Bei bis zu 90% der Tumorpatienten im fortgeschrittenen Stadium stellt Schmerz ein führendes Symptom dar. Bei etwa 40% der Patienten liegt eine neuropathische Schmerzkomponente vor, oftmals kombiniert oder überlagert von nozizeptiven Schmerzen. Formal können tumorbedingte (z.B. durch infiltratives Wachstum, therapiebedingte (z.B. Chemotherapie-induzierte PNP), tumorassoziierte (z.B. Herpes Zoster) aber auch tumorunabhängige (z.B. Arthrose) unterschieden werden. Diese klinisch sinnvolle Unterscheidung erlaubt jedoch keine direkten Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden Pathomechanismen.
Tumorschmerz, eine eigene Entität mit spezifischen Mechanismen?
Spezifisch für Tumorschmerz ist die Induktion tumorabhängiger peripherer und zentraler Sensitivierungsmechanismen, die einer genetischen Variation unterliegen können. Interleukine und TNF als Mediatoren mit schmerzinduktiven Eigenschaften zeigen diese genetische Variabilität deutlich. So lässt sich bei bestimmten Genotypen beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom und Pankreaskarzinom eine verstärkte Expression der von Interleukinen nachweisen, was phänotypisch mit einer erhöhten Schmerzwahrnehmung assoziiert ist. Hinsichtlich der genetischen Variabilität von Tumorschmerzen wurden neben den zytokincodierenden Genen weitere identifiziert. Bei ossären Metastasen konnte gezeigt werden, dass die genetische Regulation der microRNA sensorischer Neurone mit dem Schmerzniveau korreliert. Es kommt zu einer Überexpression von nozizeptiven Rezeptoren, elektrophysiologischen Veränderungen und zu einer glialen und mikroglialen Aktivierung. Tumoren können spinale Astrozyten stimulieren und zu einer Astrogliose fuhren, was mit zentralen Sensibilisierungsprozessen einhergeht. Zur Therapieoptimierung sollte das Chronifizierungs- wie Abhängigkeitsrisiko bei chronischem persistierendem Tumorschmerz künftig mehr in den Fokus rücken.
Noziplastischer Schmerz, lässt sich dieser Begriff auf den Tumorschmerz übertragen?
Ausgehend von obigen neuronalen Schädigungs- und Sensibilisierungsprozessen werden aktuelle Möglichkeiten aufgezeigt, die oft komplexe Schmerzsymptomatik strukturiert klinisch zu erfassen und neuropathische und myofasziale Aspekte therapeutisch zu berücksichtigen. Dies erfolgt im Kontext der verbesserte Darstellbarkeit chronischer Tumorschmerzen einerseits in Zusammenhang mit der neuen Nomenklatur im Rahmen des ICD-11 und andererseits hinsichtlich der IASP Nomenklatur (nozizeptiv, inflammatorisch, noziplastisch). Traditionell werden diese Konzepte isoliert betrachtet, bzw. als „mixed pain“ bezeichnet. In diesem Symposium werden die Interaktionen aufgezeigt, mit denen inflammatorische, nozizeptive und therapieassoziierte Mechanismen zu Neuroplastizität führen.