Eine sichere und qualitativ hochwertige Erbringung der Gesundheitsversorgung stellt eine Grundanforderung des deutschen Gesundheitssystems dar. Aufgrund des komplexen Leistungsgeschehens ist die Patientensicherheit in Abhängigkeit von der spezifischen Versorgung durch unterschiedliche Interventionen steuer- und verbesserbar. In dieser Session werden Ansätze und Potenziale zur Verbesserung der Patientensicherheit sowohl in der stationären als auch ambulanten Versorgung dargestellt.
Hintergrund
Eine umfassende Sicherheitskultur schließt sowohl die Patientensicherheit als auch die Arbeitssicherheit der Beschäftigten mit ein. Bisherige Studien zeigen Zusammenhänge und Einflüsse von psychosozialen Arbeitsbedingungen auf Patientensicherheitskultur und Arbeitssicherheitskultur. Allerdings gibt es kaum Studien, die Einflussgrößen (Prädiktoren) für beide Arten von Sicherheitskultur identifizieren. Die Identifikation von Prädiktoren für beide Arten von Sicherheitskultur ist wichtig, um Maßnahmen für ein übergreifendes Konzept zu entwickeln.
Fragestellung
Vor diesem Hintergrund wurde folgende Fragestellung untersucht: Welche Prädiktoren (aus den Bereichen der psychosozialen Arbeitsplatzbedingungen, Patientensicherheit und Arbeitssicherheit) haben nach Ansicht von Pflegekräften und Ärzten einen Einfluss auf die wahrgenommene Patientensicherheitskultur und Arbeitssicherheitskultur? Und: gibt es für beide Arten von Sicherheitskultur gemeinsame Prädiktoren?
Methode
Im Rahmen der Querschnittstudie WorkSafeMed (Working conditions, safety culture and patient safety in hospitals: what predicts the safety of the medication process?) wurde an zwei Universitätskliniken im Frühjahr und Sommer 2015 eine standardisierte Befragung des ärztlichen und pflegerischen Personals durchgeführt. Der eingesetzte Fragebogen beinhaltete COPSOQ-Skalen zu psychosozialen Arbeitsbelastungen/-beanspruchungen, eine CBI-Kurzskala zum patientenbezogenen Burnout, HSPSC-Skalen zu Patientensicherheit und Patientensicherheitskultur, TLI-Skalen zur transformationalen Führung sowie Items und Indices zur Arbeitssicherheit und Arbeitssicherheitskultur. Die Datenauswertung beinhaltete deskriptive Verfahren, Korrelationsanalysen und multiple Regressionsanalysen. Um Prädiktoren zu identifizieren und deren Einfluss zu messen, entwickelten wir jeweils ein Regressionsmodell für Patientensicherheitskultur (PSK-Modell) und ein Regressionsmodell für Arbeitssicherheitskultur (ASK-Modell). Für das PSK-Modell wurde als abhängige Variable auf Basis der vier Outcome-Dimensionen des HSPSC ein Patientensicherheitsfaktor gebildet, der die wahrgenommene Patientensicherheitskultur messen soll. Für das ASK-Modell wurde als abhängige Variable der Index Einschätzung der eigenen Gefährdung gewählt, der als geeigneter Indikator für die wahrgenommene Arbeitssicherheitskultur angesehen wurde.
Ergebnisse
Der Gesamtrücklauf der Fragebögen lag bei 39,6% (n=995). Es beteiligten sich 567 Pflegekräfte, 381 Ärzte sowie 47 Personen sonstiger Berufsgruppen.
Korrelationsanalysen mit dem Patientensicherheitsfaktor zeigten sowohl negative (z.B. Burnout: r=-0.30, p=0.000) als auch positive Zusammenhänge (z.B. Unterstützung der Krankenhausleitung: r=0.66, p=0.000; Organisationales Lernen: r=0.60, p=0.000). Im multiplen Regressionsmodell für Patientensicherheitskultur wurden folgende Prädiktoren identifiziert: Unterstützung der Krankenhausleitung (β=0.24, p≤0.001), personelle Ausstattung (β=0.21, p≤0.001), Unterstützung des direkten Vorgesetzen (β=0.18, p≤0.001), Organisationales Lernen (β=0.14, p≤0.001), Rückmeldung zu Fehlern (β=0.14, p≤0.001), Einfluss auf Patientensicherheit seitens Mitarbeiter (β=0.13, p≤0.001), Übergaben und Verlegung (β=0.12, p≤0.001), patientensicherheitsbezogenes Verhalten der direkten Vorgesetzten (β=-0.08, p≤0.01) und Arbeitszufriedenheit (β=0.06, p≤0.05) Das PSK-Modell erreichte eine Modellgüte von R2=0.64.
Korrelationsanalysen mit dem Indikator für wahrgenommene Arbeitssicherheitskultur lieferten ebenfalls negative (z.B. patientenbezogenes Burnout: r=-0.35, p=0.000) und positive Zusammenhänge (z.B. Arbeitszufriedenheit: r=0.40, p=0.000; transformationale Führung: r=0.21, p=0.000). Im multiplen Regressionsmodell für Arbeitssicherheitskultur stellten folgende Variablen wesentliche Prädiktoren dar: Arbeitszufriedenheit (β=0.26, p≤0.001), Work-Privacy-Conflict (β=-0.19, p≤0.001), patientenbezogenes Burnout (β=-0.20, p≤0.001) und Einfluss auf Arbeitsschutz seitens des Mitarbeiters (β=0.08, p≤0.01) dar. Das ASK-Modell erreichte eine Modellgüte von R2=0.27.
Als gemeinsame Prädiktoren für beide Modelle wurden Arbeitszufriedenheit und übergeordnet Führung identifiziert. Weitere gemeinsame Prädiktoren wurden nicht gefunden.
Diskussion und praktische Implikationen
In unserer Studie identifizierten wir Prädiktoren für wahrgenommene Patientensicherheits-kultur und Arbeitssicherheitskultur. Bisherige Forschungsarbeiten bestätigen die Relevanz der identifizierten Prädiktoren. Das ASK-Modell erreichte insgesamt nur eine mäßige Modellgüte, relevante Prädiktoren scheinen im Modell zu fehlen.
Arbeitszufriedenheit und Führung scheinen wesentliche Prädiktoren für Patientensicherheits- und Arbeitssicherheitskultur zu sein. Daher sollten diese bei einer weiteren Entwicklung von Maßnahmen für eine übergreifende Sicherheitskultur mit bedacht werden.
Förderung: Die Studie WorkSafeMed wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(FKZ 01GY1325A).
Hintergrund
Das postoperative Delir (POD) ist ein komplexes Syndrom, welches vor allem bei älteren Personen nach größeren Operationen auftritt. Die Prävalenz vom post-operativen Delir beträgt nach Elektivoperationen bis zu 28% (Bruce et al., 2007), jedoch wird im klinischen Alltag ein hoher Prozentsatz der Delirien nicht erkannt bzw. nicht diagnostiziert. Ergänzend zu Risikofaktoren auf Seite des Patienten, wie dem Alter oder vorbestehenden kognitiven Defiziten (Guenther et al., 2016), trägt auch das Wissen des medizinischen Personals über Diagnosekriterien, Risikofaktoren und Behandlungsmöglichkeiten zu der Entstehung und dem Verlauf von PODs bei.
Neben Symptomen wie Aufmerksamkeits- und Denkstörungen ist das POD zudem mit längerfristigen Folgen wie beispielsweise einem langanhaltenden kognitiven Abbau (POCD) bis hin zur Entwicklung einer Demenz sowie höheren Institutionalisierungsraten und Gesundheitskosten assoziiert (Witlox et al., 2010). Somit sind Delirien mit erheblichen Belastungen sowohl für die Patienten, die Angehörigen als auch das medizinische Personal verbunden. Das Erkennen von Delirrisiken und die Vermeidung von Delirien bilden einen bedeutsamen Faktor für die Patientensicherheit.
Fragestellung
Die PAWEL-Studie (PAWEL = Patientensicherheit, Wirtschaftlichkeit und Lebensqualität: Reduktion von Delirrisiko und postoperativer kognitiver Dysfunktion (POCD) nach Elektivoperationen im Alter) beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob eine sektorübergreifende, multimodale Intervention zur Delir-Prävention die Prävalenz von Delir und postoperativen kognitiven Abbau bei Patienten über 70 Jahren nach einer Elektivoperation reduzieren kann.
Ziele der PAWEL-Studie sind:
1. die Entwicklung eines prästationären Risikoscreenings für Delir vor elektiven chirurgischen Eingriffen mit sowohl bereits bekannten als auch neuen, potenziellen Risikofaktoren
2. die Reduktion der Delir-Prävalenz um 40% durch die Einführung einer multimodalen Intervention zur Delir-Prävention sowie die Reduktion von POCD um 20% nach 6 Monaten
3. Entwicklung von Implementierungsstrategien der Intervention für die Routineversorgung
Methode
Als Studiendesign wird in der PAWEL-Studie ein stepped-wedge Design mit Clusterrandomisierung angewendet.
Die PAWEL-Studie wird in fünf klinischen Einrichtungen in Baden-Württemberg mit jeweils 2-3 chirurgischen Abteilungen durchgeführt. Im Zeitraum 2017 bis 2020 ist der Einschluss von 1800 Patienten im Alter von über 70 Jahren in die Studie geplant. Assessments erfolgen sowohl prä- und postoperativ als auch in Follow-Up Untersuchungen nach 6 und 12 Monaten. Neben soziodemographischen Variablen, der medizinischen Vorgeschichte und den Alltagsfähigkeiten des Patienten, werden unter anderem eine prä-operative Delir-Diagnostik, neuropsychologische Testverfahren und Delir-Assessments durchgeführt.
Zusätzlich werden der Nutzen, Aufwand und die Kosten einer solchen Risikoerkennung und Delirverhinderung erfasst.
Ergebnisse
Es soll ein Überblick über die Ziele, Methoden, Assessments und die verwendete Intervention der PAWEL-Studie gegeben werden (Sanchez et al., 2019). Darüber hinaus sollen Ergebnisse zum aktuellen Stand der Studie präsentiert werden.
Diskussion und praktische Implikation
Die Ergebnisse der PAWEL-Studie können sowohl zu der Weiterentwicklung der Leitlinien zur Delir-Prävention und Delir-Management als auch zum Umgang mit der häufig unzureichend definierten postoperativen Dysfunktion (POCD) beitragen. Dadurch kann das funktionelle Operationsergebnis verbessert, die Patientensicherheit und Lebensqualität der Patienten gesteigert und das Langzeitrisiko Risiko für eine Demenz minimiert werden.
Aus einer gesundheitsökonomischen Perspektive heraus sind eine frühe Diagnostizierung von kognitiven Defiziten sowie die Minimierung von POD und POCD vorteilhaft für Patienten, Angehörige, Krankenhäuser und Kranken- und Pflegeversicherungen.
Die PAWEL-Studie wird durch den Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses, Bereich Versorgungsforschung, gefördert (Förderkennzeichen 01VSF16016). Wir danken den Mitgliedern der PAWEL Study Group (siehe Sanchez et al. 2019).
Literatur
Sánchez, A., Thomas, C., Deeken, F., Wagner, S., Klöppel, S., Kentischer, F., . . . Rapp, M. A. (2019). Patient safety, cost-effectiveness, and quality of life: reduction of delirium risk and postoperative cognitive dysfunction after elective procedures in older adults-study protocol for a stepped-wedge cluster randomized trial (PAWEL Study). Trials, 20(1), 71. doi.org/10.1186/s13063-018-3148-8
Hintergrund.
Während im stationären Sektor die Epidemiologie patientensicherheitsrelevan-ter Ereignisse (PSI) zumindest näherungsweise bekannt ist, liegen aus dem ambulanten Sektor keine repräsentativen Ergebnisse zu PSI vor. Das vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss geförderte Projekt (F-KZ: 01VSF16015) zielt daher auf die epidemiologische Analyse von PSI in der ambulanten Versorgung.
Fragestellung. Die Studie erhebt Daten zur Häufigkeit von (PSI), zu den betroffenen Fachrichtungen und zum Rückmeldeverhalten Betroffener. Weiterhin wird untersucht, ob Faktoren wie das Alter, Geschlecht oder Grunderkrankungen das Auftreten von PSI begünstigen.
Methode.
Anhand des Befragungsinstruments ‚PSI-AMB‘, das für die Studie auf der Basis einer Literaturrecherche und qualitativer Interviews mit Ärzten (n=10) und Patienten (n=20) entwickelt und mittels kognitiver (n=20) und quantitativer (n=100) Pretests optimiert wurde, wurden zwischen Mai und Oktober 2018 insgesamt 10.037 zufällig rekrutierte Personen >39 Jahre bundesweit mittels Computer-unterstützte-Telefoninterviews befragt. Auf der Basis der Angaben zu den im letzten Jahr sowie seit dem 40. Lebensjahr insgesamt erlebten PSI im ambulanten Sektor wurden PSI-Inzidenzen für die Gesamt- und Subgruppen geschätzt und die zugehörigen 95%-Konfidenzintervalle berechnet. Berichtet werden zunächst die deskriptiven Ergebnisse. Unterschiede zwischen den Alters- und Fachgruppen sowie PSI-Arten, Determinanten der PSI sowie des Rückmeldeverhaltens werden in der Folge konfirmatorisch abgesichert.
Ergebnisse.
Aus der Stichprobe haben 1.561 (15,6%) Personen insgesamt 2.553 PSI (1,6 PSI pro Betroffenem) aus den vergangenen 12 Monaten berichtet. Die berichteten PSI verteilen sich auf die Bereiche der ärztlichen Behandlung wie folgt: ärztliche Untersuchung (61,8%); Medikamente (15,6%); Praxisorganisation & Patientenverwaltung (10%); Impfung, Spritze, Infusion (4,2%); Nachsorge (2,6%); ambulante Operation (2,4%) und sonstiger Bereich (3,3%). 43,1% der berichteten PSI sind bei einem Hausarzt; 52,2% bei einem anderen Facharzt passiert. In 3,1% der berichteten PSI waren sowohl ein Haus- als auch Facharzt beteiligt. 76,4% der berichteten PSI hatten „schädliche Folgen“ für die Gesundheit der Befragten. Die drei häufigsten genannten Schadensarten sind „zeitlicher Schaden“ (59,3%); „Verschlechterung des Gesundheitszustandes“ (46,6%) und „unnötig lang anhaltende Schmerzen“ (47,7%). 14,8% der berichteten Schäden bewerteten die Betroffenen als „sehr schwer“; 35,4% der Schäden sind von dauerhafter Natur. 46,1% der berichteten PSI wurden an den behandelnden Arzt oder einem anderen Haus- oder Facharzt (37%) zurückgemeldet. 38,9% der berichteten PSI haben dazu geführt, dass die befragten Personen ihr Vertrauen in den Arzt verloren, sich beim behandelnden Arzt beschwert (33,1%) oder den Arzt gewechselt (26%) haben.
608 Personen (6,1%) aus der Stichprobe haben seit ihrem 40. Geburtsjahr mindestens einen „Fehler mit schädlichen Folgen“ für ihre Gesundheit erlebt. Dabei berichteten 308 Personen (50,8%) einen „schweren“ und 193 Personen (31,8%) einen „sehr schweren“ Schaden. 311 Personen (51,2%) berichteten, dass der Schaden dauerhafter Natur ist. Insgesamt wurden 750 Fehler mit schädlichen Folgen berichtet, die u. a. einen „zeitlichen Schaden“ (65,7%), „unnötig lang anhaltenden Schmerzen“ (50,9%); einen „seelischen / sozialen Schaden“ (44,5%) oder eine „nicht oder zu spät erkannte Krankheit“ (37,5%) zur Folge hatten. 56,4% der Fehler mit schädlichen Folgen sind im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung aufgetreten; 20,7% im Rahmen von Medikamenten und 17,7% im Rahmen einer ambulanten Operation. In 24,1% der berichteten Schäden war ein Hausarzt; in 71,2% ein anderer Facharzt und in 4,4% sowohl ein Haus- als auch ein anderer Facharzt beteiligt.
Diskussion.
Die von den Befragten berichteten Ereignisse und deren Folgen zeigen, dass auch in der ambulanten Versorgung mit PSI zu rechnen ist, die schwerwiegende Schäden nach sich ziehen können. Die Erkenntnisse der Studie sollten genutzt werden, Versorgungssituationen und Patientengruppen mit besonderem Gefährdungspotenzial zu erkennen. Hierdurch könnten Maßnahmen gezielt etabliert werden, um die Patientensicherheit und Qualität der ambulanten Versorgung zu verbessern.
Hintergrund: Nosokomiale Infektionen, u. a. durch multiresistente Erreger (MRE), stellen eine Belastung für Patienten und deren Angehörigen, aber auch für das Krankenhauspersonal dar. Jede Infektion mit MRE verursacht ca. 17.500€ Mehrkosten. Wirksame Infektionspräventionsmaßnahmen müssen sowohl im pflegerischen als auch im akutmedizinischen Bereich ansetzen. Dabei erscheint es aussichtsreich, Patienten ins Zentrum der Intervention zu stellen. Bisherige Aktivitäten zur verbesserten Umsetzung infektionspräventiver Maßnahmen zielten jedoch lediglich auf das Verhalten des behandelnden Personals ab. Die Chancen einer stärkeren Einbindung der Patienten in die Infektionsprävention wurden bisher nicht genutzt.
Fragestellung: Das AHOI-Projekt hat das Ziel, das Potenzial der aktiven Beteiligung der Patienten für die Vermeidung nosokomialer Infektionen zu erforschen. Daher wurden Entscheidungsträger in den Krankenhausleitungen zu folgenden Punkten befragt:
1. Innovationsverhalten im Hygienemanagement
2. Identifikation möglicher Barrieren bei der Bekämpfung nosokomialer Infektionen
3. aktive Einbeziehung von Patienten in den Hygieneprozess
Methode: Im Rahmen einer Querschnittsstudie fand eine bundesweite Onlinebefragung von Krankenhausleitungen zum Innovationsverhalten im Hygienemanagement statt. An alle im deutschen Krankenhausverzeichnis veröffentlichten Emailadressen von Krankenhausleitungen (ärztl., kaufm. und Pflegedirektion) wurden Einladungsemails zur Teilnahme an der Onlinebefragung verschickt. In die Fragebogenentwicklung sind Erkenntnisse aus leitfadengestützten Experteninterviews mit Führungskräften im Gesundheitswesen eingeflossen.
Ergebnisse: An der Befragung teilgenommen haben 206 Krankenhausleitungen. Dreiviertel der Krankenhausleitungen geben an, mind. einmal jährlich an Schulungen im Bereich Hygiene teilzunehmen. Die Befragten sehen das Problem der Übertragung von Erregern im stationären Sektor eher als im ambulanten Sektor. Als Barrieren für die Umsetzung von Hygienekonzepten werden vor allem fehlende zeitliche Ressourcen und die Refinanzierung durch die Kostenträger gesehen. 80 % der Befragten geben an, dass die Hygienesituation durch die Einbindung der Patienten (deutlich) gestärkt werden kann.
Diskussion: Führungskräfte in deutschen Krankenhäusern sehen Potenzial zur Verbesserung der Infektionsprävention durch die Einbindung von Patienten in das Hygienemanagement.
Praktische Implikationen: Die bewusste Partizipation der Patienten in Leistungserstellungsprozessen kann folglich die Ergebnisqualität erhöhen und Kosten reduzieren, verlangt jedoch auch eine bewusste Entscheidung der Führungskräfte und eine Schulung des ärztlichen und pflegerischen Personals.
Hintergrund: Die Stärkung der Sicherheitskultur in Krankenhäusern ist nach dem Model von Singer und Vogus (2013) eine wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Etablierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit. Wesentlich hierbei ist unter anderem die Messung der Patienten- und Arbeitssicherheitskultur im Krankenhaus. So können Handlungsbedarfe identifiziert und konkrete Maßnahmen zur Entwicklung einer Sicherheitskultur in der stationären Versorgung abgeleitet werden.
Methode: Im Rahmen der WorkSafeMed-Studie (Working conditions, safety culture and patient safety in hospitals: what predicts the safety of the medication process?) wurde im Frühjahr und Sommer 2015 eine standardisierte Querschnittbefragung in zwei deutschen Universitätskliniken durchgeführt. Der Fragebogen enthielt unter anderem Skalen der deutschen Version des Hospital Survey on Patient Safety Culture (HSPSC-D) zur Erfassung der Patientensicherheit und Aspekte von Patientensicherheitskultur (z.B. Offene Kommunikation, Teamarbeit und Führung). Darüber hinaus enthielt der Fragebogen Items zur Arbeitssicherheit und Arbeitssicherheitskultur.
Ergebnisse: Insgesamt haben 995 Klinikmitarbeiter, darunter 381 Ärzte und 567 Pflegekräfte (Rücklauf = 39,6%), an der Befragung teilgenmmen. Die Ergebnisse liefern ein recht sehr heterogenes Bild bezüglich der einzelnen Sicherheitskulturdimensionen. Generell wurden die Patienten- und Arbeitssicherheitskultur eher positiv bewertet. Zentrale Handlungsfelder zeigten sich jedoch insbesondere bei den Themen Übergaben und personelle Ressourcen. Gleichzeitig konnten die Unterstützung innerhalb der Teams sowie die Unterstützung durch den Vorgesetzten und die Krankenhausleitung als bedeutsame Faktoren für die Entwicklung einer Patienten- und Arbeitssicherheitskultur identifiziert werden.
Diskussion: Die Ergebnisse der WorkSafeMed-Studie verdeutlichen dass Teamarbeit sowie Führung und Management konkrete Ansatzpunkte für die Verbesserung der Arbeits- bzw. Patientensicherheitskultur und damit für die Verbesserung der Patienten- und Arbeitssicherheit selbst darstellen.
Förderung:
Die Studie WorkSafeMed wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (FKZ 01GY1325A/B).
Literatur: Singer, Sara J.; Vogus, Timothy J. (2013): Reducing hospital errors: interventions that build safety culture. In Annual Review of Public Health 34, pp. 373–396. DOI: 10.1146/annurev-publhealth-031912-114439.
Hintergrund: Im Rahmen der Versorgungsforschung wird berücksichtigt, dass die Qualität einer Intervention im Versorgungsalltag auch von deren Implementierungsqualität abhängig ist [1,2]. Die Erfassung des Implementierungserfolgs ist daher in der Forschung und Praxis von Bedeutung [1]. Eine Befragung zeigte, dass lokale Berichts- und Lernsysteme, sogenannte Fehlermeldesysteme (kurz: Meldesysteme), zu einem überwiegenden Teil in Deutschlands Krankenhäusern eingeführt worden sind und eine Überprüfung von Implementierungsveränderungen in etwas mehr als der Hälfte der Fälle systematisch stattfindet [3]. Dennoch ist bisher nicht untersucht worden, wie der Implementierungserfolg von Meldesystemen in deutschen Krankenhäusern operationalisiert wird.
Fragestellung: Wie wird der Implementierungserfolg von Meldesystemen in deutschen Krankenhäusern erfasst?
Methode: Im Rahmen einer deskriptiven Querschnittsstudie (IMCOME „Die Erfassung des Implementierungserfolgs von Berichts- und Lernsystemen in deutschen Krankenhäusern“) im qualitativen und quantitativen Design, wurde eine Onlinebefragung (August bis Oktober 2018) durchgeführt. Geplant war eine Befragung von 50 für das lokale Meldesystem Verantwortlichen (z. B. Risiko-/ Qualitätsmanagementbeauftragte und/oder -manager). Der Fragebogen wurde einem zweistufigen Pre-Testverfahren unterzogen und basiert auf einer validierten Übersetzung der Implementierungsoutcomes von Proctor et al. (2011) [1,4]. Er umfasst den Stand der Implementierung, die Erfassung des Implementierungserfolgs und der Implementierungsoutcomes sowie die Charakteristika von Krankenhäusern und Teilnehmenden. Die Datenanalyse erfolgte qualitativ inhaltsanalytisch und quantitativ deskriptiv. Missings und Plausibilität wurden überprüft. Es lag ein Ethik-Votum der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP) vor.
Ergebnisse: 51 Krankenhäuser wurden eingeschlossen. Obwohl die Meisten aus Nordrhein-Westfalen (n=17) und Niedersachsen (n=12) stammten, konnten bis auf drei Ausnahmen, alle Bundesländer adressiert werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass eine Überprüfung des Implementierungserfolgs aus Sicht der Teilnehmenden in etwas mehr als Dreiviertel der Fälle stattfindet und über die Hälfte die Implementierung als erfolgreich bezeichnen. Es konnten Kennzahlen zur Überprüfung des Implementierungserfolgs (vornehmlich „Meldehäufigkeit“), Methoden und Instanzen (z. B. geplante Befragungen) und Bedingungen (z. B. nicht anonyme Meldeauswertung) beschrieben werden. Überraschend ist, dass die genannten Kennzahlen das komplexe Meldesystem im Implementierungsprozess nicht in Gänze abzubilden scheinen.
Diskussion: Es gibt Hinweise darauf, dass der Implementierungserfolg des Meldesystems zwar erfasst wird, jedoch nicht alle wesentlichen Ebenen berücksichtigt werden. Es stellt sich die Frage, ob die überwiegend genannte „Meldehäufigkeit“ ein geeignetes Maß zur Messung der Implementierungsoutcomes ist. Kritisch wird die „Meldehäufigkeit“ im Hinblick auf die Messung der Sicherheit im Krankenhaus, bezüglich dessen Strukturen oder Leistungen bewertet [5]. Derzeit wird ebenso die Auswahl und Weiterentwicklung von Implementierungsoutcomes diskutiert. [6].
Praktische Implikationen: Basierend auf den ersten Ergebnissen erscheint der kritische Umgang mit derzeit verwendeten Kennzahlen zur Messung des Implementierungserfolgs von Meldesystemen empfohlen. Eine Weiterentwicklung und Validierung ist geboten.
Literatur
1. Gutt A-K, Hoben M, Roes M, Willmeroth T, Wesselborg B, Kuske S. Systematische Übersetzung und Cross-
Validierung definierter Implementierungsoutcomes der Gesundheitsversorgung. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2018;135-136:72–80.
2. Pfaff H, Neugebauer E, Glaeske G, Schrappe M, editors. Lehrbuch Versorgungsforschung: Systematik - Methodik - Anwendung. 2nd ed.; 2017.
3. Manser T, Frings J, Heuser G, Mc Dermott F. The German clinical risk management survey for hospitals: Implementation levels and areas for improvement in 2015. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. 2016;114:28–38.
4. Proctor E, Silmere H, Raghavan R, Hovmand P, Aarons G, Bunger A, et al. Outcomes for implementation research: conceptual distinctions, measurement challenges, and research agenda. Adm Policy Ment Health. 2011;38(2):65–76.
5. Howell A-M, Burns EM, Bouras G, Donaldson LJ, Athanasiou T, Darzi A. Can Patient Safety Incident Reports Be Used to Compare Hospital Safety? Results from a Quantitative Analysis of the English National Reporting and Learning System Data. PLoS One. 2015;10(12):e0144107.
6. Long KM, McDermott F, Meadows GN. Being pragmatic about healthcare complexity: Our experiences applying complexity theory and pragmatism to health services research. BMC Med. 2018;16(1):94.