Hintergrund
Das bei der gesetzlichen Unfallversicherung seit vielen Jahren etablierte Psychotherapeutenverfahren hat sich erfolgreich etabliert (Drechsel-Schlund et al., 2015). Allerdings sind zwei Problemkonstellationen bereits früh offensichtlich geworden: Einerseits sind gerade schwer unfallverletzte Personen oft nicht so mobil, dass sie in die Praxis von Psychotherapeuten kommen können, andererseits gibt es nicht wenige Patienten, die nach einem schweren Unfall erhebliche psychische Belastungen davon tragen, aber aus unterschiedlichen Gründen keinen Psychotherapeuten aufsuchen würden, z.B. aufgrund von Vorurteilen oder weil man meint, damit müsse man „selbst fertig werden“.
Mit dem neuen telefonisch-psychologischen Beratungsangebot werden Versicherte der Be-rufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bei entsprechenden Fallkonstellationen (z.B. Unfallsituationen mit Traumatisierungs¬risiko, schwere Unfälle, starke Schmerzen) zeitnah zu dem Unfall/Extremereignis proaktiv angesprochen, und es wird ihnen angeboten, dass sie gerne psychologische Unterstützung zu Lasten der BGW in Anspruch nehmen können. Dadurch werden Betroffene mit möglichen unfallbedingten psychischen Problemen insgesamt früher erreicht und es kann schneller und niederschwellig abgeklärt werden, ob evtl. eine psychotherapeutische Indikation besteht. Aufgrund der viel-versprechenden Ergebnisse der Pilotphase (vgl. Ahnert et al., 2018) wurde das Konzept der telefonisch-psychologischen Beratung 2018 als Ergänzung zum Psychotherapeutenverfahren flächendeckend in allen elf Bezirksverwaltungen (BVen) der BGW implementiert. Begleitend wurden der Implementierungserfolg sowie Optimierungspotentiale erfasst.
Methode
Die deutschlandweite Implementierung erfolgte mittels einheitlicher zielgruppenspezifischen Infor¬mationsveranstaltungen und Fortbildungen bei den verschiedenen in jeder BV beteiligten Stellen. Als qualitätssichernde Maßnahme wurden begleitend in jeder BV von Juni bis November 2018 die folgenden Daten der angeschriebenen Fälle dokumentiert: Geburtsdatum, Unfalldatum, Art des Unfallgeschehens, Verletzungsart, Auswahlkriterium, Versanddatum Anschreiben, Annahme/Ablehnung des Angebots, Anzahl geführter Telefonate, Inanspruchnahme einer anschließenden ambulanten Psychotherapie, Datum wiedererreichte Arbeitsfähigkeit. Des Weiteren wurde eine Befragung der beteiligten Psychotherapeuten und der BV-Ansprechpartner durchgeführt, um das Angebot und seine Implementierung bewerten zu lassen und um Hindernisse und Verbesserungspotentiale zu klären. Die Auswertung erfolgte deskriptiv und orientiert an inhaltsanalytischen Verfahren.
Ergebnisse
Seit Juni 2018 ist das Angebot der telefonisch-psychologischen Beratung in allen Bezirksver-waltungen der BGW angelaufen. Im Durchschnitt wurden monatlich 176 Angebote unterbreitet (insgesamt 1057 Angebote innerhalb von 6 Monaten). Von 1002 Versicherten liegen Falldokumentationen vor (78,6% weiblich, Altersdurchschnitt: 41,9 J.). Am häufigsten wurden Versicherte angeschrieben, die einen Übergriff/Angriff im Betrieb (38,2%) oder einen Wegeunfall (30,3%) erlitten hatten. Zeugen von belastenden Ereignissen (z.B. Suizid) waren zu 19,1% Adressaten des Angebots. Das Angebot der telefonisch psychologischen Beratung wurde von 13,5% der angeschriebenen Versicherten angenommen. Am häufigsten wurden ein (46,9%) oder zwei (26,1%) Telefonate mit den Psychotherapeuten in Anspruch genommen. Die Psychotherapeuten (n=10) als auch die BV-Ansprechpartner (n=11), bewerten das Angebot nach 6 Monaten insgesamt als „gut“ bis „sehr gut“ Optimierungsvorschläge betrafen insbesondere die Formulierung der Anschreiben, die Fallauswahl oder aber auch Erleichterungen bei der Dokumentation der Fälle.
Diskussion
Die Zahlen zur monatlichen Angebotsunterbreitung zeigten von Beginn an ein hohes Enga-gement in allen BVen, so dass die sorgfältig geplante und intensiv begleitete Implementierung als gelungen bezeichnet werden kann. Wichtig war es, dass nach der Pilotphase erarbeitete Ablaufschema flexibel auf die vorgesehene Routinephase anzupassen und flexibel weiterzuentwickeln. Dieses Konzept sowie die kontinuierliche Begleitung durch die Hauptverwaltung der BGW und weitergehende begleitende Qualitätssicherung sollten die Gewähr für eine erfolgreiche Fortführung der telefonisch-psychologischen Beratung bieten. Von Seiten der Psychotherapeuten und der BV-Ansprechpartner kamen wertvolle Hinweise auf Problemfelder und auch nützliche Optimierungsvorschläge, die in die weitere Umsetzung eingehen werden.
Literatur
Ahnert et al. (2018). Pilotprojekt „Telefonisch-psychologische Beratung Unfallverletzter“ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege – Wie wird das Angebot bewertet? Das Gesundheitswesen, 80 (11): 981-986.
Drechsel-Schlund et al. (2015). Umsetzung des Psychotherapeutenverfahrens. Einbindung von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten. Trauma Berufskrankh,17: 275–280
Hintergrund
Obwohl Mitarbeitende in der Palliativversorgung regelmäßig mit Todeswünschen (TW) von Patientinnen und Patienten konfrontiert werden, herrscht teils große Unsicherheit im Umgang damit. Um das routinemäßige Ansprechen von Themen wie Sterben und Tod, aber auch eventuell vorhandener TW zu unterstützen, wurden ein Schulungskonzept sowie ein teilstrukturierter Gesprächsleitfaden entwickelt. Dieser Leitfaden wird aktuell durch geschulte Versorgende in diversen Settings genutzt und die Anwendung von Forschenden evaluiert – gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung ((BMBF), Förderkennzeichen 01GY1706). Dabei zeigen sich verschiedene, für einen erfolgreichen Einsatz und zur Evaluation der Schulungsinhalte sowie des Leitfadens zu berücksichtigende Bedingungen.
Fragestellung
Welche Faktoren beeinflussen die Implementierung und Evaluation einer Intervention zum Umgang mit Todeswünschen bei Palliativpatienten in unterschiedlichen Settings?
Methode
Im Rahmen einer mehrphasigen Mixed Methods-Studie wurden multiprofessionelle Teilnehmende (TN) aus der Patientenversorgung im Umgang mit TW unter Anwendung des dafür entwickelten Leitfadens geschult. Anschließend wurden die TN gebeten, die in den Trainings gewonnenen Kompetenzen in Patientengesprächen einzusetzen. Für die Evaluation dieser Gespräche findet eine Befragung geeigneter Patientinnen (Einschätzung durch TN) durch Forschende statt. Einflussfaktoren auf die Gesprächsdurchführung und -evaluation werden kontinuierlich dokumentiert und systematisiert.
Ergebnisse
Von 3/2018 bis 3/2019 wurden in insgesamt 8 Schulungen 69 TN geschult, die auf Palliativ- und anderen Krankenhausstationen, in Pflegeeinrichtungen, Hospizen sowie ambulant in Hospiz- und Palliativdiensten tätig sind. Von 4/2018 bis 3/2019 schlugen 24 (35%) der TN insgesamt 64 Patienten für die Studie vor; in die Datenerhebung eingeschlossen werden konnten davon 38 (59%). Von diesen 38 Patientinnen konnte bei 14 (37%) keine vollständige Datenerhebung (Befragung zu 3 Zeitpunkten innerhalb von ca. 2 Monaten) durchgeführt werden; 9 verstarben, bei 5 verschlechterte sich ihr Allgemeinzustand.
Mit allen erfolgreich rekrutierenden TN gelingt dem Forschungsteam ein kontinuierlicher Austausch. Dadurch können auftretende Unsicherheiten bzgl. der Studiendurchführung und Schulungsinhalte zeitnah thematisiert sowie eine angemessene Information und Einbindung von Team und Vorgesetzten unterstützt werden.
Als Ursachen dafür, dass 45 (65%) der 69 TN bisher nicht für die Studie rekrutiert haben, nannten die TN am häufigsten fehlende passende Patienten (n=22 Nennungen; Einschätzung durch TN), einen veränderten Arbeitsbereich oder -umfang (n=16), der Studie gegenüber kritisch eingestellte Vorgesetzte (n=12), Unsicherheit bzgl. der Schulungsinhalte (n= 6) und Kollisionen des Studienablaufs mit den Arbeitsabläufen (n= 4).
Insgesamt ließen sich für Umsetzung der Studie Einflussfaktoren in fünf Bereichen identifizieren:
1. Institutionen (z.B. Einbindung aller Hierarchieebenen; Fragen zu Auswirkungen der Gespräche auf Patientinnen, Versorgende und Team; juristische Folgen; Prozesse innerhalb der Einrichtungen wie Umstrukturierung)
2. Versorgungsteams (z.B. Einbindung aller Beteiligten in die Studie bzw. Integration der Studie in die Arbeitsabläufe)
3. Versorgende (z.B. zeitliche Ressourcen, berufliche Veränderungen, Sicherheit im Umgang mit den Schulungsinhalten, Erreichbarkeit, Einstellung zur Studie)
4. Patienten (z.B. Allgemeinzustand, Symptomlast, Konzentrationsfähigkeit, Einstellung zur Studie, Umgang mit Befragungsformat, Erreichbarkeit)
5. Zugehörige (z.B. Einstellung zur Studie, gesetzliche Vertretung der Patientinnen)
Diskussion
Einflussfaktoren auf die Implementierung und Evaluation einer Intervention zum Umgang mit TW bei Palliativpatienten zeigen sich auf verschiedenen Ebenen. Institutionell sind dabei sowohl strukturelle Aspekte als auch die bestehende Versorgungskultur zu berücksichtigen. Im Umfeld der Patientinnen und Versorgenden spielen die Zugehörigen und das Team eine wichtige Rolle. Außerdem lassen sich sowohl bezüglich der Patienten als auch in Bezug auf ihre Versorgenden selbst wichtige Einflussfaktoren identifizieren.
Praktische Implikationen
Relevante Faktoren für eine erfolgreiche Studiendurchführung bereits vor Beginn einer Studie zu kennen bzw. im Verlauf der Durchführung zu erkennen, ist grundlegend für die erfolgreiche Implementierung und Evaluation einer Intervention. So können schon im Vorhinein hemmende Faktoren für die Umsetzung antizipiert und auf im Prozess auftauchende Herausforderungen flexibel reagiert werden.
Die Anwendung von Patientenverfügungen im Kontext einer Demenzerkrankung wird in der Literatur fachübergreifend intensiv diskutiert. Theoretische wie empirische Arbeiten beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten zur praxiswirksamen Relevanz von Patientenverfügungen im Versorgungsalltag von Demenzkranken. Allerdings wird in der Debatte jenen Personen, die durch die Patientenverfügung zum Patientenvertreter ernannt werden, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Unsere anwendungsorientiert ausgerichtete Studie erhebt, welche Rolle Patientenvertreter für die praxiswirksame Relevanz von Patientenverfügungen spielen. Im Zentrum unseres Forschungsvorhabens steht dabei die Frage, wie Patientenvertreter Patientenverfügungen bei Entscheidungsfindungsprozessen rund um die (palliativ-) medizinische Versorgung von Personen mit fortgeschrittener Demenz verwenden.
Wir haben mit 25 Patientenvertretern halbstrukturierte Leitfadeninterviews durchgeführt. Die Fallauswahl erfolgte nach dem Sampling-Prinzip der maximalen Varianz. Aus 100 Patientenverfügungen, die im Rahmen der EPYLOGE-Studie (Diehl-Schmid et al., BMC Psychiatry, 2018) gesammelt wurden, wurden jene Verfügungen ausgewählt, die sich in Form und Inhalt maximal unterscheiden. Die circa 40-minütigen Interviews mit den Patientenvertretern wurden mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Interviews wurden unter Verwendung der Software MAXQDA zunächst fallspezifisch (mit Abgleich der jeweils relevanten Patientenverfügung) und anschließend fallübergreifend ausgewertet.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Praxiswirksamkeit von Patientenverfügungen im Demenz-Kontext vom (1) Wissen sowie vom (2) Willen der Patientenvertreter abhängt. Ersteres bezieht sich auf Fälle, in denen sich das lücken- oder fehlerhafte Wissen der Patientenvertreter zum Geltungsbereich von Patientenverfügungen im Allgemeinen und/oder zu den Inhalten der jeweils relevanten Verfügung im Konkreten auf die Versorgung des Demenzkranken auswirkt. Letzteres bezieht sich auf Fälle, in denen sich Patientenvertreter dem vorab verfügten Patientenwillen nicht (mehr) unterordnen wollen bzw. können. Diese Fälle betreffen insbesondere Entscheidungen rund um die künstliche Ernährung der Demenzkranken.
Als praktische Implikationen unserer Ergebnisse schlagen wir eine bessere Vorbereitung der (zukünftigen) Patientenvertreter vor. Wir halten die Schaffung bzw. Forcierung von Angeboten, die die als Patientenvertreter vorgeschlagenen Personen über die rechtlichen Rahmenbedingungen von Patientenverfügungen sowie insbesondere über die Verantwortlichkeiten eines Patientenvertreters aufklären, für bedeutsam – zeigt doch unsere Studie, welch zentrale Rolle der Patientenvertreter für die praxiswirksame Relevanz von Patientenverfügungen spielt.
Hintergrund
In Deutschland hat ca. jedes sechste Kind Eltern, die süchtig sind. Der elterliche Drogenkonsum führt häufig zu prekären Lebensbedingungen für diese Kinder führen und deren eine gesunde Entwicklung mit Blick auf ihren Gesundheitszustand, Bildungsgrad und finanzielle Situation. Kinder suchterkrankter Eltern sind durch Hilfemaßnahmen sehr schwer zu erreichen. Über den Kontakt mit den suchterkrankten Eltern hat die Sucht- und Drogenhilfe als eine der wenigen Institutionen Zugangschancen zu den betroffenen Kindern. Sie steht daher in der Verantwortung, ihre Aktivitäten auf die bessere Versorgung von Kindern auszudehnen. Bisher bezogen jedoch nur 10 % der Beratungsstellen in Deutschland Kinder drogenabhängiger Eltern in die Versorgung ein.
Das Organisations- und Personalentwicklungsprogramm FITKIDS hat zum Ziel, die gesunde Entwicklung von Kindern suchtkranker Eltern zu stärken. Die Evaluationsstudie EvaFit untersucht 1) die Implementierung von FITKIDS in Sucht- und Drogenberatungsstellen sowie 2) die subjektive Ergebnisqualität bei süchtigen Eltern und Kindern in den suchtbelasteten Familien.
Fragestellung
Betrachtet wird hier die subjektive Ergebnisqualität in Bezug auf die Inanspruchnahme und Akzeptanz der durch das Programm gebotenen Hilfemaßnahmen sowie direkte Veränderungen der Lebenssituation aus der Perspektive von Eltern und Kindern mit Kontakt zum FITKIDS-Programm. Ein Austausch mit den Eltern über die Lebenssituation der Kinder, ein offener Umgang mit dem Familiengeheimnis Sucht gegenüber den Kindern, gemeinsame familiäre Aktivitäten sowie die Berücksichtigung altersentsprechender Bedarfe der Kinder sind Beispiele für erwünschte Wirkungen von FITKIDS in den Zielgruppen.
Methode
Durchgeführt wurde eine qualitative Querschnittsstudie mit semi-strukturierten, leitfadengestützten Einzelinterviews mit suchterkrankten Eltern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien, die in einer FITKIDS geschultenDrogen-/Suchtberatungsstelle beraten wurden. Die Auswertung erfolge mittels strukturierender Inhaltsanalyse anhand induktiver und deduktiver Ansätze. Bei allen Interviews werden die gültigen ethischen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten. Ein positiv bewertetes Ethikvotum liegt vor.
Ergebnisse
Insgesamt wurden n=20 Interviews geführt, davon n=14 mit suchterkrankten Elternteilen und n=6 mit Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien. Die Betrachtung der geäußerten Bedarfe der Suchterkrankten, wie auch die ihrer Kinder im Vergleich mit den bereitgestellten Unterstützungsmöglichkeiten der Beratungsstellen zeigt, dass das Angebot bedarfsgerecht ist und den Wünschen der Klient*innen weitgehend entspricht. Die niedrigschwelligen Angebote für Familien- bzw. Kinderaktivitäten werden von beiden Untersuchungsgruppen als sehr positiv wahrgenommen und ermöglichen soziale Teilhabe. Direkte Veränderungen lassen sich aus den Aussagen der zwei Untersuchungsgruppen im Erziehungsverhalten sowie Erziehungsstil und der Anbindung der Kinder an eigene Hilfsangebote erkennen. Der Beratungsstelle gelingt es innerhalb ihrer Angebote, die Eltern und Kinder zum offenen Austausch über die Erkrankung anzuregen und ihre Auswirkungen auf das Familienleben zu reflektieren. Es zeigen sich weiterhin von beiden Seiten wahrgenommene Barrieren zwischen Suchterkrankten und ihren Kindern, sich außerhalb der Beratungsstelle offen bzgl. suchtnaher Themen auszutauschen.
Diskussion
Der Nutzen dieser Untersuchung bestand darin, zu prüfen, inwieweit die Implementierung des Programms innerhalb des Betreuungssettings zu einem von Eltern und Kindern wahrgenommenen Nutzen führt. Die Ergebnisse zeigen positive Entwicklungen in Bezug auf die Lebenssituation der suchtbelasteten Familien, z.B. in Bezug auf soziale Teilhabe. Die angemessene Kommunikation zwischen den suchterkrankten Eltern und ihren Kindern scheint eine besondere Herausforderung darzustellen, der bisher durch das FITKIDS-Programm nur innerhalb des Beratungssettings begegnet werden kann.
Praktische Implikationen
Die Evaluationsergebnisse liefern Ansatzpunkte für eine nachhaltige Optimierung der Programmqualität und tragen zur Evidenzbasierung in der sozialen Arbeit bei, um das gesunde Aufwachsen von Kindern suchtkranker Eltern durch die Implementierung von FITKIDS in die Arbeit der Drogenberatungsstellen zu fördern.
Hintergrund
Insbesondere chronisch kranke Patienten werden häufig parallel von verschiedenen Ärzten versorgt. Die Information darüber, welche Ärzte Patienten aufsuchen, ist den meisten an der Patientenversorgung beteiligten Ärzten nicht bekannt. In Deutschland wird auch durch die sektorale Trennung Kooperation von Ärzten mit dem Ziel der Berufszufriedenheit und dem Patientenwohl bislang kaum ermöglicht. Ergebnisse der Netzwerkforschung deuten allerdings darauf hin, dass bestimmte Strukturen kooperative Versorgungsprozesse begünstigen können. Cochrane Reviews zeigen, dass insbesondere Feedback zur Versorgung nachweislich die ärztliche Berufspraxis verbessern kann.
Fragestellung
Im Rahmen der vorliegenden Studie wird innerhalb von vier ausgewählten Regionen betrachtet, welche Ärzte gemeinsame Patienten behandeln, wie diese Netzwerke ihre Patienten versorgen und ob eine aktive Vernetzung der Akteure und strukturiertes Feedback über ihre Behandlungsrealität die Versorgung verbessern.
Methode
Im Rahmen einer clusterrandomisierten Interventionsstudie werden zunächst auf Basis von Routinedaten Netzwerke gemeinsam behandelnder Ärzte identifiziert. Für eine Auswahl an chronischen Erkrankungen mit hoher Prävalenz und interdisziplinär zu behandelnden Erkrankungen werden Ergebnisse der gemeinsamen Behandlung ermittelt. Diese an Leitlinien angelehnten Indikatoren geben Aufschluss über die Behandlungsverläufe innerhalb der Netzwerke und werden den Netzwerkärzten der Intervention gemeinsam mit einer Einladung zu einem Netzwerktreffen übermittelt. In halbjährlich organisierten, moderierten Netzwerktreffen können auf Basis der vorliegenden Informationen gemeinsam Behandlungspfade erarbeitet werden. Ergebnisse der Studie werden durch eine Prozess- und gesundheitsökonomische Evaluation ermittelt.
Ergebnisse
Erste Erkenntnisse des noch laufenden Projektes schließen die Ergebnisse und Besonderheiten der Netzwerkbildung auf Basis von Routinedaten, die Ermittlung der indikationsspezifischen Indikatoren sowie erste Rückschlüsse in Bezug auf die Akzeptanz von Feedbacks gemeinsamer Arbeit ein. Von den 510 identifizierten Netzen wurden 100 in die Intervention eingeschlossen. Diese umfassten 12588 Ärzte, die zu Netzwerktreffen im Zeitraum September 2018 bis Juni 2019 eingeladen wurden.
Diskussion
Im Rahmen des Projektes wird im Folgenden untersucht, ob die virtuellen Netzwerke in der Realität als diese wahrgenommen werden und ob eine Information über dieses Netzwerk und die gemeinsame Arbeit dazu beitragen kann, Kooperationen untereinander zu verbessern.
Praktische Implikationen
Die Abbildung und aktive Vernetzung von implizit zusammenarbeitenden Ärzten und die Rückspiegelung von Feedbacks gemeinsamer Arbeit sind vielversprechende Ansätze zur Verbesserung von Berufszufriedenheit und Patientenergebnissen. Dies ist entscheidend, da vernetzte Kommunikations- und Informationsstrukturen im deutschen Gesundheitswesen noch kaum etabliert sind.