08:00 Uhr
PP29:
Aktualisierung der RKI-Empfehlungen zur Wiederzulassung zu Schulen und Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 Infektionsschutzgesetz
M. Askar (Berlin, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
M. Askar (Berlin, DE)
A. Milde-Busch (Berlin, DE)
U. Rexroth (Berlin, DE)
M. Diercke (Berlin, DE)
Hintergrund
In Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten kommen Kinder und Jugendliche täglich miteinander und mit dem betreuenden Personal in engen Kontakt. Das begünstigt die Übertragung von Krankheitserregern. Außerdem verursachen bestimmte Krankheitserreger bei Kindern teilweise besonders schwere Krankheitsverläufe. Daher sieht das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in § 34 besondere Regelungen vor.
Das Ziel des § 34 IfSG ist die Unterbrechung der Kontaktmöglichkeiten in Gemeinschaftseinrichtungen, so dass keine weitere Übertragung erfolgen kann.
Das Robert Koch-Institut (RKI) erstellt gemäß § 4 IfSG Empfehlungen für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen. Zielgruppen sind in erster Linie der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) und die medizinische Fachöffentlichkeit. Ziel der Überarbeitung der Empfehlungen war eine Aktualisierung sowie die Vereinheitlichung mit anderen RKI-Publikationen (z.B. den RKI-Ratgebern).
Methoden
Die Auswahl der Krankheiten und Erreger erfolgte auf Basis des § 34 Abs. 1-3 IfSG. Die Empfehlungen wurde von den zuständigen Fachexperten am RKI überarbeitet, mit externen Experten, z.B. aus den Nationalen Referenzzentren und Konsiliarlaboren, abgestimmt und durch Vertreter der zuständigen Landesbehörden und ausgewählter Gesundheitsämter, die in der ÖGD-Feedbackgruppe vertreten sind, u.a. unter dem Aspekt Umsetzbarkeit im Gesundheitsamt kommentiert.
Ergebnisse
Die Struktur des Dokuments wurde grundlegend geändert. Es umfasst einen allgemeinen Teil mit Informationen zum Hintergrund und zu den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie krankheitsspezifische Kapitel. Letztere sind für eine bessere Übersicht tabellarisch aufgebaut. Die Empfehlungen berücksichtigen, soweit vorhanden, die aktuelle wissenschaftliche Evidenz. In jedem Kapitel finden sich neben den Empfehlungen zur Wiederzulassung auch Angaben zur Inkubationszeit, Dauer der Ansteckungsfähigkeit und allgemeine Empfehlungen zur Verhütung von Folgeinfektionen. Grundlegende Änderungen für die Wiederzulassung wurden insbesondere für EHEC-Enteritis/HUS und Hepatitis E umgesetzt.
Schlussfolgerung
Bei der Wiederzulassung ist eine Güterabwägung vorzunehmen. Dem Anspruch der Allgemeinheit, vor Ansteckung geschützt zu werden, stehen das Recht des Einzelnen auf Bildung und die Grundsätze der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der Mittel gegenüber. Die Empfehlungen beinhalten wichtige Informationen, die diese Abwägung auf Ebene der Gesundheitsämter unterstützen sollen.
08:06 Uhr
PP30:
Umsetzbarkeit differenzierter Wiederzulassungsempfehlungen zu Gemeinschaftseinrichtungen in Deutschland: eine Querschnittstudie zu EHEC-Labormeldungen aus 2018
K. Pörtner (Berlin, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
K. Pörtner (Berlin, DE)
A. Fruth (Wernigerode, DE)
G. Falkenhorst (Berlin, DE)
Hintergrund
Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)-Stämme können in Abhängigkeit vom Shigatoxin(stx)-Gen-Typ in hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS)-assoziiert und nicht-HUS-assoziiert unterteilt werden. Stämme ohne das stx2-Gen verursachen nur in seltenen Ausnahmefällen ein HUS. In den Wiederzulassungsempfehlungen zu Gemeinschaftseinrichtungen (GE) des Robert Koch-Instituts (RKI) wird zukünftig zwischen HUS-assoziierten Stämmen (stx2 positiv) und nicht-HUS-assoziierten Stämmen (stx2 negativ) differenziert. Um die praktische Umsetzbarkeit dieser Empfehlung zu untersuchen, haben wir Labormeldungen aus 2018 hinsichtlich der Angaben bezüglich der Shigatoxin-Gene untersucht.
Methoden
Aus den 3029 dem RKI in 2018 übermittelten EHEC-Meldungen wurden 300 per Zufall ausgewählt, die entsprechenden Gesundheitsämter (GÄ) angeschrieben und gebeten, die EHEC-Labormeldungen im pseudonymisierten Original ans RKI zu schicken. Die Laborbefunde wurden hinsichtlich der Angaben zu diagnostischer Methode, stx1-, stx2- und eaeA-Gen-Nachweis sowie Serogruppe ausgewertet. Zudem wurde der Zeitraum bis zum Vorliegen des Shigatoxin-Gen-Typs berechnet.
Ergebnisse
Von 300 angeforderten EHEC-Labormeldungen erhielten wir 238. Bei 220 (92%) erfolgte die Primärdiagnostik mittels PCR, wobei in 172/238 (72%) Fällen zwischen stx1- und stx2-Gen differenziert wurde. Nur stx1 wurde bei 69/172 (40%), nur stx2 bei 48/172 (28%) und beide stx-Gen-Typen bei 55/172 (32%) Fällen nachgewiesen. Informationen zum eaeA-Gen lagen bei 95/238 (40%) vor, 57/95 (60%) waren positiv. Die Serogruppe wurde bei 45/238 (19%) angegeben; die häufigsten Typen waren O91 (9 Fälle), O157 und O103 (jeweils 7 Fälle). Der Shigatoxin-Gen-Typ lag den GÄ bei 132 der insgesamt 238 (55%) überprüften Labormeldungen am Tag der Meldung vor, bei 40 weiteren Meldungen im Median nach 9 (1-45) Tagen.
Diskussion
Informationen zum Shigatoxin-Gen-Typ lagen den GÄ bei vielen Fällen frühzeitig vor. Differenzierte Empfehlungen zur Wiederzulassung zu GE in Abhängigkeit vom nachgewiesenen Shigatoxin-Gen-Typ sind somit umsetzbar. Ausschlüsse können sich auf Fälle mit HUS-assoziierten EHEC-Stämmen beschränken, wie es bereits in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Alle klinischen Labore sind aufgefordert, bereits zur Primärdiagnostik Assays zu verwenden, die zwischen stx1 und stx2 differenzieren und diese Ergebnisse den behandelnden Ärzten sowie den GÄ zeitnah und differenziert zu melden.
08:12 Uhr
PP31:
Meldepflicht für schwere Clostridiodes difficile –Infektionen – Daten aus Frankfurt am Main 2014-2018 und kritische Diskussion
M. Scherer (Frankfurt am Main, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
M. Scherer (Frankfurt am Main, DE)
K. Steul (Frankfurt am Main, DE)
O. Dogan (Frankfurt am Main, DE)
U. Heudorf (Frankfurt am Main, DE)
Hintergrund: Clostridioides difficile (C. difficile) ist in den Industrieländern der am häufigsten identifizierte Erreger einer Antibiotika-assoziierten Diarrhoe (CDI). Bereits 2007 wurden schwere CDI als „bedrohliche Krankheit mit Hinweis auf schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit“ meldepflichtig. 2016 trat mit der IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung eine Meldepflicht für CDI mit klinisch schwerem Verlauf in Kraft.
Material/Methode: Für die Jahre 2014-2019 werden die dem Gesundheitsamt Frankfurt am Main gemeldeten CDI den C. diffizile-assoziierten Sterbefällen in Frankfurt gegenübergestellt. Die Ergebnisse werden mit Daten aus der Literatur, den bundesweiten Meldedaten nach IfSG, der Sterbestatistik, den Krankenhausbehandlungsdaten sowie den Krankenhaus-Surveillance-Daten des CDAD verglichen.
Ergebnisse: Mit Inkrafttreten der neuen Meldepflicht-Anpassungsverordnung im Jahr nahm die Zahl der jährlich gemeldeten CDI von 5-8 auf 13-14 zu; allerdings lag in allen Jahren (mit Ausnahme 2016) die Zahl der augenscheinlich meldepflichtigen Todesfälle (zum Tode führende Krankheit oder vorangegangene Ursache) mit 11-28 pro Jahr deutlich über der Anzahl der Meldungen nach IfSG-Meldepflicht.
Diskussion: Die Meldedaten aus Frankfurt am Main zeigen im Vergleich mit den CDI-assoziierten Todesfällen eine ca. 2fache Untererfassung; über eine 2-4-fache Untererfassung wurde auch aus München und Nürnberg berichtet. Aus den Daten des Krankenhaus-Surveillance-Systems (CDAD-KISS) kann ebenfalls eine erhebliche Untererfassung abgeschätzt werden. Während bundesweit über eine Zunahme der CDI-Meldungen und erhebliche – nicht erklärbare - Unterschiede in einzelnen Bundesländern berichtet wird, zeigen die Daten der bundesweiten Sterbestatistik, der Krankenhausbehandlungen sowie die im KISS (CDAD-KISS) dokumentierten CDI-Fälle darüber hinaus eine Abnahme in der Inzidenz. Vor diesem Hintergrund, unter Betrachtung rechtlicher Vorgaben des IfSG und der Handlungs-Möglichkeiten der Gesundheitsämter sowie auch angesichts europäischer Empfehlungen und vorliegender Daten zur CDI-Surveillance wird die Notwendigkeit dieser Meldepflicht kritisch diskutiert.
08:18 Uhr
PP32:
Die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) und reiseimportierte Arbovirosen in Baden-Württemberg
T. Orgassa (Stuttgart, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
T. Orgassa (Stuttgart, DE)
M. Meincke (Stuttgart, DE)
C. Wagner-Wiening (Stuttgart, DE)
A. Jöst (Speyer, DE)
X. Augsten (Speyer, DE)
B. Pluskota (Speyer, DE)
N. Becker (Speyer, DE)
Situation:
Seit 2015 wird das Auftreten lokaler Populationen der vektorkompetenten Stechmücke Aedes albopictus in Baden-Württemberg beobachtet.
Hier stellen wir das Risiko von autochthonen Arbovirus-Infektionen über virämische Reiserückkehrer dar. Seit 2016 besteht die Meldepflicht laut IfSG für Arbovirosen.
Methoden:
Deskription der Vorkommen von Aedes albopictus, mithilfe verschiedener Fallen (Eier oder adulte Mücken) in folgenden Regionen: Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen, Karlsruhe, Lörrach, Ortenau, Rastatt, Rhein-Neckar, Stadtkreise Baden Baden, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe.
Analyse der Surveillance Daten zu reiseimportierten Arbovirosen nach Meldejahr, -monat, Meldekreis und Nachweismethode seit 2015.
Ergebnisse:
Die Anzahl der positiv getesteten Fallen liegt 2015 bei 32%, 2016 bei 23,8%, 2017 bei 34%, 2018 bei 38,5%.
Die Anzahl der Eier bzw. adulten Mücken in den verschiedenen Fallen steigt an. Die Daten für 2019 fehlen noch.
In den Jahren 2015 bis 2018 wurden in den Monaten Mai bis September 24, 23, 24, 10 Fälle gemeldet, 2019 waren es 47 in Meldekreisen mit Aedes albopictus Vorkommen übermittelt (Chikungunya, Dengue, Zika, Arbovirosen).
In 73 Fällen von 121 Denguefieber erfolgte der Erreger-Nachweis mittels NS1-Antigen-Test bzw. RT-PCR.
Diskussion:
Die Zahl der übermittelten Fälle ist u.a. abhängig von den Ausbrüchen in beliebten Reiseländern, sowie dem Reiseverhalten. Durch direkte Erreger-Nachweise kann gezeigt werden, dass infizierte Reiserückkehrer in der virämischen Phase zurückkehren. Das Auftreten von autochthonen Übertragungen kann somit unter klimatisch geeigneten Bedingungen in Aedes albopictus-Verbreitungsgebieten nicht ausgeschlossen werden.
Schlussfolgerung:
Neben dem Monitoring und der Bekämpfung von Aedes albopictus stellt die Surveillance von Arbovirosen durch den öffentliche Gesundheitsdienst ein wichtiges Instrument zur frühzeitigen Erkennung von autochthone Übertragungen und zur Verhinderung möglicher Ausbrüche dar. Hierbei ist eine effektive Vernetzung der beteiligten Akteure, die sich mit dem Monitoring und der Bekämpfung der Mücken einerseits beschäftigen, sowie dem ÖGD, der Ausbrüche frühzeitig erkennen und darauf reagieren muss, anzustreben.
08:24 Uhr
PP33:
Flughafenmalaria bei zwei Beschäftigten am internationalen Flughafen Frankfurt am Main
J. Schork (Frankfurt am Main, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
J. Schork (Frankfurt am Main, DE)
U. Götsch (Frankfurt, DE)
R. Gottschalk (Frankfurt am Main, DE)
A. Walczok (Frankfurt am Main, DE)
I. Wieters (Frankfurt, DE)
T. Wolf (Frankfurt am Main, DE)
Anfang Oktober 2019 traten zwei schwere Fälle von Malaria tropica bei zwei männlichen Beschäftigten am Frankfurter Flughafen auf. Sie wurden beide in der Infektiologie/Tropenmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main behandelt und gaben keine Reisen in typische Endemiegebiete an. Eine erweiterte Anamnese ergab, dass beide Patienten für die selbe Service-Firma am Flughafen häufig gemeinsam in Nachtschichten eingesetzt werden und die Wartung im Außenbereich der Flugzeuge übernehmen. Einer der Patienten gab an im Expositionszeitraum zahlreiche Mückenstiche bemerkt zu haben. Die Analyse des parasitären Genotyps am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg bestätigte die Annahme, dass beide Patienten vom selben Stamm von P. falciparum infiziert wurden. In der Umgebungsuntersuchung wurden keine weiteren Malaria-Fälle ausfindig gemacht. Bei der Begehung der Abfertigungshallen und des Vorfeldes wurde kein stehendes Wasser gesehen.
Es handelt sich bei der Flughafenmalaria um sehr seltene Ereignisse, die etwa einmal jährlich weltweit auftreten, weshalb diese Häufung von zwei Fällen ungewöhnlich ist. Bei akut erkrankten Beschäftigen des Flughafens sollte sie dennoch in der Diagnostik mitbedacht werden.
08:31 Uhr
PP35:
Mumps im Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) – möglicherweise unterdiagnostiziert?
A. Todorova (München, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
A. Todorova (München, DE)
S. Kuttiadan (München, DE)
Eine 21-jährige Patientin stellte sich aufgrund einer neu aufgetretenen, schmerzhaften, einseitigen Schwellung im Bereich der rechten Wange in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgischen Abteilung der Uniklinik, bei Ihrer Hausärztin und beim HNO-Arzt vor. Bei Verdachtsdiagnose einer Mumps-Erkrankung und unbekanntem Impfstatus wurde eine serologische Antikörper-Untersuchung auf Mumps veranlasst und der Verdacht an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet. Im Rahmen der Ermittlungen nach §25 IfSG ergab sich der Hinweis, dass die Schwellung vor weniger als 24 Stunden aufgetretenen ist und dass bei der Patientin eine zweifache Impfung mit einem Kombinationsimpfstoff in der Kindheit erfolgt war. Aufgrund der Anamnese einer vorausgegangenen Impfung und des klinischen Verdachts einer Mumps-Infektion wurden am selben Tag im zuständigen Gesundheitsamt Proben für eine PCR-Bestimmung entnommen. Die Untersuchung von Rachen- und Mundschleimhaut ergab einen positiven Nachweis von Mumpsvirus. Die Ausgangsserologie zeigte einen positiven IgG- und einen negativen IgM-Titer. Die Titerkontrolle elf Tage später ergab einen Anstieg der IgG-Antikörper ohne Nachweis von IgM-Antikörpern.
Nach §§ 6,7 IfSG besteht für Mumps seit 2013 in Deutschland eine Meldepflicht. Viele klinische Meldungen nach IfSG betreffen Personen mit mindestens einer Impfung gegen Mumps. Einige Autoren berichten über Ausbrüche von Mumps-Epidemien bei zweifach geimpften jungen Erwachsenen in verschiedenen Ländern während der vergangenen Jahre (1-9). Bei vorausgegangener Impfung ist die Serologie oft nicht aussagekräftig. In diesem Fall ist eine PCR-Untersuchung entscheidend für die Diagnosestellung und sollte möglichst zeitnah nach Auftreten der Symptome angestrebt werden. Die entsprechenden Maßnahmen bei Betroffenen und Kontaktpersonen sollten bis zum Erhalt der Ergebnisse berücksichtigt werden.
Bei unserer Klientin wurde die Verdachtsdiagnose Mumps aufgrund der Ausgangsserologie von mehreren Ärzten verschiedener Fachrichtungen verworfen. Eine PCR-Untersuchung im niedergelassenen Bereich ist bisher kein Standard bei der Mumps-Diagnostik bzw. nicht die erste Wahl bei der Labordiagnostik der Erkrankung. Auch im ÖGD werden PCR-Untersuchungen bei Geimpften nicht immer oder zu spät eingeleitet und die Verdachtsmeldungen dadurch nicht bestätigt. Der vorliegende Fall impliziert ein Umdenken in der Diagnosesicherung bei Geimpften, auch damit die Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektketten sicher verfolgt werden können.
08:37 Uhr
PP36:
Meldepflichten für Infektionserkrankungen und Infektionserreger in Deutschland – Entwicklung und Verbesserungsvorschläge
U. Heudorf (Frankfurt am Main, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
U. Heudorf (Frankfurt am Main, DE)
R. Gottschalk (Frankfurt am Main, DE)
Hintergrund: Durch Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 wurde das Seuchenrecht grundlegend novelliert. Mit dem Ziel, die Meldemoral der Ärzte zu verbessern, wurden komplexe Arztmeldepflichten nach Bundes-seuchengesetz (BSeuchG) reduziert und Labormeldepflichten sowie Sentinel-Untersuchungen erstmals implementiert. In der Zwischenzeit sind viele weitere Meldepflichten hinzugekommen. Nachfolgend soll die Entwicklung der Meldepflichten in Deutschland dargestellt und diskutiert werden.
Methoden: Die einschlägigen Gesetzes- und Verordnungstexte und die Meldedaten aus Epidemiologischen Bulletins sowie den jeweiligen infektionsepidemiologischen Jahrbüchern des Robert Koch-Instituts wurden gesichtet.
Ergebnisse: Auf Grundlage des BSeuchG wurden im Jahr 2000 insgesamt 216.542 Erkrankungen gemeldet, darunter alleine 195.486 Enteritiden. Wie beabsichtigt reduzierte sich durch Inkrafttreten des IfSG im Jahr 2001 die Zahl der unmittelbar durch den Arzt zu meldenden Erkrankun¬gen auf 27.088. Insgesamt nahm die Zahl an Meldungen auf 244.779 zu; Enteritis-Erreger machten weiterhin den größten Anteil der Labormeldungen aus. 2017 standen Norovirus-Nachweise (73.273) an erster Stelle vor Campylobacter (69.414), Rotaviren (38.251) und Salmonellen (14.269). Zwischen 2001 und 2017 nahmen die Meldungen auf 385.880 Fälle zu (+57%). 40% des Anstiegs ist auf die neu eingeführten Meldepflichten Keuchhusten, Windpocken, Mumps und Röteln (39.711), schwere Erkrankung durch Clostridien (2.803) und antibiotikaresistente Erreger (7.148) zurückzuführen.
DIskussion: Angesichts der deutlichen Zunahme der Meldepflichten und der Meldungen und der Möglichkeiten des IfSG, das außer einer namentlichen Meldung auch weitere Surveillance-Systeme vorsieht, erscheint es geboten, nach fast 20 Jahren IfSG die Meldepflichten unter fachlichen Kriterien, aber auch solchen des Datenschutzes und der Praktikabilität (s. Bijkerk) zu evaluieren – mit dem Ziel, das Meldewesen durch Fokussierung auf notwendige und erforderliche Meldepflich-ten zu verbessern. Ein erster Schritt könnte die Streichung der namentlichen Meldepflichten für die – auch nicht in den EU-Ratsbeschlüssen aufgeführten – Nachweise von Noro- und Rotaviren sein.
08:43 Uhr
PP37:
Implementierung der Internationalen Gesundheitsvorschriften in Deutschland 2019 - Joint External Evaluation (JEE) der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
U. Grote (Berlin, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
U. Grote (Berlin, DE)
M. an der Heiden (Berlin, DE)
N. Litzba (Berlin, DE)
M. Jeglitza (Berlin, DE)
G. Lücking (Bonn, DE)
C. Bayer (Berlin, DE)
U. Rexroth (Berlin, DE)
Hintergrund:
Die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) 2005 sind am 15. Juni 2007 in Kraft getreten.
Ziel der IGV ist, die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, davor zu schützen und dagegen Gesundheitsschutzmaßnahmen einzuleiten. Dazu müssen entsprechende Kapazitäten aufgebaut und vorgehalten werden. Deutschland hat sich als WHO-Mitgliedstaat der Implementierung der IGV verpflichtet. Seit 2016 wird von der WHO die Durchführung einer freiwilligen externen Evaluierung, Joint External Evaluation (JEE), empfohlen, um den Stand der Umsetzung der IGV zu bewerten. In Deutschland wird 2019 erstmals eine JEE durchgeführt.
Methoden:
Die Methodik einer JEE ist im sogenannten „JEE-Tool“ beschrieben (1). Anhand von 49 Indikatoren werden 19 Themenbereiche bewertet. Themenbereiche sind beispielsweise nationale Gesetzgebung, Koordination, Zoonosen, Surveillance, Krisenplanung, Krisenreaktion und Grenzübergangsstellen. Dabei stehen der One Health- und der All-Gefahren-Ansatz im Vordergrund.
Zunächst bewertet ein Land seine Kapazitäten und den Stand der Implementierung der IGV in einem internen, partizipativen und sektorenübergreifenden Prozess selbst. Während der JEE, die in der Regel 5 Tage dauert, wird diese Vorbewertung mit einer geladenen Expertengruppe (aus anderen WHO-Mitgliedstaaten, internationalen Institutionen und der WHO) diskutiert. Als Ergebnis der Evaluation wird ein Bericht verfasst, der für jeden Themenbereich spezifische Stärken und Entwicklungspotenziale benennt.
Ergebnisse:
Vom 25.-29.11.2019 wird sich Deutschland erstmals im Rahmen einer JEE freiwillig evaluieren lassen. Insgesamt sind in die Vorbereitung der JEE in Deutschland über 100 Expertinnen und Experten aus verschiedensten Sektoren und Ebenen involviert. Diese sind einer der Arbeitsgruppen zu den 19 Themenbereichen zugeteilt (Mehrfachbesetzungen möglich) und haben nach einem Einführungsworkshop im Mai 2019 einen Selbstbewertungsbericht erarbeitet, dessen Ergebnisse in einem 2. Workshop im September 2019 vorgestellt und diskutiert wurden. Die Ergebnisse der JEE inklusive prioritärer Maßnahmen werden auf einem 3. Workshop im Frühjahr 2020 diskutiert.
Schlussfolgerung:
Durch die JEE sollen in Deutschland Stärken und Entwicklungspotenziale bei der Umsetzung der IGV (2005) identifiziert werden. Die Ergebnisse der JEE in Deutschland werden nach einem Abstimmungsprozess als Bericht auf der Internetseite der WHO veröffentlicht.
08:49 Uhr
PP38:
Der NEUE HYGIENELEITFADEN für die Kindertagesbetreuung aus Baden-Württemberg mit Mustertabellen für den Hygieneplan nach § 36 IfSG, stark erweitert und völlig überarbeitet
B. Geisel (Stuttgart, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
B. Geisel (Stuttgart, DE)
Ö. Arbeitsgruppe Hygieneleitfaden (Stuttgart, DE)
Kindertageseinrichtungen und der ÖGD haben das gemeinsame Interesse und den gesetzlichen Auftrag, das Wohlbefinden und die Gesundheit aller an der Kindertagesbetreuung beteiligten Personengruppen zu erhalten und zu fördern. Dazu ist Hygiene als fester Bestandteil der Gesundheitserziehung in den Alltag der Einrichtung zu integrieren, um nachhaltig und dauerhaft zu wirken. Dieses umfassende Handbuch unterstützt auf 200 Seiten sowohl das Personal als auch die Träger bei dieser Aufgabe. Der Hygieneleitfaden beschreibt vorbeugende Maßnahmen, soll aber auch als Nachschlagewerk im Alltag benutzt werden können (ausführliches Stichwort- und Inhaltsverzeichnis). Er hat sich in den letzten Jahren in Baden-Württemberg zunehmend als Standardwerk etabliert. Dies zeigen auch die mehreren tausend nachgefragten Exemplare.
Seit der Erstveröffentlichung 2014 gab es vielfältige Anregungen, Praxisnachfragen und rechtliche Änderungen, die eine Überarbeitung notwendig gemacht haben. Mit Unterstützung einer großen Arbeitsgruppe wurde das Dokument vollständig aktualisiert und verschiedene Kapitel neu aufgenommen, wie z. B.:
Hygiene beim Kochen mit Kindern (Ernährungsbildung), Verhalten bei Sommerhitze, Rolle des Gesundheitsamtes bei Planung und Betrieb von Einrichtungen, Umgang mit multiresistenten Erregern und eine Checkliste zur Selbstreflexion der Einrichtungen über Ihr Hygieneverhalten im Alltag.
Wesentlich erweitert wurden die Kapitel Sanitärräume und Wickelbereiche, Hinweise zur Desinfektionsmittelauswahl, Natur- und Waldkindergärten und ein Übersichtstabelle zu den Regelungen nach § 34 IfSG.
Der bewährte Aufbau mit 3 Schwerpunkten wurde beibehalten
1. Informations- und Wissensteil zu:
• Grundlagen der Hygiene
• Hygieneerfordernissen nach Räumen/ Bereichen
• Bauhygiene für die Planung von Neu- und Umbauten
• Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes in der Kindertagesbetreuung
2. Arbeitshilfen zur Erstellung eines einrichtungsspezifischen Hygieneplans in Tabellenform mit Vordrucken für den Alltag
3. Informationsblätter für 35 relevante Infektionskrankheiten
und das Literaturverzeichnis auf fast 650 Einträge stark erweitert (Dokumente meist verlinkt).
Die PDF-Version kann kostenlos heruntergeladen werden:
www.gesundheitsamt-bw.de ->Publikationen ->Fachpublikationen ->Hygiene
Gebundene Exemplare sind gegen Gebühr zu beziehen.
08:55 Uhr
PP39:
Hygiene in der Kinder- und Jugendarztpraxis - Infektionshygienische Begehungen 2019
K. Steul (Frankfurt am Main, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
H. Notz (Frankfurt am Main, DE)
Ö. Dogan (Frankfurt am Main, DE)
K. Steul (Frankfurt am Main, DE)
Hintergrund: Um die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, ist unter anderem die adäquate medizinische Regelversorgung notwendig. Durch das Gesundheitsamt Stadt Frankfurt am Main erfolgen reguläre Kontrollen von medizinischen Einrichtungen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 23. In Kinder- und Jugendarztpraxen zeigen sich hygienische Besonderheiten. Vor allem bei der Anwendung und Aufbereitung von Inhalations- und Lungenfunktionsgeräten sowie anderen Medizinprodukten (rektale) Thermometer.
Methode: Die Überwachungen erfolgten anhand einer Checkliste und wurden durch zwei Mitarbeiter des Gesundheitsamtes durchgeführt. Grundlage für die Begehungen stellten neben dem IfSG die entsprechenden KRINKO-Empfehlungen dar.
Ergebnisse: Im Jahr 2019 fanden insgesamt 44 Begehungen von Kinder- bzw. Jugendarztpraxen statt. Das Leistungsspektrum reicht vom Allergie- über den Hörtest bis hin zur Wundversorgung. In 33 Praxen lag ein Hygieneplan und in 36 Praxen ein Reinigungs-/Desinfektionsplan vor. Die Voraussetzung zur korrekten Durchführung der Händehygiene war mehrheitlich gegeben. In den Praxen kamen Medizinprodukte wie etwa Otoskop, Ohrtrichter, Ultraschallgerät, Thermometer, Blutdruckmanschette etc. zum Einsatz. Eine Aufbereitung fand beispielsweise bei Scheren, Thermometern, Ohroliven sowie Inhalationszubehör statt. In 7 Praxen wurden Thermometer als Einwegprodukte eingesetzt. Eine Problematik zeigte sich bei der sachgerechten Desinfektion von Thermometern zur rektalen Anwendung. Zwar wurde in den Praxen eine patientenbezogene Schutzhülle angewendet, jedoch wurde eine Desinfektion mit einem sporoziden Mittel nicht in jedem Fall sichergestellt. Größtenteils war in den überprüften Arztpraxen eine sachgerechte Aufbereitung der Oberflächen festzustellen. Zudem wurde bei den Begehungen die Aufbereitung von Spielsachen thematisiert. In 24 Praxen fand eine tägliche Aufbereitung der Spielsachen statt; in 9 Praxen war die Aufbereitung nicht eindeutig definiert.
Schlussfolgerung: Insgesamt zeigte sich bei den begangenen Praxen eine gute Umsetzung der hygienischen Regularien. Diskussionsbedarf bestand bei der Aufbereitung von Inhalationssystemen und deren Zubehör wie z. B. der Masken. Teilweise lagen hierzu keine (ausreichenden) Herstellerangaben bzw. Anweisungen durch den Betreiber zur korrekten Aufbereitung vor. Weiterhin bedarf es besonderer Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Aufbereitung von rektal zur Anwendung kommenden Thermometern.
09:01 Uhr
PP40:
Hygiene und MRE in Förderschulen – Der Hessische Weg, 2019
M. Scherer (Frankfurt am Main, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
M. Scherer (Frankfurt am Main, DE)
K. Steul (Frankfurt am Main, DE)
J. Krahn (Darmstadt, DE)
M. Just (Marburg, DE)
M. Schimmelpfennig (Kassel, DE)
U. Heudorf (Frankfurt am Main, DE)
Hintergrund: Schulen sind gemäß § 36 i. V. mit § 33 IfSG verpflichtet innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Einhaltung der Infektionshygiene in Hygieneplänen festzulegen. Dieser Regelung kommt für Förderschulen eine besondere Bedeutung zu, da hier Kinder mit zum Teil komplexen Behinderungsbildern unterrichtet werden, die nicht nur pädagogischer, sondern auch pflegerischer Betreuung bedürfen. Neben examiniertem Pflegepersonal werden häufig ungelernte Kräfte, wie Pädagogen zur pflegerischen Versorgung eingesetzt. Weiterhin ist davon auszugehen, dass mehr Kinder mit MRE besiedelt sind, als in einer in dem Alter vergleichbaren Gruppe von Kindern. Förderschulen sind Institutionen, die in der Regel nicht in der standardisierten Überwachung von Gesundheitsämtern berücksichtigt werden. MRE-Netzwerke werden immer häufiger beratend zum Umgang mit MRE in Förderschulen konsultiert. Vor diesem Hintergrund wurde in Hessen eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Musterhygieneplans gegründet.
Material/Methode: Auf Basis eines anlassbezogen für eine Förderschule erstellten Hygieneplans wurde ein tabellarischer Vorschlag erarbeitet. Dieser wurde in einem Abstimmungsprozess von Vertretern aus Fördereinrichtungen und Behindertenbetreuung, der Arbeitsmedizin sowie von Experten der vier MRE-Netzwerke in Hessen finalisiert. Nach Abstimmung mit den zuständigen Landesministerien soll dieser Musterhygieneplan als Erlass für betreffende Schulen herausgegeben werden.
Ergebnisse: Grundsätzlich werden in übersichtlicher Tabellenform die Themen „Allgemeines, räumliche Ausstattung etc.“, „Flächenreinigung und –desinfektion“ sowie „Hygiene bei der Pflege“ behandelt. Darüber hinaus enthält die Tabelle eine Gliederung in Standardhygienemaßnahmen (soweit kein Besiedelungsstatus bekannt ist) und erweiterte Hygienemaßnahmen (bei MRE). Um die umzusetzenden Maßnahmen möglichst leicht verständlich zu halten und somit die Akzeptanz der Anwender zu fördern, wurden alle MRE in eine Kategorie umzusetzender Maßnahmen zusammengefasst. Kurzinformationen zu den häufigsten Erregern mit Multiresistenz dienen zur Aufklärung.
Diskussion: Der Hessische Musterhygieneplan für Förderschulen dient neben der adäquaten Umsetzung notwendiger Hygienemaßnahmen ebenso der Aufklärung von Kollegien, um übertriebene und einschränkende Maßnahmen im Umgang mit MRE-besiedelten Kindern zu vermeiden und somit einer Stigmatisierung dieser Kinder entgegenzuwirken. Über erste Erfahrungen in der Umsetzung wird berichtet.
09:07 Uhr
PP42:
Wirksamkeit der Influenzaimpfstoffe bei Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen 2019/20
C. Helmeke (Magdeburg, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
C. Helmeke (Magdeburg, DE)
L. Gräfe (Magdeburg, DE)
D. Ziehm (Hannover, DE)
A. Baillot (Hannover, DE)
H. Irmscher (Magdeburg, DE)
J. Dreesman (Hannover, DE)
Seit 2018 empfiehlt die STIKO Kindern und Jugendlichen im Alter von 2 bis 17 Jahren bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung eine saisonale Influenza-Impfung mit einem inaktivierten quadrivalenten Impfstoff oder einem attenuierten Lebendimpfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination. Auf Grundlage der Datenerhebung der virologischen Influenza-Surveillance in unseren Bundesländern bestimmen wir die Impfeffektivität (VE) der seit 2018/19 bevorzugt verwendeten quadrivalenten Impfstoffe gegen eine laborbestätigte Influenza bei Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in der Saison 2019/20.
In jeder Saison werden von der 40. Kalenderwoche (KW) bis zur 19. KW von Sentinel-Kinderärzten systematisch Abstrichproben von Patienten mit akuten respiratorischen Erkrankungen entnommen. Wir vergleichen laborbestätigte Influenza-Fälle mit Influenza-negativen Kontrollen. Die Schätzung der Vakzintyp-abhängigen VE (1-OR) gegen eine laborbestätigte Influenza unterschiedlichen Subtyps erfolgte bei 2- bis 17-jährigen Kindern und stratifiziert nach Altersgruppen (2-6; 7-17 Jahre). Mittels multivariabler logistischer Regression wird nach Alter, Geschlecht, Erkrankungsmonat, Bundesland und chronischen Erkrankungen adjustiert.
Die Ergebnisse zur Schätzung der Impfeffektivität quadrivalenter Tot- und Lebendimpfstoffe gegen die 2019/20 zirkulierenden Influenzavirus-(Sub)Typen werden auf der Tagung vorgestellt.
In Abhängigkeit von der jeweiligen Saison und damit vom vorherrschenden Influenzavirus-Subtyp und dessen Übereinstimmung mit dem entsprechenden Impfstamm variierte die Influenza-Impfeffektivität in den letzten Jahren von niedrig über moderat zu gut. Die Überwachung der Impfeffektivität bei Kindern trug zur Anpassung von Impfempfehlungen bei und wird fortgesetzt.
09:13 Uhr
PP43:
Die Geschichte der Tuberkulose im Tuberkulose-Museum Heidelberg. - Was hat der ÖGD damit zu tun?
O. Bock-Hensley (Dossenheim, DE)
Details anzeigen
Autor:in:
O. Bock-Hensley (Dossenheim, DE)
Einleitung: Das Deutsche Tuberkulose Archiv (DTA)Heidelberg wurde 1996 von Dr. Robert Kropp in Fulda gegründet und befindet sich seit 2011 im Rohrbacher Schlösschen auf dem Gelände der Thoraxklinik in Heidelberg. Der Verein zur Förderung der Erforschung der Tuberkuloseerkrankung (DTA) ist ein gemeinnütziger Verein, der ehrenamtlich geführt wird. Das Tb-Museum Heidelberg ist das einzige Medizinhistorische Museum in der BRD, das sich ausschließlich mit der Geschichte der Tuberkulose beschäftigt.
Material und Methode: Das DTA besteht aus einem Museum mit Exponaten und Dokumenten zur Geschichte der Tuberkulose von der Jungsteinzeit bis zur Gegenwart und einer Bibliothek mit ca. 7000 Büchern und Zeitschriften zum Thema Tuberkulose.
Ergebnis: Die Geschichte der Tuberkulose kann an vielen Exponaten im Tb-Museum verdeutlicht werden. Das älteste Exponat ist eine Wirbelsäule mit tuberkulösen Veränderungen aus dem Neolithikum, das 1904 in Heidelberg ausgegraben wurde. Es ist eine Dauerleihgabe des Kurpfälzischen Museums Heidelberg. Meilensteine in der Geschichte der Tuberkulose sind die Entdeckung des Tuberkulose-Bazillus durch Robert Koch (24.3.1882) und die Entdeckung der Antibiotika durch G. Domagk (1895-1964, Deutschland) und S. Waksman (1888-1973, USA) in den 1940iger Jahren. Beide haben dafür den Nobel Preis bekommen. Heilungsversuche fanden in jedem Jahrhundert statt. Die Heilstätten Bewegung wurde von Hermann Bremer (1826-1889) und Peter Dettweiler (1837-1904) gegründet. Die Kollaps Therapie seit Ende des 19. Jahrhunderts war ein Beispiel für Versuche, die Lunge mit den verschiedensten Methoden stillzulegen und eine Heilung anzustreben. Die Entstehung der Tuberkulosefürsorgestelle in Halle 1899 mit der individuellen Betreuung der Tuberkulose-Erkrankten führte zu der Gründung der Staatlichen Gesundheitsämter in der NS-Zeit 1935. Als juristische Grundlage der Aufgaben der staatlichen Gesundheitsämter wurde 1934 in der NS-Zeit das ÖGD-Gesetz erlassen.
Fazit: Die Geschichte der Tuberkulose ist noch lange nicht zu Ende. Ca. 1 Million Tote /Jahr und ca. 1 Million Neuerkrankungen zeigen, dass die Tuberkulose nach wie vor ein großes Problem darstellt. Mit der Entwicklung einer Impfung und effektiven Medikamenten gegen MDR-Tb und XDR-Tb wird die Bekämpfung der Tuberkulose erst erfolgreich werden. Der ÖGD hat laut IFSG (Infektionsschutzgesetz) die Aufgabe, die Meldungen der Tuberkulose zu registrieren und weiterzuleiten, die Quelle der Infektion und die Kontaktpersonen zu ermitteln und die Therapie zu überwachen. Das Thema Tuberkulose hat seine Aktualität nicht verloren.
www.tb-archiv.de
09:19 Uhr
PP44:
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in München LTBI- Diagnostik im Rahmen des Tuberkulose Screenings
E. Czuchajda (München, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
J. Kerschl (München, DE)
E. Czuchajda (München, DE)
Einleitung und Hintergrund
Die Zahl in München angekommener unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UmF) stieg im zweiten Halbjahr 2015 erheblich an. Ab Mai 2016 wurde das TB-Erstscreening für UmF durch Gesundheitsreferat und Sozialreferat der Landeshauptstadt München koordiniert. Die Erstuntersuchungen nach § 36 Absatz 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erfolgten im Sachgebiet Tuberkulose.
Bis Mai 2017 erhielten Jugendliche über 15 Jahre eine Röntgen-Thoraxaufnahme, Kinder und Jugendliche unter 15 Jahre einen Quantiferon-Test (QFT).
Ab Juni 2017 erfolgte beim größten Teil der Jugendlichen älter als 15 Jahre zusätzlich ein Quantiferontest.
Zielsetzung
Neben aktiver TB-Fallfindung soll auch die LTBI - Prävalenz bei minderjährigen Flüchtlingen abgeschätzt werden, besonders unter Berücksichtigung der Herkunft. Daraus ergibt sich eine Grundlage für engmaschige Verlaufskontrollen beziehungsweise eine präventive Chemotherapie bei entsprechender Anamnese.
Methodik
Erfasst wurden die Anzahl der untersuchten UmF, Altersgruppen, Anzahl der LTBI-Fälle sowie TB-Erkrankungsfälle, dies jeweils eingeteilt nach den Herkunftsregionen.
Ergebnisse
Im ersten Jahr wurden 598, im zweiten Jahr 211 UmF nach § 36(4) IfSG untersucht . Das Hauptklientel der Ankömmlinge in München waren männliche Jugendliche aus Ostafrika.
Nach Erweiterung der Testung ab Juni 2017 zeigte sich erwartungsgemäß trotz geringerer Fallzahlen ein hoher Anteil an LTBI (zwei Drittel).
Den höchsten Anteil an QFT positiven Jugendlichen fanden wir bei Herkunftsländern aus subsaharischen Regionen Afrikas.
Chemoprävention
Von den in München verbliebenen 19 Jugendlichen mit LTBI erhielten nach sorgfältiger Anamneseerhebung 14 eine Chemoprävention.
TB-Erkrankungen
Im Laufe der 2 Jahre fanden wir 21 Erkrankte, davon 10 ansteckungsfähige, pansensible sowie 3 klinisch diagnostizierte Lungentuberkulosen. Ferner 6 bioptisch – histologisch gesicherte intrathorakale Lymphknotentuberkulosen und 2 extrapulmonale TB-Erkrankungen.
Fazit
Bei UmF wurden im Erstscreening sowohl ansteckende als auch klinisch manifeste Tuberkulose Erkrankungen diagnostiziert.
Die LTBI-Rate ist bei Minderjährigen aus dem subsaharischen Afrika überraschend hoch.
Zumindest bei dieser Gruppe ist ein erweitertes Screening zu empfehlen, ein nur einmaliges Röntgen bei Erstaufnahme ohne weitere Kontrollen erscheint in Hinblick auf dasProgressions-Risiko zur späteren Tuberkulose-Erkrankung nicht ausreichend
09:25 Uhr
PP45:
Tuberkuloseinfektion und Verzögerung in der Diagnose der Tuberkulose in einer Kohorte von Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen in Baden-Württemberg
J. Fobiwe (Villingen-Schwenningen, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
J. Fobiwe (Villingen-Schwenningen, DE)
C. Wagner-Wiening (Stuttgart, DE)
J. Früh (Villingen-Schwenningen, DE)
Background: Minors aged less than 18 years unaccompanied by a responsible adult make up an increasing part of refugees to Europe and many come from countries with a high tuberculosis (TB) incidence (1). Little data (2) is available on Tuberculosis prevalence and clinical presentation in this cohort. Treatment delay with rising TB incidences, delay in initiation of TB treatment may have impact on disease transmission, development of drug resistance, poor outcome and survival.
Methods : Retrospective description of the clinical, laboratory and demographic features of 178 TB cases of mandatory surveillance data as per the German Infection Protection Act from SurvNet@RKI V.3. Calculation of incidences and treatment delay. Chi-Square group analysis was done with SAS Version 9.3 to compare treatment delay and infectious tuberculosis.
Results: Some incidences as per country of origin were higher than in high burden countries. The number of TB cases in minors steeply increased from 7 cases case in 2014 to 65 cases in 2016. There was a more than 300% increase between 2014 and 2015 in this cohort . While 52% of cases were detected through active screening almost a third (34%) of the cases were detected through symptomatic screening. The mean treatment delay was 64 days (8 weeks) (Range 2-378 days, median 31 days (4 weeks). 25% of cases with both moderate and high delay had a smear positive microscopy compared only 6% of cases without delay. In general infectious TB cases increased in this cohort by over 250% after 2014. When compared to other WHO world regions patients from the WHO African Region could probably have an increased risk for positive smear microscopy (OR 3.2; 95%CI 1.2- 8.7).
Conclusion : TB disease and infectious TB is very common amongst unaccompanied minors and total treatment delay is extended and therefore of particular consent in this vulnerable group of migrants. Since active screening only detected 52% of the cases and almost a third of the cases (34%) were detected through passive screening, policies aimed at targeting who to screen and treat for latent TB and TB are therefore inevitable in the TB elimination strategy. Our results supports the national THINK-TB strategy being adopted in Geramny (Epi. Bull. 2018;14./Nr. 11/12). Since calculated incidences amongst this cohort were even higher than in so called high risk TB countries (3) a public health debate in Germany concerning reintruduction of TB vaccine to high risk groups is needed.
09:31 Uhr
PP46:
Tuberkulosescreening in einem Nachtasyl in Frankfurt am Main
U. Götsch (Frankfurt0)
Details anzeigen
Autor:innen:
U. Götsch (Frankfurt0)
P. Behrens (Frankfurt am Main, DE)
K. Büttel (Frankfurt am Main, DE)
R. Gottschalk (Frankfurt am Main, DE)
Nach §36 Abs.4 Infektionsschutzgesetz müssen Personen, die drei Tage oder länger in einer Einrichtung für Obdachlose verbringen ein ärztliches Zeugnis über darüber vorlegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose vorhanden sind.
In Frankfurt am Main wurde im Herbst 2018 ein abgetrennter Bereich einer U-Bahnstation als neue Unterkunft für Obdachlose eröffnet. Der Raum ist mit Liegematten, Toiletten und Waschmöglichkeiten ausgestattet sowie beheizbar. Er dient als Nachtlager für überwiegend aus Osteuropa stammende Obdachlose, die in kalten Nächten mit Nachtbussen gezielt aufgesucht und dorthin gebracht werden.
Zur Vermeidung von Erfrierungen können länger in der Einrichtung verweilende Obdachlose nicht von der Übernachtung in der Einrichtung ausgeschlossen werden, auch wenn sie der Aufforderung zur Durchführung von Röntgenaufnahmen nicht nachkommen. Sie erhalten mehrsprachige Hinweise auf Symptome der Tuberkulose und die Möglichkeit einer kostenlosen medizinischen Grundversorgung im Gesundheitsamt sowie in einer Straßenambulanz.
Das Personal in der Einrichtung ist geschult und informiert das Gesundheitsamt über symptomatische Personen.
09:37 Uhr
PP47:
Tuberkulose unter Asylbewerbern – Daten und Fallbeispiele aus 6139 Erstaufnahmeuntersuchungen
B. Tegtmeyer (Sigmaringen, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
B. Tegtmeyer (Sigmaringen, DE)
U. Hart (Sigmaringen, DE)
L. Jung (Inzigkofen, DE)
S. Haag-Milz (Sigmaringen, DE)
2015 standen viele Gesundheitsämter in Deutschland im Zuge der Migrationswelle vor großen Aufgaben. Es mussten rasch Kapazitäten geschaffen werden, um eine große Zahl von Erstaufnahmeuntersuchungen ankommender Asylbewerber durchzuführen. Der Zustrom von Menschen aus Ländern mit höherer Tuberkuloseprävalenz führte auch in Deutschland zu einem Anstieg der Tuberkulosefallzahlen um nahezu 30 %.
Anhand der retrospektiven Betrachtung der Untersuchungsergebnisse einer Landeserstaufnahme in Baden-Württemberg im Hinblick auf die Herkunftsländer sollen Faktoren identifiziert werden, die zu einem gezielteren Einsatz des Screenings beitragen können.
Wir berichten über die Untersuchung von Asylbewerbern gemäß §62 Asylgesetz und §36 Infektionsschutzgesetz zwischen August 2015 und Ende 2017. Die Untersuchung umfasste bei Personen > 15 Jahre eine Inaugenscheinnahme, Röntgen-Thorax und bei auffälligem Befund eine IGRA-Testung. Schwangere wurden nicht geröntgt, es wurde jedoch stets eine IGRA-Testung durchgeführt. Die statistische Erfassung und Auswertung der Untersuchungsergebnisse erfolgte mittels eigener standardisierter Erhebungsbögen. Anhand von Fallbeispielen mit Röntgenbildern werden die Probleme bei der Diagnosestellung, der Therapieüberwachung und der Nachverfolgung dargestellt.
Im Untersuchungszeitraum wurden 6.139 Asylbewerber untersucht, es traten 18 Fälle einer aktiven Tuberkuloseerkrankung auf. In 14 Fällen handelte es sich um eine Lungentuberkulose, 8 davon offen, in 2 Fällen um einen spezifischen Pleuraerguss. In je einem Fall lagen eine Darm- und eine mediastinale Lymphknotentuberkulose vor. Aus Syrien, Irak und Afghanistan kamen über 2/3 der Untersuchten, jedoch keiner der aktiven Tuberkulosefälle. Die Herkunftsländer aus Subsaharaafrika - Nigeria, Gambia und Somalia - waren mit 15 Fällen am häufigsten vertreten. Bei 390 Personen wurden IGRA-Testungen vorgenommen, davon waren 96 positiv (Nigeria 32 Fälle, Gambia 27, Marokko 11, Syrien 10, Afghanistan 8, Sonstige 8).
Der Wert der aktiven Fallfindung für den Infektionsschutz ist als hoch einzuschätzen, da sich Hinweise darauf finden, dass Tuberkuloseerkrankungen zu einem höheren Prozentsatz in früheren, weniger infektiösen Stadien detektiert werden können. Als besonders gefährdet wurden Migranten aus Nigeria, Gambia und Somalia identifiziert. Eine Erweiterung des Screening für diese Zielgruppe mit erneuter Untersuchung z.B. nach 9 Monaten sollte diskutiert werden.