Hintergrund
Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) wie Bettgitter oder Gurte in Bett oder Stuhl werden regelmäßig in Krankenhäusern bei der Versorgung von Menschen mit Demenz oder Delirium eingesetzt; für Deutschland ist eine Prävalenz von 12% berichtet (Krüger et al. 2013, Int J Nurs Stud). FEM stellen einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte der Patienten dar und können sich negativ auf deren Genesung und Rehabilitation auswirken. Gründe für die Anwendung von FEM sind die Sicherung von zu- und ableitenden Systemen (wie Sonden, Drainagen) und die Vermeidung von potentiellen Stürzen bzw. sturz-bedingten Verletzungen. Der Nutzen von FEM ist nicht belegt, es gibt jedoch Hinweise auf unerwünschte Folgen der Demobilisierung. Für den Bereich der Akutpflege wurden zwar in verschiedenen Ländern Interventionen entwickelt, Wirksamkeitsstudien zu diesen Interventionen stehen aber noch aus. Aus Deutschland konnten keine Interventionen identifiziert werden.
Fragestellung
Ziel des Projekts war die Entwicklung und Pilotierung einer Intervention zur Reduktion von FEM im Akutkrankenhaus. Daraus ergaben sich die Fragestellungen: (1) welche Komponenten sollte eine Intervention beinhalten, um FEM im Akutkrankenhaus in Deutschland zu reduzieren und (2) ist die entwickelte Intervention umsetzbar und geeignet, FEM zu reduzieren.
Methode
Orientiert am Modell zur Entwicklung und Evaluation komplexer Interventionen (Craig et al. 2008, BMJ) wurde theoriegeleitet und auf Basis des aktuellen Wissens eine Intervention entwickelt, auf Praktikabilität hin überprüft und in zwei Abteilungen einer Universitätsklinik (Alterstraumatologie und Neurologie) pilotiert. Die Pilotstudie beinhaltete einen qualitativen Studienteil zur Überprüfung der Praktikabilität und Prozesse und einen quantitativen Teil zur Erhebungen der Anzahl von Patienten mit mindestens einer FEM (aus der Routinedokumentation) vor und 6 Monate nach der Intervention.
Ergebnisse
Auf Basis einer systematischen Aufarbeitung der Evidenz zum Thema und geleitet durch die Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen 1985) wurde eine komplexe Intervention mit einem multidisziplinären Ansatz entwickelt. Sie beinhaltet verschiedene Komponenten: intensive Schulung von Multiplikatoren, kurze Informationsveranstaltung zur Reduktion von FEM für Mitarbeiter aus den an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen, Initiierung von regelmäßigen Audit- und Feedback-Runden zur Selbstevaluation und Verbesserung der Umsetzung der Intervention, sowie die explizite Unterstützung der pflegerischen und ärztlichen Leitungsebene. Die Multiplikatorenschulung beinhaltet die Vermittlung von Wissen zum fehlenden Nutzen und den unerwünschten Wirkungen von FEM, praxisnahe Strategien zu deren Vermeidung und die Diskussion von Fallbeispielen aus der Versorgungspraxis.
Die Ergebnisse des qualitativen Teils der Pilotierungsstudie zeigen, dass die Intervention grundsätzlich umsetzbar ist und von den Beteiligten als hilfreich eingeschätzt wird. Allerdings konnte der multidisziplinäre Ansatz bei einigen Komponenten nicht wie geplant umgesetzt werden und die Audit- und Feedback-Runden wurden nicht so regelmäßig implementiert wie geplant. Im quantitativen Teil der Studie wurden insgesamt n=258 (Baseline) und n=272 (nach 6 Monaten) Patienten auf den beteiligten Stationen eingeschlossen. Es zeigte sich nahezu keine Veränderungen der FEM-Häufigkeit, bei einer niedrigen Ausgangsprävalenz (Baseline n=4 Patienten mit mind. einer FEM und n=2 Patienten nach 6 Monaten). Als wichtigste Barriere für eine nachhaltige Reduktion der Anwendung von FEM wurde die hohe Arbeitsverdichtung genannt, die eine engmaschige Beobachtung des Verhaltens von Patienten mit kognitiven Einschränkungen erschwert.
Diskussion
Die Intervention konnte theoriegeleitet und auf Basis des aktuellen Wissens entwickelt werden und das Interventionskonzept wurde von den beteiligten Pflegenden als hilfreich und umsetzbar eingeschätzt. Allerdings ist es nicht gelungen, den multidisziplinären Ansatz wie geplant umzusetzen. Hier ist eine Weiterentwicklung der Intervention hinsichtlich der Stärkung des multidisziplinären Ansatzes nötig. Außerdem ist eine Überprüfung der Umsetzbarkeit der Intervention in weiteren Fachbereichen nötig, bevor der Nutzen der Intervention in einer klinischen Studie überprüft werden kann.
Praktische Implikationen
Aufgrund der rechtlichen und ethischen Implikationen von FEM und den potentiell negativen Auswirkungen auf die Patienten ist deren Reduzierung im Krankenhaus von hoher Relevanz. Die in diesem Projekt entwickelte und pilotierte Intervention muss weiterentwickelt werden, bevor sie in einer Wirksamkeitsstudie überprüft werden kann.
Hintergrund: Ein Großteil der Pflegebedürftigen in Deutschland wird von Angehörigen versorgt; diese leisten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung in einer zunehmend alternden Gesellschaft. Die Betreuung einer pflegebedürftigen Person ist physisch und psychisch anstrengend und führt häufig zu negativen gesundheitlichen Folgen für die pflegenden Angehörigen [1]. Nicht zuletzt durch die seit Jahren zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen rückt die Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Erwerbstätigkeit in den Fokus der Forschung. Die Studienergebnisse zu den Effekten der Erwerbstätigkeit auf die Gesundheit pflegender Angehöriger sind widersprüchlich. Teilweise wird Erwerbstätigkeit als Zusatzbelastung verstanden [2, 3], gleichzeitig gibt es Hinweise auf eine mögliche entlastende Wirkung [4] .
Fragestellung: Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, inwieweit die Gesundheitsauswirkungen der informellen Pflege durch den kontextuellen Faktor Erwerbstätigkeit beeinflusst werden.
Methode: Die Datengrundlage bieten zwei Querschnittstichproben des sozioökonomischen Panels (SOEP), einer repräsentativen bundesweiten Bevölkerungsumfrage, aus den Erhebungsjahren 2015 und 2016 (n=19.791). Als Untersuchungsgruppe „pflegende Angehörige“ definiert werden Personen, die mindestens eine Stunde in der Woche eine pflegebedürftige Person informell unterstützen, betreuen oder versorgen. Durch Anwendung von Propensity Score Matching wird eine Vergleichsgruppe identifiziert. Anhand eines multivariaten Regressionsmodells werden die Zusammenhänge in der Gruppe der pflegenden Angehörigen und der strukturangepassten Kontrollgruppe untersucht. Für eine graphische Darstellung werden Untergruppen zum zeitlichen Einsatz im Hinblick auf Angehörigenpflege und Erwerbstätigkeit gebildet.
Ergebnisse: Mittels Propensity Score Matching konnte zu den 1.349 pflegenden Angehörigen in der Stichprobe eine im Hinblick auf soziodemographische Faktoren strukturähnliche Kontrollgruppe in gleicher Größe (n=1.349) identifiziert werden. Die Ergebnisse der multivariaten Regressionsanalyse geben Hinweise auf die moderierende Wirkung von Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die negativen gesundheitlichen Auswirkungen der Angehörigenpflege. Die graphische Darstellung verdeutlicht die Komplexität des nicht-linearen Interaktionseffekts.
Diskussion: Unsere Ergebnisse geben Hinweise auf den Interaktionseffekt zwischen zeitlicher Intensität der Angehörigenbetreuung und Erwerbstätigkeit auf die physische und psychische Gesundheit pflegender Angehöriger. Bisher teilweise nicht-signifikante und teilweise widersprüchliche Studienergebnisse zum Effekt von Erwerbstätigkeit auf die gesundheitlichen Auswirkungen der Angehörigenpflege können durch unsere Analyse der Wirkungszusammenhänge für die Gesamtgruppe pflegender Angehöriger neu eingeordnet werden. Der signifikante moderierende Effekt der Erwerbstätigkeit ist in der Wirkung maßgeblich durch die Gesamtbelastung aus den beiden Tätigkeitsbereichen geprägt.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse zeigen die möglichen positiven Effekte der Erwerbstätigkeit auf den Erhalt der Gesundheit pflegender Angehöriger. Sie können in der Diskussion um die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege dazu beitragen, angemessene Unterstützungsmaßnahmen für erwerbstätige pflegende Angehörige zu entwickeln.
Literatur
[1] Bom J, Bakx P, Schut F, van Doorslaer E (2018). The Impact of Informal Caregiving for Older Adults on the Health of Various Types of Caregivers: A Systematic Review. Gerontologist. doi:10.1093/geront/gny137
[2] Kenny P, King MT, Hall J (2014). The physical functioning and mental health of informal carers: evidence of care-giving impacts from an Australian population-based cohort. Health Soc Care Community. doi:10.1111/hsc.12136
[3] Kohl NM, Mossakowski KN, Sanidad II Bird OT, Nitz LH (2018). Does the Health of Adult Child Caregivers Vary by Employment Status in the United States? J Aging Health. doi:10.1177/0898264318782561
[4] Barnett AE (2015). Adult Child Caregiver Health Trajectories and the Impact of Multiple Roles Over Time. Research on Aging. doi:10.1177/0164027514527834
Hintergrund
Ein Ziel der organisationsbezogenen Versorgungsforschung ist es, Strukturen und Prozesse in den Organisationen zu beschreiben und deren Auswirkungen auf die Qualität der Gesundheitsversorgung zu untersuchen. Im Setting der stationären Langzeitpflege setzt dieses Anliegen voraus, strukturelle Unterschiede zwischen den Organisationen (Pflegeeinrichtungen) und ihrer Organisationseinheiten (Wohnbereiche) zu untersuchen und zu beschreiben. Aus diesem Grund verfolgen wir das Ziel, eine Typologie von Wohnbereichen zu entwickeln, mit deren Hilfe sich diese Unterschiede systematisch abbilden lassen, um anschließend Rückschlüsse auf die Prozess- und Ergebnisqualität von Intervention bei bestimmten Wohnbereichstypen ziehen zu können. Auf der Grundlage empirisch entwickelter Typologien und dem theoretischen Erkenntnisgewinn ist die Bildung einer Definition möglich.
Fragestellung
Das Ziel der Analyse ist es, eine empirische Typologie von Wohnbereichen in Einrichtungen der Langzeitpflege zu entwickeln, die sich hinsichtlich ihrer strukturellen Merkmale unterscheidet. Die Typen werden anschließend hinsichtlich der Bewohnerstruktur untersucht.
Methode
Für die Untersuchung wurden Daten einer Beobachtungsstudie in 103 Wohnbereichen aus dem Jahr 2013 genutzt. Gegeben sind verschiedene Merkmale von Wohnbereichen (Personalausstattung und -organisation, bauliche Merkmale, Organisation der Mahlzeitenversorgung usw.). Gesucht ist eine Gruppierung der Wohnbereiche anhand dieser Merkmale, sodass ähnliche Wohnbereiche zur gleichen Gruppe gehören. Dies ist eine explorative Fragestellung, weil die Forschenden vorher nicht wissen, welche Merkmale relevant sind und wie viele verschiedene Gruppen in den Daten enthalten sind. Zudem handelt es sich um eine multivariate Fragestellung, da mehr als 30 Merkmale vorliegen. Die hier gewählte Lösung des Problems erfolgt in zwei Schritten: Erstens eine Multiple Korrespondenzanalyse (MCA); dies ist ein dimensionreduzierendes Verfahren, das aus den vielen Merkmalen ein paar wenige Merkmalskombinationen heraussucht, sodass immer noch möglichst viel Information des Datensatzes erhalten bleibt. Zweitens wird eine agglomerative hierarchische Clusteranalyse (AHC) mit den dimensionreduzierten Daten durchgeführt. Dieses Verfahren gruppiert die Daten so, dass die Ähnlichkeiten der Wohnbereiche innerhalb einer Gruppe möglichst groß sind. Unterschiede zwischen den Bewohnermerkmalen Demenzdiagnose und –schwere werden abschließend deskriptiv beschrieben.
Ergebnisse
Insgesamt wurden die Daten von 103 Wohnbereichen ausgewertet, die sich auf 11 Bundesländer verteilen. Durch die MCA konnte Unterschiede zwischen den Wohnbereichen aufgedeckt werden, die sich insbesondere durch die Wohnbereichsgröße (Bettenanzahl), Zusatzqualifikation der Wohnbereichsleitung im Bereich der Gerontopsychiatrie, das Wohnkonzept und die zusätzliche Finanzierung durch eine gesonderte Leistungsvereinbarung definieren. Dabei konnten drei Cluster identifiziert werden, die signifikant mit einer bestimmten Kombination von Merkmalen auftreten. Inhaltlich können die drei Cluster als „Hausgemeinschaft“, „Demenzspezifische Wohnbereiche“ und „Konventionelle Wohnbereiche“ definiert werden. Durch die Bildung dieser 3 Cluster konnten 38 Prozent der Gesamtvarianz erklärt werden. Die Unterschiede zwischen den Clustern spiegeln sich zudem in der Bewohnerstruktur wider. Die demenzspezifischen Wohnbereiche und die Hausgemeinschaften weisen höhere Anteile von Bewohnern mit einer Demenzdiagnose auf.
Diskussion
Die Untersuchung hat gezeigt, dass anhand der Daten eine empirische Bildung von Clustern möglich ist, die sich in ihren Organisationsmerkmalen deutlich voneinander unterscheiden. Da sich zudem auch die Bewohner der identifizierten Wohnbereichstypen in ihren Merkmalen unterscheiden, ist davon auszugehen, dass auch Versorgungsprozesse unterschiedlich erfolgen und sich die Versorgungsqualität eventuell unterscheidet. Die vorliegende Untersuchung basiert auf einer Gelegenheitsstichprobe, die nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit von Pflegeeinrichtungen in Deutschland ist. Damit die entwickelte Typologie verallgemeinerbar ist, sollte sie in einer Folgeuntersuchung auf der Grundlage einer Zufallsstichprobe erfolgen. Die induktive explorative Vorgehensweise ermöglichte es, Variablen zu identifizieren, über deren Beitrag zu einer Clusterbildung bislang theoretisch nichts bekannt ist. Das Verfahren trägt zur Theoriebildung bei, auf deren Grundlage eine Definition verschiedener Wohnbereichstypen erfolgen kann.
Praktische Implikationen
Die Typologie von Wohnbereichen bildet eine wichtige Ausgangslage, die es ermöglicht passendere Outcomes zu identifizieren und passgenauere Interventionen zu entwickeln. Die angestrebte Theoriebildung zum Gegenstand unterschiedlicher Wohnbereichstypen und anschließende Definition dieser ermöglicht es langfristig, den Einfluss dieser in Studien der Versorgungsforschung zu bestimmen.
Background: In Germany, advance care planning (ACP) for residents of nursing homes and mental health care institutions were introduced by a legal act in 2015.
Objective: This study aims to evaluate the effect of an ACP program in care dependent community-dwelling older persons on patient’s activation, compared to optimised usual care. Following the UK Medical Research Council’s (MRC) guidance for development and evaluation of complex interventions, we recently adapted the program Respecting Choices to the ambulatory care setting. Due to the feasibility, the adapted version of the program is timely restricted and less extensive. Therefore it aims to raise awareness to ACP and to enable people to communicate their wishes regarding future medical treatment and care. The STADPLAN intervention is pre-tested and piloted in a temporally feasible version.
Methods, analysis and expected results: A cluster-randomised controlled trial with 12 months follow up will be conducted in 3 German study sites. Eligibility criteria for patients are: > 60 years or older, adequate German language skills, degree of care dependency > 1, DSS score of < 3 or 3-5, if a known nurse evaluates the patient as being able to participate. ACP will be delivered by two trained nurse facilitators per home care service. The ACP communication will offer inclusion of a proxy decision-maker. The primary endpoint of the study is patient activation, operationalised by the Patient Activation Measure (PAM-13). Secondary endpoints include ACP-engagement, proportion of advance directives, hospitalisation, quality of life as well as depression and anxiety. An economic evaluation as well as a comprehensive process evaluation will be conducted. The primary outcome will be assessed by blinded study assistants.
The recruitment of participants will start in June 2019 and the last follow up measurement will be finished in September 2020. We aim to allocate 32 home care services including 960 participants either to the intervention or to the control group. Group comparison will be conducted by using a mixed model with a level of significance of α = 0.05 (two-sided) adjusting for baseline values (fixed effect) and cluster effect (random effect).
Discussion and practical implications: STADPLAN is the first study in Germany that empowers nurses to deliver an ACP offer to older people being cared for at home. The results will support the improvement of understanding and communicating the patient’s will regarding future medical treatment and care, and thereby contribute to patient´s autonomy at the end of life.
Ethics and dissemination: Approved by the Ethics Committees of the Medical Faculties of the Universities of Halle-Wittenberg and Oldenburg in a joint evaluation process with the Ethics Committee at the University of Lübeck, Germany. Results will be disseminated via international journal publications as and conference contributions.
Trial registration: German Clinical Trials Register (DRKS00016886)
Funding: German Federal Ministry of Education and Research (BMBF)
Hintergrund: Die S3-Leitlinie Demenzen der DGN & DGPPN behandelt verschiedene Arten von „psychosozialen Interventionen“ wie etwa kognitives Training. Interventionen, die mehrere Komponenten kombinieren, werden nicht erwähnt, obwohl es bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten empirische Hinweise gibt, dass Mehrkomponenten-Interventionen eine größere Wirkstärke als ihre einzelnen Komponenten besitzen (1).
Fragestellung:
Welche Wirkung auf die kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) oder leichter oder mittelschwerer Demenz zeigt die Mehrkomponenten-MAKS®-Intervention in der offenen Phase der Anwendung? Offene Phase bedeutet, dass den Tagespflege-Einrichtungen (TP) nach der 6-monatigen randomisiert-kontrollierten Phase freigestellt war, die MAKS®-Intervention anzuwenden.
Methodik: MAKS® besteht aus einer motorischen (M), alltagspraktischen (A), kognitiven (K) und sozial-kommunikativen (S) Komponente (siehe http://www.maks-therapie.de). Die Intervention wird als Gruppentherapie für ca. 10 Personen in einer 2-stündigen Tageseinheit angewandt. Sie wurde in einer cluster-randomisierten, kontrollierten Verlaufsstudie in 32 TPs geprüft (2). Am Ende der 6-monatigen kontrollierten Phase mit strukturierter Anwendung von MAKS® (vorgegebener Interventionsplan) in den 16 Interventions-TPs wurden auch die 16 TPs der Kontrollgruppe in MAKS® geschult (Warte-Kontrollgruppen-Design). Danach war es allen 32 TPs freigestellt, ob sie MAKS® anwenden oder nicht, und falls ja, in welcher Intensität (offene Phase). Als primäres Outcome für die kognitiven Fähigkeiten wurde die Mini-Mental State Examination (MMSE) zu Studienbeginn und nach 6 sowie 12 Monaten erhoben (Zeitpunkte t6 bzw. t12).
Gerechnet wurde eine multiple lineare Regression mit dem MMSE-Wert zu t12 als abhängiger Variablen. Als unabhängige Variablen wurden unter anderem der MMSE-Wert zu t6 und „MAKS in der offene Phase durchgeführt ja (1) oder nein (0)“ eingesetzt. Durchgeführt wurde eine „per protocol“-Analyse, d.h. ohne Personen, die verstorben sind oder ins Pflegeheim übergetreten waren oder die TP verlassen hatten.
Ergebnisse:
208 Personen in 22 TPs erhielten MAKS. In 10 TPs mit 79 Studienteilnehmer/innen wurde kein MAKS angeboten. Der durchschnittliche MMSE-Wert veränderte sich unter MAKS von 19,8 (6,1) zu t6 auf 19,4 (6,4) zu t12. In der Gruppe ohne MAKS sind die entsprechenden Werte 19,1 (5,5) bzw. 17,9 (6,0). In der multiplen Regression resultierten drei signifikante Prädiktoren: Der MMSE-Wert zu t6 (p < 0,001), MAKS durchgeführt ja/nein (p=0,019) sowie Einnahme von Antidementiva (ja/nein) (0,012). In der Gruppe mit Antidementiva (n=81) nahm der MMSE-Wert im Verlauf von 6 Monaten stärker ab als in der Gruppe ohne Antidementiva (n=206): -1,2 Punkte vs. -0,3 Punkte. Alle anderen unabhängigen Variablen waren nicht signifikant: Alter, Geschlecht, Depressivitätswert des TP-Gastes und Besuchshäufigkeit in der TP zwischen t6 und t12 (1-2 vs. 3-5 Tage/Woche).
Schlussfolgerungen:
Die festgestellte Wirkung der MAKS-Intervention in der kontrollierten Phase der Studie ist verknüpft mit der manualisierten und damit quasi standardisierten Durchführung der Intervention (3). In der offenen Phase der Studie kann keine Aussage über die Intensität der MAKS-Anwendung in den TPs, die angaben, MAKS durchgeführt zu haben, getroffen werden. Da die TPs in der Umsetzung frei waren, dürfte der Umfang zwischen wenigen MAKS-Elementen pro Tag und der kompletten MAKS-Einheit liegen. Trotz dieser Einschränkung konnten in der offenen Phase die kognitiven Fähigkeiten durchschnittlich etwa auf dem Ausgangswert stabilisiert werden, während sie in den TPs ohne MAKS signifikant stärker nachließen. Dieses Ergebnis zeigt, dass MAKS in der Tagespflege auch in der freien Anwendung wirksam ist.
Literatur
1 Oswald WD, Hagen B, Rupprecht R (2001). Nichtmedikamentöse Therapie und Prävention der Alzheimer Krankheit. Z Gerontol Geriat 34:116–121.
2 Behrndt E-M, Straubmeier M, Seidl H, Book S, Graessel E, Luttenberger K (2017). The German day-care study: multicomponent non-drug therapy for people with cog-nitive impairment in day-care centres supplemented with caregiver counselling (DeTaMAKS) – study protocol of a cluster-randomised controlled trial. BMC Health Services Research 17:492.
3 Straubmeier M, Behrndt E-M, Seidl H, Özbe D, Luttenberger K, Graessel E (2017).
Non-pharmacolgical treatment in people with cognitve impairment – results from the randomized controlled German Day Care Study. Deutsches Ärzteblatt International 114:815-821.
(* geteilte Erstautorenschaft)