Autor:innen:
Dr. Charlotte Ullrich | Universitätsklinikum Heidelberg | Germany
Anna Stürmlinger | Universitätsklinikum Heidelberg | Germany
Prof. Dr. Michel Wensing | Universitätsklinikum Heidelberg | Germany
Hintergrund
Die Versorgungsforschung ist durch ihren Forschungsgegenstand gekennzeichnet. Dennoch lässt sich in den letzten Jahren verstärkt ein spezifischer Bedarf an Personen mit Versorgungsforschungskompetenzen konstatieren. Die Versorgungsforschung ist dabei auch aufgrund ihrer Interdisziplinarität – zumindest bisher – ein Feld ohne feste Karrieremuster. Zum Berufsbild Versorgungsforscher/in liegen bisher nur vereinzelte und meist implizite Erkenntnisse vor, die sich aus angebotenen Fortbildungsmaßnahmen ableiten lassen [1-4].
Fragestellung
Vor diesem Hintergrund zielt unsere Untersuchung darauf, das „Berufsbild Versorgungsforscher/in“ aus Perspektive des Arbeitsmarkts hinsichtlich a) der Art der Stellenanbieter, b) der angebotenen Funktionen und Tätigkeiten sowie c) der nachgefragten Qualifikationen zu beschreiben.
Methode
Im Zeitraum vom Februar bis August 2018 wurden systematisch Stellenangebote in vier großen Jobportalen sowie der Stellenbörse des DNVF, in denen der Begriff „Versorgungsforschung“ zu finden war, gesammelt. Anschließend wurden in einem Volltextscreening Stellenanzeigen ausgeschlossen, deren Hauptaufgabe in der Zuarbeit zur Versorgungsforschung lag und/oder die keinen inhaltlichen Bezug zur Versorgungsforschung aufwiesen. In einem dritten Schritt wurden bei allen Stellen, die keine Professuren waren, die Stellen ausgeschlossen, für die primär eine andere akademische Ausbildung Voraussetzung war (z.B. Medizin- oder Psychologiestudium). Die Datenanalyse zielte auf eine kategorisierende zusammenfassende Ergebnisdarstellung. In einem Analyseverfahren, dass deduktive und induktive Schritte verbindet, wurde ein Auswertungsschema mit folgenden Hauptkategorien entwickelt: a) Arbeitgebertypen, b) Beschäftigungstypen c) Beschäftigungsverhältnisse, d) Tätigkeitsprofile, e) nachgefragte Qualifikationen und f) Bezug zur Versorgungsforschung.
Ergebnisse
Im Untersuchungszeitraum wurden zunächst 137 Stellen eingeschlossen und nach Anwendung der Ausschlusskriterien 113 Stellen in die weitere Analyse einbezogen.
Anbieter & Tätigkeitsprofil
Über die Hälfte der Stellen – 17 für Professuren und 45 für wissenschaftliche Mitarbeiter/innen – wurden an Universitäten (49) und anderen Hochschulen (13) ausgeschrieben. Der zweitgrößte Anbieter waren Unternehmen (37), insbesondere Pharma- und Medizintechnikunternehmen, gefolgt vom öffentlichen Dienst, Selbstverwaltung und Verbände (12) sowie zwei Kliniken. Funktionsschwerpunkte sind: a) Wissenschaft und Forschung (60%), b) Interessensvertretung (30%), c) Datenmanagement (4%), d) Versorgungsmanagement (2%) und e) sonstige (4%). Insgesamt überwiegen forschungsbezogene Tätigkeiten. An weiteren relevanten Tätigkeiten lassen sich an den Hochschulen Lehre (36%) und Betreuung von Promovend/innen (7%) sowie über alle Ausschreibungen hinweg gesundheitsökonomische Berechnungen (32,9%), Marketing/Interessensvertretung/Strategieentwicklung (40,6%) sowie Kommunikation und Repräsentation (68,1%) identifizieren.
Anforderungsprofil
Keine der untersuchten Stellen richtet sich ausschließlich an Versorgungsforscher/innen. Knapp zwei Drittel der Stellen erwarten ein Interesse (15,3%) bzw. Erfahrung (47,8%) in der Versorgungsforschung. Kenntnisse des deutschen Gesundheitswesens werden in etwa der Hälfte aller Stellen als Anforderung formuliert, besonders häufig in denen der Unternehmen (83,7%). Kompetenzen in quantitativen und/oder qualitativen Forschungsmethoden werden in knapp 60% aller untersuchten Stellen gefordert. Weiter werden in folgenden Bereichen Kompetenzen erwartet: a) Englisch (63%), b) Projektmanagement (38%), c) wissenschaftlichen Veröffentlichungen (22,8%), d) Literaturrecherche (15,2%) und e) interdisziplinäre Zusammenarbeit (15,2%).
Diskussion
Die exemplarische Bestandsaufnahme zeigt weder ein eindeutiges noch ein konkurrenzloses „Berufsbild Versorgungsforscher/in“. Dennoch werden Expertise und Kompetenzen in der Versorgungsforschung am Arbeitsmarkt explizit nachgefragt. Die typische Tätigkeit liegt im Bereich der Forschung. Zu den zentralen Qualifikationsprofilen gehören vor allem Methodenkompetenzen und Kenntnisse des deutschen Gesundheitswesens.
Praktische Implikationen
Die vorliegenden Ergebnisse geben Hinweise für die Curriculumsentwicklung für Qualifikationsangebote in der Versorgungsforschung als auch für Absolventinnen und Absolventen dieser.
Literatur
1. Hoffmann, F.; K. Wolf-Ostermann, Versorgungsforschung in der ZEFQ: Wo sollten wir in 2020 stehen? ZEFQ, 2016. 110-111: 21-23.
2. Ullrich, C. et al., Teaching implementation science in a new Master of Science Program in Germany: a survey of stakeholder expectations. Implement Sci, 2017. 12, 1: 55.
3. Nellessen-Martens, G.; W. Hoffmann, Versorgungsforschung – eine Disziplin im Aufschwung. Gesundheit und Gesellschaft, 2017. 17, 1: 7-15.
4. Ernstmann, N., C. Heuser, H. Pfaff, Zur Situation der Versorgungsforschung an deutschen Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen. Gesundheitswesen, 2018(EFirst)