Hintergrund
Wiederkehrende Kopfschmerzen sind ein häufiges und zunehmendes Gesundheitsproblem im Jugendalter. Um einer Chronifizierung von Kopfschmerzen und den damit einhergehenden Folgen entgegen zu wirken, ist die Identifikation von Risikofaktoren notwendig. In der Öffentlichkeit wird der steigende Medienkonsum oftmals als ein Grund für Kopfschmerzen bei Jugendlichen diskutiert, obwohl dieser Zusammenhang in wissenschaftlichen Studien nicht hinreichend belegt ist.
Fragestellung
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Nutzungsdauer verschiedener Bildschirmmedien und wiederkehrenden Kopfschmerzen bei Jugendlichen?
Methode
An fünf weiterführenden Schulen beantworteten N=1805 Jugendliche im Alter zwischen 9 und 18 Jahren (M=13,0 SD=1,84) zu zwei Messzeitpunkten im Abstand von drei Monaten Fragen zu ihrem Medienkonsumverhalten und zu Kopfschmerzen. Zur Erfassung des Medienkonsumverhaltens gaben die Jugendlichen an, wie viele Stunden sie durchschnittlich unter der Woche und am Wochenende pro Tag mit „Fernsehen/Video“, „Computerspielen/Spielekonsole“ und „Handy/Soziale Medien“ verbringen. Mittels logistischer Regressionsanalysen wurde der prädiktive Einfluss des Medienkonsumverhaltens zum ersten Messzeitpunkt auf 1) das Auftreten wiederkehrender Kopfschmerzen, 2) die Kopfschmerzhäufigkeit (häufige Kopfschmerzen = mind. mehrmals pro Woche) und 3) die Kopfschmerzintensität (starke Kopfschmerzen = NRS ≥ 5 drei Monate später (zweiter Messzeitpunkt) untersucht. Geschlechterspezifische Effekte wurden in gesonderten Analysen betrachtet (Mädchen: n = 964; Jungen: n = 841).
Ergebnisse
Insgesamt hatten 22,9% der Jugendlichen zum Zeitpunkt der zweiten Datenerhebung wiederkehrende Kopfschmerzen (mind. einmal monatlich über einen Zeitraum von mind. drei Monaten); Mädchen waren häufiger betroffen (31,1%) als Jungen (13,4%). Der durchschnittliche tägliche Medienkonsum dieser Jugendlichen betrug bei der ersten Datenerhebung 3,4 Stunden (SD = 2,70) an Schultagen und 5,3 Stunden (SD = 3,42) an Wochenendtagen. Jungen verbrachten mehr Zeit mit digitalen Medien als Mädchen (p < .001).
Die Regressionsanalysen zeigen, dass die Zeit, die Jungen und Mädchen mit digitalen Medien verbringen, das Risiko des Auftretens von Kopfschmerzen erhöht. Mit jeder zusätzlichen Stunde Medienkonsum pro Tag steigt das Kopfschmerzrisiko um 7%. Bei Mädchen steht das Auftreten wiederkehrender Kopfschmerzen vor allem im Zusammenhang mit der Nutzung von „Handy/ Sozialen Medien“, bei Jungen zeigt sich kein spezifischer Zusammenhang mit der genutzten Medienart. Bei Mädchen steigt zudem pro zusätzlicher Stunde an „Handy / Sozialen Medien“ das Risiko für starke Kopfschmerzen um 30% und das Risiko für häufige Kopfschmerzen um 16%. Dieser negative Einfluss von „Handy/ Sozialen Medien“ zeigt sich nicht in der Gruppe der Jungen.
Diskussion
Die Nutzungsdauer digitaler Medien stellt einen Risikofaktor für Kopfschmerzen dar. Während bei Mädchen sehr eindeutig der negative Einfluss von „Handy/Sozialen Medien“ ausgeht, ist bei Jungen die Art der Mediennutzung nicht ausschlaggebend.
Praktische Implikation
Insbesondere die differenzierte Betrachtung des Medienkonsumverhaltens in beiden Geschlechtergruppen soll es ermöglichen, spezifische Risikoprofile zu erstellen. Zukünftig kann diese Information genutzt werden, um effektive zielgruppenspezifische Interventionen zur Prävention und Behandlung von Kopfschmerzen zu entwickeln.
Diese Studie wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(Förderkennzeichen: 01GY1615).
Hintergrund
Der Gestationsdiabetes (GDM) gehört zu den Schwangerschafts-assoziierten Erkrankungen mit wachsender epidemiologischer Bedeutung [1]. Nach Literaturangaben der letzten 20 Jahre variierten die Prävalenzen des GDM zwischen 0,6% und 22% [2,3], aktuell wird in Deutschland von einer GDM-Prävalenz von 13,2% ausgegangen [4]. Hohe Schwankungen des DM II-Risikos in GDM-Frauen lassen dabei auf einen nicht zu unterschätzenden Einfluss von soziökonomischen Faktoren schließen: So fand sich bei GDM-Patientinnen im Rahmen eines systematischen Reviews, das 28 Studien miteinschloss, eine Spannweite der kumulativen DM II-Inzidenz von 2,6% bis >70% [25]. Gerade vor dem Hintergrund, dass milieuabhängige Unterschiede bei der Health literacy bezogen auf Diabetes-Prävention bestehen [6,7], ist von Relevanz, bei welchen Patientinnen-Gruppen die höchsten GDM-Prävalenzen zu erwarten sind. Große Kollektive, die repräsentative Aussagen erlauben, finden sich vor allem an den Versorgungszentren. Obwohl deren Perinataldaten seit Jahren routinemäßig erfasst und vom IQTiG publiziert werden, finden sich bisher keine großangelegten Untersuchungen, in welchen das GDM-Risiko im Kontext des soziodemographischen Profils ausgewertet wird. Auch fehlen bisher Untersuchungen, in welchen entsprechende Zentrumsdaten mit Landes- oder Bundesdaten verglichen werden. Hieraus ergibt sich eine Forschungslücke, welche die Entwicklung von effektiven Nachsorge-Angeboten be-hindert.
Fragestellung
Ziel war es, die Perinataldaten des Zentrums in Tübingen (ca. 3500 Geburten jährlich) über den Zeit-raum von 5 Jahren zu untersuchen, um festzuhalten, welche Besonderheiten sich bei GDM-Patientinnen u.a. hinsichtlich Alter, Anzahl Geburten, Sozialstatus (Bildung und Berufsgruppe) und Geburtsoutcomes zeigen. Die Daten wurden dabei sowohl kumulativ als auch im Jahresvergleich ausgewertet, um festhalten zu können, wie sich das GDM-Kollektiv im Gesamten gestaltet und welche Entwicklungen sich im 5-Jahresvergleich zeigen. Darüber hinaus wurden die Zentrums-Daten mit den Daten des GeQiK (das jährlich die Versorgungsdaten gemäß § 137 SGB V auf Ebene Baden-Württembergs auswertet) sowie den Bundesdaten (IQTiG-Daten) verglichen, um im Kontext der o.g. genannten Daten Risikoprofile generieren zu können.
Methode
Die Studie ist methodisch zweigeteilt: Im ersten Schritt wurden die Perinataldaten des Tübinger Zentrums mittels eines replikativen Surveys (auch als Trendstudie bezeichnet) über den Zeitraum von 5 Jahren statistisch ausgewertet, wobei insgesamt Schwangerschafts- und Geburtsoutcomes von 18.500 in Tübingen versorgten Patientinnen zur Verfügung standen. Im zweiten Schritt wurden die Daten des Tübinger Zentrums mit den Landes- und Bundesdaten verglichen (GeQiK und IQTiG).
Ergebnisse
Die Untersuchung zeigt eine steigende GDM-Prävalenz im Jahresverlauf, was in direkten Zusammenhang mit dem ansteigenden Schwangerschaftsalter der Frauen zu stehen scheint. Es deutet sich an, dass Frauen, die in einer Berufsgruppe beschäftigt sind, die mit einem niedrigen sozioökonomischen Status assoziiert werden kann, häufiger von einer GDM betroffen sind als Frauen, deren Berufsgruppe eher einem hohen sozioökonomischen Status entspricht. Auch bei bestehendem Nikotinabusus (in der Schwangerschaft ebenfalls als Merkmal eines niedrigen Sozialstatus anzusehen) bestand ein erhöhtes GDM-Risiko. Bezogen auf die Geburtsoutcomes zeigten Frauen mit niedrigem sozioökonomischem Status schlechtere Geburtsoutcomes (bezogen auf die Apgar-Werte und die Sectio-Rate), als Frauen mit hohem sozioökonomischem Status, ebenso Frauen mit bestehendem GDM, wobei die höchsten Risiken für schlechtere Geburtsoutcomes bei GDM-Frauen mit niedrigem sozioökonomischem Status ersichtlich waren. Zwischen den Tübinger Daten und den Landes- und Bundesdaten fanden sich hinsichtlich GDM-Prävalenz und Risikoprofil keine statistisch signifikanten Unterschiede.
Diskussion
Bisher wurden Zusammenhänge zwischen der GDM-Prävalenz und soziodemographischen Besonderheiten noch nicht in großen Kollektiven untersucht, weswegen die vorliegende Studie ein Unikum darstellt. Limitierend wirkt, dass keine direkten Daten zum soziökonomischen Status zur Verfügung stehen, sondern selbiger aus den Routinedaten herausgelesen werden mussten. Aufgrund des angedeuteten Zusammenhangs sollten soziökonomische Daten standardmäßig erhoben werden.
Praktische Implikationen
Aufgrund von deutlichen Zusammenhängen zwischen sozioökonomischen Variablen und dem GDM-Risiko müssen Präventionsprogramme in Schwangerschaft und Nachsorge zielgruppenbezogener entwickelt werden und mit Hinblick auf die sozioökonomischen Besonderheiten möglichst niedrigschwellig sein.
Literatur
[1] Sacks et al. 2012, PMID: 22355019.
[2] King 1998, PMID: 9704221.
[3] Murgia et al. 2006, PMID: 16801613.
[4] Melchior 2017,Dtsch Arztebl Int 2017.
[5] Kim et al. 2002, PMID: 12351492
[6] Eades et al. 2018, PMID: 29338094.
[7] Protheroe et al.2017, PMID: 28164131.
Hintergrund: Laut § 24d SGB V hat jede Frau während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und bis zum Ende der Stillzeit einen gesetzlichen Anspruch auf Hebammenhilfe. Jedoch scheint es in einigen Regionen Deutschlands trotz der gesetzlichen Grundlage für Frauen schwierig, eine Hebamme für die außerklinische Versorgung zu finden. Damit scheint die geburtshilfliche Versorgung von Frauen in der reproduktiven Lebensphase derzeit nicht als flächendeckend gesichert [1]. Zudem scheint der Zugang zur Hebammenhilfe nicht barrierefrei, so dass Frauen mit weniger Ressourcen, vor Herausforderungen stehen, um vorrausschauend eine Hebammenbetreuung zu organisieren [2]. Aufgrund dieser Problematik wurden Hebammenzentralen gegründet, mit dem Ziel die Versorgung von Frauen während der reproduktiven Lebensphase mit Hebammenhilfe zu unterstützen und die freiberuflichen Hebammen in arbeitsorganisatorischen Prozessen durch organisierte Vermittlungen zu entlasten. In NRW existieren bereits neun Hebammenzentralen. Die Hebammenzentrale Düsseldorf wurde 2015 gegründet und wird von der Stadt Düsseldorf finanziert. [3]. 2018 wurde durch den Arbeiter-Samariter-Bund die Hebammenzentrale Bochum eröffnet [4]
Ziel: Ziel ist es, die Effekte der Hebammenzentralen Bochum und Düsseldorf im Rahmen einer Evaluation zu bewerten bzw. deren Auswirkungen oder Veränderungen primär auf die kooperierenden freiberuflichen Hebammen darzulegen.
Ein Fokus in der Betrachtung der Ergebnisse wird auf die Zufriedenheit in der Zusammenarbeit mit den Hebammenzentralen und inwieweit freiberufliche Hebammen arbeitsorganisatorisch durch organisierte Vermittlungen entlastet werden können gelegt.
Zudem erfolgt eine Auswertung der Vermittlungsanfragen und -erfolge der Hebammenzentralen,
Fragestellung: 1) Können freiberuflich tätige Hebammen durch die Mitgliedschaft in der Hebammenzentrale entlastet werden?
2) Hat die Arbeit der Hebammenzentrale einen Effekt, im Hinblick auf die Gewährleistung der Versorgung von Frauen in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett?
Methode: Es erfolgt eine formative und summative Evaluation. Die kooperierenden Hebammen (N=139) werden mittels eines retrospektiven explorativen Surveys befragt. Des Weiteren werden 324 Vermittlungsanfragen aus Bochum und 2.225 aus Düsseldorf im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.08.2018 ausgewertet. Die Auswertung erfolgt mittels SPSS® (Version 24), sowohl Verfahren der deskriptiven als auch der Inferenzstatistik werden angewendet. Ein ethisches Clearing ist durch die Ethikkommission der Hochschule für Gesundheit Bochum erfolgt.
Ergebnisse: Die Rücklaufquote der Hebammenbefragung beläuft sich auf 55,4% (n=77). Hebammen können durch die Mitgliedschaft in der Hebammenzentrale ressourcenschonender arbeiten, da sich die zu fahrende Wegstrecke pro betreuter Frau um 1,51km signifikant verringert hat im Vergleich zu vor der Kooperation mit der Hebammenzentrale (t (76) = -3,429, p = .001; n=77).
Werden die Vermittlungsanfragen- und erfolge betrachtet so kann festgehalten werden, dass in der Hebammenzentrale Bochum die Vermittlungsquote bei 86,77% (n=269) liegt. In der Hebammenzentrale Düsseldorf beläuft sich die Vermittlungsquote auf 56,63% (n=1.260). Die Vermittlungschance bei Frauen, die sich bereit in der Schwangerschaft an die Hebammenzentrale in Düsseldorf wenden, ist signifikant höher, als bei Frauen die nach Geburt des Kindes die Zentrale kontaktieren (χ 2 (1) = 6.327 p=0.012; n=2134).
Schlussfolgerung:
Hebammenzentralen können ein Schlüsselfaktor sein, um die Arbeit von freiberuflich tätigen Hebammen zu stärken. Durch eine gleichbleibend stabile Auslastung der Kapazitäten kann die finanzielle Situation der freiberuflich tätigen Hebamme als sicher angesehen werden. Zudem können diese ressourcenschonender arbeiten, da primär Frauen aus der direkten Umgebung an sie vermittelt werden. Allerdings scheint es in Düsseldorf geringere vorhandene Kapazitäten in der Hebammenversorgung zu geben, so dass das Ungleichgewicht hinsichtlich Angebot und Nachfrage nicht durch eine Hebammenzentrale vollständig ausgeglichen werden kann
Literaturverzeichnis:
[1] Deutscher Hebammenverband e.V. (2018). Geburtshilfe-Stärkungsgesetz [letzter Zugriff am 29.12.2018]. Verfügbar unter http://www.unsere-hebammen.de/mitmachen/weihnachtskarte/.
[2] Mattern, E. & Kirchner, Ä. (2016). Präferenzen und Defizite in der hebammenrelevanten Versorgung in Deutschland aus Sicht der Nutzerinnen und Hebammen: Eine qualitative explorative Untersuchung Zeitschrift für Hebammenwissenschaft, 4. p 7.
[3] Ratsinformation Düsseldorf.de. (2015). Beschlussvorlage 50/52/2015: Haushaltsplan 2015: Mittelverwendung. [letzter Zugriff am 28.12.2018]. Verfügbar unter http://ratsinfo.duesseldorf.de/ratsinfo/duesseldorf/63640/Vm9ybGFnZW5kb2t1bWVudCAoT2Up/14/n/248517.doc.
[4] Arbeiter-Samariter-Bund Bochum. (2018). Hebammenzentrale Bochum. [letzter Zugriff am 25.11.2018]. Verfügbar unter https://hebammenzentrale.asbnrw.de/.
Hintergrund
Die Bewältigung von familiären Belastungen oder Gesundheitsproblemen wird immer häufiger als gemeinsame Aufgabe von Müttern und Vätern verstanden. Dass eine stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme für Mütter, Väter und ihre Kinder (§§ 24 und 41 SGB V) die Belastungen und gesundheitlichen Beschwerden effektiv und nachhaltig verbessern kann, konnte schon in mehreren Studien gezeigt werden (Jaunzeme et al. 2014, Otto, 2014). Jedoch zeigt sich in Kurberatungsstellen und Kliniken eine steigende Nachfrage nach Familienkuren statt Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Maßnahmen. Ob und in welchem Maße eine Familienkur zur Verbesserung der gesundheitlichen wie auch familiären Situation beitragen kann, wurde aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage für diese Versorgungsform noch nicht untersucht. Laut §§ 24 und 41 SGB V können bislang nur Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Maßnahmen bewilligt werden.
Fragestellung
Welche Erwartungen und Wünsche haben Eltern an eine Familienkur hinsichtlich individueller und gemeinsamer Kurziele sowie therapeutischer Maßnahmen?
Methodik
Um die Erwartungen und Wünsche von Eltern an die Familienkur zu ermitteln, werden in einer Klinik, in der Mütter und Väter gemeinsam mit ihren Kindern aufgenommen werden, beide Elternteile mittels eines halbstandardisierten Leitfadens interviewt. Die aufgezeichneten Interviews werden transkribiert und mittels einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) ausgewertet.
Ergebnisse
Die Hauptuntersuchung dauert noch an. Derzeitig konnten 11 von geplanten 20 Familien interviewt werden. Zur Konsentierung des Leitfadens wurde vorab ein Pretest durchgeführt. Im Pretest wurden 5 Familien (5 Mütter, 5 Väter) interviewt. Die Mütter waren 32-40 Jahre alt (M=36,6; SD=3,4) und die Väter 33-45 Jahre (M=40,2; SD=4,5). Alle 5 Paare sind miteinander verheiratet und haben 2 bez. 3 Kinder. 40% hatten einen mittleren Bildungsabschluss, 50% Abitur oder FH-Reife.
Der Pretest ergab folgende Ergebnisse:
Beantragung der Kur
Die Beantragung und Bewilligung einer Familienkur lief bei allen Familien über zwei getrennt gestellte Anträge entweder bei der gleichen oder zwei verschiedenen Krankenkassen. Einen gemeinsamen Antrag gab es nicht. Bemerkenswert ist, dass 3 Mütter und 1 Vater angaben, dass sie die Kur alleine mit den Kindern und ohne Partner nicht gemacht hätten, weil das für sie zu viel Stress bedeutet hätte.
Belastungen und Kurziele
Sowohl die Mütter als auch die Väter gaben jeweils an, unter Rückenproblemen und Erschöpfung aufgrund von Stress und Zeitmangel im Alltag und im Beruf zu leiden. Dementsprechend gaben 4 von 5 Frauen als Maßnahmeziel an, entspannen zu wollen. Die Väter wollten eher sportlich aktiv werden, um die Rückenbeschwerden zu lindern (4 von 5). Als gemeinsames Kurziel stand bei allen Interviewten die gemeinsame Zeit als Paar und in der Familie im Vordergrund. Bei 4 von 5 Paaren standen Probleme mit einem ihrer Kinder im Fokus.
Spezifische Motivation für die Familienkur
7 von 10 Interviewten betonten, dass sie die gemeinsame Kur für sehr sinnvoll halten, um das System Familie zu stärken, gemeinsam Bewältigungsstrategien zu entwickeln und sich gegenseitig unterstützen zu können. 3 Personen gaben außerdem an, dass sie sich einen leichteren Zugang zu diesem Angebot auch für weitere Familien wünschen.
Diskussion
Trotz getrennt beantragter Mutter-Kind- und Vater-Kind-Maßnahmen und eigener medizinischer Indikation wurde die Vorsorgemaßnahme in derselben Einrichtung von den Müttern und Vätern ganz klar als Familienkur mit gemeinsamen familienbezogenen Zielen betrachtet. Die Hauptuntersuchung soll zeigen, ob die Ergebnisse aus dem Pretest bestätigt werden können. Gerade mit Blick auf die steigenden Kosten im Gesundheitswesen kommt einer nachhaltigen Förderung der gesundheitlichen, persönlichen und psychosozialen Ressourcen von Müttern und Vätern sowie einer stabilen Eltern-Kind-Beziehung eine besondere Bedeutung zu. Diese Förderung ist in Einrichtungen mit dem Angebot einer Familienkur möglich.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse der Hauptuntersuchung sollen Ausgangspunkt für eine quantitative Evaluationsstudie sein, die die kurz- und mittelfristigen Effekte in Bezug auf die Verbesserung von Gesundheits-, Partnerschafts- und Erziehungsproblemen sowie der Verbesserung der Mutter- bzw. Vater-Kind-Bindung abbildet.
Literatur
Jaunzeme, J., Otto, F., Geyer, S. (2014): Gesünder nach der Kur? Analyse von GKV-Daten mit Vorher-Nachher-Vergleich für Teilnehmerinnen einer Mutter-Kind-Maßnahme und Mütter ohne Kurbewilligung. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 93. 41-49.
Otto, F. (2014): Effekte stationärer Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter und Kinder - Eine kontrollierte Vergleichsstudie. Rehabilitation, 52. 86-95.
Kuckartz, U. (2018): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Basel, Weinheim: Beltz Juventa, 4. Aufl.
Hintergrund
Wiederkehrende Kopfschmerzen bei Jugendlichen stellen ein zunehmendes Gesundheitsproblem dar. Zumeist liegt den Kopfschmerzen keine körperliche Ursache zugrunde – sie sind funktionell. Dennoch werden häufig Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen. Prädiktoren für die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems von Jugendlichen mit wiederkehrenden Kopfschmerzen wurden bislang noch nicht identifiziert.
Fragestellung
Welche Faktoren sind bei Jugendlichen mit der Einnahme von Medikamenten oder dem Aufsuchen eines Arztes aufgrund von wiederkehrenden Kopfschmerzen assoziiert?
Methode
An fünf weiterführenden Schulen beantworteten N = 2284 Jugendliche im Alter von 9-18 Jahren (M = 12,95, SD = 1,84) eine Tabletbefragung unter anderem zu Schmerzen und der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen aufgrund von Schmerzen. Zudem nahmen N = 1466 Eltern an einer Online-Befragung teil. Mittels multipler logistischer Regressionen wurde der Einfluss der Schmerzcharakteristika, soziodemographischer und psychologischer Eigenschaften, des Freizeitverhaltens sowie schulischer und elternbezogener Faktoren auf die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen untersucht.
Ergebnisse
Insgesamt berichteten 27% der Jugendlichen wiederkehrende Kopfschmerzen (mindestens einmal monatlich über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten). Von diesen Jugendlichen suchten 37% einen Arzt innerhalb der letzten 3 Monate auf und 76% nahmen Schmerzmedikamente ein. Es zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit einen Arzt wegen wiederkehrender Kopfschmerzen zu konsultieren mit zunehmenden schmerzbedingten Schulfehltagen (OR = 2,70, p < .001), einer langen Schmerzdauer (über ein Jahr; OR = 0,62, p = .026) und schmerzbedingter Medikamenteneinnahme (OR = 1,98, p = .008) assoziiert ist.
Die Wahrscheinlichkeit, Medikamente zu nehmen, steigt mit dem Alter (OR = 1,34, p < .001), mit zunehmender Schmerzintensität (OR = 1,19, p = .014), zunehmenden schmerzbedingten Schulfehltagen (OR = 1,9, p = .016) und mit der Konsultation eines Arztes (OR = 2,01, p = .007). Das Freizeitverhalten und psychologische Eigenschaften der Jugendlichen, sowie elternbezogene Faktoren, wie chronische Schmerzen, Ängstlichkeit oder Depressivität der Eltern zeigten keinen signifikanten Einfluss.
Diskussion
Die hohen Zahlen insbesondere bei der Einnahme von Medikamenten verdeutlichen die Relevanz des Themas. Für die Medikamenteneinnahme und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen zeigen sich sowohl unterschiedliche als auch gemeinsame Prädiktoren. Für eine kausale Interpretation der Zusammenhänge müssen jedoch Längsschnittdaten herangezogen werden. Prägnant ist die jeweilige Assoziation zwischen dem Arztbesuch und der Medikamenteneinnahme. Anhaltspunkte über die Wirksamkeit der Inanspruchnahme müssen ebenfalls mithilfe longitudinaler Daten genauer untersucht werden.
Praktische Implikationen
Die vorliegenden Ergebnisse liefern erste Erkenntnisse für die Entwicklung zielgruppenspezifischer Versorgungs- und Präventionsangebote. Darüber hinaus legen sie nahe, dass die Vermittlung zielgruppenspezifischer, evidenzbasierter Informationen zur Arzneimittelanwendung und dem Umgang mit wiederkehrenden Schmerzen einen wichtigen Ansatzpunkt für die Gesundheit von Jugendlichen darstellen können.
Diese Studie wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen: 01GY1615).
Abstract
Hintergrund:
Wunde und schmerzhafte Brustwarzen treten zu Beginn der Stillzeit bei bis zu 96 % der Frauen auf und sind einer der häufigsten Gründe für frühes Abstillen (1). Eine in der Praxis angewendete Therapieform bei wunden Brustwarzen sind Zinnhütchen. Diese Metallkappen aus lebensmittelechten Zinn werden auf die wunden Brustwarzen gelegt und in Verbindung mit der austretenden Muttermilch fördert dieser Prozess die Wundheilung (2). Bislang fehlen Daten darüber, ob beim nächsten Anlegen des Kindes Zinnbestandteile aus den Hütchen gelöst werden und der Säugling damit konfrontiert wird. Eine übermäßige Kontamination der Muttermilch mit Zinn wäre aus gesundheitlichen Gründen unerwünscht, der gesetzlich festgelegte Grenzwert für Säuglinge liegt bei 50 mg Zinn pro Kilogramm Lebensmittel (3). Diese Studie analysiert den Zinngehalt in der Muttermilch nach der Anwendung von Zinnhütchen zur Therapie wunder Brustwarzen in der Stillzeit.
Fragestellung:
Ist die Anwendung von Zinnhütchen bei wunden Brustwarzen in der Stillzeit unbedenklich?
Methode:
Zwischen April 2018 und Dezember 2018 wurde die Muttermilch von 24 stillenden Frauen, die unterschiedliche Verletzungsgrade an der Mamille aufwiesen, auf den Zinngehalt überprüft. Dabei haben die Probandinnen das Zinnhütchen mindestens vier Stunden vor dem Abpumpen der Muttermilch getragen. Als Vergleichsprobe diente eine Muttermilchprobe, wobei mindestens 24 Stunden lang kein Zinnhütchen verwendet wurde. Die Muttermilchproben wurden mithilfe der Atomabsorptionsspektrometrie im Labor des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf den Zinngehalt überprüft. In einem Pretest wurde der Zinngehalt der Muttermilch gemessen, die sich bei dessen Anwendung innerhalb des Hütchens sammelt (wobei diese Milch nicht an den Säugling verfüttert wird).
Ergebnisse:
Unabhängig von der Schwere der Brustwarzenverletzung war in keiner der 47 Muttermilchproben Zinn nachweisbar (1 drop out einer Vergleichsprobe). Im Pretest betrug der höchste Zinngehalt 3,92 mg/kg und liegt damit weit unter dem für Säuglinge empfohlenen Grenzwert von 50 mg/kg. Während der Laufzeit der Studie konnten keine Unverträglichkeitsreaktionen auf die Zinnhütchen beobachtet werden.
Diskussion:
Zinnhütchen stellen eine sichere Alternative zur Behandlung wunder Brustwarzen in der Stillzeit dar. Es gibt keinen Hinweis, dass sich Zinnbestandteile aus der Legierung lösen und beim nächsten Anlegen des Kindes in der Muttermilch vorhanden sind. Die Anwendung der Zinnhütchen wurde von den Probandinnen gut akzeptiert.
Praktische Implikationen:
Bei wunden Brustwarzen in der Stillzeit kann eine rasche Besserung der Beschwerden frühes Abstillen verhindern und damit die Rate der Langzeit gestillten Kinder erhöht werden.
Literature Cited
1. Kohlhuber M, Rebhan B, Schwegler U, Koletzko B, Fromme H. Breastfeeding rates and duration in Germany: a Bavarian cohort study. Br J Nutr 2008; 99(5):1127–32.
2. Taschner U. Zinnhütchen bei wunden Brustwarzen. Die Hebamme 2008; 21(03):206–7.
3. Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln; 2006 [cited 18.03.18]. Available from: URL: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:32006R1881.