Hintergrund
In Deutschland leben etwa 4 Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Aufgrund der Vielfalt seltener Erkrankungen und dem mangelnden Spezialwissen der Hausärzte diesbezüglich, werden die Patienten nur selten richtig diagnostiziert und adäquat therapiert. Die korrekte Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen (MsE) stellt somit eine große Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Einzelne Studien belegen bereits, dass mit Hilfe von Big Data Verfahren die Diagnosestellung verbessert und seltene Erkrankungen effektiver erforscht werden können. Deutschlandweit existiert aber bisher kein konkretes, umfassendes Konzept für den Einsatz von Big Data zur Versorgung von MsE. Im Rahmen des BMG-geförderten Projekts „Einsatzmöglichkeiten und klinischer Nutzen von Big Data Anwendungen im Kontext seltener Erkrankungen -BIDA-SE“ (FKZ: ZMVI1-2519DAT702) soll die Frage beantwortet werden, wie Big Data Anwendungen sinnvoll in der Versorgungspraxis von MsE einfließen können.
Fragestellung
1. Wie könnte ein praxisnahes Szenario unter Anwendung von Big Data Technologien für die Versorgung von MsE aussehen und welche Maßnahmen werden für die mittelfristige Umsetzung empfohlen?
2. Welchen Nutzen in Bezug auf dieses Szenario sehen Ärzte für die Patientenversorgung und wie würden Patienten einen Big Data-unterstützten Versorgungsprozess akzeptieren?
3. Welche technischen, systemischen, organisatorischen und rechtsregulatorischen Grenzen und Barrieren sind für das Szenario vorhanden und wie können diese überwunden werden?
4. Welche Implikationen aus ökonomischer Sicht sind mit dem entwickelten Szenario verbunden?
Methode
Das Projekt gliedert sich in die drei Phasen und wendet einen gemischten methodischen Ansatz an:
Ist-Analyse: Zunächst wird der Versorgungspfad ausdetailliert (Experten-Workshop: Ärzte) und die IT-Systeme zusammengetragen, in welchen Daten gesammelt werden (narratives Review). Es wird analysiert, welche Patientendaten sich aus den verschiedenen Systemen filtern lassen, welche Daten für eine Versorgung obligatorisch bzw. fakultativ sind und welche Daten(-quellen) bisher fehlen (Online-Befragung: Ärzte, IT-Experten). Darüber hinaus werden Big Data Anwendungen im Bereich der „Künstlichen Intelligenz“ identifiziert (Umbrella Review) und für das Szenario ausgewählt.
B. Initiale Szenarioentwicklung: Auf Basis der Ergebnisse der Ist-Analyse wird ein initiales Nutzungsszenario entwickelt, welches einen hohen Praxisbezug aufweist (Experten-Workshop: Ärzte, Patientenvertreter, Versorgungsforscher, IT-Experten, IT-Sicherheitsbeauftragte, Datenschützer).
C. Evaluation und Anpassung des Szenarios: Anschließend wird der zu erwartende (klinische) Nutzen des Szenarios evaluiert und Grenzen und Barrieren der Nutzung erfragt (Online-Befragung: Ärzte, Patienten, IT-Experten, Versorgungsforscher). Auf Basis der Evaluierungsergebnisse wird das Szenario angepasst, und ein Maßnahmenkatalog erstellt, der Empfehlungen für die Umsetzung des Szenarios enthält (Experten-Workshop: Teilnehmer Phase B). Abschließend wird eine ökonomische Analyse des Szenarios (Investitionskosten, erforderliche Anpassung der Vergütung) vorgenommen.
Ergebnisse
Zentrales Ergebnis des Projekts ist ein praxisnahes und auf unterschiedliche Versorgungsstufen übertragbares Szenario zur Anwendung von Big Data Technologien für eine verbesserte Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen. Die geplante Evaluation soll dazu beitragen, Evidenz hinsichtlich des klinischen Nutzens für die Patientenversorgung sowie zur Praktikabilität und Umsetzbarkeit zu generieren. Zusätzlich wird das Projekt Erkenntnisse liefern, welche Aktivitäten von technischer, systemischer, organisatorischer und rechtregulatorischer Seite her angestoßen werden müssten, um eine mittelfristige Umsetzung des Szenarios zu gewährleisten. Das Projekt wurde mit dem 01.03.2019 begonnen. Beim DKVF 2019 werden das initial entwickelte Nutzungsszenario (Ergebnisse Phase B) und der Prozess der Szenarioentwicklung vorgestellt.
Diskussion
Das Projektvorhaben setzt direkt an die im „Nationalen Aktionsplan für Menschen mit seltenen Erkrankungen“ benannten Ziele a.) Unterstützung des Erstkontakts beim Primärversorger und b.) Entwicklung bzw. Erforschung von Technologien zur Diagnosefindung an. Es bietet ein konkretes, umfassendes Konzept für den Einsatz von Big Data zur Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen und zeigt auf, welches konkrete (klinische) Nutzenpotential besteht, welche Grenzen mit dem Einsatz von Big Data Verfahren zur Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen verbunden sind und wie diese überwunden werden können.
Praktische Implikationen
Das entwickelte Szenario verdeutlicht, wie Big Data Anwendungen sinnvoll in der Praxis genutzt werden können, um die Diagnostik und Therapie von MsE nachhaltig zu verbessern. Die Ergebnisse des Projekts können dazu beitragen, den Zugang zu den Zentren für Seltene Erkrankungen zu kanalisieren.
Hintergrund: Telemedizin kann im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation sowohl im Arzt-Patient/Klienten-Verhältnis als auch aus Kostenträgersicht einen sinnvollen Beitrag zur Erweiterung konventioneller Versorgungsmethoden leisten.
Fragestellung: Ziel des Projektes ist, die arbeitsmedizinische Betreuung von Unternehmen und der Arbeitnehmer durch telemedizinische Anwendungen zu verbessern. Das ärztliche Handeln soll durch die Anwendungen unterstützt werden und ggfs. soll ein Mehrwert für die arbeitsmedizinische Betreuung von Beschäftigten resultieren.
Eine Telematikinfrastruktur mit Überwindung von Insellösungen wird angestrebt.
Damit verfolgt die Studie zwei Fragestellungen:
1) Können entsprechende telematische Strukturen die arbeitsmedizinische Betreuung subjektiv und objektiv verbessern?
2) Eignen sich bestimmte Inhalte der arbeitsmedizinischen Betreuung besonders gut/schlecht für eine Unterstützung durch telematische Strukturen?
Methode: In einem handwerklich geprägten Betrieb mit über 400 Beschäftigten wird die aktuelle Situation der arbeitsmedizinischen Betreuungen analysiert. Darauf folgt eine Bedarfsanalyse einer künftigen telematischen Betreuung , für die Gruppengespräche mit gesundheitsrelevanten betieblichen Akteuren und Beschäftigten durchgeführt und mittels qualitativer Analyseverfahren ausgewertet werden.
Darauf folgt die Umsetzung einer innerbetrieblichen Telematikstruktur „Arbeitsmedizin“. Abschließend erfolgt die Evaluation der Telematik-Dienstleistung in dem Betrieb, für die u.a. der Betriebsarzt, Unternehmensführung, und Betriebsrat zur Bewertung des Systems in Gruppengesprächen befragt und die Beschäftigten über die quantitative Erhebung per Fragebogen zu ihrem Nutzungsverhalten und Zufriedenheit mit dem System befragt werden. Als Parameter für die Evaluationen werden u.a. Zeiteffizienz, Versorgungsqualität, Kostenstruktur und Akzeptanz herangezogen.
Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Einreichung befand sich das Projekt noch in der Produktivphase, sodass noch keine Ergebnisse präsentiert werden können.
Diskussion: Für die Entwicklung eines Konzepts zur telemedizinischen Betreuung wurden zunächst die Bereiche der arbeitsmedizinischen Tätigkeit festgelegt, die durch telemedizinische Methoden ergänzt, optimiert oder ersetzt werden können. Nicht jede Beratungsleistung (z.B. zum Mutterschutz) bedarf eines direkten Kontakts mit dem Arbeitsmediziner/der Arbeitsmedizinerin. Hier können telemedizinische Verfahren in klein - und mittelständischen Unternehmen (KMU), die über keine ausreichende Versorgungsinfrastruktur verfügen eine zeitnahe arbeitsmedizinische Beratung ermöglichen. Ähnliches gilt für Kleinstunternehmen im Rahmen des Unternehmermodells. Bei großen Unternehmen kann dies z.B. bei anlassbezogenen Beratungen über große Distanzen hinweg der Fall sein (z.B. bei Auslandsaufenthalten). Ein weiterer Vorteil ist die direkte Befundübermittelung/-besprechung und ggf. die Demonstration einzelner körperlicher Veränderungen.
Ebenso könnte die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen z.B. mittels telematischer Methoden realisiert werden. Vor allem wäre hierbei der Vorteil, neben der Durchführung v.a. auch die Planungsphasen und Ergebniskommunikationsphasen sowie die Planungsphasen von abgeleiteten Interventionen ressourcenschonender durchführen zu können.
In Abhängigkeit der Evaluationsergebnisse ist zu berücksichtigen, welche möglichen Infrastrukturen denkbar sind. Perspektivisch sinnvoll könnte die Einführung telemedizinischer Methoden insbesondere bei Betrieben mit Unternehmermodell sein oder bei Betrieben, bei denen die betriebsärztliche Betreuung über größere Distanzen besteht und der direkte Kontakt der Beteiligten mit dem Betriebsarzt bisher unregelmäßig bzw sehr selten stattgefunden hat.
praktische Implikationen: Optimierung bzw. Verbesserung der allgemeinen und speziellen arbeitsmedizinischen Beratung des Arbeitsgebers, des/der Arbeitnehmers/Arbeitsnehmerin, der arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie Evaluierung einer möglichen sektorenübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen des ärztlichen Konsils von Arbeitsmedizinerinnen/Arbeitsmediziner untereinander bzw. mit Ärztinnen/Ärzten anderer Fachrichtungen.
Förderung: Das Projekt wurde im Rahmen eines Telemedizin-Projektes von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft finanziell gefördert.
Hintergrund: Zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Kommunikation werden derzeit eHealth Lösungen an verschiedensten Überleitungssituationen erprobt. Ein Beispiel hierfür ist der elektronische Pflegebericht (ePB). Aus wissenschaftlicher Perspektive stellt sich mit Blick auf die Inhalte solcher Berichte zum einen die Frage, welche Informationen an den Schnittstellen ausgetauscht werden sollten. Zum anderen sind für die Effektivitätsbewertung Kenntnisse über den Wert der einzelnen Informationen für die weiteren Betreuungs- und Behandlungsprozesse von pflegebedürftigen Personen notwendig. Die Auswirkungen suffizienter Informationen und Kommunikation auf die Versorgungsprozesse lassen sich selten quantifizieren. Dies gilt auch für Auswirkungen, die aus Informations- und Kommunikationsdefiziten resultieren, da Kompensationsstrategien des Gesundheitspersonals verhindern, dass Folgen bis auf die Ebene der Pflegebedürftigen vordringen.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Evaluation des Projektes „solimed ePflegebericht“ wird erstmals das Best-Worst Scaling (BWS) angewendet, um Behandlungsinformationen zu priorisieren und die Relevanz für den Versorgungsprozess abzuleiten. Hierfür priorisiert das am Projekt beteiligte Gesundheitspersonal die Inhalte des bereits entwickelten ePB für verschiedene Überleitungssituationen. Basierend auf dieser Bewertung wird ein mehrdimensionales Maß zur Bestimmung der Informationskontinuität (insbesondere durch Verknüpfung der Domänen Vollständigkeit, Rechtzeitigkeit und Versorgungsrelevanz) entwickelt.
Fragestellungen: Ist die Methode des BWS für eine subjektive Priorisierung der im ePB enthaltenen Informationen durch das Gesundheitspersonal für verschiedene Überleitungssituationen geeignet? Können Informationen identifiziert werden, die aufgrund der subjektiven Priorisierung eine hohe Relevanz für die Versorgungsprozesse pflegebedürftiger Personen haben? Können von Seiten des Praxispersonals verlässlich versorgungsrelevante Informationssets je Überleitungskontext identifiziert werden? Welche Gewichtung weisen die Inhalte des ePB je Überleitungskontext auf?
Methoden: Zur Bestimmung der Versorgungsrelevanz wurde eine BWS Befragung, ein Verfahren aus der Conjoint Analysis-Familie, durchgeführt. Zur Erstellung des Fragebogens wurden in einem ersten Schritt die einzelnen Informationsbestandteile des ePB extrahiert und in Best-Worst Szenarios überführt. Der Fragebogen besteht aus 31 Szenarien, wobei in einem Szenario jeweils 6 Informationsbestandteile des ePB gegenübergestellt werden. Die Erstellung der Szenarien wurde mittels Balanced Incomplete Block Design (BIBD) erstellt. Einen weiteren Bestandteil der Befragung bildeten verschiedene Use-Cases, in welchen Beispielpatienten in einer Überleitungssituation beschrieben wurden. Die Beispielpatienten sowie Überleitungssituationen wurden auf Basis der bereits erfassten Charakteristika der im Projekt eingeschriebenen Personen generiert. In der Befragung wurden die Teilnehmer gebeten, auf Basis der Use-Cases die wichtigsten und unwichtigsten Inhalte des ePB je Best-Worst Szenario zu markieren. Teilnehmer der Befragung waren Fachkräfte aus Arztpraxen, Krankenhäuser, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Für die Rekrutierung der Teilnehmer wurden die Koordinatoren der jeweiligen Gesundheitseinrichtungen gebeten die Befragung an mindestens 5-10 Fachkräfte weiterzuleiten, die in Zukunft mit dem ePB arbeiten sollen (geplante Mindestfallzahl: n= 55).
Ergebnisse: Die Befragung ist derzeit noch nicht abgeschlossen, erste Ergebnisse werden jedoch bis Oktober 2019 vorliegen. Mit diesen wird es möglich sein, die Priorität der Inhalte des ePB für bestimmte Überleitungssituationen in einer Rangfolge darzustellen. Zudem kann abgebildet werden, wie sich die Rangfolge zwischen verschiedenen Überleitungssituationen unterscheidet.
Diskussion: Die Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Evaluationsparametern, die Projekten mit begrenztem Untersuchungszeitraum eine Effektivitätsbeurteilung von Informations- und Kommunikationsinterventionen an den Versorgungsschnittstellen erlauben. Zur Diskussion stehen die Stärken und Schwächen des methodischen Vorgehens sowie die Übertragbarkeit der Ergebnisse.
Praktische Implikation: Aus dem BWS wird hervorgehen, in welchem Umfang die im ePB enthaltenen Informationsbestanteile versorgungsrelevant sind. Werden diese Erkenntnisse in der Effektivitätsbewertung des ePB eingesetzt, kann untersucht werden, inwiefern die Verwendung des ePB den Umfang fehlender, versorgungsrelevanter Informationen reduziert und damit zu einer Erhöhung der Patientensicherheit beiträgt.
Hintergrund: Es besteht eine hohe Krankheitslast durch Juckreiz, vor allem bei Personen mit dermato¬logischen Erkrankungen. Hinsichtlich der Erfassung der tatsächlichen Prävalenz und den medizinischen Bedürfnissen betroffener Personen bestehen allerdings erhebliche Schwierigkeiten, da nicht jeder Betroffene einen Arzt konsultiert.
Fragestellung: Ziel der Studie war es das Google-Suchvolumen zu Juckreiz, als Prädiktor für dessen Prävalenz, in 16 deutschen Städten zu analysieren, um zu untersuchen, ob bezüglich des Suchverhaltens regionale Unterschiede bestehen und ob ein Einfluss von externen Umweltfaktoren besteht.
Methode: Mit Hilfe des Google-AdWords-Keyword-Planner wurden relevante Keywords zum Thema „Juckreiz“ im Zeitraum von August 2014 bis Juli 2018 identifiziert und retrospektiv ausgewertet. Die Suchbegriffe wurden zunächst qualitativ kategorisiert und alle Begriffe, die Juckreiz zugeordnet werden konnten, wurden deskriptiv auswertet. Die Anzahl an Suchanfragen pro 100.000 Einwohner in jeder Stadt wurde mit Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Feinstaub und Anzahl an Sonnenstunden verglichen, um eine mögliche Korrelation zu untersuchen.
Ergebnisse: Es wurden 1.150 Suchbegriffe, die sich auf Juckreiz bezogen, identifiziert, welche insgesamt ein Suchvolumen von 2.851.290 Anfragen hatten. Die meisten Keywords konnten der Kategorie „Lokalisation“ (n=499) zugeordnet werden, wohingegen die wenigsten auf „Ursachen“ (n=94) bezogen. Die insgesamt am häufigsten gesuchten Begriffe waren „Juckreiz“ (n=115.680) und „analer Juckreiz“ (n=102.390). Die Anzahl an Suchanfragen pro 100.000 Einwohner war in Deutschlands größten Städten, gemessen an der Einwohnerzahl, am niedrigsten (Berlin: n=13.641; Hamburg: n=18.303 und München: n=21.363), während sie in kleineren Städten am höchsten war (Kiel: n=35.027 und Freiburg: n=39.501). Die Temperatur hatte einen größeren Effekt auf die Anzahl der Suchanfragen (β Koeffizient: -7.94, 95% Konfidenzintervall [KI] [-10.74; -5.15]), als Feinstaub (-5.13, [-7.04, -3.22]), Luftfeuchtigkeit (4.73, [2.70, 6.75]) oder Anzahl an Sonnenstunden (0.66, [0.36, 0.97]). Generell war das Suchvolumen während des Winters (Dezember bis Februar) am höchsten.
Diskussion: Das Betrachten verschiedener Städte innerhalb von Deutschland und der zusätzliche Vergleich mit Wetterdaten erlaubt es Trends im Suchverhalten und vor allem spezifische regionale Bedürfnisse der Bevölkerung zu identifizieren.
Praktische Implikation: Die Analyse des Google-Daten ermöglicht eine unkonventionelle Übersicht über das Suchvolumen und -verhalten zu Juckreiz. Dies kann potentiell dabei helfen regionale „unmet medical needs“ zu identifizieren.
Hintergrund:
Patienten-Empowerment gewinnt zunehmend Bedeutung für die patientenzentrierte Versorgung in Gesundheitsnetzwerken und findet statt im Gesundheitssystem (Makroebene), in Gesundheitsnetzwerken Arzt/Therapeuten-Patienten-Gesprächen (Meso-Ebene) und beim individuellen Gesundheits-Krankheitsmanagement des Patienten (Mikroebene). Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) sind gefordert, mit ihren körperlichen Beschwerden und Folgen der Gelenkentzündung tagtäglich erfolgreich umzugehen. In der zweijährigen Pilotstudie "BioFast" konnte gezeigt werden, dass die Krankheitsaktivität durch Darmreinigung und Fasten in nahezu allen Patienten gesenkt wird und eine anschließende Diät sich günstig auf den erhalt einer erniedrigten Krankheitsaktivität auswirken kann. Angesichts dieser offensichtlichen Abhängigkeit der Gelenkentzündung vom Darmmikrobiom kann der Patient selbst durch Ernährung und Lebensstil Einfluss auf seine Erkrankung nehmen.
Fragestellung:
Kann der RA Patient durch Telemedizin und tägliches digitales Monitoring von Ernährung, Medikation und Lebensführung primär seine Krankheitsaktivität, seine psychosozialen Ressourcen zur Alltagsbewältigung und seine Unabhängigkeit, sowie sekundär seine Lebensqualität und seine Krankheitsgesamtkosten günstig beeinflussen? Welche klinischen und Patienten-Outcomes erzielen sektorenübergreifende, ambulante und klinische Versorgung mit diesem „Monument“ Konzept?
Methode:
Aufbauend auf die BioFast Pilotstudie wird mit „Monument“ eine prospektive Beobachtungsstudie mit digitalem Monitoring und Telemedizin für mindestens 3 Jahre durchgeführt. Gestartet wird in zwei sektorenübergreifenden Netzwerken in Berlin (Charité) und Sachsen-Anhalt (Fachklinik Vogelsang-Gommern). Das Konzept „Monument“ wird an beiden Kliniken für die teilnehmenden Patienten aufgesetzt und durch diese auch an ihre ambulant behandelnden Ärzte weitergegeben und soll sich so auf weitere Zentren ausdehnen. In Abhängigkeit von Neueinstellung, Aufrechterhaltung bzw. Umstellung der Medikation wird in einem Stepped Wedge Design nach initialem Fasten die Wirksamkeit des individuellen Monitorings mit daraus abgeleiteter Anpassung von Ernährung und Lebensführung untersucht. Primäre Endpunkte sind Entzündungsparameter, DAS28, Activities of Daily Living (ADL) und Grad der Eigenständigkeit. Sekundäre Endpunkte sind gesundheitsbezogene Lebensqualität, Arbeitsunfähigkeit, Arzneimittel- und Gesamtjahresfallkosten. Begleitend wird die Akzeptanz des täglichen Monitorings und der Telemedizin analysiert.
Ergebnisse:
Nach Reduktion der Darmmikrobiota und Fasten konnte bei Patienten mit RA ein immunologisch nachweisbarer Rückgang der Krankheitsaktivität beobachtet werden. Individuelle Ernährungsgewohnheiten zeigten im weiteren Verlauf deutliche Effekte auf die Entzündungssituation. Daraus wurden strukturelle Anforderungen an das Monitoring von Ernährungsgewohnheiten und Lebensführung mit der „Monument“ App abgeleitet.
Weitere wissenschaftlich nachgewiesene Einflussgrößen auf klinische und Patienten-Outcomes werden mit Hilfe der „Monument“ App kontinuierlich engmaschig erfasst und für den RA Patienten verständlich aufbereitet:
- Individuelle Ernährungsmuster und Selbstbeurteilung von Nahrungsverträglichkeit
- aktuelle Medikation
- Schmerzen, Beweglichkeit, Erholung mit Visual Analog Scale (VAS; 0 bis 100) und abrufbaren, früheren Einschätzungen
- Beurteilung der psychosozialen Ressourcen zur Alltagsbewältigung (ADL) und Selbständigkeit der Lebensführung mit VAS (0 bis 100)
- Import oder manuelle Eingabe von Laborparametern und Arztbefunden
- Analyse der Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Medikation, Lebensführung und Beschwerden
- Möglichkeiten zur Festlegung von Zielvorgaben (Trinkmenge etc.) und deren Überprüfung.
Die Daten werden lokal gespeichert und nur über eine vom Patienten kontrollierte verschlüsselte Exportfunktion für das Arzt/Therapeuten-Patienten-Gespräch als Präsenz-Gespräch oder als Video-Sprechstunde übermittelt.
Diskussion / praktische Implikationen:
Die Nutzung der so auf wissenschaftlichen Erkenntniszusammenhängen beruhenden Use-Cases der „Monument“ App generiert Wissen beim RA Patienten, welches er mit seinen behandelnden Ärzten , Therapeuten oder Gleichbetroffenen teilen kann. Die Patientenkompetenz und das Selbstmanagement werden durch gezieltes Gesundheitshandeln gestärkt. Der Patient erfährt, dass er selbst die Ursachen seiner RA Erkrankung beeinflussen kann. Er kann selbst für seine Entzündungssituation Verantwortung mit übernehmen und frühzeitig einer Verschlimmerung seiner Erkrankung begegnen. Mit Hilfe der individuellen faktenbasierten Berichte kann auch die Arzt/Therapeuten-Patienten-Kommunikation zielgerichteter und effizienter ablaufen sowie Shared-Decision-Making am point of care tatsächlich umgesetzt werden.
Hintergrund: Die Messung von klinischen und patienten-berichteten Outcomes ist in der modernen Behandlung von Psoriasis ein Hauptbestandteil. Elektronisches Monitoring und elektronische Dokumentationssysteme sind allerdings immer noch selten.
Fragestellung: Ziel des vorliegenden Projektes ist die Entwicklung einer Plattform für elektronische Tools zum Management von klinischen und patienten-berichteten Outcomes bei Psoriasis. Ein Teilprojekt beinhaltet die Entwicklung und Erprobung des elektronischen Patient-Benefit-Index (ePBI) für Psoriasis.
Methode: Nach der Entwicklung eines Datensatzes zur Dokumentation von Psoriasis in der Praxis wurden elektronische, klinische und patienten-berichtete Outcome-Tools, wie die PBI-App und die PBI-Webversion (Swiss4ward), entwickelt. Der papierbasierte PBI ist ein validiertes Instrument und besteht aus zwei Fragebögen (Patientenziele und -nutzen), die zu einem PBI-Score führen. Der ePBI wurde kognitiv und iterativ in 4 Runden mit 11 Patienten entwickelt. Dies beinhaltete die elektronischen Fragebögen, verschiedene elektronische Ergebnispräsentationen und papierbasierte Beispiele von Grafiken und Cockpits, die mögliche Patienten-Ergebnisse zeigen. Darüber hinaus testeten 139 Patienten beide Versionen des ePBI und bewerteten deren Usability, Feasibility und Acceptability mithilfe eines standardisierten Fragebogens.
Ergebnisse: Der ePBI ist vollständig entwickelt und kann einschließlich der Herangehensweise der kognitiven Interviews auf der Konferenz gezeigt werden. 94 Männer und 44 Frauen testeten den ePBI mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren, erstmals diagnostiziert mit Psoriasis im Durchschnitt vor 21 Jahren. Die Patienten hatten unterschiedliche Komorbiditäten wie Psoriasis Arthritis (n= 58), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (n= 21) und Depressionen (n= 18). Im Durchschnitt brauchten diese etwa acht Minuten, um die Fragebögen auszufüllen und auch um ihre Ergebnisse nach Belieben zu lesen. Grundsätzlich hatten sie eine positive Einstellung zur Machbarkeit, Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz der Nutzung des ePBI und auch anderer elektronischer Daten, z.B: N= 135 Patienten stimmten (völlig) zu, dass die Fragen und der Text gut lesbar, leicht verständlich (n= 133) und die Handhabung einfach (n= 137) sind. N= 88/91 Patienten konnten sich vorstellen, den Fragebogen regelmäßiger auszufüllen oder den Inhalt mit ihrem Arzt zu besprechen. Im Allgemeinen können sich die Patienten vorstellen elektronische Fragebögen auszufüllen (n= 118) und die Ergebnisse als Unterstützung zur medizinischen Entscheidungsfindung heranzuziehen (n= 98).
Diskussion: Der ePBI ist aus Patientensicht ein praktikables und akzeptiertes Instrument zur Dokumentation von Patientenzielen und –nutzen in der Praxis. In einem nächsten Schritt sind Validitätstests und die Entwicklung weiterer Möglichkeiten zur Darstellung der Ergebnisse geplant. Insgesamt stehen Patienten mit Psoriasis digitalen Lösungen positiv gegenüber.
Praktische Implikationen: Der ePBI und auch andere elektronische Instrumente haben aus Patientensicht ein großes Potenzial in der Versorgung von Psoriasis. Des Weiteren sind strukturelle Voraussetzungen sowie die Einstellungen von Ärzten zu berücksichtigen.
Hintergrund: Psoriasis ist eine chronische, die Lebensqualität stark beeinträchtigende Erkrankung. Die Ermittlung von patienten-berichteten Outcomes, insbesondere der Lebensqualität, ist deshalb ein Hauptbestandteil der Behandlung.
Fragestellung: Da das Internet heute die meist genutzte Quelle für Gesundheitsthemen ist, soll mithilfe von Online-Foren die Lebensqualität von Patienten mit Psoriasis abgebildet und mit bestehender Forschung verglichen werden.
Methode: Online-Beiträge von Personen mit Psoriasis wurden aus einem amerikanischen und einem deutschen Online-Portal extrahiert. Dabei wurde ein Zeitraum von einem Jahr (12.2017-11.2018) herangezogen und alle Beiträge von jeweils einem Tag pro Woche ausgewählt (Wochentage wechselnd). Dies resultierte in 712 Beiträgen, welche sich nach Berücksichtigung der Ausschlusskriterien auf 541 Beiträge von insgesamt 271 Usern reduzierte. Die Beiträge wurden mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse: Das Kategoriensystem resultierte in 8 Ober- und 54 Unterkategorien. Dabei konnten soziale, psychische und physische Beeinträchtigungen sowie Beeinträchtigungen im Arbeitsumfeld, im Alltag, Beeinträchtigungen durch die Behandlung durch mangelnde Zuversicht auf Heilung und im Zusammenhang mit Kleidung aufgedeckt werden.
Diskussion: Zusammenfassend kann gesagt werden, dass zahlreiche Beeinträchtigungen aufgedeckt werden konnten, welche die bestehende Forschung widerspiegelt, aber auch spezifiziert. Online-Portale berücksichtigen zwar eine ausgewählte Patientengruppe, die Bereitstellung der Daten findet allerdings im natürlichen Lebensraum der Patienten statt und eine zusätzliche Erhebung ist nicht notwendig. Auch beinhalteten die Ergebnisse alle wichtigen Items bestehender Outcomes zu Lebensqualität.
Praktische Implikationen: Die Auswertung von Online-Daten eignet sich zur Beurteilung der Lebensqualität von Patienten und kann bestehende Forschung hierzu unterstützen.