Für Patient*innen geeignet.
Eine gut funktionierende sektorenübergreifende Versorgungsforschung betrifft Menschen jeden Alters. In dieser Session werden Projekte vorgestellt, welche zum einen Menschen in einer frühen und zum anderen Menschen in einer späten Lebensphase fokussiert. Ein Beitrag beschäftigt sich mit der Ausstattung, den Bedingungen und den Nutzen von „Lotsendiensten“ in Geburtskliniken. Weiterhin wird eine Studie dargestellt, die untersucht hat, welche Sichtweisen und Bedürfnisse Mütter von 0- bis 6-jährigen Kindern in Bezug auf die Themen Gesund Aufwachsen, Ernährung, Bewegung und psychische Gesundheit formulieren. Eine andere Untersuchung geht der Frage nach, wie Stakeholder und Experten pflegerischer Versorgung ein Gesamtversorgungskonzept einer stationären Altenhilfe in Bezug auf Potentiale, Risiken und mögliche Veränderungen im System der Leistungserbringung einschätzen bzw. was mögliche Potentiale eines Gesamtversorgungskonzepts in Hinblick auf die zukünftige pflegerische Versorgung älterer Menschen sind. Schließlich wird in dieser Session eine Übersichtsarbeit vorgestellt, die den Stand der Wissenschaft zu den Kernthemen „Entlassmanagement in einem Akutkrankenhaus“, „kognitive Beeinträchtigung“ oder „Demenz“ in der deutschen Krankenhauslandschaft eruiert.
15:15 Uhr
Zusammen für Familien - Strukturen intersektoraler Kooperation in der stationären Geburtshilfe
Sara Scharmanski | Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung | Germany
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Autor:innen:
Sara Scharmanski | Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung | Germany
Ilona Renner | Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung | Germany
Soziale Lebensbedingungen in früher Kindheit stehen im Zusammenhang mit Entwicklungschancen und dem allgemeinen Gesundheitszustand.
Den bedeutsamen Zusammenhang zwischen sozialen Lebensbedingungen und Gesundheit hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkannt und es wurde eine Präventionsstrategie explizit für Kinder formuliert („Sustainable Development Goals“ und das „Nurturing Care Framework“). Sind die Komponenten des „Nurturing Care“ (z.B. Sicherheit und Schutz) für Kinder gewährleistet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf eine gesunde Entwicklung. Diese Entwicklungsbedingungen für alle Kinder sicher zu stellen, ist die Aufgabe aller Akteure vor Ort.
Die Frühen Hilfen in Deutschland folgen diesem Ansatz. In lokalen Präventionsnetzwerken arbeiten Akteure des Gesundheitswesens, der Kinder- und Jugendhilfe und andere kommunale Einrichtungen intersektoral zusammen, um Familien in psychosozial belastenden Lebenslagen schon früh zu unterstützen.
Die Geburtskliniken sind ein wichtiger Kooperationspartner in diesen Netzwerken Frühe Hilfen: Fast alle Kinder in Deutschland kommen in einer Geburtsklinik zur Welt. Entsprechend ist dies ein geeignetes Setting, um Familien in psychosozial belastenden Lebenslagen schon früh zu erreichen, sie über Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren und zu beraten. Bei Bedarf können die Familien aus der Geburtsklinik in die Frühen Hilfen übergeleitet werden. Fachkräfte in Geburtskliniken können für Familien somit eine Art „Lotse“ innerhalb der Helfersysteme sein.
Geburtskliniken haben sich schon früh dieser Herausforderung gestellt und bieten bereits jetzt eine Vielzahl an Aktivitäten an, um dieser „Lotsenfunktion“ gerecht zu werden.
Ab 2006 wurden zunehmend „Lotsendienste“ in Geburtskliniken eingerichtet, dessen Aufgabe die Einschätzung eines psychosozialen Hilfebedarfs, die vertiefende Beratung, ggf. die Überleitung in die Frühen Hilfen und die fallübergreifen Arbeit im lokalen Präventionsnetzwerk ist.
Doch in wie vielen Geburtskliniken sind solche „Lotsendienste“ oder „Lotsenaktivitäten“ vorhanden? Von welchen Bedingungen ist die Einrichtung eines „Lotsendienstes“ abhängig? Können familiäre Hilfebedarfe während des stationären Aufenthaltes überhaupt festgestellt werden? Welchen Nutzen bieten die „Lotsendienste“ für die einzelne Geburtsklinik?
Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen hat das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) das ZuFa Monitorings „Zusammen für Familien (ZuFa)“ auf den Weg gebracht.
Seit 2016 werden durch repräsentative Befragungen von Mitarbeitenden der stationären Geburtshilfe Hinweise auf Kooperationsintensität und -qualität zwischen diesem Akteur und den Frühen Hilfen gewonnen. Die Erhebung wurde im mixed-method Design durchgeführt.
Im Rahmen einer quantitative Fragebogenerhebung wurden alle Geburtskliniken in Deutschland mit mehr als 300 Geburten im Jahre 2015 (N = 673) kontaktiert. Insgesamt haben sich N = 383 (57 %) Geburtskliniken an der Haupterhebung beteiligt. Analysen der Repräsentativität und Selektivität der teilnehmenden Kliniken zeigen, dass mit Berücksichtigung einer nachträglichen Zellgewichtung die Stichprobe hinsichtlich geographischer und struktureller Merkmale repräsentativ ist.
Die quantitativen Daten werden mithilfe bivariater Vergleiche auf Unterschiede zwischen Geburtskliniken mit (n = 111) und ohne (n = 254) Lotsendienst geprüft. Regressionsanalytische Verfahren dienen der Analyse möglicher Bedingungsfaktoren im Zusammenhang mit dem Umsetzungsstand von Lotsendiensten bzw. Lotsenaktivitäten in Geburtskliniken.
Der standardisierten Befragung schloss sich die qualitative Datenerhebung in Form von 11 Telefoninterviews und vier Workshops in Geburtskliniken an. Ziel der Erhebungen war, Hürden und Hemmnisse bei der Umsetzung von Lotsenaktivitäten in Geburtskliniken tiefergehend zu erfassen. Auch der Aufbauprozess von Lotsendiensten in Geburtskliniken wurde näher beleuchten. Die qualitativen Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.
Der vorliegende Beitrag möchte zum einen Netzwerke Früher Hilfen und Möglichkeiten der intersektoralen Kooperation zwischen der stationären Geburtshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe darstellen. Des Weiteren werden anhand der Daten des ZuFa Monitorings (a) die aktuelle Versorgungslage von psychosozial belasteten Familien in der stationären Geburtshilfe, (b) der aktuelle Ausbaustand von Lotsendiensten und dessen begleitende Bedingungen und (c) Hinweise auf einen möglichen Gewinn für die Geburtskliniken durch intersektorale Kooperation präsentiert.
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15:30 Uhr
Wenn eine Brücke zur Barriere wird- Sichtweisen von Müttern zum gesunden Aufwachsen ihrer Kinder im Kiez
Heike Schuchardt | Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1 | Germany
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Autor:innen:
Heike Schuchardt | Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1 | Germany
Ursula Bühler-Reinhart | Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1 | Germany
Gwendolyn Näher | Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1 | Germany
Julia Rieger | Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1 | Germany
Dr. Ines Wulff | Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1 | Germany
Hintergrund:
Kinder aus schwieriger sozialer Lage haben geringere Chancen auf ein gesundes Aufwachsen (1). Sie bewegen sich weniger, sind häufiger übergewichtig und zeigen vermehrt psychische Auffälligkeiten (2). Vor diesem Hintergrund ist im Jahr 2016 das Projekt „Gesund Aufwachsen in Charlottenburg- Wilmersdorf“ gestartet (3). Es verfolgt das Ziel, eine Präventionskette aufzubauen und durch die Vernetzung beteiligter Akteure Kindern im Stadtteil ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen (4).
Fragestellung:
Welche Sichtweisen und Bedürfnisse formulieren Mütter von 0 bis 6-jährigen Kindern in Charlottenburg Nord in Bezug auf die Themen Gesund Aufwachsen, Ernährung, Bewegung und psychische Gesundheit?
Methode
Im Rahmen der qualitativ-explorativen Studie wurden die subjektiven Sichtweisen der Mütter in leitfadengestützten Interviews (n=14) zu den verschiedenen Themenschwerpunkten erfragt. Die Leitfäden wurden theoriebasiert erstellt. Der Zugang zu den Eltern erfolgte überwiegend mittels Gatekeeper über eine Kindertagesstätte und über ein Familienzentrum. Die Interviews wurden regelgeleitet transkribiert und anhand deduktiv und induktiv entwickelter Kategorien inhaltsanalytisch mithilfe der QDA-Software ausgewertet.
Ergebnisse
Alle Teilnehmerinnen formulierten ein Bewusstsein und Interesse bezüglich des gesunden Aufwachsens ihrer Kinder. Das Thema Bewegung wurde in nahezu allen Interviews in diesem Zusammenhang als wichtig erachtet. Unter anderem konstatierten die Befragten einen Mangel an interessanten Spielplätzen und Freiflächen sowie die Gefahren durch die Ver-kehrslage an einer Autobahnbrücke. Hinsichtlich gesunder Ernährung wurde der Wunsch nach einem Kiezgemeinschaftsgarten, nach einem Kindercafé und nach einer ausgewogenen Frühstückszubereitung durch die Kita geäußert. In Bezug auf die psychische Gesundheit wurden als Hürden Unwissenheit, aufwendige Anmeldebedingungen in Beratungsstellen und die für Familien ungünstige Terminierung von Angeboten genannt. Hier bestand der Wunsch nach professionellen Berater*innen innerhalb der Kita und besser terminierten, altersübergreifenden Angeboten, die auch für Familien mit mehreren Kindern handhabbar sind. Als bedeutende Institutionen wurden die Kita, die Kinderärzt*innen, das Familienzentrum und der Ersthausbesuch nach Geburt durch das Gesundheitsamt benannt.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass von den Müttern vor Ort neben konkreten Angeboten innerhalb der Settings insbesondere auch verhältnispräventive Maßnahmen als zielführend zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancen gesehen werden. Dazu ist es notwendig, nicht nur die gesundheitliche Versorgung über das Gesundheitssystem sicherzustellen, sondern Bedingungen in allen Lebensbereichen zu schaffen, die gesundheitsförderlich wirken.
Aus den Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass auch aus Nutzerinnenperspektive ein ressortübergreifendes Arbeiten im Sinne von „Health in all Policies“ für ein gesundes Aufwachsen unabdingbar ist.
Praktische Implikationen
Aus den Ergebnissen ist abzuleiten, dass Kitas und Kinderärzt*innen eine zentrale Rolle einnehmen sollten, um niedrigschwellige Zugänge für die Familien zum Versorgungssystem und zu Angeboten der Prävention und Gesundheitsförderung zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten Kitas und Schulen verhältnispräventive Maßnahmen ergreifen sowie die Bewegungsräume im Kiez in Zusammenarbeit mit dem Grünflächenamt bewegungsförderlicher gestaltet werden. Kontaktfördernde Angebote könnten in Kooperation mit bereits vorhandenen Akteuren realisiert werden. Die Implementierung professioneller Ansprechpartner*innen in den Kinderbetreuungs-Institutionen wäre ein wichtiger Schritt, um Familien in belastenden Situationen einen niedrigschwelligen Zugang zu Hilfsmaßnahmen zu ermöglichen.
(1) Richter M & Hurrelmann K, 2006. Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen, Probleme, Konzepte, 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
(2) Lambert T & Kuntz B 2015. Gesund aufwachsen - welche Bedeutung kommt dem sozialen Status zu? [Online]. Berlin: Robert-Koch-Institut. http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2015_1_gesund_aufwachsen.pdf?__blob=publicationFile.
(3) Dilßner-Nweke H 2016. Newsletter #1: Startschuss für ein Großprojekt [Online]. Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf. https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/verwaltung/aemter/gesundheitsamt/assets/1- newsletter_gesund-aufwachsen.pdf
(4) Kooperationsverbund gesundheitliche Chancengleichheit 2013. Integrierte kommunale Strategien als Beitrag zur Verbesserung gesundheitlicher Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche [Online]. BZgA, Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V. https://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/integrierte- kommunale-strategien/
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15:45 Uhr
Das Konzept eines sektorenverbindenden Versorgungsansatzes (SGB XI) im Quartier – Einschätzung von Experten zu einer innovativen Versorgungsform
Dr. Bernhard Holle | Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. - Standort Witten | Germany
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Autor:innen:
Dr. Bernhard Holle | Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. - Standort Witten | Germany
Ina Hartwig | Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. - Standort Witten | Germany
Hintergrund
Das Gesundheitssystem sieht sich zunehmend mit einer steigenden Anzahl von hilfs- und pflegebedürftigen Menschen konfrontiert. Im Jahre 2013 lebten ca. 2,6 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland. Prognosen zufolge wird sich diese Zahl bis zum Jahre 2030 um 50% erhöhen. Die meisten über 65-jährigen Menschen mit Unterstützungsbedarf wohnen in der Häuslichkeit (93%) und werden von Familienangehörigen bei der Bewältigung von Alltagstätigkeiten unterstützt.
Im Rahmen eines Modellprojektes in NRW hat ein Träger der stationären Altenhilfe ein so genanntes Gesamtversorgungskonzept (GVK) gem. §72 SGB XI in vier Quartieren erprobt. Ziel des Modellprojektes war es, eine fußläufig organisierte pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung der Nutzenden im Nahraum der stationären Einrichtung zu konzipieren, welche die Verzahnung von ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen aus einer Hand ermöglicht. Insbesondere im Hinblick auf die Akzeptanz, Umsetzbarkeit und politische Einschätzung bezüglich dieser innovativen Versorgungsform wurden Stakeholder und Experten pflegerischer Versorgung im Bereich des SGB XI im Rahmen einer wissenschaftlichen, multiperspektivischen Evaluation befragt.
Fragestellung
Wie schätzen Stakeholder und Experten pflegerischer Versorgung im Bereich des SGB XI das GVK in Bezug auf Potentiale, Risiken und möglichen Veränderungen im System der Leistungserbringung ein?
Was sind mögliche Potentiale eines GVK im Hinblick auf die zukünftige pflegerische Versorgung älterer Menschen?
Methode
Qualitative Befragung der Stakeholder und Experten (n=8) mittels leitfadengestützter Experteninterviews. Die Analyse erfolgte mittels inhaltlich-strukturierender Inhaltsanalyse nach Schreier (2014). Das Ziel war die explorativ-systematisierende Erhebung und Analyse von Expertenmeinungen zum GVK.
Ergebnisse
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Systeminnovation „Versorgung im Quartier-Gesamtversorgungskonzept“ seitens der Experten mit großem Interesse begegnet wird. Neben Anerkennung des Innovationsgehaltes des Konzeptes im Hinblick auf die zielgruppengerechte Versorgung und der Motivation zur Umsetzung seitens des beteiligten Trägers und Kostenträger werden aber auch die erwarteten Herausforderungen, die mit der Umsetzung eines solchen Konzeptes einhergehen können, benannt. Hierbei spielen insbesondere Fragen der Qualitätssicherung, dem adäquaten Personaleinsatz sowie vermuteten Auswirkungen auf das Marktgeschehen und die Zukunft stationärer Altenhilfe eine hervorgehobene Rolle. Mit Blick auf eine mögliche Verstetigung des Konzeptes stellen sich die Experten die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen dies auch nach Abschluss des Modellprojektes für andere Träger und in anderen Regionen möglich sein wird. Hier wird es ihrer Meinung nach auf die Innovationsbereitschaft von Kostenträgern und Trägern gleichermaßen ankommen.
Diskussion
Neben den Auswirkungen einer Systeminnovation wie dem Gesamtversorgungskonzept auf die Nutzenden spielt für eine langfristige Implementierung und Umsetzung auch die Einschätzung relevanter Stakeholder und Experten eine wichtige Rolle. Wie im Rahmen organisationsbezogener Versorgungsforschung gefordert (Ansmann et al. 2019), liefert die vorliegende Studie einen Beitrag dazu, Rahmenbedingungen und Wechselwirkungen unter denen eine Versorgungsinnovation zur Umsetzung gebracht wird besser zu beschreiben und ihre Wirkungen auf die Umsetzung der Innovation zu verstehen.
Praktische Implikationen
Die im Rahmen der Interviews geäußerten und analysierten Einschätzungen können als Grundlage für die weitere Ausgestaltung der Rahmenbedingungen und Regularien im Bereich der pflegerischen Versorgung im sozialen Nahraum genutzt werden. Die Ergebnisse beschreiben konkrete Handlungs- und Diskussionsfelder die im Zusammenhang mit einer Weiterentwicklung dieses Versorgungssettings aus Sicht der Experten von hoher Relevanz sind.
16:00 Uhr
Das Entlassmanagement deutscher Krankenhäuser im Umgang mit kognitiv beeinträchtigten, älteren Menschen – ein Scoping Review
Fanny Schumacher-Schönert | German Centre for Neurodegenerative Diseases e.V. (DZNE) | Germany
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Autor:innen:
Fanny Schumacher-Schönert | German Centre for Neurodegenerative Diseases e.V. (DZNE) | Germany
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann | Institut für Community Medicine | Germany
PD Dr. Jochen René Thyrian | Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V. | Germany
Hintergrund
In deutschen Krankenhäusern sind etwa 40% aller Patienten ab 65 Jahren kognitiv beeinträchtigt. Diese Patienten bedürfen viel mehr als der üblichen Akutbehandlung und weisen ein weit höheres Risiko, in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden, auf, als Gleichaltrige ohne Demenz. Die Betreuung dieser Patienten erfordert besondere Unterstützung und Flexibilität und stellt eine enorme Herausforderung für das Krankenhauspersonal dar. Das deutsche Gesundheitssystem steht insbesondere vor dem Hintergrund der drei Sektorengrenzen (1. ambulante Behandlung und Versorgung, 2. stationären Behandlung und Versorgung, 3. der Rehabilitation) im Umgang mit kognitiv beeinträchtigten Menschen und dem Anspruch nach Kontinuität, Ganzheitlichkeit und Integrität vor enormen Herausforderungen. Diese betreffen insbesondere die Schnittstelle zwischen Krankenhaus und dem häuslichen Leben; Krankenhausentlassungen treten oftmals unerwartet ein, Vorbereitungen der Pflegeeinrichtungen werden als unzureichend beschrieben. Darüber hinaus steht nach der Entlassung aus dem Krankenhaus oft keine Kontaktperson zur Verfügung und die Organisation und Koordination der medizinischen Nachsorge muss von den Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen selbst oder -sofern vorhanden- deren pflegenden Angehörigen übernommen werden. Versorgungslücken führen zu einer vorzeitigen Institutionalisierung, erhöhen die Wahrscheinlichkeit an Wiedereinweisungen ins Krankenhaus und das Sterberisiko signifikant. Krankenhausentlassungen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sollten so geplant werden, dass Ihnen die Rückkehr in die Häuslichkeit erleichtert wird.
In den letzten Jahren wurden sehr viele Bemühungen um das Entlassmanagement (EM) deutscher Krankenhäuser unternommen; unter anderem wurden Expertenstandards definiert und das EM für Krankenhäuser wurde gesetzlich verpflichtend im SGB V verankert. Trotzdem eine große Homogenität hergestellt werden konnte, fehlt es übergreifend an einheitlichen Standards und evaluierten (Begleit-) Konzepten zum Umgang mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.
Zielsetzung
Das Ziel der Übersichtsarbeit ist es, den Stand der Wissenschaft zu den Kernthemen „Entlassmanagement in einem Akutkrankenhaus“ – „kognitive Beeinträchtigung“ oder „Demenz“ in der deutschen Krankenhauslandschaft zu eruieren und anhand des vorliegenden Materials die Notwendigkeit eines evaluierten Begleitkonzeptes zwischen den Sektorengrenzen herauszustellen.
Material und Methoden
Die Übersichtsarbeit wurde in Form eines Scoping Reviews mit der wissenschaftlichen Literaturdatenbank „PubMed“ durchgeführt. Als Suchleitwörter wurden “cognitive impairment OR dementia AND hospital OR acute care AND discharge OR transition AND germany AND primary care” verwendet. Zuvor erzielte die Stichwortsuche mit den Leitbegriffen „dementia AND hospital AND germany AND discharge“ lediglich 40 Treffer. Unter Einbezug der AND/OR-Bedingung konnten 369 Artikel einem Titelscreening unterzogen werden. 81 Artikel wurden für das darauffolgende Abstractscreening herangezogen. Aus dem Abstractscreening wurden Artikel ausgeschlossen, die bereits dem Titel nach aufgrund ihres Kernthemas nicht relevant schienen; unter anderem wurden Studien zur Krebs-, Herz- Kreislauf- und der Transplantationsforschung direkt aussortiert. Eingeschlossen wurden Artikel mit Kernthemen zu(r) geriatrischen Patienten, Demenzpflege im Krankenhaus, kognitiv beeinträchtigten Menschen und Artikel mit direktem Bezug zu einem Entlassmanagement aus dem Akutkrankenhaus.
Ergebnisse
In die abschließende Analyse wurden 13 wissenschaftliche Artikel eingeschlossen, aus denen weitere Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Schwierigkeiten und Innovative Ansätze herausgestellt wurden. Dabei fiel insbesondere auf, dass Interventionseffektmessungen auf der Patientenebene fehlten.
Diskussion
Der World Alzheimer Report 2016 stellt in einleitenden Worten prägnant heraus, dass die Betreuung von Menschen mit Demenz kontinuierlich, ganzheitlich und integrativ sein sollte. Wissenschaftlich evaluierte Konzepte zum Umgang mit kognitiv beeinträchtigten, älteren Menschen im Übergang der Sektorengrenzen sind jedoch ausgesprochen rar, patientenzentrierte Interventionseffekte fehlen. Ergebnisse und weitere Entwicklungstendenzen können gerne weiter diskutiert werden.
Praktische Implikation
Das vorliegende Review ist, dem Leitgedanken des Kongresses gerecht werdend, („gemeinsam Verantwortung übernehmen für ein lernendendes Gesundheitssystem“) ein erster Baustein zur Schaffung eines Bewusstseins und der Notwendigkeit für ein übergreifendes Versorgungssystem kognitiv beeinträchtigter Menschen. Die Ergebnisse geben einen umfassenden Überblick der Versorgungslandschaft zu den benannten Stichwörtern und regen dazu an, Heterogenitäten in der intersektoralen Versorgung weiter abzubauen.
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