Autor:innen:
PD Dr. med. Michael A. Überall | Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie | Germany
Dr. med. Thomas Nolte | ZAPV Zentrum für ambulante Palliativversorgung GmbH | Germany
Harry Kletzko | IMC - Integrative Managed Care GmbH | Germany
Dr. Gerhard Müller-Schwefe | Schmerz- und Palliativzentrum Göppingen | Germany
Hintergrund:
Der künstliche Ersatz der großen Gelenke im Bereich von Hüfte, Knie und Schulter – meist Folge einer fortgeschrittenen Arthrose bzw. einer traumatisch bedingten Schädigung – stellt für viele Patienten mit schmerzhaften Funktionseinschränkungen eine sinnvolle Alternative zu mitunter nur bedingt wirksamen, nicht selten jedoch nebenwirkungsreichen Pharmakotherapien dar. Dennoch ist nicht jede Operation wirklich immer indiziert bzw. bedarf es zur Optimierung von Operationsergebnis und Rehabilitationserfolg einer optimalen Vorbereitung.
Methodik:
Seit 2016 bietet die Integrative Managed Care (IMC) GmbH im Auftrag mehrerer gesetzlicher Krankenversicherungen an bei Versicherten mit einer bereits terminierten Gelenkersatzoperation OP-Indikation und konservative Therapiealternativen im Rahmen eines Zweitmeinungsverfahrens entsprechend § 140 a SGB V zu überprüfen. Betroffene erhalten nach Vorlage ihrer Krankenhauseinweisung binnen 7 Werktagen einen Termin zur individuellen/persönlichen Evaluation in Form einer interdisziplinären Schmerzkonferenz in einem der bundesweit 38 regionalen IMC-Zentren.
Ergebnisse:
Bis zum 31.03.2019 wurden bei 1087 Patienten (56,5% Frauen; Alter 63,5±12,3 Jahre; Erkrankungsdauer 1080,3±1216,1 Tage; MPSS Grad 1/2/3: 54,8/38,0/7,2%; von Korff Typ 1/2 vs. 3/4: 42,6 vs. 57,4%; FFbHR: 68,8±20,5; Schmerzindex: 41,4±18,4 mm VAS; mPDI: 42,4±22,8 mm VAS; VR12-PS/MS: 33,5±9,2/50,7±11,2; D/A/S: 5,1±4,2/3,4±3,0/5,2±4,5) mit Schmerzen im Bereich von Schulter (n=204), Hüfte (n=475) und Knie (n=408) die OP-Indikationen überprüft und nur in 217 Fällen (20,0%) bestätigt. Bei 870 Patienten (80,0%) wurde die OP storniert und die Fortführung der Behandlung entweder im Rahmen der Regelversorgung (bei n=440, 40,5%), einem 3-monatigen berufsbegleitenden (n=332, 30,5%) bzw. einem dreiwöchigen vollzeitigem Intensivprogramm der besonderen Versorgung (n=98, 9,0%) empfohlen. Mit 7,4% (n=15 von 204) wurde der Gelenkersatz bei Schultergelenksproblemen am seltensten bestätigt, gefolgt von 18,6% (n=76 von 408) bei Knie- und 26,5% (n=126 von 475) bei Hüftgelenksproblemen. Mit Ablehnungsquoten zwischen 57,1 (in Schleswig-Holstein) und 90,3% (in Hessen) zeigten sich große regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern
Schlussfolgerungen:
Der operative Gelenkersatz bei schmerzhaften Funktionseinschränkungen stellt eine wichtige Alternative zur Pharmakotherapie dar. Die interdisziplinäre Bewertung von Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit im Rahmen des IMC-Zweitmeinungsverfahrens bestätigte jedoch nur bei jedem 5. Betroffenen die bereits terminierte Operationsindikation. Diese Daten belegen die Sinnhaftigkeit/Notwendigkeit zur Etablierung einer gesetzlich verpflichtenden Einholung einer Zweitmeinung durch ein in der schmerzmedizinischen Versorgung Betroffener erfahrenes, interdisziplinär besetztes Team konservativ tätiger Schmerzspezialisten für alle elektiv geplanten Gelenkersatzoperationen.