Hintergrund: Ängste zählen neben depressiven Beschwerden zu den häufigsten psychischen Beschwerden im Erwachsenenalter. Bisher jedoch fehlen Studien zu Ängsten im hohen Lebensalter, insbesondere für die Altersgruppe hochaltriger Menschen.
Fragestellung: Ziel der vorliegenden Arbeit war es, alters- und geschlechtsspezifische Prävalenzen von Angstsymptomen in einer großen Stichprobe hochaltriger Hausarztpatienten zu erfassen. Ferner sollten mögliche Prädiktoren der Angstsymptomatik, insbesondere der Einfluss von Verlusterfahrungen (Tod einer nahestehenden Person), für diese Altersgruppe untersucht werden.
Methode: Basierend auf den Daten der German Study on Ageing, Cognition and Dementia in Primary Care Patients (AgeCoDe-/AgeQualiDe) wurde eine Stichprobe von 897 hochaltrigen Hausarztpatienten (Mittelwert: 86,8 Jahre) mittels deskriptiver und logistischer Regressionsanalysen untersucht. Angstsymptome wurden über die Kurzform des Geriatric Anxiety Inventory (GAI-SF) erfasst. Verlusterfahrungen wurden über die Frage nach Todesfällen im engeren Lebensumfeld in den letzten 18 Monaten erhoben.
Ergebnisse: Bei 14,5% (95%-KI 12,4 – 16,8) der hochaltrigen Hausarztpatienten lag eine Angstsymptomatik vor. Die höchsten Prävalenzraten fanden sich für 82 bis 85-jährige Frauen (17,2%, 95%-KI 12,6 – 22,1) sowie für 86 bis 90-jährige Personen beiderlei Geschlechts (15,9%, 95%-KI 12,6 – 19,2). Personen mit einem Verlusterlebnis innerhalb der letzten 18 Monate hatten eine fast zweifach erhöhte Chance (Odds Ratio: 1,91, 95%-KI 1,15 – 3,17) für das Vorliegen einer Angstsymptomatik im Vergleich zu Personen ohne Verlusterfahrung. Erwartungsgemäß waren zudem depressive Symptome und verminderte kognitive Leistungsfähigkeit mit Angst assoziiert. In der Regressionsanalyse fanden sich keine signifikanten Zusammenhänge für soziales Netzwerk, Geschlecht, Alter, Gebrechlichkeit sowie körperliche Erkrankungen im Zusammenhang mit Angstsymptomen.
Diskussion und praktische Implikation: Diese Studie berichtet erstmals detaillierte Alters- und geschlechtsspezifische Prävalenzangaben für Angstsymptome und assoziierte Risikofaktoren in einer großen populationsbasierten Stichprobe hochaltriger Menschen. Angstsymptome stellen eine häufige psychische Belastung bei über 80-jährigen dar. Die Ergebnisse verweisen darauf, die vielfältigen Verlusterfahrungen älterer Menschen in der klinischen Praxis als potentiellen Risikofaktor für behandlungsbedürftige Ängste ernst zu nehmen.
Hintergrund
Operateure verfügen über eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Knochen wieder zusammenzufügen. In der S2e-Leitlinie „Schenkelhalsfraktur des Erwachsenen“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) werden die Indikationen zur Osteosynthese und Endoprothese differenziert, nicht aber zwischen den unterschiedlichen Arten der Osteosythese unterschieden. Die Verantwortung für die Wahl des richtigen Implantats liegt stets beim Operateur.
Fragestellung
Durch eine Expertenbefragung sollen Meinungen und Erfahrungswerte von Operateuren zur operativen Therapie von geriatrischen Patienten mit proximaler Femurfraktur erhoben werden, um praxisbezogene Ansatzpunkte für eine verbesserte Versorgung ableiten zu können.
Methode
Es fand eine Querschnittsstudie in Form einer standardisierten schriftlichen Befragung statt. Die Operateure der zertifizierten AltersTraumaZentren DGU® und die Mitglieder der AG Alterstraumatologie bildeten die Stichprobe. Insgesamt konnten deutschlandweit 133 Kliniken ermittelt werden Jede Klinik erhielt postalisch drei Fragebögen zur Beantwortung und einen frankierten Rückumschlag.
Ergebnisse
Insgesamt beteiligten sich 144 Operateure aus 65 Kliniken. Mehr als die Hälfte (54 %) der Kliniken befand sich in öffentlicher Trägerschaft. Freigemeinnützig waren 27 % der Kliniken und 18 % in privater Trägerschaft.
Bei 17 % der Befragungsteilnehmer wurde die Entscheidung zur Beschaffung der Implantate (Hersteller, Typ) allein vom Einkaufsleiter getroffen, d. h. die Antwortenden hatten kein Mitentscheidungsrecht. Die Befragungsteilnehmer bewerteten die vorhandene Auswahl an Implantaten in Ihrer Klinik jedoch überwiegend als sehr gut (62 %) bis gut (34 %).
Der wichtigste Faktor für den Behandlungserfolg geriatrischer proximaler Femurfrakturen war nach Angaben der Befragungsteilnehmer der Operationshergang bzw. die Kompetenz des Operateurs.
Diskussion
Grundsätzlich wird die Therapieentscheidung durch unterschiedliche Determinanten, wie z.B. dem Alter des Patienten, dem Allgemeinzustand, Vorerkrankungen, Compliance und dem Frakturtyp und -verlauf beeinflusst. Die Wahl des richtigen Implantats spielt für Operateure eine geringere Rolle in Hinblick auf den Behandlungserfolg. Vielmehr ist der Operationshergang entscheidend und damit die Kompetenz des Operateurs mit ausschlaggebend für den Behandlungserfolg.
praktische Implikationen
Operateure müssen ausreichend geschult sein.
Hintergrund
Derzeit stellen die über 65-Jährigen einen Anteil von 21,4 Prozent innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung. In dieser Altersgruppe ist die höchste Prävalenz chronischer Erkrankungen festzustellen. Die Ätiologie dieser Krankheiten ist multifaktoriell, wobei gesunde Ernährung das Auftreten deutlich reduzieren oder verzögern kann. Bisherige Studien zeigen, dass eine solche gesunde Ernährung in den alltäglichen Ernährungspraktiken nur unzureichend umgesetzt wird. Insbesondere dem Sozialgefüge innerhalb der alltäglichen Nahrungswahl kommt eine hohe Relevanz zu. Zudem stellt sich die Laien-Wahrnehmung von gesunder Ernährung als deutlich komplexer dar, als es die natur- und ernährungswissenschaftliche Definition abbildet. Das Gesamtziel der Studie ist die Förderung eines gesunden und aktiven Alterns.
Fragestellung
Diese Studie fokussiert auf die paarbezogenen Gesundheitsorientierungen hinsichtlich der alltäglichen Nahrungswahl. Der Analysefokus liegt in der Rekonstruktion der ernährungsbezogenen Gesundheitsorientierungen von Ehe- und Lebenspartnern zwischen 50 und 70 Jahren. Überdies werden weitere Orientierungen, relevante soziokulturelle Assoziationen und Wechselwirkungen, welche die alltägliche Nahrungsaufnahme ausgestalten, mitidentifiziert.
Methode
Das qualitative Sub-Sample wurde aus dem bestehenden qualitativen Sample von 21 leitfadengestützten Paarinterviews gezogen. Die Analysegrundlage basiert auf 15 leitfadengestützten Interviews von Paaren mit einem Durchschnittsalter von 63 Jahren, welche mittels theoretischem Sampling rekrutiert wurden. Die tonbandprotokollierten Interviews wurden transkribiert und nach der Grounded Theory Methode nach Corbin und Strauß analysiert. Der Analyseprozess wurde mittels Interrater-Codings abgesichert.
Ergebnisse
Über alle Paare des Sub-Samples hinweg manifestiert sich eine Person, der einvernehmlich fundiertere Gesundheitsexpertise innerhalb des Paares zugeschrieben wird. Die Ausgestaltung dieser Rolle ist mit der ernährungsbezogenen Paardynamik assoziiert. Bislang konnten drei verschiedene Paardynamiken innerhalb der Dyaden analysiert werden. Es resultiert ein paarbezogenes Ernährungskonzept, welches durch gemeinsame Grund- und Werthaltungen und externe Einflüsse ausgestaltet wird. Koexistent zu dem paarbezogenen Ernährungskonzept, bestehen originär sozialisierte Ernährungskonzepte, welche sich als sehr robust zeigen. Diese unterliegen Einflüssen, wie der sozialräumlichen Prägung, dem Geschlecht oder der Ursprungsfamilie.
Die identifizierten Aspekte der subjektiv gewerteten gesunden Ernährung, lassen sich überwiegend zu diversen Kochstilen resümieren, welche praktiziert und als gesund erachtet werden. In dem Sub-Sample sind die klassische Hausmannskost, die gut bürgerliche Küche, die Fusionsküche, die improvisierte Küche, die auf gesunde Nahrungsmittel ausgerichtete Küche (Health Food) und die Regionalküche auszumachen.
Diskussion
Die Relevanz von gesunder Ernährung variiert stark zwischen den Paaren. Neben gesunder Ernährung zeigen sich Geschmack, Sättigung und Ästhetik als weitere, möglicherweise konkurrierende Orientierungen der Ernährung. Die identifizierte Rollenverteilung hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Expertise, sollte weiter hinsichtlich handlungsleitender Orientierungen untersucht werden.
Praktische Implikation
Die Studienergebnisse hinsichtlich der Variationen innerhalb der dyadischen Gesundheitskonzepte, können als Ansatzpunkte für zielgruppengerechte Ernährungsinterventionen diskutiert werden. Es könnten typologisierende Items entwickelt werden, anhand derer sich ein spezifisches Angebot an unterschiedlichen Ernährungsinterventionen mit unterschiedlichen Adressaten ergibt. Zudem könnten Ernährungsinterventionen an dem jeweiligen Kochstil anknüpfen, um wirksame Handlungsstrategien hinsichtlich tradierter Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln.
Background and objective
Vertigo, dizziness and balance disorders (VDB) are among the most relevant contributors to the burden of disability among older adults living in the community in Germany and are associated with mobility and ADL limitations and participation restrictions. Nevertheless, primary care for affected individuals is still not optimal. It is well established that older patients with VDB benefit from physical therapy, however the conditions of successful integration in routine primary care practice in Germany have not been investigated so far. A promising approach are care pathways (CPWs) that have the potential to reduce treatment errors and to optimize patient outcomes by translating evidence into local practice.
Thus, the objective of this study is to optimize primary care and promote the integration of evidence-based physical therapy for older adults with VDB by developing and feasibility testing a CPW in order to improve participation and mobility.
Methods
The project follows the UK MRC’s guidance for developing and evaluating complex interventions and will cover the first two steps, Development and Feasibility.
In the Development Phase, two systematic reviews were carried out. The first was conducted to identify quality of evidence of physical therapy interventions and related intervention components, which may have the potential to improve mobility and participation in older patients with VDB in primary care. The second aimed to identify barriers and facilitators of successful implementation of CPWs in primary care. To explore the local conditions for implementation, the health professionals and the consumers’ perspective regarding experiences and needs towards accessibility and availability of medical care was discovered by individual semi-structured qualitative interviews with general practitioners (GPs), physical therapists (PTs), nurses working in community care services as well as with patients with VDB. In order to inform the development of an implementation strategy for a feasibility study, we carried out a focus group interview among GPs and PTs to address the issue of multi-professional communication. The project specific CPW and its potential implementation strategies were developed and consented in a multi-disciplinary expert conference in 2018 based on the synthesis of hitherto existing findings of the project.
The feasibility study is a practice-based prospective cohort study to evaluate the developed CPW for older patients with VDB by implementing the intervention in different primary care practices. Data collection at three measurement points by questionnaires (DHI, EQ-5D-5L), performance test (miniBEST) and actigraphy is planned. The feasibility study will be accompanied by a comprehensive process evaluation to investigate the implementation process including recruitment of participants, delivery of the intervention and data collection procedures, to evaluate the acceptability of the interventions and data collection procedures and to examine potential logistical and organizational problems of the study.
Results
- a diagnostic guideline for GPs
- an educational training for GPs including an update on recent diagnostic and therapeutic developments for VDB in older patients, and an introduction into the use of the diagnostic guideline
- a paper-based algorithm (=CPW) that describes evidence-based treatment and referral options as well as specific time lines for follow-up
- an educational training for local PTs, which cooperate with the GP practices, on specific evidence-based therapeutic techniques
It is expected that the project will result in an acceptable and feasible intervention that has the potential to improve mobility and participation of affected people.
Discussion and practical implications
This project focuses on development and feasibility testing of a CPW as complex intervention in primary care setting to improve mobility and social participation of older individuals with VDB by improving the integration of effective physical therapy interventions.
The results of feasibility study and process evaluation will be used to further develop the intervention and to plan a subsequent main trial to assess effectiveness and safety of the CPW.
Furthermore, the developed intervention might be a blueprint for developing multi-disciplinary CPWs for other health conditions related to mobility limitations and participation restrictions in primary care, such as joint or cardiovascular diseases.
Development and implementation of CPWs has to consider a multitude of barriers by including different perspectives and most of them might be modified by careful intervention and implementation design.
Hintergrund
Angesichts der demografischen Entwicklung gewinnt die Palliativversorgung älterer Menschen mit lebenslimitierenden chronischen Erkrankungen zunehmend an Bedeutung. Einen besonderen Stellwert hat dabei die Primärversorgung.
Fragestellung
Wie gestaltet sich die hausärztliche Palliativversorgung älterer Menschen mit lebenslimitierenden chronischen Erkrankungen? Welche Entscheidungs- und Handlungslogiken liegen ihr zugrunde?
Methode
Die explorative Studie ist Teil der ersten Phase des Projekts „Proaktive Palliativversorgung älterer Patienten in der letzten Lebensphase (ProPall)“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Schwerpunkt „Förderung von Forschung in der Palliativversorgung“ gefördert wird (BMBF 01GY1710).
Im Frühjahr 2018 wurden in zwei eher ländlichen Regionen Niedersachsens Hausarztpraxen zur Beteiligung an dem Projekt eingeladen. Für eine Ist-Analyse wurden leitfadenorientierte Interviews mit Ärzten und Medizinischen Fachangestellten (MFA) der Praxisteams durchgeführt. Die im Leitfaden abgesteckten Themen bezogen sich auf das Verständnis von Palliative Care, die Bedeutung und Integration einer palliativen Begleitung älterer Menschen in den Praxisalltag, Bedürfnisse der Betroffenen, Rollenverständnis der Akteure sowie Kooperation und Vernetzung. Die anonymisierten Interviewtranskripte wurden unterstützt durch die Software MAXQDA inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse
12 Praxisteams willigten in die Studienteilnahme ein (darunter 6 Einzelpraxen). Interviewt wurden 15 Hausärzte (n=8 weiblich, mediane Berufserfahrung 24 Jahre, Range 7 bis 44 Jahre) und 15 MFAs (n=14 weiblich, mediane Berufserfahrung 23 Jahre, Range 6 bis 41 Jahre). Zwei Hausärzte führten die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und fünf hatten den Basiskurs Palliativmedizin absolviert. Sieben MFAs verfügten über eine Weiterbildung zur Versorgungs- bzw. nichtärztlichen Praxisassistenz.
Die Aussagen der befragten Ärzte und MFAs unterstreichen durchgängig, dass sie die Begleitung von älteren Menschen mit lebenslimitierenden chronischen Erkrankungen in der letzten Lebensphase als integralen Bestandteil der hausärztlichen Tätigkeit betrachten, wobei ein palliativer Versorgungsbedarf vorrangig in weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien gesehen wird. Insgesamt zeichnet sich ein umfassendes Verständnis von Palliative Care ab, das körperliche, psychosoziale und existentiell-spirituelle Dimensionen des Leidens berücksichtigt, wenngleich spirituelle Aspekte weniger thematisiert werden. Betont wird die Bedeutung von Gesprächen unter Einbeziehung der Angehörigen und die Notwendigkeit, die Situation der Angehörigen zu beachten, da diese besonders in Palliativsituationen in der Gefahr der Überforderung stehen.
Als Handlungsmaximen der Hausärzte kristallisieren sich die Vermeidung von Leiden, Sicherstellung von Versorgungskontinuität und Rückhalt in Krisensituationen sowie die Koordination eines tragfähigen Versorgungsnetzes heraus, einschließlich einer bedarfsweisen Einbindung der spezialisierten Palliativversorgung – primär bei Menschen mit schweren Tumorerkrankungen. Deutlich wird zugleich, dass es für die Ärzte schwierig ist, den richtigen Zeitpunkt für Gespräche über mögliche Therapiezieländerungen und palliative Maßnahmen zu finden.
Die MFAs sehen sich als erste Anlaufstelle für die Betroffenen, zugleich nehmen sie wichtige Hintergrundaufgaben der Koordination und Vermittlung zur Entlastung der Ärzte und der Betroffenen wahr. Zwar sind insbesondere Versorgungsassistentinnen teilweise in die direkte Betreuung eingebunden (z.B. in Hausbesuchsprogramme), die Begleitung der Erkrankten in palliativen Situationen am Lebensende im häuslichen Umfeld oder im Heim wird jedoch von den Hausärzten getragen.
Diskussion
Im Ergebnis zeichnet sich einerseits ein umfassendes Verständnis von Palliative Care ab. Deutlich wird jedoch zugleich, dass der Fokus der hausärztlichen Palliativversorgung auf weit fortgeschrittenen Krankheitsphasen nicht heilbarer Erkrankungen liegt. Die frühe Integration eines palliativen Ansatzes bei lebenslimitierenden chronischen Erkrankungen scheint in der hausärztlichen Versorgung bislang keine etablierte Praxis zu sein.
Praktische Implikationen
Anzustreben ist eine frühzeitige und wiederholte Reflektion des Krankheitsgeschehens und der Bedürfnisse älterer Menschen mit lebenslimitierenden chronischen Erkrankungen, um eine adäquate Einleitung palliativer Maßnahmen und Gespräche zur vorausschauenden Versorgungsplanung zu ermöglichen. Entscheidungshilfen für die Identifikation von Patienten, die von einer palliativen Versorgung profitieren können, können die Etablierung von Early Palliative Care in der hausärztlichen Praxis unterstützen. In den weiteren Projektschritten soll hierfür mit den Praxisteams ein Interventionskonzept entwickelt und erprobt werden.
Schlüsselwörter
Hausärztliche Palliativversorgung, Early Palliative Care, Akteurssicht
Hintergrund
Die Rekrutierung von Menschen am Lebensende für Forschungsprojekte ist herausfordernd. Im Projekt „Dy@EoL – Interaktion am Lebensende in Dyaden von Eltern und erwachsenen Kindern“ (2017-2020; BMBF-Förderkennzeichen: 01GY1711) besteht eine besondere Herausforderung darin, dass zwei spezifische Patienten-Angehörigen-Dyaden, 1) schwer erkrankte erwachsene Kinder und ihre Eltern sowie 2) schwer erkrankte Eltern und ihre erwachsenen Kinder, rekrutiert werden sollen. Aus der Reflektion der Erfahrungen aus dem laufenden Projekt sollen förderliche Faktoren identifiziert und Empfehlungen zum Rekrutierungsvorgehen abgeleitet werden.
Fragestellung
Welche Empfehlungen zur Verbesserung der Rekrutierungsstrategie lassen sich durch die Reflektion der Rekrutierungsraten der ersten Projektmonate ableiten?
Methode
Innerhalb des Forschungsprojekts Dy@Eol werden seit Februar 2018 Eltern und erwachsene Kinder beider Dyaden über neun stationäre und ambulante Einrichtungen und Dienste der Hospiz- und Palliativversorgung rekrutiert. Eine erste Kontaktaufnahme zu geeigneten Patienten und Angehörigen verbunden mit der Vorstellung des Projekts erfolgt entweder direkt über das Projektteam oder über den Kooperationspartner. Zusätzlich wurde über Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Pressemitteilung, Patientenuniversität) auf eine Projektteilnahme aufmerksam gemacht. Daten über Rekrutierungsort, Teilnahmemotivation sowie Ausschluss oder Absage von initial geeigneten Personen werden in IBM SPSS Statistics 25 erfasst. Rekrutierungsraten wurden im Projektteam reflektiert und förderliche sowie hemmende Faktoren der Rekrutierung identifiziert.
Ergebnisse
Bis einschließlich Dezember 2018 haben 23 (37,1%) von 62 angefragten Patienten und 11 (33,3%) von 33 angefragten Angehörigen am Projekt teilgenommen. Hiervon nahmen 8 Patienten und Angehörige als Dyade teil (34,4% aller teilnehmenden Patienten bzw. 72,2% aller teilnehmenden Angehörigen). Generell gestaltete sich v.a. die Rekrutierung von Angehörigen herausfordernd. Von den teilnehmenden Patienten schlossen 30,4% die Anfrage ihres Angehörigen aus; als Hauptgrund wurde der Schutz des Angehörigen (77,8%) genannt. Hauptgrund für eine Teilnahme war bei Patienten (39,1%) und Angehörigen (54,4%) die Motivation, zu helfen. Primärer Ablehnungsgrund bei Patienten war der Wunsch nach Ruhe bzw. mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt zu sein (51,4%). Ein zentraler Ablehnungsgrund von Angehörigen war ihre generelle Eingebundenheit (38,5%). Von den Teilnehmenden wurden 95,7% der Patienten und 81,8% der Angehörigen über stationäre Einrichtungen in einer persönlichen Anfrage durch das Projektteam rekrutiert. Ein weiterer Angehöriger (9,1%) konnte über einen ambulanten Hospiz- und Palliativdienst eingeschlossen werden. Für ambulante Hospiz- und Palliativdienste stellte die Projektvorstellung aufgrund kurzer Betreuungen stark symptombelasteter Patienten eine Herausforderung dar bzw. war oftmals nicht möglich. Eine Dyade (12,5% aller Dyaden) konnte über eine Pressemitteilung gewonnen werden.
Diskussion
Durch die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Dyaden war die Berücksichtigung von Einzelteilnahmen sinnvoll. Es ist zu empfehlen, Dyaden gemeinsam anzufragen, da viele Patienten die Anfrage ihrer Angehörigen ausschlossen und die Angehörigen somit nicht erreicht werden konnten. Insgesamt verläuft die Rekrutierung im stationären besser als im ambulanten Kontext. Im stationären Kontext ist es dem Projektteam möglich, die Anfragen persönlich zu stellen. Es war schwierig, durch Öffentlichkeitsarbeit geeignete Patienten und Angehörige zu erreichen. Eine Empfehlung ist daher, Patienten und Angehörige persönlich anzusprechen, auch wenn dies für die Forschenden sehr zeitintensiv ist. Eine finanzielle Entschädigung für die Teilnehmenden wurde überdacht; das Projektteam sah dies jedoch u.a. aufgrund der oben genannten Teilnahmemotivation und Ablehnungsgründe nicht als einen in diesem Projekt potenziell förderlichen Faktor.
Praktische Implikationen
Die Reflektion spezifischer Herausforderungen in der Rekrutierung führte zu einer Anpassung der Rekrutierungsstrategie. Die Gewinnung zusätzlicher ambulanter Rekrutierungspartner, der enge Kontakt zu bestehenden Rekrutierungspartnern und die persönliche Präsenz des Projektteams stellen förderliche Faktoren der Rekrutierung dar. Patienten mit erwachsenen Kindern haben zum Teil ebenfalls hochaltrige Eltern, mit denen sie als Dyade befragt werden können. Dass Patienten möglicherweise in beiden Dyaden-Konstellationen leben, wird bei der Besprechung mit den Kooperationspartnern fokussiert sowie bei der Ansprache von geeigneten Patienten und Angehörigen berücksichtigt. Die Rekrutierung wird bis Ende August 2019 mit den genannten Anpassungen fortgeführt.