinik Frankfurt (UNK), die nicht nach Hause entlassen wurden. Wie viele Patienten verlegt wurden und wie viele davon verstarben ist bislang unbekannt und soll durch die vorliegende Arbeit beleuchtet werden. Eine Analyse der Patientenakten, von denen ca. 1/3 archivarisch erschlossen ist, ergab, dass 1933-1938 von 3358 entlassenen Patienten 755 in eine HPA verlegt wurden (22,5%). 1939-1945 waren dies 573 von 2887 Patienten (19,8%). Anhand der Opferbücher der Zielanstalten konnten bislang sicher 232 Patienten identifiziert werden, die in einer HPA verstarben (40,5%). 108 Patienten haben die Verlegung in eine HPA sicher überlebt (18,8%). Bezüglich Anzahl und Mortalitätsrate der Verlegungen, aber auch Überlieferung der Patientenschicksale ergeben sich deutliche Unterschiede je nach Zielanstalt. Als Risikofaktor für eine Verlegung finden sich vor allem typische Alterserkrankung wie Demenzen, aber auch Erkrankungen aus dem schizophreniformem Spektrum. Unabhängig von den Verlegungen kam es innerhalb der UNK zu einer Zunahme der Mortalitätsrate von 5,5% 1932 auf 10,2% 1943. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Absinken der Verlegungsrate von 22,5% auf 19,8% keine nennenswerte Veränderung der Verlegungspolitik darstellt. Der Risikofaktor „Alterserkrankung“ deutet darauf hin, dass vermeintlich unheilbare Patienten selektiert wurden. Dabei wurde von den verantwortlichen Ärzten der Tod der Patienten als Folge der Verlegung in Kauf genommen. Zur Klärung des Anstiegs der Mortalitätsrate innerhalb der Klinik ist weitere Forschung nötig.