Autor:innen:
Thomas Jerkku | Klinikum der Universität München, LMU München, Campus Großhadern | Germany
Prof. Dr. Rolf Lefering | Universität Witten-Herdecke | Germany
Prof. Dr. Christian Kammerlander | Klinikum der Universität München, LMU München | Germany
Uni. Prof. Dr. med. Nikolaos Tsilimparis | Klinikum der Universität München, LMU München | Germany
Dr. med. Ramin Banafsche | Klinikum der Universität München, LMU München | Germany
Einleitung:
Ziel dieser Studie war, mit Daten des Traumanetzwerkes der DGU die Bedeutung von Gefäßverletzungen (VT) bei Polytraumatisierten (PT) zu untersuchen. Der zentrale Fokus liegt im klinischen Outcome in Abhängigkeit zu Schwere der VT und Versorgungsstufe der primären Klinik.
Material und Methoden:
Aus dem TraumaRegister® der DGU erfolgt eine Analyse (Phase I) von PT mit/ohne VT bei gleichem Schweregrad (AIS). Zielgrößen waren Mortalität, Paraplegie, Extremitätenverlust, Intensiv- und Krankenhausaufenthalt, Transfusion, Organkomplikationen sowie Status bei Entlassung. Die retrospektive Auswertung untersuchte 2 Subgruppen mit relevantem (VT-1) und schwerem VT (VT-2) auf Unterschiede zu nicht-VTs mit gleichem AIS. Von insgesamt 42.326 PT wiesen 7% ein VT auf, in 2.437 (83%) dieser Fälle wurde ein VT mit AIS≥3 diagnostiziert. Nun konnte aus einer erweiterten Analyse der Registerdaten (Phase II) das tatsächlich führende VT gegenüber den sonstigen Traumata identifiziert und die Ergebnisse mit Fokus auf das Outcome, auch in Abhängigkeit vom Level des primär versorgenden Zentrums, ermittelt werden, um die Versorgungsrealität der o. g. Gruppen zu präzisieren.
Ergebnisse:
Neben hoher Inzidenz eines Schocks, einer 2-3-fach höheren Volumen- und Erythrozytengabe, zeigten die schweren VT-2 eine 60% höhere Rate an Multiorganversagen (MOV) und eine zweifache Krankenhausmortalität (35,8%). Im Verlauf der gesteigerten Frühsterblichkeit (8,0% vs. 25,2%) wurde bei den VT-1 in 29,6% bereits präklinisch, sowie in 22,9% im SR ein RR ≤ 90mmHg gemessen, bei VT-2 42,3% präklinisch und 35,7% im SR und bei non-VT nur bei 18,8% präklinisch und 14,3% im SR eine manifeste Hypotension. Das korreliert mit dem hohen Bedarf an Volumen und EK bei den VT. Analog dazu fanden sich hohe Raten an MOV und akutem Nierenversagen (ANV). Bei VT-1 entwickelten 41,9% ein MOV und 7,3% ein ANV, bei VT-2 51,9% MOV und 12,8% ANV. Die VT-2 zeigten die höchste Frühsterblichkeit (25,2%) und Krankenhausmortalität (35,8%). In der Prognoseabschätzung (erwartete Mortalität, RISC-Faktor) waren non-VT mit 18,1% und VT-1 mit 19,5% noch ähnlich, mit dem Grad des VT stieg der RISC I sprunghaft an (VT-2 bei 34,1%). Mit führendem Gefäßtrauma übersteigt die beobachtete Mortalität mit 35,8% somit die erwartete im RISC I und trotz Anpassung 2015 auch im RISC II.
Fazit/Schlussfolgerung:
Obwohl VT bei PT relativ selten sind, dürfen sie wegen ihres relevanten Einflusses auf die Prognose nicht übersehen und unterschätzt werden. Der deutlich schlechtere Status von VT beim Eintreffen, höherer präklinische Volumendurchsatz, hohe MOV/ANV-Raten sowie die gesteigerte Morbidität und (Früh-)Mortalität unterstreichen die signifikante Reduktion der Prognose gegenüber den non-VT bei gleichem AIS. Eine schnelle und adäqate Erkennung des VT am Unfallort ist bereits von größter Bedeutung, da die Auswahl des optimalen Traumazentrums sich in den neuen Daten (Phase II) ebenfalls deutlich für das outcome abzeichnet.