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Einleitung: Postoperative Schmerzen und schmerzbedingte Beeinträchtigungen sind vielfach noch unzureichend behandelt, nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern (1,2). Ziel dieser Analyse war es, Variablen zu beschreiben, die mit dem Wunsch nach mehr Schmerztherapie nach Appendektomien (AE) und Tonsillektomien (TE) assoziiert sind.
Methodik: Die Daten stammen aus dem internationalen Register PAIN OUT infant, (positives Ethikvotum: Analyse von Registerdaten). Kinder älter als 4 Jahre wurden prospektiv eingeschlossen. Neben klinischen Variablen wurden die Ergebnisse eines standardisierten Patientenfragebogens (Beantwortung am ersten postoperativen Tag; Faces Pain Scale revised (3), ja-nein Antworten zu schmerzbedingter Beeinträchtigungen und Nebenwirkungen) analysiert. Primärer Endpunkt war der Wunsch nach mehr Schmerzmittel («Wunsch» vs. «kein Wunsch»). Statistik: Median (IQR); MW (95% CI); Regressionsanalyse (Elastic Net Regularisierung mit dem «Wunsch» als abhängige Variable (OR (95% CI)).
Ergebnisse: Daten von 472 bzw. 426 Kindern nach AE bzw. TE aus vier europäischen Ländern wurden ausgewertet (51,2% Mädchen; 9,5±3,8 Jahre; OP-Dauer 45±26 Min). Nach AE gaben 24,8%, nach TE 20,4% der Kinder den Wunsch nach mehr Analgetika an. Kinder mit «Wunsch» hatten stärkere Schmerzen (stärkster Schmerz 8 (6/10) vs. 6 (4/8); p< 0,001), häufiger schmerzbedingte Schlafstörung (67% vs. 29%; p< 0,001), mehr Übelkeit (38% vs. 27%; p=0,002) und mehr Erbrechen (25% vs. 15%; p< 0,003). Kindern mit «Wunsch» wurden seltener zwei oder drei präventive Nichtopioidanalgetika verschiedener Substanzklassen vor Schnitt bzw. bis vor OP-Ende gegeben (17% vs. 29%; p=0,02), während der postoperative Opioidverbrauch höher war (Morphinäquivalente 81 (60-102) vs. 50 (43-56) µg/kg; p< 0,001)).
Ergebnisse der für AE und TE getrennt durchgeführten Regressionsanalysen: Schmerzbedingtes nächtliches Aufwachen erhöhte die Wahrscheinlichkeit für den «Wunsch» um das 2,8- bzw. 3,5-fache für AE bzw. TE, ein Anstieg des Schmerzscores um einen Punkt um das 1,4- bzw. 1,3-fache. Für TE hatte die fehlende Gabe präventiver Nichtopioidanalgetika im Vergleich zur Gabe von mindesten zwei Nichtopioidanalgetika verschiedener Substanzklassen mit einer OR von 3,5 (95% CI: 2,1-6,5; p=0.02) einen deutlichen Einfluss auf den «Wunsch» nach mehr Schmerzmittel. Wurde nur ein Nichtopioidanalgetikum präventiv gegeben, verdoppelte sich die Wahrscheinlichkeit für den «Wunsch» (OR 2,0 (1,1-3,8); p=0,02)). Präventive Nichtopioidanalgetika wurden bei einer AE seltener eingesetzt und wurden nicht in das Prädikationsmodell für AE aufgenommen.
Schlussfolgerung: Die präventive Gabe von mindestens zwei Nichtopioidanalgetika verschiedener Substanzgruppen ist eine Maßnahme, die sich einfach in die klinische Praxis umsetzen lässt. Der Einsatz (höherer) Opioiddosen zur postoperativen Analgesie sollte hinterfragt werden.
Hintergrund: Im Rahmen der interdisziplinären, multimodalen Schmerztagesklinik (IMST) am Universitätsklinikum Jena wurde zur Beurteilung des Therapieverlaufs die „Jenaer Aktivitäts- und Befindlichkeitsskala“ (JABS) entwickelt. Dieses Instrument erhebt das Wohlbefinden von chronischen Schmerzpatienten bei konkreten alltäglichen Bewegungen. Hinter der JABS steht ein Konzept, dass gezielt auf Bewegungen und Haltungen eingeht, mit denen die Patienten täglich konfrontiert sind. Durch die positive Skalierung wird der Fokus auf die Ressourcen der Patienten gelenkt.
Methodik: Die Patienten ordnen 20 Aktivitäten auf einer Skala von 0-10 zu. Der Wert 0 steht hier für Tätigkeiten, die kein Wohlbefinden hervorrufen. Der Wert 10 bedeutet absolutes Wohlbefinden. Die Aktivitäten sind fünf Kategorien zugeordnet: 1) Hobby/Freizeit, 2) Bewegung/Sport, 3) leichte körperliche Tätigkeiten, 4) schwere körperliche Tätigkeiten sowie 5) Zwangshaltungen. Die Patienten wählen danach aus den Aktivitäten drei individuelle Favoritenitems aus, deren Verbesserungen für sie von besonderer Bedeutung sind. Die JABS wird in der IMST Jena zu drei Zeitpunkten während der Bewegungstherapie in der Gruppe für die Datenerhebung genutzt: am dritten Tag der ersten Therapiewoche (T1), am dritten Tag der letzten Therapiewoche (T2) und zum Follow-up ca. 9-12 Wochen nach dem Therapieende (T3). Die Veränderungen in den individuellen Einschätzungen des Wohlbefindens werden erfasst.
Schlussfolgerung: Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Skala aus bewegungstherapeutischer Sicht bei den meisten Patienten einen Therapieerfolg im Sinne einer kognitiven Umstrukturierung veranschaulicht. Somit ist anzunehmen, dass das Wohlbefinden im Alltag zunimmt. Damit die JABS als Standardinstrument zur Messung therapeutischer Veränderungen in der IMST eingesetzt werden kann, ist als nächstes eine Evaluation bzw. Validierung nötig.
Einführung
Kopfschmerzen können zu massiven Einschränkungen des beruflichen und Soziallebens führen (1).
Schwere Verlaufsformen sind zudem durch psychiatrische und somatische Komorbiditäten
gekennzeichnet (2). Trotz dieser persönlichen und gesellschaftlichen Bedeutung sind ca. 60% der
Patienten fehlerhaft diagnostiziert und ca. 35% nicht leitliniengerecht therapiert (3, 4). Diese und
vergleichbare Daten reflektieren die Situation weltweit oder in deutschen Ballungsräumen. Weniger gut
untersucht ist jedoch die Realität der Kopfschmerzversorgung für ca. 50 Millionen Menschen, welche in
ländlichen Regionen Deutschlands, beispielhaft Vorpommern, leben.
Methoden
Zur Darstellung der Versorgungsrealität wurden sowohl Patienten als auch Hausärzte der Region über
12 Monate befragt. In einer Kopfschmerzspezialambulanz wurden dazu bei Erstvorstellungen eine
detaillierte soziale, medizinische und Kopfschmerzanamnese erhoben. Zudem wurden 176 Hausärzte
gebeten, in einem strukturierten Fragebogen ihr Behandlungsverhalten bei Kopfschmerzpatienten
widerzugeben. Die wissenschaftliche Auswertung und Veröffentlichung der Daten wurde von der lokalen
Ethikkommission befürwortet (BB 161/18).
Ergebnisse
Die Diagnosehäufigkeiten der Erstvorstellungen (Alter 48±17 Jahre, 78% weiblich) waren: 72% Migräne,
9% Spannungskopfschmerz, 6% trigeminoautonome Kopfschmerzen, 8% sonstige primäre
Kopfschmerzsyndrome, 5% sonstige Kopf- und Gesichtsschmerzen. 17% der Patienten hatten einen
Medikamentenübergebrauch.
Die Kopfschmerzdiagnose war bei 46% der Erstvorstellungen nicht korrekt und 60% hatten keine
leitliniengerechte Therapie. 82% der Betroffenen hatten eine Indikation für eine Prophylaxe, diese
erhielten jedoch nur 43%. Die Dauer der Kopfschmerzen bis zur Erstvorstellung bei einem Spezialisten
betrug durchschnittlich 17±13 Jahre. Überweisungen in unsere Ambulanz erfolgten in 79% durch
Hausärzte, 18% durch Neurologen , jeweils 1% durch Psychiater, Zahnärzte oder Gynäkologen.
45% der Hausärzte beantworteten die Umfrage. 70% dieser behandeln täglich oder mehrfach pro Woche
Kopfschmerzpatienten. Befragte Hausärzte behandeln Kopfschmerzpatienten immer (Migräne: 14%,
Spannungskopfschmerzen: 33%, symptomatische Kopfschmerzen: 17%) oder häufig (Migräne: 73%,
Spannungskopfschmerzen 53%, symptomatische Kopfschmerzen: 50%) selbst. Gründe für
Überweisungen an einen Spezialisten sind nicht erfolgreiche Therapieversuche (84%), Unsicherheit der
Diagnose (69%) oder Patientenwunsch (62%). Das Fehlen weiterer Therapieoptionen (30%) oder
Unmöglichkeit der leitliniengerechten Therapie (14%) sind nur selten ein Überweisungsgrund. Wenn eine
Überweisung erfolgt, dann zu 95% an Neurologen, 48% an Schmerztherapeuten und 33% an
Orthopäden. 76% der Befragten kannten keine Spezialambulanz und 90% keinen
Kopfschmerzspezialisten. 85% der Hausärzte würden sich mehr Angebote zur leitliniengerechten
Diagnostik und Therapie von Kopfschmerzerkrankungen wünschen.
Diskussion und Schlussfolgerung
Unsere Daten belegen eine Unterversorgung von Kopfschmerzpatienten bezüglich der
leitliniengerechten Behandlung und des Zugangs zu Spezialisten in einer ländlichen Region. Sowohl die
Rückantwortquote als auch das Antwortverhalten der Hausärzte der Region belegen eine hohe
Motivation ihre Patienten bestmöglich zu behandeln, ein subjektives Informationsdefizit verhindert dies
jedoch. Informationsinitiativen mit klaren Handlungsempfehlungen für Hausärzte und Patienten haben
ein großes Potential die Versorgung zu verbessern.
Frage
Chronische posttraumatische Kopfschmerzen werden an erster Stelle unter den sekundären Kopfschmerzen aufgeführt und sind häufig schwierig in der Behandlung.
Sie zeigen sich meist als Spannungskopfschmerzen, seltener als Migräne- oder Clusterkopfschmerzen. Die Chronifizierungsrate liegt bei 10-20%.
Kann der Chronische posttraumatische Kopfschmerz durch Botulinumtoxin beeinflusst werden?
Methode
Entsprechend dem Injektionsschema zur Behandlung der chronischen Migräne wurde bei 8 Patienten (7 Männer, 1 Frau) mit täglich bestehenden chronischen posttraumatischen Kopfschmerzen eine Behandlung mit Botulinumtoxin durchgeführt.
Die Behandlung wurde mit 155 E BoNT-A begonnen und es konnte nach dem Follow-the-Pain-Prinzip die BoNT- Dosis auf 195 E ergänzt werden. Eine Wiederholung erfolgte nach 12 und 24 Wochen.
Die klinischen Verlaufskontrollen erfolgten nach 12, 24 und 36 Wochen.
Ergebnisse
In einer prospektiven klinischen Beobachtungsstudie konnten zwischen Januar 2016 - Oktober 2018 8 Patienten mit täglich bestehenden posttraumatischen Kopfschmerzen in die Behandlungsstudie mit BoNT eingeschlossen werden.
Bei 7 von 8 Patienten mit täglich bestehenden posttraumatischen Kopfschmerzen konnte die Kopfschmerzintensität und –Dauer positiv beeinflusst werden (Besserung um ≥30 %).
In dem Poster werden die Einzelverläufe bezüglich quantitativem und qualitativem Verlauf dargestellt.
Schlussfolgerung
Botulinumtoxin ist eine erfolgsversprechende Option in der Behandlung des chronischen posttraumatischen Kopfschmerzes
Hintergrund: Evaluation von Inhalt, Umfang und Effektivität neuerer Studien zu Patientenedukation und kognitiver Verhaltenstherapie bei Erwachsenen mit Migräne.
Methoden: Mit definierten Suchbegriffen wurden die Datenbanken MEDLINE, EMBASE, PsycINFO and CINAHL durchsucht. RCTs der letzten 11 Jahre (cut-off Datum April 2020) wurden eingeschlossen. Zwei Reviewer evaluierten die Publikationen unabhängig voneinander und erfassten die methodische Qualität der Studien anhand des Cochrane RoB 2 tools. Daten wurden extrahiert und in einer Tabelle zusammengefasst.
Ergebnisse: In insgesamt 11 Studien wurden 1,397 Teilnehmer*innen eingeschlossen (84.2% weiblich). Inhaltlich wurden in der Edukation und kognitiven Verhaltenstherapie sehr unterschiedliche Ansätze gewählt. Sie reichten von Erklärungen über Zusammenhänge zwischen Gedanken und Emotionen, über Informationen zum Einfluss der Lebensführung auf den Kopfschmerz und Entspannungs- und Stressmanagement bis zu Diätberatung und den positiven Einfluss von körperlicher Aktivität. Zusätzlich konzentrierte sich die Edukation inhaltlich auf die Pathophysiologie der Migräne oder effektive akut- oder prophylaktische medikamentöse Therapien. Durchführende der Edukation waren Psychologen. Die Dauer und Frequenz der Interventionen variierte stark von dreimal eine Stunde bis achtmal zwei Stunden. Es wurden unterschiedliche Formate gewählt (Arbeitsheft, Fragebogen, Audiotapes, direkte Gespräche oder Austausch online oder via Telefon).
Oft wurde die Edukation nur als Zusatz zu anderen Maßnahmen genutzt, zum Beispiel begleitend zu Medikamentöser Therapie, im Rahmen einer multimodalen Therapie, gemeinsam mit Ausdauertraining oder Entspannungstherapien.
Die Effektmessungen variierten ebenfalls stark und umfassten Schmerz (Kopfschmerzhäufigkeit, Attackenfrequenz, Medikamentengebrauch), Funktion und Einschränkung (MIDAS; HIT-6), und psychoisoziale Faktoren (HADS-anxiety, PHQ-9, Perceived stress scale-10). Aufgrund der Heterogenität wurde auf eine Meta-Analyse verzichtet.
Schlussfolgerung: Die Mehrheit der Studien beschreibt einen positive Effekt auf die Kopfschmerzhäufigkeit und die Lebensqualität. Die aktuellen Studien bestätigen die Ergebnisse älterer Reviews. Edukation und verhaltenstherapeutische Ansätze sollten daher in alle Leitlinienempfehlungen einfließen. Allerdings braucht es weitere qualitativ hochwertige Studien, um Inhalt und Umfang der Edukation genauer bestimmen zu können und weitere geeignete Durchführende (u.A. Neurologen oder spezialisierte Physiotherapeuten) zu ermitteln.
BACKGROUND: In Germany, chronic migraine (CM) has been associated with substantial disability and increased healthcare resource utilization (HRU) and costs.
METHODS: REPOSE, a 2-year, prospective, noninterventional, observational, open-label study, described real-world use of onabotulinumtoxinA in adults with CM. Patients received onabotulinumtoxinA approximately every 12 weeks. Patient-estimated mean headache-day frequency in the last month was collected at each treatment visit. HRU data, including family doctor or specialist visits, inpatient acute treatment, acute treatment for headache, acupuncture, technical investigations (computed tomography, magnetic resonance imaging, X-ray, electrocardiogram, ultrasound), and use of nonpharmacologic remedies, were collected at baseline (occurrence within prior 3 months) and at 6, 12, 18, and 24 months (events since prior visit).
RESULTS: Of 641 enrolled patients, 633 received ≥1 onabotulinumtoxinA dose. Patients were, on average, aged 45 years, 85% were female, and 60% (n=377) were from Germany. German patients had an average of 18.9 monthly headache days at baseline, with reductions observed at all follow-up visits (range: 11.3–6.0). At baseline, 41.7% and 61.7% of patients saw a family doctor or specialist with the number of visits declining throughout follow-up (ranges: 18.3%–9.2%, family doctor; 9.5%–4.6%, specialist). Inpatient acute treatment declined from 6.4% of patients at baseline to a range of 0.8%–0.0% with continued treatment. Acute treatment for headache and acupuncture declined from 71.2% and 14.5% at baseline to ranges of 69.2%–55.4% and 2.2%–0.0%, respectively. Technical investigations and use of remedies decreased from 19.7% and 30.6% at baseline to ranges of 1.6%–0.0% and 15.4%–4.6%, respectively.
CONCLUSION: In German REPOSE participants, onabotulinumtoxinA treatment for CM is associated with reduced monthly headache days and decreased HRU. Because of drop-outs, a population of responders remained in later months of the study.
Hintergrund
Man kennt verschiedene psychologische Kofaktoren der Migräne, aber die Beziehungen zu den verschiedenen kopfschmerzbezogenen Outcome-Variablen (z.B. Kopfschmerzhäufigkeit, Kopfschmerzintensität oder kopfschmerzbezogene Beeinträchtigung) sind nur unvollständig verstanden. Das Ziel der Studie war es, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Kopfschmerz-Parametern und psychologischen Variablen zu analysieren.
Methode
An 279 Migränepatienten wurde eine Querschnittsanalyse durchgeführt, bei der Kopfschmerzhäufigkeit, Häufigkeit der Einnahme von Akutmedikation, Schmerzintensität und Beeinträchtigung – gemessen anhand der Migraine Disability Assessment Scale (MIDAS) und des Pain Disability Index (PDI) – als kopfschmerzbezogene Outcomes sowie die Scores der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS), der Pain Catastrophizing Scale (PCS), der Pain Related Control Scale (PRCS) und des Avoidance Endurance Questionnaire (AEQ) als psychologische Faktoren ausgewertet wurden.
Ergebnisse
Die Korrelationen der psychologischen Faktoren mit Maßen der Beeinträchtigung waren höher als die mit allen übrigen kopfschmerzbezogenen Outcomes. In multiplen Regressionsanalysen war die Beeinträchtigung, gemessen durch den PDI, mit Katastrophisieren (β = 0.301, p < 0.001), sozialem Vermeidungsverhalten (β = 0.218, p < 0.001) und Depression (β = 0.180, p < 0.001) assoziiert (gesamt-korrigiertes R² = 0.296). Der MIDAS-Score war mit Depression (β = 0.296, p < 0.001) und sozialem Vermeidungsverhalten (β = 0.183, p = 0.002) assoziiert (korrigiertes R² = 0.137). Kopfschmerztage pro Monat waren mit Depression (β = 0.234, p < 0.001) und der Humor/Distraction-Subskala des AEQ (β = 0.207, p < 0.001) assoziiert, wenn auch in weitaus geringerem Ausmaß (korrigiertes R² = 0.083). Eine Hauptkomponentenanalyse ergab zwei Dimensionen des Kopfschmerzes: Kopfschmerztage pro Monat, Einnahme von Akutmedikation pro Monat und MIDAS Score zeigten hohe Ladungen auf einen Faktor (p = 0.809, 0.606 und 0.821), während Schmerzintensität, soziale Vermeidung, Katastrophisieren, wenig Humor/Distraction und PDI Score hoch auf einen zweiten Faktor luden (p = 0.463, 0.696, 0.676, 0.480 und 0.747).
Schlussfolgerung
Unsere Ergebnisse legen nahe, dass psychologische Faktoren (mit Ausnahme von Depression) stärker mit der kopfschmerzbedingten Beeinträchtigung assoziiert sind als mit der Kopfschmerzhäufigkeit. Des Weiteren scheint Kopfschmerz auf verschiedenen Dimensionen erfasst werden zu können (Beeinträchtigung vs. Häufigkeit). MIDAS und PDI scheinen wiederum verschiedene Dimensionen der Beeinträchtigung zu erfassen (Häufigkeit vs. Stärke der Beeinträchtigung).
Migräne wird oft mit Nackenschmerzen und Nackenfunktionsstörungen in Verbindung gebracht. Tatsächlich werden Nackenschmerzen als Auslöser der Migräne und/oder als Teil der Migränesymptomatik berichtet. Das Ziel dieser Studie war es daher, das Auftreten von Migräne und Nackenschmerzen nach einem Ausdauertest der Nackenmuskulatur bei Migränepatienten und Kontrollen zu untersuchen. Fünfundsechzig Patienten mit Migräne wurden in einer tertiären Kopfschmerzklinik am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) untersucht. Kopfschmerzfreie Probanden (n=32) wurden zusätzlich rekrutiert. Die oberen Halswirbelsäule (C1-C3) aller Probanden wurde durch einen verblindeten Untersucher anhand von folgenden Kriterien untersucht: Auftreten von Nackenschmerzen, lokale Schmerzen oder geleitete Schmerzen in den Kopf. Anschließend wurde einen Ausdauertest für die Nackenbeuger und -strecker jeweils dreimal in zufälliger Reihenfolge durchgeführt. Die maximal gehaltene Dauer wurde erfasst, und der Test wurde beendet, sobald die ursprüngliche Position verlassen wurde oder Schmerzen berichtet wurden. Am Folgetag wurden die Testpersonen gefragt, ob sie Symptome im Zusammenhang mit der Untersuchung hatten. Die Daten wurden durch Qui-square Tests, t-Test oder ANOVA, bei 5% der Signifikanz analysiert. Keine Nackenschmerzen (ON) wurden bei 22% der Migränepatienten und 38% der Kontrollen bei der manuellen Mobilisierung der oberen Halswirbelsäule nachgewiesen. Bis zu 37% der Migränepatienten zeigten lokale Nackenschmerzen (LN) und 42% geleitete Schmerzen in den Kopf (KN). Die Hälfte der Kontrollpersonen (50%) zeigten lokale Schmerzen und 13% hatenn Schmerzen geleitet in den Kopf (x2=8,5, p=0,01). Migränemerkmale wie Anfang, Frequenz und Dauer unterschieden sich nicht zwischen den drei Untergruppen des Nackenprofils (p > 0,05). Niemand bei den Kontrollen berichtete in den nächsten 24 Stunden nach der Beurteilung über Migräne, während dies bei 42% der Migränepatienten verifiziert wurde (x2=18.40, p < 0.0001). Auch Nackenschmerzen traten bei Migränepatienten im Vergleich zu den Kontrollen am Tag nach der Untersuchung häufiger auf (45% versus 16%, x2=7.90, p=0.006). Bei der Betrachtung des Subtyps Nackenschmerzen gab es zwischen den drei Gruppen nach der Untersuchung keine Unterschiede bezüglich Nackenschmerzen (ON 23%, LN: 33%, KN: 48%, x2=1.17, p=0.12). Allerdings berichteten Probanden mit geleiteten Schmerzen im Kopfbereich über eine erhöhte Rate von Migräneattacken in den 24 Stunden nach der Auswertung (ON: 23%, LN: 18%, KN: 45%, x2=7.05, p=0.03). Diese Ergebnisse zeigten, dass Patienten mit Migräne nach einem maximalen Ausdauertest der Nackenmuskulatur mit höherer Wahrscheinlichkeit über Migräneanfälle und Nackenschmerzen berichten. Probanden mit Nackenschmerzen, die während der manuellen Provokation der Halswirbelsäule in den Kopf geleitet wurden, zeigten ebenfalls eine höhere Prävalenz von Migräneattacken im Gegensatz zu denjenigen ohne oder mit lokalen Schmerzen.
Hintergrund: Klinische und bildgebende Studien zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen olfaktorischem System und migränerelevanten Hirnarealen besteht. Migränepatienten zeigen geruchsgetriggerten Kopfschmerz und reagieren iktal und interiktal sensibel auf Düfte. Durch den geruchsgetriggerten Kopfschmerz unterscheidet sich die Migräne von anderen primären Kopfschmerzformen. Hier analysierten wir, inwiefern sich Patienten mit Migräne mit (MmA) und ohne Aura (MoA) in ihrem Riechvermögen von gesunden Kontrollen unterscheiden.
Methode: Eine Querschnittsstudie an 64 Migränepatienten untersuchte das Riechvermögen mittels Sniffin’ Sticks Test, welcher die Geruchswahrnehmungsschwelle (S), die Geruchsdiskrimination (D) und Geruchsidentifikation (I) prüft, im Vergleich zu Kontrollen. Patienten mit MmA und MoA sowie hoher migränebedingter Einschränkung im Alltag, erhoben mit Migraine disability assessment (Midas), wurden analysiert.
Ergebnis: Über die Hälfte der Patienten beurteilen ihr Riechvermögen und ihre nasale Empfindlichkeit als „normal“ bis „sehr gut“. Der Median im Sniffin‘ Sticks Test von Migränepatienten (M) und gesunden Kontrollen (G) der Altersklasse 36 bis 55 Jahre wurde verglichen: SDI(M)= 34,5 vs. SDI(G)= 35,5; S(M)= 9,5 vs. S(G)= 8,3; D(M)= 12 vs. D(G)= 13; I(M)= 14 vs. I(G)= 14. Migränepatienten zeigen niedrigere SDI-Gesamtpunktzahlen und geringere Werte der Geruchsdiskrimination, jedoch eine bessere Geruchsschwelle. Der SDI-Mittelwertvergleich von Patienten mit MmA und MoA war nicht signifikant unterschiedlich: 32,96 vs. 34,13, ebenso wurden zwischen Patienten mit hoher (hE) und geringer (gE) migränebedingter Einschränkung im Alltag keine signifikanten Unterschiede im Riechvermögen nachgewiesen: 33,20 vs. 35,09.
Zukunft: Migränepatienten zeigen eine höhere Geruchssensitiviät bei insgesamt niedrigerem Gesamtriechvermögen. Es gilt zu prüfen, inwieweit eine strukturierte Duftexposition zu einer Verbesserung des allgemeinen Riechvermögens führt und Auswirkungen auf die Schmerzempfindung der Migränepatienten hat.
Hintergrund: Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter treten immer häufiger auf und können Alltagsfähigkeit und Lebensqualität stark einschränken. Therapeutisch müssen biopsychosoziale Faktoren und Folgen berücksichtigt werden. Auf dieser Basis wurde das Dresdner KinderkopfschmerzProgramm - DreKiP entwickelt, welches interdisziplinär über acht Therapiemodule auf Patientenedukation, Stressmanagement, Defokussierungsstrategien, körperlicher Aktivierung sowie Achtsamkeit, Selbstwirksamkeit und der Integration erlernter Maßnahmen in den Alltag abzielt.
Methode: Wir evaluieren die Effekte dieser Therapie auf die Alltagsfähigkeit der Patienten anhand des Pediatric Migraine Disability Score (PedMIDAS) und Pediatric Pain Disability Index (PPDI) sowie der Kopfschmerzfrequenz und -intensität im Verlauf. 91 Patienten wurden durch Kopfschmerzkalender und Fragebögen vor Programmbeginn (T0) sowie sechs (T1) und zwölf Monate (T2) nach Programmende zu ihrem Kopfschmerz untersucht.
Ergebnisse: 6 Monate nach dem Absolvieren des Programms sank der PedMidas-Score signifikant (p < 0,01) im Median (T0: 27,5, T1: 14, T2: 7). Auch die Höhe der maximalen PedMidas-Scores reduzierte sich im Verlauf (TO: 150, T1: 120, T2: 77). 46,4% der Teilnehmer zeigten zu T1 eine Reduktion des PedMidas Scores um mindestens 50% im Vergleich zu T0. Zu T2, also 12 Monate nach Programmende zeigten 56,8% der Patienten eine Reduktion des PedMidas-Scores um mindestens 50%. Ein ähnlicher Trend zeigt sich beim PPDI-Score (sign. Senkung nach 6M (p < 0,01) und 12M (p=0,039)) (Median T0: 34, T1: 29,5, T2: 26).
Schlussfolgerung: Die bisherigen Ergebnisse zeigen relevante Therapieeffekte insbesondere für Kinder und Jugendliche mit starker kopfschmerzbedingter Einschränkung der Alltagsaktivitäten. Eine interdisziplinäre ambulante Gruppentherapie für Kinder und Jugendliche mit häufigen und alltagseinschränkenden Kopfschmerzen bedarf einer überregionalen Etablierung.
Hintergrund: Die neuen CGRP-Antikörper zur Vorbeugung der Migräne eröffnen Patienten eine Chance auf eine Reduktion ihrer Kopfschmerztage, bei denen bislang keine effektive Therapie möglich war. Erenumab wurde im November 2018 als erster monoklonaler Antikörper in Deutschland zugelassen. Es konnten bereits mehr als 1,5 Jahre Erfahrungen zum praktischen Einsatz im klinischen Alltag gesammelt werden. Zusätzlich wurde mittlerweile das AMNOG-Verfahren abgeschlossen, welches zu mehr Transparenz und Sicherheit in der Verordnung geführt hat. Nachfolgend werden vor diesem Hintergrund Daten zum praktischen Einsatz von Erenumab in einem spezialisierten Migräne- und Kopfschmerzzentrum berichtet.
Methoden: Wirksamkeit und Verträglichkeit von Erenumab wurden fortlaufend seit November 2018 durch Analyse der Daten des Praxisinformationssystems ausgewertet. Die Indikation entsprach den Vorgaben des G-BA zur Nutzenbewertung von Erenumab vom 2. Mai 2019. Ein beträchtlicher Zusatznutzen wurde demnach für erwachsene Patienten abgeleitet, die auf keine der zugelassenen medikamentösen Therapien/Wirkstoffklassen ansprachen, für diese nicht geeignet waren oder diese nicht vertragen haben. Nachfolgend werden die Wirksamkeits- und Verträglichkeitsparameter unter diesen Bedingungen berichtet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 193 Patientinnen und Patienten eingeschlossen. Das mittlere Alter betrug 47 Jahre. 87,6% waren Frauen, 12,4% Männer. Im Mittel litten die Patienten an 16,9 Migränetagen pro Monat (Minimum 7, Maximum 30) und nahmen an 12,4 Tagen pro Monat Akutmedikamente ein. Die mittlere Anwendungsdauer von Erenumab betrug 4,4 Monate. Im Mittel betrug die 50% Responderrate für alle Patienten 37,8% (Frauen 40,2%, Männern 20,8%). Es zeigte sich eine mittlere Abnahme der Migränetage pro Monat um 31,8%. Die Abnahme der Triptan-Einnahmetage im Monat betrug 34,5%. Eine Reduktion der Migränetage pro Monat um 30% erreichten im Mittel 55,4%. Als häufigste Nebenwirkung trat Obstipation bei 16,2% auf. 37,3% brachen die Therapie ab. Die 50% Responderrate betrug bei episodischer Migräne 52,1%, bei chronischer Migräne 33,1%. Bei Einnahme von Akutmedikamenten an mehr als 10 Tagen im Monat betrug die Responderrate 35,3%. Bei diesen Patienten wurde jedoch im Vorfeld eine Medikamentenpause durchgeführt, ohne dass sich eine signifikante Reduktion der Kopfschmerztage pro Monat eingestellt hätte. Erfüllten die Patienten nicht die Kriterien eines Medikamentenübergebrauchs, zeigte sich eine Responderrate von 41,7%. Bestand eine episodische Migräne ohne Medikamentenübergebrauch zeigte sich eine Responderrate von 66,7%.
Schlussfolgerung: Erenumab kann bei bisher therapierefraktären Patienten eine bedeutsame Besserung bewirken. Die Wirkung ist bei Patienten mit episodischer Migräne und bei Patienten ohne Medikamentenübergebrauch am ausgeprägtesten. Die klinischen Praxiserfahrungen bestätigen den vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgestellten beträchtlichen Zusatznutzen.
Hintergrund: Der Einsatz von Erenumab ist nach den AMNOG-Verfahren auf Patienten limitiert, bei denen die für Migräne zugelassenen Prophylaktika unwirksam oder unverträglich waren bzw. die für diese aufgrund von Kontraindikationen nicht geeignet sind. In einer klinischen Praxisanalyse zeigt sich, dass bei dieser besonders schwer zu behandelnden Patienten-Subgruppe rund 37,8% der Patienten eine 50% Responderrate auf Erenumab aufwiesen. Da weitere CGRP-Antikörper zur Verfügung stehen, erhoffen sich Erenumab-Nonresponder bei Umstellung auf einen anderen CGRP-Antikörper eine weitere Chance für eine klinische Wirksamkeit. In dieser Analyse soll anhand von Praxisdaten in einem spezialisierten Migräne- und Kopfschmerzzentrum überprüft werden, ob und in welchem Umfang Erenumab-Non-Responder von einer Umstellung auf Fremanezumab profitieren können.
Methoden: Bei 88 Erenumab-Non-Respondern erfolgte eine Umstellung auf Fremanezumab 225 mg. Das mittlere Alter der Patienten betrug 49 Jahre. Die Patienten wiesen im Mittel 19 Kopfschmerztage, 17 Migränetage und 13 Triptaneinnahmetage pro Monat auf. Der mittlere MIDAS-Score betrug 117.
Ergebnis: Erenumab-Non-Responder zeigten unter Fremanezumab 225 mg eine Reduktion der Kopfschmerztage pro Monat im Mittel um 23%, eine Reduktion der Migränetage pro Monat um 26% und eine Reduktion der Triptantage pro Monat um 25%. Der MIDAS-Score reduzierte sich im Mittel um 22%. 4% berichteten als Nebenwirkung Obstipation und 1% Injektionsreaktionen. Eine 50%ige Reduktion der Migränetage / Monat erreichten 25% der Patienten. Die 50%-Responderrate für Kopfschmerzen betrug 21%, eine Reduktion im MIDAS-Score um mindestens 30% erreichten 45%. Aufgrund von Unwirksamkeit brachen 44% die Weiterbehandlung ab.
Schlussfolgerung: Die prospektive offene Praxisanalyse zeigt, dass Patienten trotz nichtvorhandener Wirksamkeit auf einen CGRP-Antikörper eine Wirkung bei Umstellung auf einen anderen Antikörper erzielen können. Betrachtet man als zusätzliches Wirksamkeitskriterium entsprechend der DGN- und DMKG-Leitlinie die 30% MIDAS-Reduktion, können rund 45% der Erenumab-Non-Responder bei Umstellung auf Fremanezumab eine signifikante klinische Wirksamkeit erzielen.
Hintergrund: Die Migräne-App dokumentiert den Verlauf von Migräne und Kopfschmerzen. Sie meldet aggregierte Informationen aus dem Datensatz zurück und hilft so dem Patienten, als auch den betreuenden Ärzten in der Verlaufs- und Erfolgskontrolle sowie der Therapieanpassung. Die Migräne-App enthält Report-, Informations- und Selbsthilfe-Tools. Das Konzept stellt die professionelle Einbindung in die praktische digitale Versorgung von Migräne- und Kopfschmerzpatienten in den Mittelpunkt. Nachfolgend wird die digitale Sprechstunden-Checkliste als neues Tool für die ärztliche Sprechstunde zur gemeinsamen Nutzung durch Arzt und Patient vorgestellt.
Methoden: Die Sprechstunden-Checkliste der Migräne-App (Download: qrco.de/migraene-app) kann direkt über die Übersichtsseite, dem Cockpit, aufgerufen werden. Die digitale Sprechstunden-Checkliste bereitet die zusammengefassten Datensätze für das laufende Jahr und für das Vorjahr auf. Die Analyse kann als PDF-Formular z.B. per E-Mail exportiert und in das Praxisinformationssystem des Arztes integriert werden. Auch kann eine Speicherung der Daten in der elektronischen Patientenakte ermöglicht werden. Der Datenabruf kann nur aktiv durch Autorisierung des Patienten erfolgen.
Ergebnis: Die Jahresauswertungen zeigen die komplexen aggregierten Datensätze für die klinische Praxisanalyse übersichtlich an. In den ersten 4 Spalten werden die Kopfschmerzphänotypen differenziert. Spalte A enthält die Tage mit einer Migräneaura, Spalte M die Tage mit Migräne, Spalte S mit Kopfschmerz vom Spannungstyp und Spalte U die Tage mit anderen Kopfschmerzfomen. Es werden operationalisierte Scores für die Schmerzintensität sowie die Zeitdauer der einzelnen Kopfschmerzanfälle aggregiert aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Zusätzlich werden die Einnahmehäufigkeit der Kopfschmerzakutmedikation sowie die Wirksamkeit anhand von Wirksamkeits-Scores pro Monat und Jahr zur individuellen Verlaufs- und Erfolgskontrolle errechnet und übersichtlich aufbereitet.
Schlussfolgerung: Die operationalisierten Parameter und aggregierten Daten ermöglichen eine unmittelbare klinische operationalisierte Verlaufs- und Erfolgskontrolle durch Patienten und Arzt. Die Analysen können sofort zur Entscheidungsfindung operationalisiert genutzt werden, die die Patienten unmittelbar nachvollziehen können. Das digitale Versorgungsangebot der Migräne-App mit der Sprechstunden-Checkliste beteiligt die Patienten an der Behandlungsentscheidung durch Transparenz des Verlaufs und des bisherigen Therapieerfolges.
Hintergrund: Die Auswirkungen der Migräne auf die Tätigkeiten im Beruf, Schule und Studium sind für die Beurteilung der Schwere des Kopfschmerzleidens hochrelevant. Dies gilt auch für die Auswirkungen auf die Tätigkeiten im Haushalt, auf die Freizeittätigkeiten und die gesellschaftlichen Aktivitäten. Gebräuchliche Scores zur Erfassung der kopfschmerzbedingten Behinderung analysieren retrospektiv aus dem Gedächtnis die kopfschmerzbedingte Beeinträchtigung über die letzten Wochen bzw. Monate. Dadurch stellen sich Erinnerungsprobleme und Ungenauigkeiten durch die retrospektiven mehrwöchigen Erfassungszeiträume ein. Es wurde daher ein neuer Score hier vorgestellt, der digital durch die Migräne-App fortlaufend prospektiv die kopfschmerzbedingte Behinderung erfasst, die Daten kontinuierlich analysiert und zur klinischen Analyse aufbereitet.
Methoden: Die Migräne-App erfasst fortlaufend prospektiv im zeitlichen Zusammenhang mit der jeweils abgelaufenen Migräneattacke den Grad der Beeinträchtigung in den Bereichen Beruf, Schule, Studium, Haushalt, Freizeittätigkeiten und gesellschaftliche Aktivitäten. Es wird dabei unterschieden, ob diese Aktivitäten um mindestens 50% oder komplett behindert werden. Die jeweilige Beeinträchtigung in den verschiedenen Bereichen bedingt einen Punkt für die Bildung des GdBK-Scores. Diese Punkte werden von der App monatlich aggregiert. Je Monat wird die Summe der jeweils beeinträchtigten Tätigkeitsfelder zu einem Gesamt-GdBK-Score errechnet. Dieser bildet den Grad der Beeinträchtigung durch Kopfschmerzen operationalisiert quantitativ fortlaufend ab.
Ergebnis: Die Zunahme oder die bedeutsame Abnahme kann direkt quantitativ in der Verlaufskontrolle und Erfolgskontrolle die Effektivität der Kopfschmerzbehandlung die Auswirkungen der Kopfschmerzen die Lebensqualität dokumentieren.
Schlussfolgerung: Die Nutzung des prospektiv erfassten GdBK-Scores ermöglicht eine direkte operationalisierte prospektive Erfassung der Beeinträchtigung durch Kopfschmerzen. Der GdBK-Score kann zur objektiven Verlaufs- und Erfolgskontrolle in der Migräne- und Kopfschmerztherapie genutzt werden. Als digitales Versorgungsangebot ermöglicht die Migräne-App damit eine datenbasierte prospektive Verlaufsanalyse und operationalisierte Therapieoptimierung im Versorgungsgeschehen.
Hintergrund:
Kopfschmerzen sind nicht nur bei Erwachsenen für Einschränkungen im Alltag verantwortlich. Bei Kindern und Jugendlichen führen regelmäßige Kopfschmerzen auch zu verminderter Lebensqualität und Einschränkungen im sozialen Bereich, der schulischen Ausbildung und der beruflichen Laufbahn. Aktuelle deutsche Studien zeigen eine Kopfschmerzprävalenz von > 60% bei Kindern und Jugendlichen. Dabei stehen altersabhängig verschiedene klinische Symptome und Komorbiditäten von Kopfschmerzen im Vordergrund.
Methoden:
Bei 200 Kindern und Jugendlichen (100 < 14Jahren und 100 ≥ 14Jahren) werden Kopfschmerzdiagnosen, Kopfschmerzfrequenz und -intensität, Nutzung nichtmedikamentöser Ressourcen, Medikamenteneinnahme, Komorbiditäten sowie Schulfehltage und kopfschmerzbedingte Alltagsbeeinträchtigung analysiert. Hierzu werden neben Kopfschmerzkalender, Pediatric Migraine Disability Assessment (PedMIDAS) und Pediatric Pain Disability Index (P-PDI) genutzt.
Ergebnis:
Alters- und diagnoseabhängig variieren die klinischen Symptome der Kopfschmerzen sowie der Begleitsymptome und Medikamenteneinnahme. Bei der Gruppe der ≥ 14Jährigen zeigen sich deutliche geschlechtsabhängige Unterschiede der kopfschmerzbedingten Alltagsbeeinträchtigung, wobei Mädchen höhergradige kopfschmerzbedingte Alltagsbeeinträchtigung aufweisen.
Schlussfolgerung:
Kopfschmerzen werden als häufige Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen, die eine hohe Alltagsbeeinträchtigung verursacht, unterschätzt. Nichtmedikamentöse Therapieressourcen werden im klinischen Alltag zu wenig umgesetzt. Therapiestrategien für junge Kopfschmerzpatienten müssen neben alters- und geschlechtsspezifischen Besonderheiten der Kopfschmerzausprägung den Alltagstransfer nichtmedikamentöser Therapieansätze berücksichtigen.
Hintergrund: Die hohe Prävalenz von Nackenschmerzen [1] bei Migräne ist vor dem Hintergrund des trigeminozervikalen Komplexes von großem Interesse für die Wirksamkeit eines Nervenblocks des Nervus occipitalis major (GON-Block) [2-4]. Ein GON-Block ist eine wirksame Behandlung für Migränepatienten, mit variierender klinischer Evidenz [7]. In dieser Beobachtungsstudie wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine manuelle Untersuchung der oberen Halswirbelsäule und die daraus resultierende Stratifizierung [6] der Patienten in Untergruppen die Auswirkung des GON-Blocks vorhersagen kann. Das Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, ob Patienten die mit einem zum Kopf ausstrahlenden Schmerze auf eine manuellen Palpation der oberen Halswirbelsäule reagieren, mehr von einem GON-Block profitieren als Patienten mit lokalen Schmerzen oder ganz ohne Schmerzantwort.
Methoden: Patienten mit chronischer oder episodisch hochfrequenter Migräne wurden konsekutiv aus der Ambulanz des Universitätsklinikums rekrutiert. Alle Patienten wurden vor der Behandlung mit dem GON-Block untersucht. Die körperliche Untersuchung beinhaltete eine Palpation der oberen Halswirbelsäule und Elemente der quantitativ-sensorischen Testung (QST). Zusätzlich wurden Fragebögen zur Beeinträchtigung durch Nackenbeschwerden oder durch Migräne (MIDAS), Allodynie und zur Depressivität ausgefüllt. Alle Patienten wurden mit einer bilateralen Injektion von 4mg Fortecortin und 4ml 1%iger Lidocainlösung am GON 2cm lateral der Protuberanz occipitalis behandelt [5, 8]. Primäre Zielgröße war die Kopfschmerzfrequenz in vier Wochen.
Ergebnisse: 78 Migränepatienten die einen therapeutischen GON-Block erhalten sollten, wurden rekrutiert, 71 wurden zur Analyse eingeschlossen und in die Gruppen kein Schmerz (n=11), lokale Schmerzen (n=28) und ausstrahlende Schmerzen zum Kopf (n=32) stratifiziert. Die Gruppen unterschieden sich zu Studienbeginn nicht hinsichtlich demographischer Daten, kopfschmerzbezogener Daten oder Fragebögen. Alle Gruppen wiesen eine signifikante Veränderung innerhalb der Gruppen hinsichtlich der Reduktion der Kopfschmerztage und MIDAS auf. Die Ergebnisse zeigen eine Reduktion von 4,1 Tagen (SD 4,8, P=0,018) in der Gruppe ohne Schmerzen, 1,2 Tage (SD 2,6, P=0,024) in der Gruppe mit lokalen Schmerzen und 2,0 Tage (SD 3,7, P=0,005) in der Gruppe mit ausstrahlenden Schmerzen zum Kopf. Ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen ergab sich bei der prozentualen Änderung der Kopfschmerzfrequenz (P=0,041) mit einer mittleren Änderung von 29,2% (SD 7,0%) in der Gruppe ohne Schmerzen, 7,9% (SD 4,4%) in der Gruppe mit lokalen Schmerzen und 12,6% (SD 4,1%) in der Gruppe mit ausstrahlenden Schmerzen.
Schlussfolgerung: Alle Patienten mit Migräne profitierten vom GON-Block. Allerdings scheinen Patienten ohne Nackenschmerzen bei manueller Palpation mehr zu profitieren als Patienten mit Schmerzen.
Hintergrund: Bewegung ist erfolgreicher Therapiefaktor in der multimodalen Schmerztherapie (1,2,3). Es sollte daher untersucht werden, ob Sarengue® (=medizinisch überwachte modulare Tanzbewegungsübung im lateinamerikanischen Tanzstil) im zeitlichen Verlauf einer Anwendung neben den bereits bekannten gewichtsreduzierenden (5) auch positive schmerztherapeutische Effekte (z.B. auf Schmerzstärke, Lebensqualität) bei chronischem unspezifischem Rückenschmerz zeigt.
Methode: 33 Patienten mit chronischem unspezifischem Rückenschmerz wurden unter Beachtung der festgelegten Ein- und Ausschlußkriterien in die prospektive kontrollierte Untersuchung eingeschlossen. Sie erhielten nach entsprechender Edukation wöchentlich ein 45-minütiges standardisiertes modulares Sarengue®-Tanzprogramm über 30 Tage. Die sonstige Therapie blieb in dieser Zeit unverändert. Zu Beginn und nach 30 Tagen Daten wurden maximale (=VASmax) und durchschnittliche (=VAS) Schmerzstärke angegeben sowie Daten zum MFHW 7 (=Marburger Fragebogen zur Lebensqualitätseinschätzung) erhoben. Die Daten wurden vor und 30 Tage nach Absolvierung des Bewegungsprogrammes mittels t-Tests für abhängige Stichproben verglichen.
Ergebnisse: 2 Frauen brachen schmerzbedingt die Untersuchung ab. Biometrische Daten: Geschl.: 31 x w. und 2 x m.; Altersdurchschnitt.: 56,52 Jahre; min. 25 bis max. 82 Jahre (SD: 5). Die max. Schmerzstärke reduzierte sich signifikant von durchschn. VAS 8 auf 6,74 (SD: 2,323; t-test für abhängige Variablen; p<0,05) und die durchschn. Schmerzstärke (VAS) signifikant von 6,09 auf 5,13 (SD:2,394; t-test für abhängige Variablen; p<0,05). Es kam zu einer (statistisch nicht signifikanten) Steigerung des Lebensqualitäts-Scores MFHW 7 von 13,39 auf 17, (SD: 10.012; t-test für abhängige Variablen; p>0,05).
Schlußfolgerung: auffällig war eine geringe Bereitschaft zur Teilnahme männlicher Probanden. Hier wurden vor allem emotionale Beweggründe wie z. B. Unsicherheit und Scham genannt. Weibliche Teilnehmer gaben jedoch eine hohe Motivation („Spaßfaktor!“) an. Durch Sarengue® zeigte sich in unserer Untersuchung im Rahmen ambulanter Schmerztherapie chronischer unspezifischer Rückenschmerzen ein statistisch signifikanter Effekt mit einer Reduktion der maximalen und der durchschnittlichen Schmerzstärke. Die Therapieform könnte daher für bestimmte Zielgruppen als denkbare und sinnvolle Ergänzung neben den üblichen -in der Therapie chronischer unspezischer Rückenschmerzen angewendeten bewegungstherapeutischen- Verfahren (z. B. nordic-walking) gewertet werden. Im Lauf der Untersuchung gewannen wir den Eindruck, dass insbesondere bei den weiblichen Teilnehmern -trotz eines hohen Schmerzchronifizierungsgrades und Angabe von Schmerzzunahme in der Bewegung- die Freude am Tanzen offensichtlich die Angst vor Schmerz in der Bewegung reduzieren konnte. Damit könnte der Teufelskreis aus Angst und Aufrechterhaltung der Schmerzen durchbrochen werden (4).
Hintergrund: Die COVID-19 Pandemie hat zu erheblichen Einschränkungen im Leben vieler Menschen geführt. Neben dem individuellen Erkrankungsrisiko kommt es zu Beeinträchtigungen im sozialen Leben aber auch zu Einschränkungen bezüglich bestehender Vorerkrankungen. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen ergeben sich Probleme hinsichtlich therapeutischer Erreichbarkeit (eingeschränkte Verfügbarkeit von Ärzten, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten) und den direkten und indirekten biopsychosozialen Folgen der Pandemie und ihrer sozialen Maßnahmen (eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten, berufliche Sorgen, soziale Vereinsamung etc.).
Es ist bekannt, dass außerordentliche soziale Umstände negative Einflüsse auf Patienten mit chronischen Schmerzen haben können (Batistaki et al. 2018). Gleichzeitig kann die Erfahrung von einschneidenden Erlebnissen auch zu einer Stärkung der allgemeinen Resilienz führen (Linley und Joseph 2004). Auch für Schmerzpatienten wurde erwartet, dass sich eine Verschlechterung der chronischen Schmerzerkrankung einstellen würde (Clauw et al. 2020).
Unsere interdisziplinäre Schmerzambulanz musste aufgrund personeller Engpässe (Verwendung der Mitarbeiter in anderen Bereichen zur unmittelbaren Behandlung von Patienten mit COVID-19) die ambulanten Kontakte deutlich reduzieren. Im Rahmen dieser Arbeit wurde nach Wiederaufnahme des Regelbetriebes anhand von Fragebögen untersucht, inwieweit es zu einem Einfluss der COVID-19 Pandemie auf das Schmerzerleben unserer Patienten gekommen ist.
Methoden: Neben einem vorher/nachher Vergleich der routinemäßig erhobenen Verlaufsparameter (Deutscher Schmerzfragebogen, Verlaufsfragebogen) füllten die Patienten einen Fragebogen zum Einfluss der COVID-19 Pandemie auf ihr Schmerzerleben (u.a. Schmerzintensität, Stimmung, soziale Einschränkungen) aus.
Ergebnisse/Schlussfolgerungen: Von 136 in Frage kommenden Patienten, die sich zwischen dem 5. Mai und dem 17. Juli 2020 in unserem Schmerzzentrum vorstellten, stimmten 112 der Teilnahme an der Studie zu (82,4%). 82 Teilnehmer (73,2%) berichteten anhand des selbst erstellten Fragebogens über eine Verschlechterung der Schmerzstörung. Die Parameter des regulären Verlaufsfragebogens zeigten keine relevanten Änderungen im Vergleich zu den vor der Pandemie gesammelten Daten. Wir konnten keine demografischen und medizinischen Parameter feststellen, die klinisch relevant mit einer höheren Auswirkung der Pandemie verbunden waren.
Wir schließen daraus, dass eine chronische Schmerzstörung eine relativ stabile Krankheit ist, die sich aufgrund externer Faktoren wie der Covid-19-Pandemie nicht relevant ändert, selbst wenn die subjektive Auswirkung als hoch eingeschätzt wird.
Hintergrund: Im Januar 2022 wird die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) in Kraft treten. Die ICD-11 enthält erstmals eine systematische Klassifikation chronischer Schmerzen. Sie wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe der International Association for the Study of Pain (IASP) entwickelt und umfasst sieben diagnostische Hauptkategorien, die sich in weitere spezifische Unterdiagnosen aufteilen, sodass in mehreren Subkategorien eine zunehmende Detailtiefe abgebildet wird. Für alle Diagnosen wurden operationalisierte Diagnosekriterien entwickelt. Um durch die große Zahl von Kategorien und zugehörigen Kriterien zu leiten, entwickelten wir einen Klassifikationsalgorithmus in Form eines linearen Entscheidungsbaums.
Methoden: Diagnosen und zugehörige Kriterien wurden hierarchisiert und in eine ökonomisch entscheidbare Reihenfolge gebracht. Das Resultat wurde nach den Richtlinien zur Gestaltung medizinischer Algorithmen in eine standardisierte Form übertragen und in sukzessiven Feedbackschleifen überprüft. In einem ersten Schritt überprüften drei unabhängige Expertinnen, dass alle Kriterien, die zu treffenden Entscheidungen und Diagnosen korrekt dargestellt waren. Zwei weitere Schmerzexpertinnen gaben dann Rückmeldungen zu der Verständlichkeit. Anschließend wurde an fiktiven Patientenfällen überprüft, ob der Algorithmus zur korrekten Diagnose leitet. In einem letzten Schritt gaben Mitglieder der IASP Arbeitsgruppe Expertenrückmeldungen zu der Korrektheit der einzelnen Pfade. Im Rahmen einer internationalen Feldstudie zur Klassifikation bewerteten SchmerzspezialistInnen aus der klinischen Praxis den Algorithmus auf seine Handhabung und Nützlichkeit. Außerdem schätzten sie die erzieltesubjektive diagnostische Sicherheit ein.
Ergebnisse: Für jede Hauptkategorie chronischer Schmerzen enthält der Algorithmus einen eigenen Entscheidungsbaum (ausgenommen chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen). Für jedes Kriterium wird das Vorliegen überprüft. Zusätzliche Erläuterungen zu den Kriterien sind jedem Baum angefügt. Folgt der Nutzer oder die Nutzerin konsequent den vorgegebenen Entscheidungen, wird er oder sie zur korrekten ICD-11 Diagnose geführt. Deskriptive Statistiken aus den Feldtests für Handhabung, diagnostische Sicherheit und Nützlichkeit werden berichtet.
Schlussfolgerung: Der Klassifikationsalgorithmus ermöglicht einen standardisierten Weg durch die ICD-11 Klassifikation chronischer Schmerzen und kann so zu einer erhöhten Reliabilität der Diagnosevergabe beitragen. Gegenwärtig wird in einer eigenen Validierungsstudie überprüft, ob der Algorithmus den Prozess der Diagnosestellung im Hinblick auf Korrektheit und Vollständigkeit der Diagnosen, die subjektive diagnostische Sicherheit und die für die Diagnosestellung benötigte Zeit verbessert. Es wird erwartet, dass diese Standardisierung in der Forschung und bei der bevorstehenden Implementierung der ICD-11 in die Gesundheitsversorgung von großem Wert sein wird.
Hintergrund
Der Therapieerfolg der Interdisziplinären Multimodalen Schmerztherapie (IMST) wird nicht nur durch z.B. die Therapieinhalte und das interdisziplinäre Behandlungsteam, sondern auch durch die Patientenerwartungen beeinflusst. In dieser Studie sollen die Erwartungen der Patienten an die IMST, basierend auf 100 prätherapeutischen Befragungen, in vielfältige Erwartungskategorien eingeteilt werden, die weit über die gewünschte Schmerzreduktion hinausgehen. Zudem soll speziell die erwartete Schmerzreduktion von über 300 Patienten in Bezug zur tatsächlichen Reduktion ihrer Schmerzen nach der IMST gesetzt werden. Sind hohe Erwartungen an die Schmerzreduktion mit einer größeren tatsächlichen Schmerzreduktion assoziiert?
Methoden
Die explorative Analyse der Patientenerwartung erfolgte anhand von Patientenaussagen, die während des interdisziplinären Assessments erhoben wurden. Daten von 100 Patienten wurden qualitativ nach der Methode der Grounded Theory ausgewertet. Zusätzlich wurden zu Beginn jeder Therapie die Erwartungen in den Patientengruppen interaktiv durch Mindmaps erarbeitet – diese wurden für den Zeitraum von 2 Jahren ausgewertet.
Die quantitative Analyse zur erwarteten Schmerzreduktion bedient sich Daten schmerzbezogener Fragebögen, die von den eingeschlossenen Patienten (n > 300) vor und zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Therapie ausgefüllt wurden. Als primäres Outcome soll die Verringerung der Schmerzintensitätsbewertung vor und nach der Therapie betrachtet werden. Die erwartete Schmerzreduktion wurde mithilfe einer standardisierten Frage des Deutschen Schmerzfragebogens („Geben Sie jetzt an, welche Schmerzstärke für Sie bei erfolgreicher Behandlung erträglich wäre“) auf einer numerischen Ratingskala (NRS, 0-10) berechnet.
Ergebnisse
Neben der Schmerzreduktion erwarten chronische Schmerzpatienten von der IMST vor allem die Erhöhung der körperlichen Aktivität und Mobilität, das Erlernen des richtigen Umgangs mit den Schmerzen und die Heranführung an Entspannungstechniken. Auch die Medikamentenreduktion und der Erhalt der Arbeitsfähigkeit haben eine hohe Relevanz. Die Regressionsanalysen zum Effekt der Erwartung auf die tatsächliche Schmerzreduktion stehen noch aus. Jedoch weisen Gruppenvergleiche auf einen Zusammenhang zwischen höheren Erwartungen an die Schmerzreduktion und tatsächlich größeren Schmerzreduktionen hin.
Schlussfolgerung
Die Erwartungen von Patienten an die IMST wurden bisher erst in geringem Umfang erhoben und ausgewertet. Diese Studie zeigt, dass die Patientenerwartungen deutlich komplexer sind und nicht nur auf die Schmerzreduktion beschränkt werden sollten. Es deuten sich positive Effekte optimistischer Patientenerwartungen auf den Therapieerfolg an. Daher sollten umfassendere Instrumente entwickelt werden, um die Therapieerwartungen in interdisziplinären Schmerzprogrammen standardisiert messen und so deren Komplexität und Einfluss auf den Therapieerfolg erforschen zu können.
Hintergrund
Diese Studie untersucht verschiedene Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit einer multimodalen Schmerztherapie am Universitätsklinikum Essen bei chronischen Rückenschmerzpatienten. Obwohl die multimodale Schmerztherapie für eine Vielzahl von chronischen Schmerzzuständen als Goldstandart gilt, sind patientenspezifische Einflussgrößen auf den Effekt einer multimodalen Schmerztherapie weiterhin wenig erforscht. Diese Studie stellt die Fortsetzung einer Kohortenstudie dar, deren vorläufige Daten bereits auf dem Schmerzkongress 2018 vorgestellt wurden.
Methoden
Es handelt sich um eine retrospektive Kohortenstudie, in der klinische sowie psychometrische Daten, unmittelbar vor und nach der Therapie, sowie 3, 6 und 12 Monate nach Abschluss, von mindestens 250 Patienten, erhoben wurden. Primäre Endpunkte sind hierbei Schmerzintensität, Beeinträchtigung, habituelles Wohlbefinden sowie gesundheitsbezogene Lebensqualität. Weitere psychologische Variablen sind Depressivität, Angst, Stress, schmerzbezogene Selbstwirksamkeit sowie Schmerzakzeptanz. Die Veränderung in den primären Endpunkten wird für verschiedene Behandlungssettings (Stationär/Teilstationär) untersucht. Zusätzlich wird der Einfluss von Therapiedauer (zwei oder drei Wochen), Alter sowie Geschlecht, auf das Therapieergebnis analysiert. Schlussendlich untersuchen wir die verschiedenen psychologischen Variablen auf ihre Funktion als Prädiktoren bzw. Moderatoren/Mediatoren hin. Vorläufige Ergebnisse zeigen positive Veränderungen über die Zeit bei annährend allen Endpunkten.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse dieser Studie sollen beitragen die unterschiedlichen Einflussgrößen auf die Wirksamkeit der MMST besser zu verstehen. Wir hoffen, Patienten dadurch noch gezielter für die MMST selektieren und Therapieinhalte auf die Bedürfnisse der Schmerzpatienten anpassen zu können. Therapieerfolge sollen so langfristig maximiert werden.
Hintergrund:
In der Interdisziplinären Multimodalen Schmerztherapie (IMST) werden konsentierte Therapieziele verfolgt (Arnold et al., 2014), die sich teilweise als Prozessvariablen abbilden lassen. Als eine relevante Variable für die IMST umfasst Selbstwirksamkeitserwartung die Überzeugung, die für die Bewältigung einer Situation erforderlichen Handlungen erfolgreich ausführen zu können. Fragebögen sind auf generischer (SWE) und schmerzspezifischer Ebene (FESS) operationalisiert. In Voruntersuchungen fielen deutliche Überschneidungen zwischen dem durch den FESS zu erfassendem Konstrukt schmerzspezifischer Selbstwirksamkeit und den durch den CPAQ zu erfassenden Konstrukt Schmerzakzeptanz auf (Schönbach et al., 2018). Ziel dieser Untersuchung ist die Validierung der Instrumente in der Zielpopulation. Zudem soll ein Beitrag zur verbesserten Differenzierung der Konstrukte für die weitere Prozess- und Outcomeforschung der IMST geleistet werden.
Methoden:
Für die Untersuchung wurden von 10/2016 bis 09/2019 178 Patienten (MW: 51,3 Jahre, 79,2 % weiblich, 27,0 % Schweregrad Graduierung 4 nach v. Korff, 63,4 % Rückenschmerz) vor Aufnahme einer IMST untersucht. Selbstwirksamkeit wurde generisch über die Skala zur allgemeinen Selbstwirksamkeit (SWE) und schmerzspezifisch über den Fragebogen zur schmerzspezifischen Selbstwirksamkeit (FESS) erhoben. Zur Untersuchung der Reliabilität wurde die interne Konsistenz mittels Cronbach‘s Alpha und die Retestreliabilität (Zeitintervall 4 Wochen, Wartekontrollgruppe) durch eine Korrelationsanalyse (Spearman-Rho) untersucht. Die Konstruktvalidität wurde korrelativ bestimmt (Spearman-Rho) und eine explorative Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse) über die Items des SWE und des FESS durchgeführt. Alle statistischen Analysen wurden mit SPSS 25.0 ausgeführt.
Ergebnisse:
Interne Konsistenz für SWE und FESS betrug α≥.90. Die Retestreliabilität für beide Verfahren war r>.80. Die Korrelation der Skalen ist r=.38. Der Screeplot zur Faktorwahl der Faktorenanalyse zeigte einen spezifischen Bruch bei 3 Faktoren. Das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium des Modells war zuverlässig bis gut (KMO-K>.90), die Gesamtvarianzaufklärung bei 3 vorgeschlagenen Faktoren betrug 57,12%, wobei Faktor 3 lediglich eine Varianzaufklärung (VA) von 2,72 % erbrachte. Auf Faktor 1 (VA 29,47 %) laden ausschließlich die Items des FESS. Auf Faktor 2 (VA 24,93 %) bilden sich ausschließlich die Items des SWE ab.
Schlussfolgerung:
SWE und FESS weisen gute Reliabilität, bzw. eine bereits fraglich erhöhte interne Konsistenz auf. Hinsichtlich der Konstruktvalidität fallen korrelativ und faktorenanalytisch keine relevanten Zusammenhänge auf. Die Ergebnisse legen nahe, dass die untersuchten Fragebögen eher distinkte als verwandte Konstrukte messen. Im Kontext von Voruntersuchungen, wo der FESS eine starke Nähe zur Schmerzakzeptanz aufwies, wird die Inhaltsvalidität dieses Instruments kritisch bewertet.
Hintergrund: In der 11. Version der International Classification of Diseases (ICD-11) ist erstmalig eine systematische Klassifikation chronischer Schmerzen enthalten. Die Klassifikation besteht aus sieben jeweils in mehrere Subkategorien unterteilte Schmerzkategorien. Insgesamt enthält sie so über 100 Diagnosen, für die je 5-7 Kriterien erfüllt sein müssen. Um die Komplexität des Diagnoseprozesses zu reduzieren und die Reliabilität zu erhöhen, wurde ein Klassifikationsalgorithmus entwickelt, der mit einem Entscheidungsbaum die hierarchisierten Diagnosekriterien prüft.
Ziel dieser Studie ist die Validierung dieses Algorithmus. Dabei sollen neben der Korrektheit der Diagnoseergebnisse Aspekte der Anwendbarkeit, der klinischen Nützlichkeit sowie die subjektive diagnostische Sicherheit überprüft werden.
Methoden: Eine internationale Onlinestudie richtet sich an Kliniker mit Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen. Die Kliniker diagnostizieren vier fiktive Patientenfälle in Form von webbasierten virtuellen Patienten. Die Web-Anwendung ermöglicht es, mit den virtuellen Patienten über eine natürlichsprachliche Schnittstelle zu interagieren, um die für die Diagnose relevanten Informationen zu erheben. Wie in der klinischen Realität unterscheiden sich die Fälle in ihrer Komplexität: Einfache Fälle haben eine, komplexe Fälle zwei chronische Schmerzdiagnosen. In einem 2x2 Messwiederholungsdesign mit den Faktoren Algorithmus (mit/ohne) und Komplexität (einfach/komplex) nutzen die Kliniker entweder den Algorithmus oder die Definitionen im ICD-11 Browser, um zu der (den) zutreffenden Diagnose(n) zu gelangen. Nach jedem Fall geben die Kliniker die Schmerzdiagnose(n) an und beantworten Fragen bezüglich des diagnostischen Prozesses. Analysiert werden die Korrektheit der vergebenen Diagnosen, die Einschätzungen der diagnostische Sicherheit, sowie der Anwendbarkeit und Nützlichkeit des Algorithmus.
Ergebnisse: Wir erwarten eine Interaktion von Komplexität und Verwendung des Algorithmus: Letztere sollte vor allem bei komplexen Fällen zu mehr korrekten Diagnosen führen. Erste Ergebnisse werden beim Deutschen Schmerzkongress präsentiert.
Schlussfolgerung: Das interaktive Onlineformat ermöglicht, dem Diagnostiker auf Nachfrage standardisierte Informationen zur Verfügung zu stellen, ohne diese bereits vorstrukturiert zu präsentieren, so dass die spezifischen Vorzüge des Klassifikationsalgorithmus überprüft werden können. Zusätzliche Analysen werden neben der Korrektheit und Vollständigkeit der Diagnosen auch die Dauer bis zur Diagnosevergabe untersuchen.
Sollte die Evaluation des Algorithmus positiv ausfallen, erhoffen wir, dass seine Verwendung helfen wird, die Reliabilität chronischer Schmerzdiagnosen weiter zu erhöhen und den diagnostischen Prozess zu vereinfachen. Darüber hinaus könnte er bei der Implementierung der ICD-11, im klinischen Alltag sowie bei der medizinischen und psychologischen Ausbildung einen Nutzen bringen.
Hintergrund:
Im VAPAIN-Projekt wurden 8 Outcome-Domänen zur Erfassung der Wirksamkeit der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) konsentiert (Kaiser et al., 2017). Für diese Domänen wird im Rahmen des EVaSIMST-Projektes (DFG-Fördernr.:KO 5540/1-1) ein patient reported Core-Outcome-Measurement Instrument Set (COS-MI) entwickelt.
Eine dieser Domänen umfasst die Wahrnehmung der Erreichung der Therapieziele durch den Patienten. Hierbei soll die Sicht der Patienten auf die Therapieziele beleuchtet und von den Therapieteilnehmern relevante Ziele für die IMST (biopsychosozial) erfasst werden.
Die Ergebnisse dienen dann als Grundlage zur Itementwicklung für diese Domäne.
Methodik:
Die für die Domäne verwendete Gesamtmethode Concept-Mapping stellt eine Kombination von qualitativen, datengenerierenden Verfahren (Fokusgruppen), sowie quantitativen Methoden (Ratings, Clusteranalyse etc.) dar. Sie gliedert sich in vier aufeinander aufbauende Schritte. In dem hier vorgestellten ersten Teilsegment des Gesamtprozesses formulieren Patienten in Kleingruppen (n=5 bis 8 Personen) in einem 60-90 minütigen Brainstorming subjektive Therapieziele und prüfen diese auf Verständlichkeit. Anschließend werden die Aussagen mittels eines OnlineSurveys von Patientenvertretern aus dem gesamten Bundesgebiet durch weitere Therapieziele ergänzt und die bestehenden Zielstellungen nochmals auf Verständlichkeit geprüft. Bisher fanden 6 Gruppen (n=21 Patienten einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie, tagesklinisch, 33 - 62 Jahre, Mittelwert des Alters = 51,67, 48% weiblich) statt. Zwei weitere Fokusgruppen werden im Sommer 2020 durchgeführt und von dem Online-Survey ergänzt, sodass die Ergebnisse auf dem Kongress mit Stand September 2020 präsentiert werden.
Ergebnisse:
Nach vorläufigen Auswertungen bei den bisher durchgeführten 6 Gruppen mit insgesamt 21 Patienten liegen 130 Therapieziele vor. Davon beziehen sich 58 auf somatisch-funktionelle Ziele, 54 auf eher psychische Inhalte, sowie 18 auf soziale Aspekte.
Schlussfolgerungen und Ausblick:
Durch die bisherige Auseinandersetzung mit den patientenorientierten Therapiezielen unter Einschluss der verschiedenen Sichtweisen aus den Fokusgruppen, ergibt sich ein tieferes und breiteres Verständnis der Domäne. Zusätzlich lässt sich eine fortschreitende Konvergenz der relevantesten Merkmale zur Erreichung der Therapieziele aus Patientensicht feststellen. Im zweiten Schritt sollen die Therapieziele von Patientenvertretern in neuen Fokusgruppen kategorisiert und im dritten Aspekt eine statistische Clusteranalyse durchgeführt werden. Im letzten Schritt sollen die gebildeten Cluster durch die Patientenvertreter mittels einer weiteren Online-Befragung benannt werden.
Hintergrund
Im VAPAIN-Projekt wurden 8 Inhaltsbereiche (Domänen) zur Erfassung der Wirksamkeit der
interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) konsentiert (Kaiser et al., 2018). Für
diese Domänen soll im Rahmen des EVaSIMST-Projektes (DFG-Fördernr.: KO 5540/1-1) ein
Core-Outcome-Measurement Instrument Set (COS-MI) für die IMST entwickelt und evaluiert
werden.
Als Teil des Core Outcome Set war für die Domäne Zufriedenheit mit sozialen Rollen und
sozialen Aktivitäten folgende Definition des VAPAIN-Panels Ausgangspunkt:
Zufriedenheit mit sozialen Rollen und sozialen Aktivitäten beschreibt die Zufriedenheit des
Patienten, gewohnte soziale Rollen und Aktivitäten (einschließlich Familie und Arbeit) auszuführen.
Anhand dieser Definition wurde im Rahmen eines ersten EVaSIMST-Workshops (Winter
2019) durch eine heterogene Fokusgruppe (Teilnehmer*innen n=10) ein vorläufiges theoretisches Rahmenmodell für diese Domäne gebildet und in anschließenden Telefonkonferenzen
(Mai-September 2019) weiterentwickelt.
Ziel des zweiten EVaSIMST-Workshops ist es, das theoretische Rahmenmodell zu finalisieren sowie auf Allgemeingültigkeit, Spezifität und Relevanz für chronische Schmerzpatient*innen zu prüfen. Weiterhin sollen grundlegende Aspekte der Itemgenerierung konsentiert werden.
Methoden
Im Anschluss an den Workshop 2019 sowie die Telefonkonferenzen ergaben sich zwei Modellergänzungen, die nun finalisiert werden sollen. Vorbereitende Literaturanalysen zu diesen
beiden Ergänzungen (Patient Empowerment, Intimität) wurden bereits durchgeführt. Im
Rahmen des kommenden Workshops wird erneut eine Fokusgruppe anhand von Leitfragen
und Input aus den vorbereitenden Literaturrecherchen offene Aspekte des theoretischen
Rahmenmodells sowie Skalierungsaspekte, Instruktionen, Einstiegsfragen und Kategorien
des Fragebogens diskutieren. Anschließend werden Inhalt und Verständlichkeit der Ergebnisse der Fokusgruppen unter Einbezug aller Workshopteilnehmer*innen geprüft. Dieser
Workshop ist für September 2020 geplant.
Ergebnisse
Die Ergebnisse des zweiten Workshops hinsichtlich finalen theoretischen Rahmenmodells,
Skalierungsaspekten und Erkenntnissen aus den Diskussionen werden aufbereitet und vorgestellt.
Ausblick
Aus den bisherigen Ergebnissen und Erkenntnissen ergibt sich die Notwendigkeit, das Konstrukt um wenigstens zwei Bereiche (Patient Empowerment, Intimität) zu erweitern. Bisher
erfasst noch kein Messinstrument diese Bereiche unter der Domäne Zufriedenheit mit sozialen Rollen und Aktivitäten. Dies könnte u. U. auf Besonderheiten der Lebensumstände von
Menschen mit chronischen Schmerzen zurückzuführen sein.
Auf Basis der Ergebnisse des finalen Workshops im September soll die Itemgenerierung für
die Domäne als Teil des COS-MI für die IMST stattfinden.
Hintergrund
Im VAPAIN-Projekt wurden 8 Outcome-Domänen zur Erfassung der Wirksamkeit der
interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) konsentiert (Core Outcome Domain Set;
Kaiser et al., 2018). Für diese Domänen soll im Rahmen des EVaSIMST-Projektes (DFGFördernr.:KO 5540/1-1) ein Core-Outcome-Measurement Instrument Set (COS-MI) für die IMST
entwickelt und evaluiert werden.
Schmerz wird im Sinne von Williams et al. (2016) als ein biopsychosoziales Phänomen mit
somatischen, kognitiven, emotionalen und Verhaltensaspekten verstanden. In einem früheren
EVaSIMST-Workshop mit Patienten und klinischen sowie wissenschaftlichen Vertretern der IMST
im Winter 2019 wurde auf Grundlage dieser Definition der Rahmen für eine farbbasierte
Skalenpräsentation entwickelt.
Ziel der hier vorgestellten Arbeit ist nun die Erhebung und Auswertung konstruktbezogener Daten
aus Patientensicht, die in der weiteren Bearbeitung zur Entwicklung einer inhaltsvaliden und
reliablen Skalenpräsentation und -auswertung führen sollen.
Methoden
Bisher wurden 4 Fokusgruppen mit n = 27 Patienten, die chronische Schmerzen aufweisen, am
UniversitätsSchmerzCentrum Dresden durchgeführt (20 – 69 Jahre, MW = 49.08, SD = 12.90;
68 % weiblich). Weitere Fokusgruppen sind bis Sommer 2020 geplant.
In 2,5 - 3-stündigen Sitzungen tragen die Patienten offen zusammen, welche Aspekte ihres
Schmerzerlebens sie mit Farbkategorien (initial grün, gelb, rot) verbinden. Daraus werden von den
Teilnehmern dann die Relevantesten ausgewählt und Formulierungsvorschläge für eine Instruktion
gesammelt. Abschließend werden Anregungen zusammengetragen, wie die übergeordnete
Instruktion zum Instrument gestaltet sein soll, damit dieses für Patienten leicht verständlich und gut
anwendbar ist.
Die Datenauswertung findet mithilfe einer angepassten Form der Qualitativen Inhaltsanalyse nach
Mayring (2010) statt. Über induktive Kategorienbildung werden die Inhalte zusammengefasst
und die von den Patienten bevorzugten Aspekte und Formulierungen extrahiert.
Ergebnisse
Es zeigte sich bereits, dass Patienten einen intuitiven Zugang zu den Farbkategorien finden. Dabei
neigt die Mehrheit bisher zu 3 Kategorien (grün, gelb, rot), einige Patienten plädieren jedoch auch
für Übergangskategorien. Die Patientenreflektionen zu allen Kategorien geben im Wesentlichen
biopsychosoziale Aspekte wieder. Insbesondere aber ist die Einschätzung der Einschränkung das
Hauptmerkmal zur Unterscheidung und Abstufung der Kategorien.
Ausblick
Auf der Grundlage der Fokusgruppenergebnisse sollen im nächsten Schritt die Skalenpräsentation
konstruiert werden und die Itemgenerierung erfolgen, welche das biopsychosoziale
Schmerzverständnis abbilden sollen. Dieses wird anschließend einer qualitativen (Kognitive
interviews) und quantitativen (statistische Auswertung) Validierung unterzogen.
Background: An early screening of psychosocial risk factors to offer patients an individualized therapy for chronic back pain is recommended. Even though, a multidisciplinary approach from medical, physiotherapeutic and psychological fields in the rehabilitation ambulatory care in Germany is implemented, a broad utilization is still missing (1). In order to conceive a comprehensive individualized treatment and rehabilitation for chronic back pain patients, interdisciplinary programs including alternatives for patients living far away from clinical centers are needed.
Aim: The purpose of this pilot study was to test whether it is possible to integrate an individualized and home-based after-care program into the rehabilitation offer of the German Pension Insurance (feasibility). In addition, we aimed to investigate whether patients accept and adhere to such new program (acceptance and compliance) and whether the first results about the pain development are promising for the upcoming main study.
Methods: n=41 adult patients with chronic low back pain were included in this pilot randomized controlled study (RCT). The randomization followed a ratio of 2:1 into an intervention versus a control group within a twelve‐week program. The intervention group included two programs: a unimodal (homebased after-care sensorimotor training) and a multimodal (homebased after-care sensorimotor training and behavioral therapy module consisting of cognitive distraction, patient education and body scan); control group participated in regular aftercare routine IRENA. Classification into the unimodal or multimodal group followed the Risk Screening Index (RSI), which characterizes low- (unimodal) versus high-risk (multimodal) patients. Main outcome subjective pain disability and characteristic pain intensity was measured by the chronic pain grade questionnaire (CPG). In addition, we assessed acceptance, compliance and feasibility of the programs with individual questions.
Results: The first exploratory analysis showed a significant reduction of the subjective pain disability score after 12 weeks in both intervention groups (p=0.01 and p=0.02). Apparently, there was a reduction concerning characteristic pain intensity for both interventions, but without statistical significance. Beyond, patient acceptance, compliance and feasibility of the intervention programs were adequate.
Conclusions: Considering the small sample size of this pilot study, the results and their interpretations are preliminary. Nevertheless, the results indicate adequate feasibility and specific recommendations for the main study. It is feasible to conduct the main study with specific modifications recommended by this pilot study.
Hintergrund
Interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie (IMST) ist effektiv und wird zur Behandlung von Menschen mit anhaltenden Rückenschmerzen empfohlen. Patientenzentrierte Strategien und die bio-psycho-soziale Grundlage des Patientenmanagements im Kontext der IMST, basieren auf dem Wissen, dass gutartige, anhaltende Schmerzen aus einer gesteigerter Erregung des Nervensystems und nicht aus einer isolierten Gewebeschädigung resultieren. Schmerzedukation ist Teil der IMST und beinhaltet auch die Erklärung von u.a. Schmerzentstehung, beitragenden Faktoren sowie Schmerzneurophysiologie. Eine explizite Handlungsempfehlung zur Schmerzedukation bezüglich z.B. Dauer und Inhalt existiert bisher nicht. Diese Studie untersucht die folgende Fragestellung: Führt die Implementierung einer standardisierte Schmerzedukation in eine vierwöchige IMST zu besseren Ergebnisse als die IMST ohne diese Standardisierung?
Methode
Eine Interventionsstudie mit 179 Patienten wurde durchgeführt. Die Interventionsgruppe (N=102) erhielt die vierwöchige IMST mit zusätzlichen vier Stunden Schmerzedukation basierend auf dem Konzept "Schmerzen verstehen". Die Kontrollgruppe erhielt die vierwöchige IMST vor der Interventionsgruppe, ohne die standardisierte Schmerzedukation. Primäres Outcome war die aktuelle Schmerzstärke.
Schmerzwissen, Depressivität, Funktion, Angst, Stress und Lebensqualität waren sekundäre Outcomes.
Für jedes der genannten Outcomes wurden lineare Regressionsmodelle berechnet um den zusätzlichen Effekt der standardisierten Schmerzedukation zu bestimmen.
Ergebnisse
Beide Gruppen verbesserten sich in allen Outcomes während der Behandlungsphase über vier Wochen. Die implementierte, standardisierte Schmerzedukation resultierte nicht einem zusätzlichen Effekt auf den primären Outcome Schmerzstärke (Regressionskoeffizient für "Schmerzen verstehen"-Effekt auf die Schmerzstärke 0.34; 95% CI -6.23 - 6.97). Ein Gruppenunterschied, mit Vorteil für die Interventionsgruppe, konnte bei den sekundären Outcomes lediglich für das Outcome Schmerzwissen gezeigt werden (0.78; 95% CI 0.35 - 1.20).
Schlussfolgerung
Eine vierwöchige IMST mit zusätzlicher, standardisierter Schmerzedukation, basierend auf den Inhalten des therapeutischen Konzeptes "Schmerzen verstehen", erzielte keine besseren Ergebnisse als die IMST ohne diese Inhalte. Allerdings zeigten sich positive Effekte in der Interventionsgruppe auf das Outcome Schmerzwissen, was hilfreich für den Umgang mit Schmerzen im Anschluss an die IMST sein kann.
Hintergrund: Menschen mit chronischen Schmerzen und einem starken Kohärenzgefühl zeigen eine bessere Gesundheit und mehr Selbstwirksamkeit gegenüber ihren Schmerzen. Empfohlen werden daher Patientenschulungen basierend auf dem salutogenetischen Modell von Antonovsky, um den Umgang mit der eigenen Gesundheit und chronischen Erkrankungen zu verbessern.
Im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie am Universitätsklinikum Erlangen wurde eine mehrteilige Schulung zum Thema Gesundheit und Widerstandsressourcen basierend auf dem Konzept der Salutogenese erstellt, durchgeführt und unter folgender Fragestellung evaluiert:
Kann der verstärkte Fokus auf das Thema Gesundheit und Ressourcen mittels Patientenedukation bei Menschen mit chronischen Schmerzen die eigene Wahrnehmung und den Umgang mit ihrer Gesundheit und Ressourcen verbessern?
Methodik: Die Schulung fand in der fünfwöchigen teilstationären Schmerztherapiegruppe statt. Die Kontrollgruppen erhielten die regulären Therapieeinheiten. Alle Teilnehmer füllten jeweils zu Beginn und Ende der Therapie den Kohärenzfragebogen (SOC-L9) sowie einen selbsterstellten Fragebogen zur Wahrnehmung und dem Erleben von Gesundheit und Ressourcen aus. Bei der Interventionsgruppe wurde noch ein Fragebogen zur Bewertung der Schulung vorgelegt.
(Vorläufige) Ergebnisse: Insgesamt wurden 59 Patienten befragt, davon waren 41% in der Kontrollgruppe. Die Wahrnehmung und der Umgang mit der eigenen Gesundheit und den Ressourcen hat sich bei beiden Gruppen verbessert, wobei hier die Interventionsgruppe besonders profitiert hat (z.B.: bewusste Gesundheitsförderung im Prä-Post-Vergleich d=0,774; p=0,005). Die Werte vom Kohärenzfragebogen nahmen ebenfalls bei beiden Gruppen zu, jedoch ohne signifikanten Unterschied zwischen Kontroll- und Interventionsgruppe. Die Schulung wurde von den Teilnehmern im Schnitt mit der Note 1,33 bewertet.
Schlussfolgerung: Die Salutogenese-Schulung zeigt eine meist signifikante Verbesserung der Wahrnehmung und des Umgangs mit der eigenen Gesundheit und den Ressourcen. Wie sich diese Veränderung auf das Verhalten der Patienten und die Bewältigung ihrer Schmerzen längerfristig auswirkt ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.
Hintergrund:
Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) ist ein etabliertes Verfahren zur Therapie chronischer Schmerzen. Ihre Effektivität und Nachhaltigkeit hängen von einer konsequenten Umsetzung der qualitativen Vorgaben ab (Pfingsten et al., 2019). Die konkrete Umsetzung hinsichtlich der Gewichtung verschiedener Therapieanteile oder der Behandlungsdauer wird nicht einheitlich gehandhabt. In unserer Klinik haben wir ein zweiwöchiges Therapieprogramm etabliert, dessen Dauer zunächst kurz anmutet, jedoch vornehmlich dazu dienen soll, Heilungsprozesse anzustoßen und eine gezielte Weiterbehandlung zu ermöglichen. Die vorliegende Untersuchung soll zeigen, inwieweit das Konzept diesen Ansprüchen gerecht wird.
Methoden:
Die im Vorfeld definierten Outcome-Parameter orientierten sich an dem in Entwicklung befindlichen Kerndatensatz (Core-Outcome-Set, Kaiser et al., 2018). Die Messzeitpunkte lagen am Beginn der stationären Therapie (T0, n=101) sowie zwei Wochen (T2, n=57) und sechs Monate (T3, n=39) danach. Es wurden nur vollständige Datensätze der standardisierten Dokumentation der Patienten der IMST berücksichtigt. Berechnet wurden mittels ANOVA mit Messwiederholung. Die Effektstärken werden mit dem partiellen Eta-Quadrat (η2) angegeben.
Ergebnisse:
Es wurden Daten von 27 Männern und 74 Frauen ausgewertet. Der Altersdurchschnitt lag bei 52,4 Jahren (Männer 55,7J, Frauen 51,2J). Die Schmerzstärke (NRS) konnte von T0 bis T2 von 6,5 auf 5,6 (p≤0,01) gesenkt werden. Zum Zeitpunkt T2 zeigten sich zudem signifikante Verbesserungen der Parameter Wohlbefinden (FW-7), Depression, Stress (DASS), psychische und körperliche Lebensqualität (SF-12, KSK, PSK), schmerzbedingte Einschränkung der Lebensqualität (QLIP), durchschnittlicher und größter Schmerz (NRS). Hohe Effektstärken zeigten die Parameter Depression (η2=0,191), Einschränkung der Lebensqualität (η2=0,245), durchschnittlicher und größter Schmerz (η2=0,298 bzw. 0,162); mittlere Effektstärken zeigten Wohlbefinden (η2=0,124), Stress (η2=0,156), psychische Lebensqualität (η2=0,131) sowie momentaner Schmerz (η2=0,131).
Ein halbes Jahr nach der stationären Therapie zeigten sich signifikante Verbesserungen mit mittleren bis hohen Effektstärken für die Parameter Einschränkung der Lebensqualität (η2=0,172), durchschnittlicher und größter Schmerz (η2=0,144 bzw. 0,161). Viele Patienten haben eine psychosomatische/psychotherapeutische Behandlung aufgenommen (Daten an anderer Stelle gezeigt).
Schlussfolgerung:
Die IMST an einem qualifizierten Zentrum ist in der Lage, in entscheidenden Outcome-Parametern bereits nach zwei Wochen eine starke Verbesserung zu bewirken. Dieser Effekt ist nicht bei allen Parametern nachhaltig, doch für den Patienten essentielle Verbesserungen hinsichtlich Schmerzempfinden und Lebensqualität lassen sich auch nach einem halben Jahr nachweisen. Zusätzlich kann der Weg für eine individuelle Weiterbehandlung geebnet werden, die die Bedürfnisse des Patienten optimal adressiert.
Hintergrund
Die neue Elosan-Therapie ist geeignet, Patienten mit chronischen Schmerzen Linderung zu verschaffen, ihre Lebensqualität zu verbessern und den Verbrauch von Schmerzmittel zu reduzieren. Zum Nachweis der Wirksamkeit und Verträglichkeit der neuen Therapie musste zur Zertifizierung als Medizinprodukt eine klinische Pilotstudie durchgeführt werden, da kein vergleichbares Produkt oder eine vergleichbare Therapie aus der Literatur als Datenquelle identifiziert werden konnte.
Methodik
In einer offenen, randomisierten klinischen Vergleichsstudie an 3 schmerzmedizinischen Zentren in der Schweiz wurden insgesamt 39 Patienten mit chronischen Schmerzen (Dauer seit >6 Monaten; Intensität >50 mm VAS n. Borg) in 2 Gruppen (21 Verum, 18 Kontrolle) in die Studie eingeschlossen. Die Verumgruppe erhielt über einen Zeitraum von 28 Tagen zweimal/Woche eine 4-minütige Elosan-Therapie zusätzlich zur weiter applizierten individuellen Standardtherapie. Die Kontrollgruppe erhielt nur ihre individuelle Standardtherapie. Als primärer Zielparameter wurde festgelegt, dass die Schmerzreduktion in der Verumgruppe nach 8 Behandlungen mindestens 20 mm (100 mm-teilige VAS-Schmerzskala) mehr aufweisen sollte als in der Kontrollgruppe. Sekundäre Zielparameter waren: die Veränderung der Lebensqualität und eine Reduktion von Schmerzmitteln. Die Elosan Kabine ist eine spezielle, geschlossene und elektrisch isolierte Kabine, welche für die Elosan Schmerztherapie verwendet wird. Darin wird die Kurzzeitbehandlung durch elektrostatische Aufladung des Patienten durchgeführt. Das elektrostatische Feld wird durch ein spezielles Speisegerät erzeugt, welches eine Gleichspannung von bis zu 50kV (Kilovolt) aufbauen kann. Das Feld wird über einen metallischen Handgriff auf den Patienten gebracht, welcher in einer isolierten Kabine steht. Er ist normal mit leichter Kleidung und Schuhen bekleidet. Durch den Vorgang wird die Körperoberfläche mit negativ geladenen Elektronen bedeckt.
Elosan AG | CH-9472 Grabs | www.elosan.com Zusammenfassung_Publikation_Elosan-Therapie.docx | Page 2 / 2
Ergebnisse
Das wichtigste Ergebnis war die gruppeninterne Schmerzreduktion (gemessener VAS-Score), die in der Elosan-Gruppe hoch signifikant war (p = 0,001). Die Behandlungswirkung entsprach im Durchschnitt einer Schmerzreduktion von fast 25 % bei gleichzeitiger Weitergabe der medikamentösen Standardtherapie. 2,5-mal mehr Patienten in der Elosan-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe erfuhren eine Reduktion des VAS-Scores von mehr als 20 mm (= Schmerzreduktion von mindestens 30 %). Trotzdem wurde im primären Endpunkt die statistische Signifikanz nicht ganz erreicht (p = 0,102). Wirksamkeit zeigte das Ergebnis des SF-12-Fragebogens im körperlichen Bereich, Unterpunkt „Körperlicher Schmerz“, der sich in der Verumgruppe signifikant verbesserte (p = 0,001). Der Gesamtwert des SF-12 im mentalen Bereich war in der Elosan-Behandlungsgruppe signifikant besser als in der Referenzgruppe (p = 0,016). Die Verbesserung der Schmerzempfindung war in der Verumgruppe hoch signifikant besser (p = 0,001). Es konnten viermal mehr Patienten in der Elosan-Gruppe ihre Schmerzmittel gegen Ende der Studie reduzieren.
Schlüsselwörter
Schmerz, Chronischer Schmerz, Physikalische Therapie, Elektrostatische Felder, Hochspannungsgleichfelder
Hintergrund:
Bei fortschreitender Schmerzchronifizierung treten zunehmend psycho-soziale Faktoren in den Vordergrund, die eine psychotherapeutische Behandlung notwendig erscheinen lassen. Neben der Verfügbarkeit geeigneter Therapieplätze bestehen oft auch intrinsische Hürden im Sinne einer mangelnden Akzeptanz psychotherapeutischer Verfahren. Dies zeigt sich z. B. bei Patienten mit Fibromyalgie bzw. somatoformen Schmerzstörungen, bei denen der Zugang zur Psychotherapie erheblich erschwert oder sogar unmöglich sein kann. Im Rahmen einer zweiwöchigen IMST an unserer Klinik wurde die die Motivation zu psychotherapeutischer Behandlung und die tatsächliche Inanspruchnahme während und nach der stationären Therapie untersucht.
Methoden:
Die Psychotherapiemotivation (PTM) wurde mit dem Fragebogen zur Messung der Psychotherapiemotivation (FMP) untersucht; die tatsächliche Inanspruchnahme mit einem eigenen Fragebogen. Die Messzeitpunkte lagen am Beginn und am Ende der IMST sowie sechs Monate danach. Die statistische Auswertung erfolgte mittels ANOVA mit Messwiederholung und deskriptiv mit Drop-Out-Analyse. Die Effektstärken wurden mit dem partiellen Eta-Quadrat (η2) angegeben.
Ergebnisse:
Es wurden 120 Datensätze (Männer n=31 (25,8%), Frauen n=89 (74,2%)) am Ende der IMST und 79 Datensätze (Männer n=25 (31,7%), Frauen n=54 (68,3%)) nach einem halben Jahr ausgewertet. Der Altersdurchschnitt lag bei 55,7(m) bzw. 50,6 Jahren (w). Das Gesamtdurchschnittsalter war 51,8±10,4 Jahre. Bei den verlorenen 41 Patienten dominierten Frauen (n=35; 85,4%).
Nach zweiwöchiger IMST wurde bei 40 Patienten (37%) die Indikation zu ambulanter Psychotherapie (APT) gestellt. Bei 5 Patienten (12,5%) bestand bereits eine APT, bei 9 Patienten (22,5%) gelang deren erstmalige Aufnahme, 13 Patienten (32,5%) folgten der Empfehlung nicht und von 13 Pat. (32,5%) lagen keine Daten vor (Drop-Out).
Bei 32,4% (n=35) erging die Indikation zu stationär-psychosomatischer Therapie (SPT). Bei 7 Patienten (20%) gelang deren Aufnahme, weitere 7 (20%) nahmen eine APT auf. 13% (37,1%) folgten der Empfehlung nicht und von 15 Patienten (42,8%) lagen keine Daten vor (Drop-Out).
Bei 24,1% (n=26) erging die Indikation zu anderen Therapien. Hier konnten ca. 15% in psychotherapeutische Verfahren angebunden werden.
Bei 6,5% erging keine Empfehlung zu psychosomatischer Therapie.
Durch die IMST konnte zum Zeitpunkt der Entlassung die PTM signifikant mit mittlerer Effektstärke (η2=0,154) gesteigert werden (n=120; p≤0,01). Sechs Monate später war die Veränderung (η2=0,016) nicht mehr gegeben (n=79; p>0.05).
Schlussfolgerung:
Die IMST kann die Motivation zu psychotherapeutischer Behandlung bereits nach zwei Wochen signifikant fördern. Da diese im Verlauf abklingt, sollte eine rasche Anbindung erfolgen. Dies ist angesichts der knappen verfügbaren Therapieplätze oft schwierig. Inwieweit die beobachteten geschlechtsspezifischen Unterschiede von Relevanz sind, sollte in zukünftigen Studien untersucht werden.
Unter den Entspannungstechniken ist nach bisherigem Kenntnisstand die Meditation eine der vielversprechendsten Methoden in der medizinischen Anwendung (Astin, Shapiro, 2003).
Für mehr als 80 % aller Rückenschmerzen sind so genannte Funktionsstörungen verantwortlich (vgl. Robert Koch Institut 2006, S.13), die durch bio-psycho-sozialen Dauerstress verursacht werden. Stress ist ein begünstigender Faktor bei chronischen Schmerzen und spielt eine gravierende Rolle. So konnten mit der Stress-Studie - Klangmassage als Methode der Stressverarbeitung und Auswirkungen auf das Körperbild bedeutende Ergebnisse erzielt und belegt werden (vgl. Koller M. et al, 2010).
Achtsamkeitsbasierte Techniken fördern eine bewusste Konzentration auf Sinnesempfindungen, die durch den vibrotaktilen und akustischen Reiz der Klangschalen eine Defokussierung vom Schmerz und eine körperlich-muskuläre-Entspannung provozieren. Diese haben einen messbaren positiven Einfluss auf die vegetative Regulationslage.
Die Klangtherapie wird von mir mit großem Erfolg im Klinikum Westfalen, Dortmund bei Schmerzpatienten angewandt.
In dem Vortrag werden Techniken der Klangtherapie in Kombination mit Achtsamkeitsverfahren, Hypnotherapie und der Applikation von Klangschalen im Sinne einer sprachgeleiteten Klangtherapie um das sensorische und emotionale Schmerzerleben sowie die Schmerzverarbeitung positiv zu verändern sowie körperliche Entspannung und Wohlbefinden zu fördern, aufgezeigt. Auf diese Weise werden für den Patienten/Innen wieder angenehme, positive körperliche Referenzerfahrungen erlebbar und erlernbar. Klangtherapie lässt sich einzeln und in Kombination im Einzel- und Gruppentherapie anwenden und kann häuslich mittels einer CD weitergeführt werden.
Durch den entstehenden Konditionierungseffekt werden plastische Veränderungen neuronaler Schmerznetzwerke zu Gunsten einer positiv besetzten Interozeption gefördert und ein gesundheitsförderndes, ressourcenorientiertes Körpererleben und Wohlbefinden erzeugt. (vgl. Ross U., 2010).
Mittels EEG und MRT konnten sowohl Effekte von Meditation auf Gehirnstrukturen als auch die Gehirnprozesse nachgewiesen werden (vgl. Sedlmeier P, 2016). Ebenso konnten positive Effekte von vibroakustischen Methoden (Klangtherapie) bei Para- und Tetraplegikern in Bezug auf Schmerzen nachgewiesen werden (vgl. Kern M., 2009). Da bei der Klangtherapie keine kognitive Voraussetzung erforderlich ist, ist diese Methode sehr gut bei geriatrisch Erkrankten anwendbar und führt oft zu einer erfolgreichen Therapie. In einer Studie an älteren Patienten mit chronischen Schmerzen zeigt sich im Vergleich zu einer Wartekontrollgruppe eine signifikante Schmerzreduktion durch Imaginationen (Baird, Sands, 2004). Imaginationen sind feste Bestandteile in der Klangtherapie.
Im menschlichen Organismus spiegelt sich die Rhythmik zahlreicher Organe im Herzschlag wieder. Die Messung der sogenannten Herzschlagvariabilität hat sich daher als besonders geeignet zur umfassenden Darstellung und Analyse der Körperrhythmik erwiesen (Mooser, 2008). Die Herzvariabilitätsrate kann bei der Klangtherapie messbar nachgewiesen werden und zeigt einen durchweg entspannten Zustand.
Context: The Gastein valley (GV) in Austria offers Health Resort Medicine (HRM) with a variety of elements (e.g. climatic factors), modalities (e.g. physical therapy) and agents (e.g. radon thermal water) to treat and rehabilitate patients with chronic diseases. The Gastein Healing gallery (GHG) -part of the HRM in the valley- combines several treatment factors such as low-level radon exposure, high humidity & mild hyperthermia in a moderate altitude above sea level. Marked clinical effects in a variety of diseases and domains (e.g. symptoms, reduction of medication, physical functioning and quality of life) are reported regularly by the patients. Our objective is to report the treatment effects in a patient suffering from SFPN.
Methods: A 27 year old male patient took 8 one hour sessions (at 37°, 75% humidity and radon radiation of 44kBq/m3) in the GHG within 2 weeks. He was encouraged to increase his physical activities (walking, hiking) on the days free of gallery session. He had been suffering from SFPN (positive intraepidermal nerve fibre density test) for 2 years with burning pain with red skin (erythromelalgia) in feet, legs, hands & face and abdominal pain, severe constipation and postural orthostatic tachycardia syndrome. During the course of his disease, he tried several medications including anti-epileptics (i.a. gabapentin), antidepressants (i.a. duloxetine), opioids (i.a. tilidine) and ketamine with no noteworthy effects on his symptoms.
The patient was assessed with pain items (VAS) and pain distribution [sum of 24 bodily regions; each region rated on a Likert scale (0-5)] and questionnaires [Fibromyalgia Impact Questionnaire Revised (FIQ-R), Perceived Stress Scale (PSS)] at predefined intervals before and after the gallery sessions (before/directly after/4 weeks/16 weeks).
Results: Pain levels dropped clinically relevant by 20% (abdominal pain) and 30% (overall pain in other areas) after 8 sessions and sustained for 16 weeks. Pain distribution decreased from 37 to 18 after 16 weeks. Improvements were also observed in subscales of FIQ-R (higher numbers denote more severe functional limitations, less well-being higher symptom expression, higher stress levels): physical functioning (19/5/7/9), overall well-being (16/6/11/9), symptoms (27/9/15/14) and the PSS (24/15/15/19). The patient reported a significant improvement of his burning (erythromelalgia) and abdominal pain.
Conclusion: The sessions in the GHG and the stay in the GV had considerable subjective and objective positive effects on the patient. Overall and abdominal pain levels dropped significantly and stayed on a lower level for 16 weeks. Also functional limitations, overall well-being and symptom expression as well as perceived stress improved markedly. To conclude, the mild radon hyperthermia in the GHG and other components of HRM in the GV offered a therapeutical and rehabilitative alternative for this patient suffering from severe SFPN.
Hintergrund/Fragestellung: Schmerztherapie mittels Neurostimulationsverfahren ist eine attraktive Alternative zu Medikamenten, aber die Wirkmechanismen sind nur teilweise verstanden. Mittels transkranieller Gleichstromstimulation (t-DCS) können Hirnareale exzitatorisch (durch anodale Stimulation) oder inhibitorisch (kathodal) moduliert werden. In früheren Studien wurde bei chronischen Schmerzpatienten eine signifikante Schmerzhemmung nach einer anodalen t-DCS über dem Motorcortex beschrieben. Als möglicher Mechanismus der analgetischen Wirkung wird eine Aktivierung der aus dem periaquäduktalen Grau absteigenden Schmerzhemmung diskutiert; Evidenz dazu gibt es bisher vor allem aus Tierstudien. In der vorliegenden Studie haben wir untersucht, ob die anodale t-DCS über dem Motorcortex im Vergleich zur kathodalen und zur Sham-t-DCS bei gesunden Probanden eine Aktivierung der absteigenden Schmerzhemmung und eine Reduktion der Schmerzempfindung bewirkt.
Methoden: Bei 26 gesunden Probanden (Alter: 18-37) wurde in einem Cross-Over-Design die antinozizeptive Wirkung der anodalen t-DCS und der kathodalen t-DCS über dem linken Motocortex randomisiert und doppelblind mit der Wirkung der Sham-t-DCS verglichen. Die t-DCS erfolgte mit einer Intensität von 2mA für 20 Minuten. Die Aktivierung der endogenen Schmerzhemmung wurde einerseits elektrophysiologisch über den nozizeptiven Flexorreflex (RIII-Reflex), andererseits psychophysisch über das Conditioned Pain Modulation (CPM) Paradigma und die Offset-Analgesie quantifiziert. Die supraspinale Nozizeption wurde elektrophysiologisch mithilfe später somatosensibel evozierter Potentiale (SEPs) und psychophysisch mittels Schmerzbewertungen auf einer numerischen Rating-Skala (NRS, 0-10) quantifiziert. Diese Parameter wurden vor, sowie 0, 30 und 60 min nach t-DCS erhoben.
Ergebnisse: Entgegen unserer Hypothese fanden sich keine signifikanten Effekte der t-DCS im Vergleich zur Sham-Stimulation auf die Aktivierung der endogenen Schmerzhemmung (RIII-Reflexflächen (F(3.3,80.3)=0.5, p=0.72), CPM (F(3.0,72.0)=0.6, p=0.64) Offset-Analgesie (F(4.0,95.1)=1.2, p=0.33) ), oder auf die Schmerzbewertungen von elektrischen (F(4.3,102.2)=0.7, p=0.61) oder Hitzereizen (F(5.0,119.1)=1.5, p=0.18).
Diskussion: In der vorliegenden Studie haben weder die anodale noch die kathodale t-DCS eine Wirkung auf das Schmerzempfinden und die absteigende Schmerzhemmung von gesunden Probanden gezeigt. In früheren Studien (Lefaucheur, 2017) wurden vor allem bei chronischen Schmerzpatienten Effekte festgestellt. Ein möglicher Grund für die Unterschiede könnten Unterschiede der Mechanismen der körpereigenen Schmerzhemmung bei chronischen Schmerzpatienten und Gesunden sein.
Hintergrund
Obwohl unser Verständnis bzgl. chronischer Schmerzen wächst, fehlt es immer noch an zufriedenstellenden Therapieoptionen. Ein vielversprechender Ansatz der Forschung der letzten Jahre ist die Rolle der Neuroinflammation im ZNS.
Eine genauere Kenntnis des Einflusses spezifischer Immunzellen auf die Schmerzreaktion könnte zur Entwicklung von Biomarkern führen, die als Prädiktoren für Risikopatienten dienen. Dies könnte ein entscheidender Schritt hin zu einer individualisierten (Biomarker-basierten) Schmerztherapie sein.
Methoden
In diesem BMBF-geförderten Projekt wurde Liquor von Patienten mit Herpes Zoster oder Polyneuropathie mittels Durchflusszytometrie(FACS) analysiert. Wir legten unseren Schwerpunkt auf CD4+(T-Helferzellen), CD8+(zytotoxische T-Zellen), CD14+(Monozyten), CD19+(B-Zellen) und CD56+(NK-Zellen) -Zellen, um ein Zellprofil im Liquor zu erstellen. Um ein somatosensorisches Profil zu erhalten und eine mögliche Chronifizierung aufzudecken, wurde sowohl während der aktiven Phase der Krankheit als auch danach eine Quantitative Sensorische Testung (QST) durchgeführt. Zusätzlich füllten die Patienten Fragebögen bezüglich ihrer Schmerzen, Lebensqualität und Funktionalität aus.
In der Analyse wurden Immunzell- und QST-Profile und Fragebogen-Scores miteinander korreliert, um mögliche neuroinflammatorische Marker und das Risiko einer Schmerzchronifizierung zu bestimmen. Bislang wurden hierfür bei beiden Erkrankungen noch keine Prädiktoren gefunden.
Ergebnisse
In die Analyse wurden 6 Zoster-und 16 PNP-Patienten eingeschlossen, die die Gütekriterien valider FACS-Befunde erfüllten.
Es zeigte sich eine signifikante Korrelation (p=0,004) zwischen der mechanischen Schmerzsensitivität (MPS), einem wichtigen Marker für zentrale Sensibilisierung und der Anzahl der NK-Zellen: Eine hohe NK-Zellzahl korrelierte mit einer niedrigen MPS.
Außerdem fanden wir heraus, dass sich die QST-Profile von Zoster-Patienten hinsichtlich CDT, WDT, TSL, HPT, MDT signifikant (p < 0,05) von denen der PNP-Patienten unterschieden, was auf einen Funktionsverlust der temperatur- und berührungsvermittelnden Fasern bei PNP hinweist.
Die Immunzellprofile, painDETECT-Scores und Schmerzintensitäten unterschieden sich zwischen beiden Patientengruppen nicht signifikant.
Es wurde eine Verlaufs-Testung nach 3 Monaten durchgeführt, die keine signifikanten Unterschiede bzgl. der QST-Profile, den Schmerzintensitäten und den painDETECT-Scores ergab.
Schlussfolgerung
Der Zusammenhang einer Immunaktivität und deren unmittelbarer Auswirkung auf die Schmerzwahrnehmung ist evident.
Studien an Mäusen konnten zeigen, dass Anzahl und Aktivitätsniveau von NK-Zellen mit einem Sensibilitätsverlust korrelieren (Davies et al, 2019). Passend dazu war in unserer Studie eine hohe Anzahl NK-Zellen mit einer verminderten zentralen Sensibilisierung (MPS) assoziiert: Somit könnten natürliche Killerzellen ein Prädiktor für zentrale Schmerzsensibilisierung sein.
Klinische Studien konnten positive Effekte von regelmäßiger körperlicher Aktivität in der Behandlung von nahezu allen Arten chronischen Schmerzes nachweisen (Pickering & Gibson, 2015). Dennoch führen negative Erwartungshaltungen und Ängste der Patienten vor verstärkten Schmerzen während oder nach körperlichen Aktivitäten häufig dazu, Aktivität entweder zu vermeiden oder unter großer Anspannung durchzuführen, was wiederum die sportliche Aktivität weniger effektiv, anstrengender und auch schmerzvoller werden lässt. In der aktuellen Studie untersuchten wir, ob musikalisches Feedback während körperlicher Aktivität diese Ängste positiv beeinflussen kann und darüber auch das Schmerzempfinden bei Patienten mit chronischen Schmerzen senken kann. 24 Patienten mit chronischem Schmerz (20 Frauen, Altersspanne: 34-64, M = 51.67, SD = 6.84) führten beide Bedingungen des Experiments im Rahmen eines Crossover-Designs durch. In der konventionellen Trainingsbedingung führten die Patienten an unterschiedlichen Fitnessgeräten Übungen durch und hörten dabei Musik. In der Musikfeedback Trainingsbedingung führten die Patienten die gleichen Übungen durch während sie mit ihren eigenen Bewegungen Musik gezielt und expressiv spielen konnten. Ergebnisse zeigten, das das Angstempfinden der Patienten signifikant stärker reduziert war, nachdem die Patienten in der Musikfeedback Trainingsbedingung trainierten (Z = 2.520, p = .006, (einseitig), r = .43). Hinsichtlich des Schmerzempfindens konnten zunächst keine signifikanten Unterschiede beobachtet werden. Eine anschließenden Analyse, welche die Patienten mit hohem vs. niedrigem Angstempfinden bei der Eingangserhebung verglich zeigte, dass eine Senkung des Schmerzempfindens durch das Musikfeedback-Training nur bei Patienten mit hohem Angstempfinden beobachtet werden konnte. Die hier beschriebenen angstreduzierenden Effekte von Musikfeedback während körperlicher Aktivität haben eine große klinische Relevanz, da durch die Intervention gesundheitsfördernde körperliche Aktivität angenehmer gestaltet werden kann und insbesondere für Menschen mit hohen Angstwerten zu einer Reduktion von Schmerzempfinden führen kann.
Background: Non-specific low back pain (NLBP) causes an enormous burden to patients and tremendous costs for health care systems worldwide. Treatments frequently are not oriented to guidelines and about 65% of patients with acute or subacute NLBP still report pain after 12 months. The cluster-randomized controlled Rise-uP trial aims to establish a General Practitioner (GP) centered back pain treatment which includes four digital elements: (i) electronic case report form (eCRF), (ii) a treatment algorithm for guideline-based clinical decision making of GPs, (iii) teleconsultation between GPs and pain specialists for patients at risk for development chronic back pain, and (iv) the multidisciplinary Kaia back pain app. After superiority of the Rise-uP concept compared to standard of care has been shown in a three months follow-up the long-term results of the Rise-uP trial (6- and 12 months follow-up) are reported here.
Methods: 111 GPs throughout Bavaria were randomized either to the Rise-uP intervention group (IG) or the control group (CG). Rise-uP patients were treated according to the guideline-oriented Rise-uP treatment algorithm. Standard of care was applied to the CG patients with consideration given to the “National guideline for the treatment of non-specific back pain”. Pain ratings (primary outcome) as well as psychological measures (anxiety, depression, stress), functional ability and physical and mental wellbeing (secondary outcomes) were assessed at the beginning of the treatment and at a 3-, 6- and 12 months follow-up.
Results: In total, 1245 patients (IG: 933; CG: 312) with NLBP were included into the study. The Rise-uP group showed a significant stronger pain reduction compared to the control group after 3 months (IG: M=-33% vs. CG: M=-14%), 6 months (IG: -39% vs. CG: -21%) and after 12 months (IG: -46% vs. CG: -24%). The Rise-uP group was also superior in secondary outcomes (stress, anxiety, depression, functional ability and wellbeing). Interestingly, patients with a high risk of developing chronic pain who received a teleconsultation had a substantially stronger pain reduction (-48%) compared to high-risk patients who did not receive a teleconsultation (-34%) after 12 months. This effect seems to be mediated by a higher Kaia usage in patients who had received a teleconsultation compared to those who did not.
Conclusions: Our results show superiority of the innovative digital treatment algorithm realized in Rise-uP in a long-term observation period of one year, even though the CG also had received relevant active treatment by their GPs. We further show the importance of early risk determination: High-risk patients for chronic pain, who receive a teleconsultation and show enhanced App usage especially benefit from the Rise-uP approach. This provides clear evidence that digital treatment may be a promising tool to sustainably improve the outcome of NLBP treatment and offers potential to bridge treatment in times of social distancing.
Hintergrund
Das Komplex Regionale Schmerzsyndrom (CRPS) präsentiert sich mit sensorischen, autonomen und motorischen Symptomen. Auch an der kontralateralen Extremität scheinen einige dieser Symptome vorzuliegen, was auf einen zentralen Pathomechanismus hindeutet. Daneben werden auch periphere Mechanismen diskutiert. So ergaben sich in einigen Studien Hinweise auf das Vorliegen einer Small-Fiber-Neuropathie (SFN) an der betroffenen und der kontralateralen Extremität [1]. In einer anderen Studie wurde hingegen nur bei 39% der CRPS-I Patienten eine Schädigung der dünnen Nervenfasern (14% isoliert) gezeigt [2]. Insgesamt ist der Pathomechanismus der CRPS-Entstehung noch nicht vollständig geklärt. Aufgrund unserer klinischen Beobachtung, dass bei Patienten mit Erstdiagnose einer chronischen Schmerzerkrankung häufig eine zusätzliche SFN vorlag, war das Ziel dieser Studie zu untersuchen, ob bei CRPS-Patienten Zeichen einer generalisierten SFN außerhalb der betroffenen Extremität detektiert werden können und diese möglicherweise prädisponierend für die Entwicklung eines CRPS ist.
Methoden
Patienten mit einem unilateralen CRPS der Hand entsprechend der Budapest-Kriterien wurden klinisch und mittels Quantitativer Sensorischer Testung (QST) untersucht. Das standardisierte QST-Protokoll des Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz wurde an beiden Handrücken (betroffen und nicht betroffen) angewendet. Zudem wurde eine Thermotestung (Warm- und Kaltschwelle (WDT, CDT), Schwellenwertdifferenz (TSL), Hitze- und Kälteschmerzschwelle (HPT, CPT), paradoxe Hitzeempfindung (PHS)) an beiden Fußrücken durchgeführt. Patienten mit potentiell interferierenden Erkrankungen wurden von der Analyse ausgeschlossen.
Ergebnisse
Bei ca. 2/3 der untersuchten Patienten wurde mindestens ein pathologischer QST-Wert an der betroffenen Hand gezeigt, z.B. eine erhöhte WDT, CDT, TSL oder eine verminderte CPT, HPT. Diese Veränderungen wurden weniger häufig auch an der kontralateralen nicht betroffenen Hand detektiert (48,3%). Über die Hälfte der Patienten zeigte mindestens einen pathologischen QST-Wert am Fuß: 41,4% ipsilateral und 41,4% kontralateral. Die am Fuß detektierten Auffälligkeiten unterschieden sich z.T. von denen an der betroffenen Hand. 27,6% der Patienten zeigten keinerlei QST-Auffälligkeiten am Fuß, weder absolut noch im Seitvergleich. Unter Berücksichtigung grenzwertig normaler QST-Werte (knapp innerhalb des 95% Konfidenzintervalls gesunder Kontrollen), hätte bei 75% der Patienten anhand der QST am Fuß die Diagnose einer SFN gestellt werden können, wenn diese zur Abklärung einer Polyneuropathie ohne das CRPS vorstellig geworden wären.
Schlussfolgerung
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Arbeit, i.S. sensorischer Auffälligkeiten am Fußrücken beidseits bei Patienten mit unilateralem CRPS der Hand, deuten auf das zusätzliche Vorliegen einer generalisierten SFN hin. Diese könnte entweder Prädisposition zur Entwicklung oder Folge eines CRPS sein.
Hintergrund: Bei der Small fiber Neuropathie (SFN) handelt es sich um eine Subgruppe sensibler Neuropathien, die klinisch durch brennende Schmerzen und Missempfindungen besonders an Zehen und Füßen gekennzeichnet ist. Zu Grunde liegt eine Erkrankung der dünn-bemarkten (A-delta) und/oder unbemarkten (C) Nervenfasern, die für Schmerz- und Temperaturwahrnehmung verantwortlich sind. Zunehmend finden sich aber auch Hinweise auf eine Small fiber Pathologie bei anderen Schmerzsyndromen, wie etwa dem Fibromyalgie-Syndrom. Während die klinisch-funktionellen Untersuchungsmöglichkeiten der kleinen Nervenfasern in den letzten Jahren an Methoden gewonnen haben, bleibt die experimentelle Forschung hinter den Erwartungen zurück. Hier sind neue Ansätze nötig, um die Mechanismen der Kleinfaserpathologie besser verstehen zu können. Ziel unseres Projektes ist es, am Beispiel der SFN ein innerviertes 3D Hautmodell aus Patienten-eigenen Hautzellen zu generieren, das als Grundlage sowohl für die Pathophysiologieforschung des neuropathischen Schmerzes, als auch für die Untersuchung potenzieller analgetischer Substanzen dienen kann.
Methoden: Sechs-mm Hautstanzbiopsien wurden von der Oberschenkelaußenseite und dem lateralen Unterschenkel bei Patienten mit SFN und gesunden Kontrollen entnommen und die intraepidermale Nervenfaserdichte immunhistochemisch bestimmt. Aus der Häfte der Hautbiopsie (3-mm) wurden Fibroblasten und Keratinozyten isoliert und 3D Hautmodelle mittels eines optimierten Protokolls aufgebaut. Diese wurden immunhistochemisch mit hematoxylin-eosin (HE) und mit Antikörpern gegen Hautzell- und extrazellulärer Matrix spezifischen Proteinen analysiert. Für die Innervierung der Modelle wurden Fibroblasten zu induzierten pluripotenten Stammzellen reprogramiert und sensible Neurone generiert. Erste innervierte Hautmodelle wurden histologisch analysiert und mit Hilfe von immunhistochemischen Reaktionen mit zellspezifischen neuronalen und peripheren Antikörpern charakterisiert.
Ergebnisse: Wir konnten primäre Fibroblasten und Keratinozyten Zellkultur aus Hautstanzbiopsien von SFN Patienten und gesunden Kontrollen etablieren. Es ist uns gelungen aus diesen Zellen 3D Hautmodelle zu generieren, die morphologisch vergleichbar mit physiologischer Haut ist und auch die hautzellspezifischen Proteine exprimiert. Erste innervierte Epidermismodelle zeigten die Expression neuronaler- und Keratinozyten spezifischer Proteine. Die histologische Struktur enstprach der humanen in vivo Epidermis.
Schlussfolgerung: Die Innervierung eines vollständig humanen, personalisierten 3D in vitro Hautmodelles eröffnet neue Möglichkeiten für die Pathophysiologieforschung von SFN und bietet ein optimales präklinisches Testsystem für neue analgetische Substanzen.
Hintergrund: M. Fabry ist eine X-chromosomal vererbte lysosomale Speicherkrankheit, die durch Mutationen im Gen der α-Galactosidase A (α-GAL A) charakterisiert ist. Der resultierende Enzymdefekt führt zu Ablagerungen des Substrates Globotriaosylceramid (Gb3) in zahlreichen Gewebetypen und Organen, und kann unter anderem zu renaler und kardialer Dysfunktion führen. Auf neurologischer Ebene entsprechen die Symptome einer Kleinfaserneuropathie und umfassen brennende akrale Schmerzen sowie eine veränderte Thermozeption. Bislang konnte allerdings nicht geklärt werden, ob und wie die zellulären Gb3-Ablagerungen zu diesen Symptomen führen. Elektrophysiologische Messungen an Spinalganglienneuronen von α-GAL A defizienten Mäusen ergaben, dass der Einbau schmerzrelevanter Ionenkanäle in die neuronale Plasmamembran durch Gb3 beeinflusst sein könnte. Das Ziel des Projektes ist es, dies an humanen Nervenzellen von M. Fabry Patienten zu überprüfen. Neben der Lokalisation der Ablagerungen sollen die molekulare Zusammensetzung wie auch die physikochemischen Eigenschaften der neuronalen Membran untersucht werden.
Methoden: Aus Hautstanzbiopsaten von Patienten und gesunden Kontrollen werden Fibroblasten isoliert und in vitro zu induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) reprogrammiert. Nach Differenzierung der iPS-Zellen zu sensiblen Neuronen werden die Gb3-Ablagerungen mit Hilfe der fluoreszent-gelabelten B-Untereinheit des Shigatoxins visualisiert. Die zur Lokalisation der Ionenkanäle angestrebte superhochaufgelöste Mikroskopie wird durch den Test neuer Antikörper und Toxine gegen neuronale Ionenkanäle vorbereitet. Durch endogene Markierung der Kanäle über das CRISPR/Cas-System werden Alternativen zur klassischen Färbung geschaffen. Während Fluorescence Recovery after Photobleaching (FRAP) die Membranmobilität der Neurone untersucht, liefert die Fluorescence Lifetime Imaging Microscopy (FLIM) Hinweise zur Spannung innerhalb der Plasmamembran.
Ergebnisse: Die Generierung der Neurone in vitro ist etabliert und ermöglicht Vergleiche der Gb3 Ablagerungen bei verschiedenen patientenspezifischen Linien. Der Einsatz von FRAP und FLIM ergab bezüglich Membranmobilität und -spannung bislang keine Unterschiede zwischen Neuronen von M. Fabry Patienten und Kontrollen. Erste Transfektionen an iPS-Zellen zur Vorbereitung des CRISPR/Cas-Systems verliefen positiv, Färbungen mittels zweier Toxine gegen schmerzrelevante Kationenkanäle werden aktuell etabliert.
Schlussfolgerung: Trotz der Einschränkungen eines in vitro-Laborsystems bieten die aus iPS-Zellen generierten Neurone zahlreiche Möglichkeiten zur Untersuchung des zellulären Einflusses von Gb3 auf den Krankheitsphänotyp. Sollte die gleichzeitige Visualisierung der Ionenkanäle gelingen, würde man der Entschlüsselung der Pathophysiologie von M. Fabry einen großen Schritt näherkommen.
Fragestellung
Kälte-evozierte Potenziale (cold-evoked potentials, CEP) haben sich als verlässliche Methode erwiesen, die Integrität von A-delta-Fasern darzustellen. Ein experimentell induzierter A-delta-Faser-Funktionsverlust, konnte bei jungen, gesunden Probanden nachgewiesen werden.
Diese Studie soll feststellen, ob eine A-delta-Faser Schädigung bei Patienten mit Polyneuropathien (PNP) und Morbus Fabry, nachgewiesen werden kann.
Methoden
Die Untersuchung erfolgte bei einer gesunden Kohorte (n = 22), bei PNP-Patienten (n = 21) und bei Fabry-Patienten (n = 15).
Für die Ableitung der CEP wurde am Hand- und Fußrücken mit 25 Kältereizen stimuliert.
Zusätzlich wurde eine Quantitative Sensorische Testung (QST) nach DFNS-Protokoll durchgeführt. Die im QST erfasste Kältedetektionsschwelle (cold detection threshhold, CDT) wurde als „Goldstandard“ für Erfassung einer A-delta-Faser-Schädigung gewertet.
Alle Aufnahmesegemente des EEG, die Artefakte im Bereich um das Potenzial enthielten, wurden aus der Auswertung ausgeschlossen (max. 50%). Aus allen Einzelpotenzialen wurde ein Average gebildet.
Ein am Fußrücken erfasstes Potenzial wurde dann gewertet, wenn auch am Handrücken eines zu erfassen war.
War am Fußrücken kein Potenzial messbar, wurde dies bei einer dies bei einer pathologischen CDT als Potenzialausfall gewertet. Andernfalls wurde von einer Beeinträchtigung der Messung ausgegangen.
21 Normalprobanden, 13 PNP-Patienten und 13 Fabry-Patienten gingen in die endgültige Auswertung ein.
Ergebnisse
Fünf PNP-Patienten und ein Fabry-Patient zeigten einen Potenzialausfall am Fußrücken.
Weiterhin zeigt sich bei PNP-Patienten und bei Fabry-Patienten nach Korrektur für das Alter eine Korrelation zwischen einer höheren CDT und längeren Latenzen der N2 (PNP: p=0,012) und der P2 (PNP: p=0,028; Fabry: p=0,049).
PNP-Patienten zeigen signifikant längere Latenzen als Gesunde (P2: 790,33 ± 237,85 vs 606,33 ± 51,71; p=0,042) und Fabry-Patienten (N2: 674 ± 231,76 vs 463,08 ± 97,26; p=0,012; P2: 790,33 ± 237,85 vs 568.08 ± 108.06; p=0,005). Im Vergleich zu Gesunden zeigten die Patienten mit Morbus Fabry keine Latenzverlängerung, was sich am ehesten darin begründet, dass sie im Schnitt jünger und kleiner waren.
Auch zeigen PNP - Patienten im Vergleich zu Gesunden (Hand: 8,17 ± 4,28 vs 10,22 ± 2,62; p=0,022; Fuß: 4,21 ± 4,36 vs 7,75 ± 4,45; p=0,045) und Fabry-Patienten (Fuß: 4,21 ± 4,36 vs 8,38 ± 2,89; p=0,046) signifikant niedrigere Amplituden.
Schlussfolgerung
CEP eignen sich als Methode, um eine Schädigung der A-delta Fasern bei Patienten mit PNP und Morbus Fabry nachzuweisen. Bei Patienten, welche einen Ausfall der Kältedetektion im QST haben, ist auch kein Potenzial vorhanden. Patienten mit einer pathologisch erhöhten CDT, haben eine verlängerte Latenz.
Jedoch stellen die hohe erforderliche Compliance und die Störanfälligkeit der Methode Limitationen dar.
Hintergrund:
Die SARS-CoV-2 Pandemie wurde bereits als „globale Krise für die psychische Gesundheit“ bezeichnet. Auf Grund der wechselseitigen Beeinflussung von Psyche und Schmerzerlebnis ist der aktuelle Zustand von Schmerzpatienten von Interesse. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, ob und inwiefern die am 22.3.20 beschlossenen Pandemie- Restriktionen des Bund- Länder Beschlusses Schmerz, Psyche und Alltag von Patienten mit schmerzhafter Polyneuropathie beeinflussten.
Methoden:
Zwei Wochen nach Inkrafttreten o.g. Restriktionen erhielten 63 Patienten mit schmerzhafter Polyneuropathie zur Untersuchung von Schmerz, Psyche, Schlaf, Lebensqualität und Lifestyle validierte, standardisierte Fragebögen. Mit ergänzenden Fragen wurden Bereiche des Alltags abgefragt, in denen pandemiebedingt Veränderungen eingetreten sein könnten. Diese Kohorte war für andere Studien bereits durch validierte Fragebögen charakterisiert worden (= t0). Diejenigen, die zum Zeitpunkt des Einschlusses in diese Studie (=t1) im Vergleich zu t0 keine oder geringe Veränderungen des allgemeinen Gesundheitszustandes aufwiesen, wurden in die Analyse eingeschlossen (n=43). Somit war ein intraindividueller Vergleich zwischen Baseline und aktueller Erhebung möglich. Zudem wurden Subgruppen mit Frage nach sozialen Veränderungen ja/nein und Schmerzintensität der letzten sieben Tage verglichen.
Ergebnis:
Lediglich 11,6% der Kohorte beklagte pandemiebedingt eine Schmerzzunahme, 48,8% eine schlechtere Stimmung. Eine signifikante Verschlechterung o.g. Parameter zeigte sich in der Gesamtkohorte nicht, jedoch interessanterweise eine Verbesserung des Neuropathic Pain Symptom Inventory (NPSI) Gesamtscores. Der Rumination Score (i.e. grübeln über Schmerzen) des Pain Catastrophizing Scale (PCS) zeigte eine signifikante Abnahme. In der Subgruppe von Patienten mit Veränderungen im Sozialleben waren die Schmerzratings der letzten 7 Tage erhöht. Die Subgruppe der Patienten mit erhöhten Schmerzrating wies eine Verschlechterung der Lebensqualität auf.
Schlussfolgerungen:
Die Ergebnisse suggerieren, dass die akute Bedrohung einer globalen Pandemie die Aufmerksamkeit der Gesamtkohorte von ihren chronischen Schmerzen ablenkt. Inwiefern sich die hier gemessenen Parameter in den kommenden Wochen bei persistierenden Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens entwickeln werden, bleibt von Interesse und sollte weiter untersucht werden.
Hintergrund
Bei Reizung der muskulären Nozizeptoren kommt es zur reflektorischen Inhibition der
Muskelvasokonstriktorneurone mit simultanem Blutdruckabfall, wobei die
physiologische Reflexaktivierung im Sinne eines Barorezeptorreflexes ausbleibt
(Kirillova-Woytke et al., 2014).
Material und Methoden
An narkotisierten Ratten wurde eine Lateralisierung dieser Reaktion durch
vergleichende Analyse bei ipsi- und kontralateraler Reizung getestet und die
Hypothese einer zentralen Organisation dieses Reflexes untersucht.
Unter Ableitung der Aktivität der Muskelvasokonstriktorneurone wurden mittels
intramuskulärer Bolusinjektion von hypertoner Kochsalzlösung in den ipsi- und
kontralateralen Musculus triceps surae die muskulären Nozizeptoren gereizt.
Zur vergleichenden Analyse der physiologischen Aktivitätsänderung der
Muskelvasokonstriktorneurone bei Reizung der Barorezeptoren wurde ein artifizieller
Blutdruckabfall mittels intravenöser Isoproterenolgabe erzeugt. Als Maß für die
Barorezeptorkontrolle wurde die kardiale Rhythmizität analysiert und hierfür eine
systematische Methode zur Erfassung und statistischen Analyse entwickelt.
Ergebnisse
Reizung sowohl der ipsi- als auch der kontralateralen Nozizeptoren führte zu einer
Aktivitätsabnahme der Muskelvasokonstriktoraktivität. Nach 30 Sekunden wurde
jeweils der Tiefpunkt erreicht und in den folgenden 2,5 Minuten näherte sich die Kurve
asymptotisch der Spontanaktivität bis zur vollständigen Regeneration. Bei gleichem
Blutdruckabfall war die Aktivitätsabnahme bei ipsilateraler Reizung fast doppelt so
groß wie bei kontralateraler Injektion. Bei medikamentös induziertem Blutdruckabfall
war ein deutlicher Anstieg der Muskelvasokonstriktoraktivität zu beobachten, und zwar
umgekehrt proportional zur nozizeptiven Reizung. Bei der vergleichenden Analyse der
kardialen Rhythmizität wurde bei allen drei Interventionen eine ähnliche Abnahme
nach zeitlicher und prozentualer Normierung sichtbar.
Schlussfolgerung
Insgesamt zeigte sich nach muskulärer Nozizeptorreizung eine beidseitige
Reflexinhibition mit Lateralisierung. Ipsilateral war die Abnahme der
Muskelvasokonstriktoraktivität fast doppelt so stark wie bei kontralateraler Reizung.
Die kardiale Rhythmizität sank sowohl bei beidseitiger Nozizeptorreizung wie auch bei
medikamentös induziertem Blutdruckabfall. Die Resultate geben einen Hinweis auf
eine zentrale Organisation dieses Reflexes.
Background and study aim: Spatial summation of pain (SSp) refers to the increase in pain when the stimulated area is increased while the stimulation intensity remains constant (area-based SSp). A summation of pain also occurs when the distance between two stimuli increases (distance-based SSp). Although these two paradigms are well established and of high clinical relevance, the current under-standing of the underlying mechanisms is insufficient. Furthermore, a knowledge gap in SSp literature concerns mainly the reliability of SSp, which has never been assessed. For this reason, this thesis is dedicated to answer the question as to whether different paradigms of SSp are reliable.
Methods: Twenty-four healthy subjects were included in the study and evaluated on two con-secutive days with respect to the area- and distance-based SSp. Electrocutaneous stimuli were used, which were applied to the outer side of the non-dominant hand via five electrodes. Stimuli of mild, moderate and strong intensity were used to induce area-based and distance-based SSp. For the area-based paradigm, participants received stimuli by using a single electrode or up to five electrodes. For the distance-based paradigm the same electrode placements were used but the distance between two electrodes (activated at the same time) was manipulated. Either a single or two electrodes separated by 0, 1, 2 or 3cm. Pain induced by each stimulus type was evaluated by the subjects on a “0” to “100” Numerical Rating Scale (NRS). To test the within-day reliability, two sessions were performed on the first day (15’ interval). To test the between-day reliability, a third session on the second day was per-formed (24h interval). The reliability was quantified using the intraclass correlation coefficient (ICC), the standard error of measurement (SEM) and the smallest detectable difference (SDD).
Results: It is apparent that the between-day reliability of SSp (ICC(2,3) from 0.50 to 0.80) is higher than within-day reliability (ICC(2,3) from 0.28 to 0.75). Comparing the two paradigms showed that the distance-based SSp is more reliable (ICC(2,3) from 0.39 to 0.80) than the area-based SSp (ICC(2,3) from 0.28 to 0.79). When SSp was induced by stimuli eliciting strong pain (NRS 70/100) the highest reliability was found (ICC(2,3) from 0.57 to 0.79).
Conclusion: This study demonstrated that not only the used paradigm but especially the inten-sity of pain has an influence on the reliability of SSp. Poor reliability of small intensity paradigms might explain negative results of previous case-control studies. More reliable effects were found when testing the paradigms and intensities on two consecutive days than within the same day. Since no reliability study on SSp has been conducted so far, this is the first study that proves SSp to be a reliable paradigm depending on its type and intensity used.
Background and aims: Spatial summation of pain (SSp) occurs when subthreshold inputs from different sites induce action potentials in afferent neurons. In pain, SSp might explain why pain increases when the stimulated area is increased (area-based SSp) or when the distance between two stimulated sites is increased (distance-based SSp). SSp reflects how pain is facilitated and integrated in the central nervous system but little is known about factors influencing the magnitude of SSp and -despite years of investigation- the reliability of SSp has never been assessed. The aim of this study is therefore to investigate the effect of the stimulus intensity on the magnitude and reliability of SSp.
Methods: Healthy participants were recruited and assessed in terms of area- and distance-based SSp using electrocutaneous stimuli. Five electrodes were attached to the ulnar side of the non-dominant hand. SSp was determined for both SSp types, i.e. area- and distance-based SSp, using individually calibrated stimulus intensities inducing pain at the levels of 30, 50 and 70 out of 100 on a 0-100 VAS scale. In the area-based paradigm, participants received stimuli applied to a single electrode or sum of maximum five electrodes. In the distance-based paradigm a single electrode was activated or two electrodes with distances of 0, 1, 2 or 3cm. After each stimulus participants rated the intensity of pain using the same VAS scale. For each intensity level participants received 5 stimuli repeated 3 times. They were not informed about intensity level used in a given trial. Area- and distance-based SSp were assessed twice during the first day and once during the second day to determine the reliability.
Results: Preliminary results indicate that SSp might be effectively induced using electrocutaneous stimuli in both paradigms but the slope for the SSp is slightly higher for area-based (m = 11.71) compared to distance-based SSp (m = 8.66). The effect of the intensity on the magnitude and reliability will be presented at the IASP congress.
Conclusions: Spatial summation of pain can be effectively induced using electrocutaneous stimuli, however, a more pronounced effect seems to be elicited by the area-based paradigm.
Relevance for patients: Spatial summation of pain is a test paradigm for assessing pain facilitation in humans. It can be used to ensure a valid diagnosis, prediction and treatment response in different pain states, however reliability and validity of this remains to be evaluated.
Hintergrund: Weltweit werden jährlich mehr als 300 Millionen chirurgische Eingriffe durchgeführt, die zumeist mit Schmerzen assoziiert sind. Starke postoperative Schmerzen beeinträchtigen die Genesung und können chronifizieren. Trotz intensiver Forschung sind Mechanismen postoperativer Schmerzen immer noch nicht ausreichend verstanden [1]. Translationale Untersuchungen sind möglicherweise ein Weg, relevante pathophysiologischen Prozesse zu identifizieren [2]. In der vorliegenden Studie haben wir mittels Proteomics an Hautproben Proteine identifiziert, die differentiell reguliert sind und möglicherweise zu Schmerz und Hyperalgesie nach einer Inzision beim Menschen beitragen können.
Methoden: An 26 ♂ Probanden (~24 Jahre) wurden vor der Inzision psychophysische Tests (Fragebögen, quantitative sensorische Tests (QST)) durchgeführt, um das Probandenkollektiv zu charakterisieren. Eine experimentelle Inzision durch Haut und Faszie wurde am Unterarm (Seite randomisiert) durchgeführt. Nach der Inzision wurde die Empfindlichkeit gegenüber mechanischen Stimuli (von Frey-Filamenten, Pin Prick) am ipsilateralen (Testareal (TA)) und am kontralateralen Arm (Kontrollareal (CA)) beurteilt. Zusätzlich wurde das Hyperalgesie-Areal (HA) ermittelt und der zeitliche Verlauf des Ruheschmerzes (NRS 0-100) bestimmt. Für das Proteom-Profiling der Haut wurde 24 Stunden nach der Inzision eine Biopsie aus dem TA und CA entnommen. Proteomics wurde mittels Massenspektrometrie auf einem HFX-Massenspektrometer durchgeführt.
Ergebnisse: Der Ruheschmerz war während der Inzision maximal (17,5; 9-35; Median, 95%CI) und nahm in den ersten 60 Minuten danach stetig ab (p < 0,001). Zusätzlich wurde die mechanische Hyperalgesie 1 und 24 Stunden (Std.) nach Inzision gemessen. Ein HA war sowohl nach 1 Std. (68,7 cm2 ± 50,9; Mittelwert ± SD) als auch nach 24 Std. (45,04 cm2 ± 49,6) vorhanden. Probanden mit großen (> 68 cm2 bei 1 Std., > 45 cm2 bei 24 Std., n=7) und kleinen HA (< 68 cm2 bei 1 Std., < 45 cm2 bei 24 Std., n=12) wurden für Proteomics gruppiert. Die differentielle Proteom-Analyse und die Identifikation der Proteinnetzwerke wurde durch einen Vergleich zwischen diesen beiden Gruppen, sowie zwischen TA und CA, als auch für jeden Probanden durchgeführt.
Schlussfolgerung: Die psychophysischen Ergebnisse unserer Untersuchungen stimmen mit früheren Befunden in diesem Schmerzmodell überein [2]. Wir konnten zwei Gruppen identifizieren, welche sich sowohl in der Ausprägung ihres HA als auch in damit korrelierenden Veränderungen des Proteoms unterscheiden. Interessanterweise zeigte die Analyse der individuellen Proteome (TA vs. CA) Überschneidungen, als auch Individuum-spezifische Veränderungen. Unsere Daten zeigen einen neuen Proteom-basierten Weg auf, bisher unbekannte Mechanismen, die dem Inzisionsschmerz zugrunde liegen, aufzudecken – eine Voraussetzung für die Identifikation neuer therapeutischer Zielstrukturen.
Hintergrund
Ob Schmerzen chronifizieren oder nicht wird u.a. durch die komplexen Prozesse der endogenen Schmerzmodulation geleiten [2]. Es existieren zahlreiche Paradigmen anhand der man die Kapazität der endogenen Schmerzmodulation quantifizieren kann. Häufig genutzte Paradigmen, sind Conditioned Pain Modulation (CPM), Offset Analgesia (OA), Temporal (TSp) und Spatial Summation (SSp) [1–3]. In zahlreiche Studien wurden die zugrundeliegenden Mechanismen der Paradigmen untersucht, dennoch sind die physiologischen Mechanismen nicht vollständig geklärt. Bis lang ist unklar, ob alle vier Paradigmen vergleichbare Messergebnisse liefern und damit das selbe Konstrukt der Schmerzmodulation messen. Die Korrelation der Paradigmen unter Verwendung identischer Schmerz- und Intensitätsmodalität, sowie identischer zeitlicher und räumlicher Aspekte wurden bislang noch untersucht, und stellt daher das Studienziel dar.
Methoden
Für diese randomisierte Kohortenstudie wurden gesunde und schmerzfreie Probanden (n=48) im Alter von 18 bis 65 rekrutiert. Mit einer 15-minütigen Pause, um einen Übertragungseffekt zu vermeiden, wurden alle vier Messungen an einem Tag durchgeführt. Alle Hitzestimuli wurden mit einer CHEPS Thermode (Contact-Heat-Evoked Potential Stimulator) am nicht dominanten Unterarm appliziert. Zur Bewertung der Schmerzintensität wurde bei allen vier Paradigmen eine computergestützte visuelle Analogskala genutzt. Alle Hitzestimuli wurden zuvor auf 50 von 100 auf einer visuellen Analogskala kalibriert und individualisiert. Für das CPM-Paradigma wurden vor, während und nach einem Handeisbad die Probanden aufgefordert Hitzestimuli der individuellen Temperatur zu bewerten. Das OA-Paradigma beinhalte typischerweise sowohl Hitzestimuli von Offset trials und Constant trials. Das SSp Paradigma enthielt zwei Stimuli (keine und teilweise bedeckter Thermodenkopf). Für die die TSp Messung wurden sowohl der Hitzeschmerz des ersten und des zehnten Hitzestimuli bewertet. Die statistische Analyse wurde mittels Pearson Korrelation und lineare Regression durchgeführt.
Ergebnisse
Es wurde eine schwache Korrelation zwischen TSp und SSp gefunden (rp= .373, p= .0013, N=48) gefunden. Es wurden keine weiteren signifikanten Korrelationen zwischen den Paradigmen gefunden, insbesondere nicht bei OA und CPM, die normalweise beide die endogene Schmerzinhibition messen. Diese Paradigmen scheinen also verschiedene Aspekte der Schmerzmodulation zu messen und sind somit wohl nicht austauschbar. Die Beurteilung der Fähigkeit der Schmerzmodulation eines Patienten nach einem Paradigma scheint nicht ausreichend zu sein, weshalb mehrere Paradigmen angewandt werden müssen.
Offset-Analgesie (OA) ist ein Testverfahren, das zunehmend zur Beurteilung der körpereigenen Schmerzhemmung verwendet wird. Dabei wird Offset Analgesie durch eine unverhältnismäßig große Schmerzreduktion nach einer kleinen Abnahme eines Hitzestimulus gekennzeichnet. Obwohl die endogene Schmerzhemmung als ein äußerst wichtiger Faktor bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen beschrieben wird, sind die zugrundeliegenden Mechanismen noch unzureichend verstanden. Bei chronischen Schmerzpatienten scheint die OA reduziert zu sein, der Einfluss von akuten Schmerzen und der unmittelbare Effekt von sportlichen Trainingsreizen ist dagegen nur unzureichend erforscht. Das Ziel der Studie war es, zu untersuchen ob OA durch zwei verschiedene experimentelle akute Schmerzmodelle (Kälteschmerzmodell und einen statischen Trainingsreiz) beeinflussbar ist.
Gesunde, schmerzfreie Probanden (n = 75) wurden in einer kontrollierten Studie randomisiert einer der drei Gruppe (Kälteschmerz, Trainingsreiz, Kontrollgruppe) zugeordnet. Die Kälteschmerzgruppe erhielt die Aufgabe drei Minuten lang eine Hand in kaltes Wasser einzutauchen, während die Trainingsgruppe aufgefordert wurde, drei Minuten lang eine statische Greifübung durchzuführen. Die Kontrollgruppe erhielt keine Intervention. Ein individualisiertes OA-Paradigma bestehend aus einem Offset Trial und eine Constant Trial wurde verwendet. Das OA-Paradigma wurde in jeder Gruppe (Kälte, Training, Kontrolle) dreimal mittels einer Thermode (Gerät, welches einen kontrollierten Hitzereiz abgibt) am dominanten Unterarm induziert. Die Messungen erfolgten unmittelbar vor, während und nach den Interventionen. Das Prozedere wurde an der anderen (kontralateralen) Seite wiederholt. Mittels einer Varianzanalyse wurden die Daten statistisch ausgewertet (p < 0,05).
Beide Interventionen produzierten einen moderaten bis starken experimentellen Schmerzreiz (Trainingsreiz 58,5/100 (SD 27,9); Kälteschmerz VAS 50,4/100 (SD 20,3) der visuellen Analogskala). Das Ausmaß der OA war während beider Interventionen reduziert, sowohl am betroffenen (p ≤ 0,001) als auch am nicht betroffenen Arm (p < 0,05). Nach den Interventionen wurde der Offset-Effekt nur auf der betroffenen Seite beobachtet (p < 0,05). Es wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den Interventionen gefunden.
Diese experimentelle Studie zeigte, dass OA unter experimentellen Bedingungen modifiziert werden kann. Zum ersten Mal wurden die stimulierte und die kontralaterale nicht-stimulierte Seite verglichen und Messungen unmittelbar vor, während und nach den Versuchsbedingungen durchgeführt. Bei beiden experimentellen akuten Schmerzzuständen wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe und zur Messung vor der Intervention eine signifikant reduzierte OA-Antwort beobachtet. Somatotopische Unterschiede wurden allerdings nach den Interventionen gefunden.
Hintergrund: M. Fabry (Fabry disease, FD) ist eine X-chromosomal vererbte lysosomale Speicherkrankheit, die durch Mutationen im α-Galaktosidase A-Gen ausgelöst wird. Dies führt zur Ablagerung von Globotriaosylceramid (Gb3) in Gewebe. Betroffen sind u.a. das zentrale und das periphere Nervensystem. Patienten leiden häufig unter brennendem Schmerz, der u.a. durch Hitze und Fieber ausgelöst werden kann. Wie Gb3 zu diesen Beschwerden führt ist weitgehend unbekannt. Ein Grund hierfür ist die Schwierigkeit an humanem Nervengewebe zu forschen, da dieses Biomaterial nicht einfach gewonnen werden kann. Daher haben wir ein in vitro Modell entwickelt, bei dem wir induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC) aus Hautfibroblasten gewinnen und diese zu peripheren sensiblen Neurone differenzieren. Wir möchten prüfen, ob wir dieses System nutzen können, um Einblicke in die Pathophysiologie von FD-Schmerzen zu erhalten.
Methodik: Zwei männliche Patienten (FD1, FD2) und eine männliche Kontrolle wurden rekrutiert. Obwohl beide Patienten Träger einer hemizygoten Nonsense-Mutation waren, berichtete FD1 von typischen Schmerzen, wobei FD2 keine Schmerzen hatte. iPSC wurden mittels mRNA aus dermalen Fibroblasten generiert und zu peripheren sensiblen Neuronen differenziert. Neuronale Gb3 Ablagerungen wurden markiert und anschließend analysiert. Zusätzlich wurden Calcium-Imaging Versuche zur Untersuchung der zellulären Aktivität durchgeführt.
Ergebnisse: Wir konnten patienteneigene iPSC von beiden FD Patienten und der Kontrolle herstellen und daraus periphere sensible Neurone gewinnen. Gb3 konnten wir in Patienten-iPSC und -Neuronen nachweisen. Durch in vitro Enzymsubstitution reduzierten sich die Ablagerungen deutlich. Es zeigte sich auch, dass die Ablagerungen nicht nur exklusiv in den Neuronsomata zu finden sind, sondern auch proximal in den Neuriten vorkommen. Mittels Calcium-Imaging konnten wir nachweisen, dass die neuronale Aktivität in FD-Neuronen bei erhöhter Temperatur in vitro höher ist als bei Kontrollen.
Schlussfolgerung: Unsere patienten-eigenen Neurone imitieren den zellulären FD-Phänotyp, können mittels Enzymersatz „behandelt“ werden und reagieren auf einen typischen FD-Schmerzstimulus mit erhöhter Aktivität. Somit haben wir die solide Basis für künftige in vitro Experimente geschaffen, um den Pathomechanismus von Schmerz bei FD zu entschlüsseln.
Hintergrund: Die Erfassung von Schmerz-assoziiertem Verhalten im Tier ist in der präklinischen Mechanismen-basierten Forschung essentiell für einen translationalen Ansatz. Die Bewertung der Pfoten-Rückzugsreaktion (RR) bildet in ihrer traditionellen binären Form als ja-nein Antwort jedoch nur unzureichend qualitative Aspekte ab. Neuere Ansätze nutzen eine video-basierte Auswertung der RR in der Maus [1], mit dem Ziel, verschiedene Phänotypen zu identifizieren und qualitativ auszuwerten. Durch die Phänotypisierung der Schmerzexpression im Rahmen der RR können sowohl reflexive als auch affektive Aspekte in die Analyse eingehen und damit eine Charakterisierung der Schmerzverarbeitung auf unterschiedlichen Ebenen ermöglichen [1]. In dieser Studie haben wir zunächst die videobasierte Analyse der RR an Mäusen etabliert und dann in Modellen für den Inzisions-bedingten (INC) und neuropathischen Schmerz (SNI) angewendet.
Methoden: Es erfolgte 1. die Etablierung des Versuchsaufbaus, sowie 2. die Untersuchung zweier Kohorten von C57-Mäusen (♂, n=10), die einem der beiden Schmerzmodelle (INC und SNI) zugeordnet wurden. Bei jedem Tier wurden mechanische Stimuli unterschiedlicher Modalität (Air Puff, Cotton Swab, Dynamic Brush, von Frey-Filamente 0.2g, 0.4g, 0.6g, 1.0g) und PinPrick 0.6g) auf den plantaren Aspekt der Pfote appliziert und die RR videobasiert (GoPRO®, 240 Bilder pro Sekunde (fps)) aufgezeichnet. Pro Kohorte wurden 3 Trainings-Sessions, 2 Baseline-Messungen, sowie Testungen an verschiedenen Zeitpunkten nach der Operation durchgeführt. Die Aufnahmen wurden von 3 verblindeten Experimentatoren (offline) auf Schmerz-assoziierte Parameter (u.a. das Auftreten von Shaking, Guarding und deren Häufigkeit, sowie die Rückzugs-Geschwindigkeit, max. Höhe der Pfote, etc.) analysiert [1].
Ergebnisse: Die Optimierung einzelner Versuchsbedingungen (Habituierung (15 min), Käfiggröße (6x4x4cm, LxBxH), Ausleuchtung, etc.) und Video-Parameter (Kamera-Typ, Bildrate (240 fps), Auflösung, Bildwinkel (120°), etc.), erfolgte, um eine exzellente Validität der Ergebnisse und der Videos für die Analyse zu gewährleisten. Die Auswertung der Videos der beiden Kohorten ist extrem komplex und die Daten werden am Poster präsentiert.
Schlussfolgerung: Mit unserem aktuell etablierten Versuchsaufbau kann eine differenzierte Phänotypisierung der RR auf verschiedene mechanische Stimuli erfolgen. Diese sollen Hinweise auf unterschiedlichen Ebenen der Schmerzverarbeitung zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach den Verletzungen geben. Perspektivisch soll eine vergleichende Untersuchung mittels optogenetischer Aktivierung peripherer afferenter Neurone erfolgen, um deren Beiträge zu den einzelnen Modalitäten in verschiedenen Schmerzmodellen zu untersuchen.
Hintergrund
Neben Modulation von Entzündungsprozessen spielt das proinflammatorische Zytokin IL-6[1] auch eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel. Anhand eines osteoporotischen Frakturmodells[2] der Maus wird der Einfluss von IL-6 auf die Entwicklung einer zerebralen Hyperalgesie untersucht. Hierzu wurden Unterschiede in 1) Resting State (RS) und 2) Schmerz-induzierten Gehirnnetzwerken (basierend auf funktioneller Konnektivität[3], FC) zwischen weiblichen hysterektomierten C57Bl/6J Wildtypmäusen mit und ohne IL-6-Blockade analysiert.
Methoden
4 Wochen nach Hysterektomie, bei bereits gut ausgebildeter Osteoporose, wurden die grundlegenden RS-Netzwerke sowie die basale Schmerzverarbeitung peripherer Hitzereize (dorsale Seite beider Hinterpfoten, abwechselnd 4 aufsteigende, kurze Hitzereize) in einer ersten Baseline BOLD-fMRT-Messung[4] (4.7T Bruker Biospec, GE EPI) charakterisiert. Nach 3 Tagen wurde am Femur des linken Beins eine Fraktur gesetzt und mit einem Fixateur extern stabilisiert. An den Tagen d5 und d21 nach Fraktur wurde die fMRT-Sitzung wiederholt, um die zeitliche Entwicklung einer zerebral-reflektierten Hyperalgesie zu verfolgen. Die Tiere wurden zufällig in 2 Gruppen eingeteilt: die erste Gruppe erhielt i.p. an Tag 9, 13 und 17 einen IL-6-gerichteten Antikörper, die zweite Kontroll-Gruppe analog PBS.
RS- und Stimulus-getriebene Gehirnnetzwerke wurden aufgrund temporaler Korrelation (FC) der Gehirnstruktur-spezifischen[5] BOLD-Zeitverläufe berechnet[4], und Unterschiede zwischen Zeitpunkten und Gruppen statistisch abgesichert (FDR Korrektur).
Ergebnisse
Verglichen zur Baseline zeigten die RS-Netzwerke an d5 eine verstärkte FC des zur Fraktur ipsilateralen sensorischen Kortex, während die FC des limbischen Systems reduziert war. An d21PBS war die Zunahme kortikaler FC bereits geringer ausgeprägt. Die Abnahme im limbischen System und im übrigen Kortex hingegen war verstärkt. Die IL-6-Blockade verhinderte a) die Zunahme der sensormotorischen FC fast vollständig und b) führte zu einer deutlich stärkeren Abnahme in den übrigen kortikalen sowie in limbischen Bereichen im Vergleich zu d21PBS. Nach Hitzestimulation des zur Fraktur kontralateralen Beines mit schmerzhaften Temperaturen zeigten die Tiere an d5 eine Zunahme der FC in Thalamus und Hypothalamus verglichen zur Baseline, welche an d21PBS noch einmal deutlich verstärkt war. Nach Il-6-Blockade hingegen fanden sich nur noch geringe Unterschiede zwischen d21IL6 und Baseline, als Zeichen einer annähernd vollständigen Reversion der zerebralen Hyperalgesie.
Schlussfolgerung
Sowohl die Analyse der RS- als auch Stimulus-getriebenen Gehirnnetzwerke zeigten, dass anhaltender Schmerz (experimentelle Fraktur) selektiv Subnetzwerke moduliert, sie den Heilungsverlauf widerspiegeln und effektiv die positiv-analgetische Auswirkung einer systemischen IL-6-Blockade aufzeigen können. Hierbei erwies sich vor allem kortikale und limbische FC als zuverlässiger Marker einer zerebralen Hyperalgesie.
Hintergrund:
Schmerz ist ein Schlüsselsymptom bei inflammatorischen Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis (RA, 1,2) oder Morbus Crohn (MC, 3). Hierbei manifestiert sich Schmerz im Gehirn als komplexes Aktivitätsmuster, welches mittels BOLD fMRI nicht-invasiv, objektiv und hochauflösend erfasst werden kann. MRI gilt als der Goldstandard für die Untersuchungen des Gehirnes. Bei obigen Erkrankungen ist TNF-alpha ein Schlüsselmolekül im molekular-pathologischen Prozess. Der erhöhte TNF-alpha Spiegel führt u.a. zu erhöhter Schmerzsensitivität. Biologicals, Antikörper gegen TNF-alpha, sind klinisch bereits etabliert und zeigen gute Therapieerfolge. Es ist aber unklar, welcher Patient von welchem anti-TNF profitiert. Aufgrund der verschiedenen MRI Sub-Modalitäten und der enormen Zahl von Analyseparametern, also dem hochdimensionalen Datenraum, ist unklar, welche MR-Modalität bzw. Gehirnstrukturen / Parameter für die Trennung von Gruppen relevant sind.
Methoden:
RA, MC Patienten und Kontrollpersonen wurden dreimal im MRI ( SIEMENS 3T) gemessen: vor anti-TNF Gabe, unmittelbar nach, und ca. 3 Wochen nach Therapie. In jeder Sitzung wurden T1 und T2 Anatomien, BOLD EPI „resting state“ sowie repetitive schmerzhafte Stimuli und abschließend DTI gemessen. Die MRI Modalitäten wurden mittels jeweils standardmäßig analysiert: Anatomie: freesurfer, VBM und DBM, „resting-state“: MSRA und ICA; stimulations-BOLD: GLM und Graphtheorie; DTI: VBM und DBM. Der resultierende hochdimensionale MRI Datensatz wurde in unserem neuen, flexiblen Analyseframework MARIA (MAgnetic Resonance Imaging data Analysis) mittels verschiedener Algorithmen untersucht. T-SNE: prinzipielle Separierbarkeit; Boruta, RandomForest, Sparse Partial Least Squares discriminant analysis, mixOmics: Dimensionsredukton, Klassifikation und Korrelation.
Ergebnisse:
Mithilfe des MARIA Analyse-workflow können wir zeigen, dass A) t-SNE als erster Analyseschritt sehr gut geeignet ist, eine prinzipielle Trennbarkeit der Patientenkollektive zu validieren. B) Beide Dimensionsreduktions-Algorithmen ergeben auch über die Messwiederholungen sehr vergleichbare Klassifikationen; Patienten können von Kontrollen mittels MR finger printing mit über 98% balancierter Genauigkeit getrennt werden. C) Hierfür dominieren Parameter des „resting-state“ und der T1 Anatomie. D) Die Diskriminanzanalyse erachtet DTI Daten etwas wichtiger als Boruta.
Schlussfolgerungen:
MARIA, ein graphisches Analysetool, integriert 1) Testung der prinzipiellen Trennbarkeit (tSNE) 2) Etablierung von BioMarkern zur Trennung der Versuchsgruppen mittels Dimensionsreduktionsalgorithmen sowohl innerhalb einer wie auch zwischen MR Modalitäten: MR finger-printing. Abschließend können die etablierten BioMarker flexibel mit erhobenen klinischen Daten korreliert werden. Dies führt zur Hypothesen-Neubildung und -testung sowie zu neuen mechanistischen Einsichten in die Pathologie der Schmerzverarbeitung.
Acknowledgements:
Dr. Pfleger Stiftung, IOIBD
Hintergrund: In vielen Forschungsarbeiten konnte die Bedeutsamkeit von psychologischen Aspekten bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzgeschehen aufgedeckt werden. Diese Einflüsse fanden bei der Untersuchung des Medikamenten- übergebrauchskopfschmerzes (Medication Overuse Headache, MOH) bisher nur wenig Beachtung. Die vorliegende Studie betrachtet den Einfluss von Emotionen auf das Krankheitsbild des MOH und untersucht, ob Patienten mit MOH größere Defizite in der Emotionsregulation aufweisen als Probanden ohne MOH.
Methoden: Die Probanden (N=299) wurden in einer Onlineumfrage befragt und anschließend anhand ihrer Häufigkeit des Kopfschmerzes und des Medikamentengebrauchs in fünf Gruppen aufgeteilt. Mithilfe einer Varianzanalyse wurde auf Gruppenunterschiede hinsichtlich der Defizite in der Emotionsregulation (Difficulties in Emotion Regulation Scale, DERS), Anfälligkeit für Angst, Stress und Depression (Depression, Anxiety and Stress Scale, DASS) und
Schmerzkatastrophisierungstendenzen (Schmerzkatastrophisierungsskala, SKS) getestet. Ergebnisse: Die Ergebnisse der einfaktoriellen Varianzanalyse zeigen, dass sich die Gruppen signifikant voneinander unterscheiden: DASS(D) F(4, 294) = 9.643, p < .001, ² = .116; DASS(A) F(4, 294) = 6.641, p < .001, ² = .083; DASS(S) F(4, 294) = 10.607, p < .001, ² = .126; SKSTotal F(4, 294) = 19.534, p < .001, ² = .210; DERSTotal F(4, 294) = 5.063, p = .001 , ² = .064. Durch anschließende Paarvergleiche wurde gezeigt, dass Probanden mit weniger als fünf Kopfschmerztagen pro Monat und keinem Medikamentenübergebrauch die signifikant geringsten Werte aufweisen. Es konnte nicht bestätigt werden, dass Probanden mit MOH die signifikant größten Defizite in der Emotionsregulation zeigen.
Fazit: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass psychologische Faktoren bei der Entstehung von chronischen Kopfschmerzen und Medikamentenübergebrauch eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus stellte sich die Tendenz zur Schmerzkatastrophisierung als ein wichtiger Einflussfaktor auf den Schmerz heraus, welchem in zukünftigen Untersuchungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Schlüsselwörter: Medikamentenübergebrauchskopfschmerz, Emotionsregulation, chronische Kopfschmerzen.
CONTEXT:
Neck, shoulder and low back pain are common and mostly due to tight and cramped muscles. For the treatment of such pain conditions, topical application of heat is a widely established practice. Through a local increase in blood flow and skin temperature heat therapy leads to relaxation of the muscles and relief of pain. [1, 2, 3]
Objective of this study was to investigate the tolerability, safety and therapeutic benefit of a topical heat patch in the treatment of local muscular or joint pain in patients with back pain.
METHODS:
Prospective, multicentre Post Market Clinical Follow-Up study in accordance with medical device legislation with a heat patch* intended for the relief of muscle and joint pain.
The treatment period was 3 consecutive days (planned application time per heat patch 12 hours per day) with 2-3 days follow-up period without treatment.
Tolerability assessments were performed on visit 2, safety and efficacy evaluations on visits 2 and 3. Additionally, a diary was kept by the patients.
RESULTS:
130 patients (59.2% female, 40.8% male) with moderate to severe back pain (≥ 40, ≤ 80 on a 100 mm VAS) were enrolled. 88 patients were analysed for efficacy (PP).
The mean current pain decreased significantly on visit 2 (27.2, visit 1: 60.9, p < 0.0001) and further improved until visit 3 (23.3). 92.1% of the patients confirmed pain relief (visit 2).
Assessments of muscle stiffness (100 mm VAS; visit 1 (49.0), visit 2 (22.5), visit 3 (20.0), p < 0.0001)) as well as forward and lateral trunk flexibility (via minimal fingertip-to-floor distance) also showed significant improvements.
At the end of treatment (visit 2), Global Efficacy was rated as “excellent”, “very good” or “good” for 78.5% of the patients by the investigator and with 84.1% by the patients themselves.
With respect to product acceptance, a high proportion of patients would buy (79.5%) and recommend (84.1%) the heat patch. 93.2% agree that due to the flexibility of the patch it provides superior wearing comfort and allows continued movement. 84.1% agree that due to the spiral heat design the test product provides an effective heat transmission and even distribution of warmth.
Global Local Tolerability was assessed as "very good" or "good" for 86.2% of the patients by the investigators and with 90.0% by the patients themselves at the end of treatment. No serious and only a small number of non-serious adverse events occurred during the course of the study.
CONCLUSION:
In this study a good local tolerability and therapeutic benefit of the heat patch in the treatment of back pain after local application was shown. The results lead to the conclusion that the transmitted warmth contributes to long-lasting pain relief, to reduced muscle stiffness and to an overall improvement in flexibility. Overall, the results of this PMCF study show that the use of Spiral Heat* is a safe and effective treatment for back, neck or shoulder pain.
* Hansaplast/Elastoplast/Thermaplast Spiral Heat
Hintergrund
Osteoarthrose (OA) des Knies ist eine der häufigsten Formen von Arthritis und eine der Hauptursachen für chronische Schmerzen des Bewegungsapparates. Neben den klassischen nozizeptiven Schmerzsymptomen finden sich bei vielen Patienten Anzeichen von Veränderungen im zentralen somatosensorischen System, die als zentrale Sensibilisierung bekannt sind. Ziel dieser Studie war es mittels quantitativer Bed-Side Testungen und Schmerzfragebögen zu untersuchen, inwieweit Sensibilisierungsprozesse bei schmerzhafter Kniegelenkarthrose und chronischen Schmerzen nach Knie-TEP eine Rolle spielen, und welche dieser Parameter in einem neuen, einfach anzuwendendem klinischen Screening-Test-Setup enthalten sein sollten.
Methoden
100 Patienten mit Kniegelenkarthrose (n = 86) oder Knie-TEP (n = 14), jeweils mit Schmerzen seit mindestens 6 Monaten und einer durchschnittlichen Schmerzintensität von NRS ≥ 4 , wurden in zwei Studienzentren (Kiel, Deutschland; Aalborg, Dänemark) eingeschlossen. Nach erfolgter Aufklärung wurden vier Parameter der Quantitativ Sensorischen Testung erhoben. Des Weiteren wurden Bed-Side Untersuchungen (PinPrick-Hyperalgesie; temporale Summation mittels Nylonfilament von 0.7 mm Durchmesser; Allodynie mit Wattestäbchen; tief-somatische Allodynie mit Spritze) am Indexknie sowie extrasegmental am ipsilateralen Unterarm durchgeführt, um eine eventuelle Ausbreitung der Sensibilisierung erfassen zu können. Anschließend wurden die Patienten gebeten, eine Reihe von Fragebögen auszufüllen.
Im ersten Teil der Analyse wurde mittels einer Clusteranalyse eine Unterteilung der Patientenkohorte in zwei Gruppen (Cluster, sensibilisiert und nicht sensibilisiert) durchgeführt. Darüber hinaus wurde die Patientenkohorte über die vier QST-Parameter in sensibilisiert oder nicht sensibilisiert unterteilt.
Im zweiten Teil wurden einige Verfahren des maschinellen Lernens genutzt, um die Patienten hinsichtlich der zwei o.g. Gruppen zu klassifizieren. Die resultierenden Entscheidungsbäume liefern unter allen untersuchten Parametern entscheidende Kandidaten für eine vereinfachte Bed-Side-Testung.
Ergebnisse
46% der Patientenkohorte zeigten Anzeichen einer Sensibilisierung. Durch supervised machine learning wurden Entscheidungsbäume mit unterschiedlichen Parameterkombinationen erstellt. Ein Entscheidungsbaum wurde aus statistischer und klinischer Sicht als am besten geeignet ausgewählt. Es besteht aus drei Bed-Side Untersuchungen (PinPrick Hyperalgesie am Indexknie sowie tiefe somatische Hyperalgesie (Spritze) am Indexknie und extrasegmental), die in 1 min durchgeführt werden können.
Schlussfolgerungen
Diese Studie zeigte, dass etwa die Hälfte der Patienten mit OA oder Knie-TEP Anzeichen einer Sensibilisierung aufweisen. Es konnte ein Entscheidungsbaum erstellt werden, der gute statistische und klinische Eigenschaften aufweist. Diese Ergebnisse könnten die Grundlage für ein neues Screening-Tool für Sensibilisierungsprozesse bei OA-Patienten sein.
Hintergrund: Rückenschmerzen zählen in Deutschland zu den Volkskrankheiten. Gemäß Berufsgesetz ist die klassische Massagetherapie (KMT) Ausbildungsteil in der Physiotherapie. Zudem ist KMT im Versorgungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sowie bei chronischen und chronifizierten Rückenschmerzen als vorrangiges Heilmittel zur Regulierung von schmerzhafter Muskelspannung, Durchblutung, Stoffwechsel, Gewebequellungen, -verhärtungen und –verklebungen verordnungsfähig. Personalisierte Schmerztherapie bezieht die individuelle Lebensgeschichte und das individuelle Beschwerdebild mit individuell wahrgenommenen Schmerzen in die Interventionsplanung, inkl. individuell adaptierter Physiotherapie, ein. Ein quantitativer systematischer Review untersuchte, ob KMT hierfür mit Fokus auf chronische Rückenschmerzen durch wissenschaftlich belegte Methoden abgesichert ist.
Methoden: Im Januar 2020 erfolgte ein systematischer Review deutsch und englisch verfasster Studien in der elektronischen Datenbanken PubMed®. Als Filter wurden Humans, RCT, Review, Systematischer Review, 10 Years gesetzt und als Keywords effect/low back/chronic/pain/massage/orthopaedic/therapy/swedish verwendet.
Einschlusskriterien: Studien, maximal 10 Jahre alt und mit einem Wert von vier auf der PEDro-Skala für mittlere Qualität der Studien, die die Wirkung manuell applizierter KMT auf den Schmerz bei Patient_innen mit chronischen, nicht spezifischen Rückenschmerzen zeigen. Sie mussten Skalen wie VAS und/ oder NRS und hinsichtlich der Forschungsfrage ein Assessment zur körperbezogenen Einschränkung verwenden.
Ausschlusskriterien: Studien, bei der Hilfsmittel (Ball, Massagestäbchen, Massagegerät oder als Akupunkturverfahren) eingesetzt wurden, und bei denen Proband_innen Tumoren, Osteoporose, akute Rückenschmerzen und/ oder Frakturen aufwiesen und/ oder im Alter von unter 18 Jahren und/ oder schwanger waren.
Die Studienauswahl fand Abstract-basiert statt. Nach entsprechender Studienselektion wurden 5 RCT und 3 Reviews Volltext-basiert jeweils auf inhaltliche Relevanz überprüft.
Ergebnisse: Die gesichtete Literatur zeigte, dass KMT bei Patient_innen mit chronischen Rückenschmerzen signifikant zur Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung beitragen kann.
Allerdings fehlten bei den Interventionsbeschreibungen teilweise Angaben zu Dauer und Häufigkeit. Ein zum Teil gewähltes Follow-up nach 52 Wochen ist kritisch zu betrachten. Teilweise führte die große Anzahl von Personen (bis zu 27) die Intervention durch.
Schlussfolgerung: KMT ist eine berechtigte Interventionsoption personalisierter Versorgungskonzepte chronischer Rückenschmerzen. Eingeschränkt werden die positiven Ergebnisse durch methodische Defizite der Primärstudien. Daher stellt diese Arbeit nur einen Zwischenstand der Forschung manuell applizierter Verfahren, explizit der KMT, dar und möchte weitere Forschungsansätze motivieren, um Massagetherapie auch im Kontext personalisierter Schmerztherapie weiter zu begründen.
Abstract
Untersuchung der Wirksamkeit einer strukturierten multimodal-konservativen Therapie
beim lumbalen Bandscheibenvorfall mit Nervenwurzelreizsyndrom
Hintergrund: Das häufigste Krankheitsbild der Lendenwirbelsäule im mittleren Lebensalter stellt der lumbale Bandscheibenvorfall in den Industrieländern der westlichen Welt dar. Die Behandlung des lumbalen Bandscheibenvorfalls kann entweder durch konservative Schmerztherapie oder durch operative Intervention erfolgen. In der vorliegenden Arbeit wird das Zusammenwirken unterschiedlicher konservativer Therapieansätze bewertet, welche regelhaft im klinischen Alltag der Rommel-Klinik zum Einsatz kommen.
Methode: 40 Patientinnen mit Nervenwurzelreizsyndrom nach lumbalem Bandscheibenvorfall wurden unter Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien in die Studie aufgenommen. Im Rahmen ihres 10-tägigen stationären Aufenthaltes in der Rommel-Klinik Bad Wildbad erfolgte jeweils an den Tagen 1, 3, 6 und 10 und zusätzlich poststationär nach 12 Wochen eine standardisierte Datenerhebung. Alle Patientinnen erhielten in den ersten drei Tagen zunächst ausschließlich Physiotherapie nach McKenzie und ab dem Abend des dritten Tages zuzüglich medikamentöse Therapie mit Gabapentin in langsamer Aufdosierung auf 1800 mg täglich. Letztere wurde poststationär bis zum Tag 70 fortgeführt. An den Tagen 7 und 9 erfolgten periradikuläre steroidale Infiltrationen an die betroffene Nervenwurzel.
Ergebnis: Die im Rahmen der Studie gewonnenen Daten weisen hinsichtlich aller erhobener Parameter statistisch signifikante Verbesserungen zwischen Tag 1 und Tag 10 auf. Aus Sicht der Patientinnen besonders relevant sind hierbei die erreichte Schmerzreduktion in Ruhe und beim Gehen sowie eine deutliche Verbesserung der painDETECT®- und ODI-Scores und der klinischen Symptomatik inklusive Rückbildung neurologischer Defizite. Bei über 90 Prozent (37/40) der Studienteilnehmerinnen konnte eine Operation vermieden werden. Die poststationäre Arbeitsunfähigkeit ließ sich im Mittel auf knapp 6 Wochen begrenzen.
Schlussfolgerung: Es gibt wenige Vergleichsstudien, welche den strukturierten Einsatz aus Physiotherapie, Medikation und infiltrativen Maßnahmen beim lumbalen Bandscheibenvorfall beleuchten. Sehr oft entstehen durch diese Erkrankung lange Arbeitsunfähigkeitszeiten, oder aber die Patientinnen werden bei vermeintlicher Wirkungslosigkeit konservativer Verfahren frühzeitig operiert. Anhand der Studie lässt sich unter der beschriebenen Kombinationstherapie eine eindrückliche Schmerzreduktion mit deutlicher Verbesserung der klinischen Symptomatik belegen.
Background:
Stress is a critical factor in the development of chronic back pain (1). Furthermore, different types of psychological stress as social and work-related stress influence in an individualized way the development of pain intensity and disability in low back pain (2). Likewise, the use of objective measures such as stress biomarkers allows a broader comprehension of the role of stress on the development of chronic back pain (3, 4).
Beyond, it is hypothesized that stress biomarkers are helpful to analyze the mechanism of action (mediation analysis) of chronic back pain therapies. Mediation analysis help to understand the relationship between the intervention with the mediation variables, as well as to inform if those intermediate variables are associated with the target pain outcomes (3). Various randomized controlled trials of psychosocial interventions on low back pain show mostly small effects on pain disability, for this reason research on the specific mechanisms of effectiveness is essential (5).
In view of the critical role of stress and the need of mediation analysis on low back pain interventions, the focus of this systematic review is the mediation effect of stress biomarkers on the effectiveness of non-pharmacological interventions in chronic back pain.
Methods: This systematic review used four electronic databases: PubMed, Medline (platform Web of Science), PsycINFO (platform EBSCO) and Cochrane Central Register of Controlled Trials. The key search terms were “biomarkers”, “non-pharmacological interventions”, “pain” and “mediation”. Type of studies includes interventional. The study eligibility criteria were adult patients with chronic back pain receiving any non-pharmacological intervention (exercise, physiotherapy, behavioral therapy, stress-reduction programs, etc.), and trials that report at least one stress biomarker. Studies published in English, German and Spanish from the last 20 years were included. Additional studies were included though manual search of identified original articles and reviews reference lists.
Results: No study included mediation analysis of any biomarker on the effectiveness of non-pharmacological interventions in chronic back pain, after the identification of 10 records. Beyond, there is some evidence of the change on specific biomarkers (Tumor necrosis factor, superoxide dismutase, catalase and glutathione peroxidase, noradrenaline, matrix metalloproteinase-2, beta-endorphin, serotonin and active anti-inflammatory cytokine TGF-b1) among individuals with chronic back pain after receiving a non-pharmacological intervention.
Background
Strong opioids are the mainstay of analgesic therapy in treating moderate to severe cancer-related pain [1]. Opioid induced constipation (OIC) is observed in up to 87% of patients with cancer who are under treatment with opioids [2]. One of the characteristics of OIC is its persistence throughout the opioid treatment period, compared to other adverse effects related to opioids use which resolve over time [3]. OIC is difficult to treat, as treatment based on dietary measures and laxatives are not effective in many patients [4].
Naloxegol is a peripherally acting µ-opioid receptor antagonist (PAMORA) indicated for the treatment of OIC in adults with an inadequate response to laxatives (LIR). To date, no data is available on the long-term use of naloxegol in patients with cancer.
This is the first study to analyze the efficacy, quality of life (QOL) and safety of naloxegol, for the treatment of OIC in patients with cancer, in a real-world setting with a one-year follow-up.
Methods
Patients over 18 years with active oncological disease (Karnofsky-index ≥ 50), who were under treatment with opioids were recruited for the study in 16 Spanish centers. OIC with LIR was the main inclusion criteria. All the patients were treated with naloxegol. Efficacy was measured: by the response rate and alleviation of symptoms using the patient assessment of constipation symptoms questionnaire (PAC-SYM) [5]; pain intensity with a 0-10-point visual analog scale (VAS); OIC related QOL and global QOL with the patient assessment of constipation quality of life questionnaire (PAC-QOL), and the EuroQoL-5D-5L questionnaire, respectively [6,7].
Results
A total of 126 patients were included, being 58.7% male. With a mean age of 61.5 years (34-89). Pain intensity on VAS was reduced compared to baseline values Baseline-12 months: 4.6 to 3.6, p< 0.001). At 12 months, 77.8% of the patients responded to the naloxegol treatment: 78.6% at doses of 12.5 mg/day, and 78.4% with 25 mg/day. PAC-SYM total score and all the subscales improved from baseline (p< 0.0001). PAC-QOL total score and all its subscales improved from baseline to 12 months (p< 0.0001). The improvement was clinically relevant in 50.8% of the patients at two weeks and reached 58.7% at 12 months. Global QOL was preserved during the study.
A total of 28 adverse reactions (AR) mainly gastrointestinal were observed in 15.1% of the patients (19/126), 75% (21) mild, 17.9% (5) moderate and 7.1% (2) severe. Most AR (67.9%) appeared in the first 15 days of treatment with naloxegol.
Conclusion
This real-world study shows for the first time a good long-term safety and efficacy profile of naloxegol in cancer patients. Moreover, naloxegol treatment in patients with cancer significantly improved the OIC related QOL as well the global QOL while contributing to the oncological pain management.
Hintergrund: Die Initiierung und Chronifizierung von Tumor-bedingten Schmerzen weist eine hohe klinische Relevanz und eine komplexe Pathophysiologie auf. Jedoch sind die Mechanismen, die zur Chronifizierung führen, bisher noch wenig bekannt [1]. Der zeitliche Verlauf von Veränderungen in der supraspinalen Prozessierung während der Entwicklung chronischer Schmerzen ist dabei bisher fast völlig unklar. In der folgenden Untersuchung führten wir Verhaltensuntersuchungen und longitudinale Magnetresonanztomographie (MRT) Analysen bei Ratten mit Knochentumor durch, um die zeit-abhängige Dynamik supraspinaler Resting-State-Netzwerke während der Entwicklung und Manifestation von chronischen, tumorbedingten Knochenschmerzen zu untersuchen.
Methoden: Männl. SD-Ratten erhielten eine Injektion potenter Walker 256- (oder Hitze-deaktivierter) Zellen in die proximale Tibia, um Tumor-induzierten Knochenschmerz (CIBP) (oder eine Sham Situation) auszulösen. Wir führten eine Woche vor und an zwei Zeitpunkten nach Inokulation (Tag 8 und 17) (MRT) im Ruhezustand (RS-MRT) gefolgt von einer Netzwerkanalyse mittels Graphentheorie durch. MRT-Messungen wurden in einem 9,4 T Bruker Biospec 94/20 Kleintierscanner (Bruker Biospin GmbH, Ettlingen, Deutschland) unter Verwendung einer Oberflächenspule (Bruker) durchgeführt [2]. Korreliert wurden die bildgebenden Analysen mit Verhaltensdaten, welche das Ruheschmerzverhalten der gleichen Tiere jeweils vor der MRI – Untersuchung abbilden (Verhältnis von ipsi- zu kontralateraler Fußabdruckfläche).
Ergebnisse: Unsere vorläufige RS- Netzwerkanalyse zeigen eine verringerte Netzwerkdichte (90%) und Anzahl der Communities (71%) an Tag 17, was mit einem signifikant gesteigertem Ruheschmerzverhalten einhergeht. Ferner beobachten wir eine signifikant veränderte funktionelle Konnektivität zwischen Gehirnregionen ab Tag 8 (p < 0,01), welche sich bis Tag 17 weiter verstärkte (p < 0,01) und auf eine Reorganisation supraspinaler Netzwerke hindeutet. Betroffene Hirnregionen sind Teile des sensorischen, sensomotorischen und limbischen Systems.
Schlussfolgerungen: Die Bewertung der Verhaltensergebnisse in Kombination mit der Analyse der RS-Netzwerke ermöglicht eine Analyse der Veränderungen des supraspinalen Netzwerks nach Tumor-bedingten Knochenumbauprozessen, welche mit der Manifestation chronischer Schmerzen assoziiert sind. Globale longitudinale Änderungen der Netzwerkparameter, insbesondere eine abnehmende Anzahl von Communities, und eine veränderte neuronale Prozessierung in sensomotorischen und limbischen Regionen liefern neue Einblicke in die Dynamik der Schmerzchronifizierung.
Finanzierung: Das Projekt wurde durch das EU-Grant ELAC2015 / T07-0713 an EPZ finanziert.
BACKGROUND
Fentanyl, an opioid 100 times more potent than morphine, is widely used for the treatment of severe pain. Due to this high analgesic potency and its highly lipophilic characteristics as well as small molecule size, fentanyl is well suitable for both, membrane and matrix based transdermal patches (TP). Both systems require a high concentration gradient between drug reservoir and skin during the entire therapy to ensure a continuous fentanyl delivery into the systemic circulation. Therefore, a high residual content of fentanyl in used patches is unavoidable.
However, some patients experience End-of-dose Failure (EDF) during the opioid therapy with TP (Hall, 2012). This phenomenon expresses itself by insufficient pain relief and is mostly faced by dose escalation in combination with opioid rotation, multimodal therapy and nonpharmacological interventions. Especially dose escalation is critical, as long as it remains unclear whether the TP still releases a constant rate of fentanyl or if the EDF`s are caused by inadequate blood plasma levels as a consequence of lower release rates due to ongoing emptying of the patch. If this is the case and EDFs occur subsequently to insufficient release, we might expect a relation to low residual contents or high variability in fentanyl uptake from the TPs. Therefore, we investigated the residual fentanyl content of different marketed matrix patches after application to pain patients under real-life conditions.
MATERIALS AND METHODS
256 Patches from 17 different patients (4 patients applied two patches simultaneously, marked as a & b) have been collected by the pain ambulance of the University Medicine Greifswald (UMG) after use and were stored at -40°C until analyses. In general, 5 different membrane patches and 8 different matrix patches were used. Patient data including time and duration of TP-application were provided by the UMG after residual content analyses were finished. During evaluation of patient data, all four patients (2, 7, 16 and 17) who used membrane patches as well as patients 4, 9 and 14 were excluded from the study due to reported irregularities during the test period. For the residual 10 patients the mean residual fentanyl content (% of the declared drug load) and standard deviations (SD) were calculated.
For extraction, patches were attached on a bent stainless-steel wire to prevent sticking to the wall of the Erlenmeyer flasks and incubated for 12h in 100 ml Methanol. Continuous mixing of the extraction medium was ensured by placing the sealed Erlenmeyer flasks in a shaking water bath with a constant temperature of 25°C. Single extraction was proofed to be exhausting with fresh unused patches, as less than 0.5 % of the declared fentanyl could be recovered by a second extraction.
Quantification of fentanyl was carried out using a Shimadzu HPLC equipped with a diode array detector. The calibration curve was prepared using one ml ampoules with a standard solution of one mg/ml fentanyl obtained from Cerilliant®.
RESULTS & DISCUSSION
Mean residual fentanyl contents were found to be between 39.1 % - 70.8 % of the declared initial content with high inter-patient variability between all patients. That’s in line with the values reported in literature and these high residual opioid contents led to certain recommendations for the handling and disposal of used patches (Paparella, 2005). As the transdermal fentanyl uptake depends on various factors, e.g. site of application, skin temperature and blood circulation, the observed variability was not surprising (Laetitiacaumette & Garcia, 2005). Interestingly, results showed that patch size and, as for matrix patches nominal release rate is directly proportional to patch size, release rate doesn`t seem to influence the percentage remaining quantity of fentanyl in the TP.
The evaluation of the clinical reports revealed, that patients 1, 8 and 13 suffered from EDFs. Setting this in relation with the results of the residual fentanyl determination, it’s interesting that patient 1 and 13 did not only obtain the lowest residual fentanyl content in used patches but also showed the highest variability in fentanyl uptake, with relative standard deviations of 8.4% for patient 1, respectively 12.5% in case of patient 13. Knowing that even the rate of fentanyl released from the patch isn`t constant over the application time (Nimmen & Poels, 2010), a low and inconsistent residual drug content might lead to unsteady plasma concentrations as an explanation for EDFs. Also patient 8, who reported EDF as well, shows a negative deviation to the theoretical residual content, albeit with lower fluctuations.
Taking a look at the results of this small case study in general, EDFs seem to be aided, but aren`t necessarily caused by a high and irregular fentanyl uptake from TPs, leading to low residual drug content and thus a lower concentration gradient between matrix and skin.
CONCLUSION
End-of-dose failures, as the main objective of this study, were reported for 3 of 10 patients. Indications for a connection between low, fluctuating residual fentanyl content in the patches and EDF have been found.
Whereas residual drug content in used fentanyl patches showed overall high inter-patient variability, intra-patient variability differed essentially between patients. Interestingly, two of three patients reporting EDFs, where the ones with the lowest residual percentage drug content and highest variability in fentanyl uptake.
However, to state the hypothesis that EDFs are caused by variations in fentanyl uptake, the patient individual totality of variables affecting fentanyl uptake might have to be taken into account more detailed to understand the occurrence of EDFs. Nevertheless, the results of this small case study indicate that a constant drug release from TPs is crucial for effective pain relief.
Hintergrund: Die Rückenmarkstimulation (SCS) ist eine etablierte Behandlung für chronische neuropathische und ischämische Schmerzen. Die Heterogenität der Patienten in der täglichen klinischen Praxis macht es jedoch oft schwierig zu bestimmen, welche Patienten für diese Behandlung in Frage kommen. Ziel der Studie war es, patientenspezifische Empfehlungen für die Selektion und Überweisung zur SCS bei chronischen Schmerzen zu erstellen.
Methoden: Ein multidisziplinäres europäisches Gremium bewertete anhand der RAND/UCLA Appropriateness Method (RUAM) die Angemessenheit einer SCS-Überweisung bei 386 klinischen Szenarien in 4 umschriebenen Schmerzbereichen: chronische Schmerzen im unteren Rücken und/oder Beinschmerzen, komplexes regionales Schmerzsyndrom, neuropathische Schmerzsyndrome und ischämische Schmerzsyndrome. Darüber hinaus ermittelte das Gremium eine Reihe von psychosozialen Faktoren, die für die Entscheidung für eine SCS-Behandlung relevant sind.
Ergebnisse: Die Eignung eines Patienten zur SCS wurde stark durch das Vorhandensein einer neuropathischen Schmerzkomponente, die Lokalisation und Ausbreitung der Schmerzen, anatomische Anomalien und die vorherige Reaktion auf eine Nervenblockade, transkutane Nervenstimulation und/oder das Ansprechen auf eine neuropathische Schmerzmedikation bestimmt. Psychosoziale Faktoren, die für die SCS-Auswahl als relevant angesehen wurden, waren: mangelndes Engagement, dysfunktionales Problembewältigungsverhalten, unrealistische Erwartungen, unzureichendes tägliches Aktivitätsniveau, problematische soziale Unterstützung, sekundärer Krankheitsgewinn, psychische Notlage und mangelnde Bereitschaft, hochdosierte Opioide zu reduzieren. Es wurde ein edukatives E-Health-Tool entwickelt, das klinische und psychosoziale Faktoren in einer Empfehlung zur Selektion/Überweisung von Patienten zur SCS kombiniert.
Schlussfolgerungen: Die RUAM Herangehensweise war hilfreich, um einen Konsens über patientenspezifische Kriterien für die Selektion/Überweisung von Patienten zur SCS bei chronischen Schmerzen zu erzielen. Das E-Health-Tool kann Ärzten dabei helfen, einen integrierten Ansatz klinischer und psychosozialer Faktoren anzuwenden.
Einleitung: PAIN2020 (Innovationsfonds, FNR 01NVF17049) ist ein Konsortialprojekt der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der BARMER, der Universitätsmedizin Greifswald (Externer Evaluator) sowie dreier klinischer Konsortialpartner mit Erfahrungen in der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (Göttingen, Mainz, Dresden).
Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Versorgung von Patienten mit Schmerzen länger als 6 Wochen und Risikofaktoren. Die Umsetzung eines integrierten Vorgehens (hier eines interdisziplinären multimodalen Assessments, IMA, gegenüber einem schmerztherapeutisch ärztlichen Assessment) stellt hohe Anforderungen an die kooperierenden PAIN2020-Zentren sowie an das Projektmanagement. Mit Hilfe eines umfassenden Monitoringkonzepts wird die Umsetzung des Projektprotokolls als auch die Qualität der Versorgungsleistungen geprüft.
Methodik: Das Monitoringkonzept umfasst ein laufendes Datenmonitoring incl. regelmäßiger Rückmeldung an die Zentren, Interviews, Telefonkonferenzen sowie Vor-Ort-Termine. Seit März 2019 haben bisher 26 Zentren mit der Patientenaufnahme begonnen.
Für das Projektmanagement sind sowohl die Rekrutierung sowie die Umsetzung der Strukturanforderungen an die IMST allgemein wichtig (Multiprofessionalität, Interdisziplinarität sowie Ergebnisoffenheit; Casser et.al. 2013), die sich u.a. in folgenden Kennbereichen abbilden: a) bisher erreichte Fallzahl (Zuweisung in das Projekt und Randomisierung) sowie b) die Teilnahmebereitschaft der Patienten, c) die Zeit zwischen Aufnahme in PAIN2020 und der Durchführung der Intervention, d) die interdisziplinäre Durchführung (Beitrag aller Berufsgruppen zur Teamsitzung) sowie e) die Ergebnisoffenheit des Assessments.
Ergebnisse: Strategien zur Erreichung der Fallzahl für die Studie werden dargestellt. Dabei sind die Maßnahmen der BARMER die wichtigsten. Während die Zuweisungsrate in das Projekt bisher gering ausfällt, liegt die Abbruchquote (Akzeptanz) auf Seiten der Patienten unter 10%. Der vorgesehene Zeitraum von Einschluss bis zur Intervention (IMA oder SRV, < 14 Tage) wird von 40% der Einrichtungen erreicht. In den teilnehmenden Zentren leisten alle Professionen ihren Beitrag zu Assessment und Teamsitzungen. Eine ergebnisoffene Steuerung in bedarfsgerechte Therapieoptionen (einschließlich der in PAIN2020 vorgesehenen Therapiemodule) ist gegeben, wobei deutlich wird, dass viele in PAIN2020 eingeschlossene Patienten durchaus eine intensive IMST benötigen.
Diskussion: Die Studie stellt erhöhte Anforderungen an alle Beteiligten. Das Erreichen der Zielpopulation ist schwierig, die Akzeptanz der Intervention gut, ebenso wie Ergebnisoffenheit und Sicherstellung der Interdisziplinarität. Eine enge Terminstellung ist für diese noch nicht chronifizierte Patientengruppe notwendig, aber bisher nicht immer zu gewährleisten. Diese Faktoren wirken sich jedoch auf die Effektivität der neuen Versorgungsleistung aus, auch wenn die interdisziplinäre Umsetzung nach PAIN2020 gelingt.
Einleitung: PAIN2020 wird gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (FNR 01NVF17049). Zentrale neue Intervention ist ein frühzeitiges interdisziplinäres multimodales Assessment (IMA) für Patienten mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko, das mit einem monoprofessionellen ärztlichen Assessment der schmerztherapeutischen Regelversorgung (SRV) verglichen wird. Auf Basis der Assessments erfolgt eine sektorenübergreifende, bedarfsgerechte Empfehlung an die Patienten. Das IMA besteht aus je einer ärztlichen, physio- und psychotherapeutischen Untersuchung, einer interdisziplinären Teambesprechung und einem gemeinsamen Abschlussgespräch mit dem Patienten. Nach dem IMA stehen zusätzliche ambulante Therapieoptionen (E- und B-IMST) zur Verfügung. Ziel ist die Überprüfung der Bedeutung des interdisziplinären Ansatzes für die Therapieempfehlung.
Methodik: Es wird ein begleitendes Monitoring durchgeführt, das u.a. die Dokumentation des Assessments sowie der Therapieempfehlungen beinhaltet. Speziell für das IMA beurteilt jede Profession disziplinbezogen den Schweregrad des Störungsbildes, dessen Bedeutung für die Schmerzproblematik sowie Indikationen oder Kontraindikationen für eine IMST. Das Team beurteilt zudem u.a. die Konsensbildung bzgl. der Therapieempfehlung.
Ergebnisse: Ärzte stufen den Schweregrad des Störungsbildes auf somatischer Ebene zu ca. 60%, Physiotherapeuten bzw. Psychologen auf funktioneller bzw. psychosozialer Ebene zu 40 bis 45% mit „moderat“ ein; nur ca. 10% werden von allen drei Professionen als „schwer“ beurteilt. Die Bedeutung des Störungsbildes für den Einzelfall wird zu 40 bis 50% mit moderat eingeschätzt. Eine Analyse der Beurteilungsmuster ist in Vorbereitung. Im IMA werden ca. 60% der Patienten die neuen Therapiemodule E- und B-IMST, in IMA und SRV ca. 20% Maßnahmen der IMST der Regelversorgung empfohlen. Die weiteren Empfehlungen verteilen sich auf die anderen Angebote der Regelversorgung. Die Beurteilung der Konsensbildung bzgl. der Therapieempfehlung im Team wird überwiegend sehr positiv eingeschätzt.
Diskussion: Die relevanten Befunde in allen diagnostischen Bereichen (somatisch, psychologisch, funktionell) unterstützt die Sinnhaftigkeit eines interdisziplinären multimodalen Assessments. Dabei zeigen sich bisher keine Schwierigkeiten in der Konsensbildung im Teamprozess des IMA. Stehen weitere interdisziplinäre Therapieoptionen zur Verfügung, werden diese ergänzend zur IMST der Regelversorgung auch genutzt. Inwiefern sich die Therapieempfehlungen der SRV verändern, wenn weitere interdisziplinäre Therapieoptionen auch dort zur Verfügung stehen, kann aufgrund des Studiendesigns aktuell nicht beurteilt werden.
Hintergrund: PAIN2020 ist ein Konsortialprojekt unter Führung der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V., gefördert durch den Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (FNR01NVF17049).
Zentraler Inhalt von PAIN2020 ist die Untersuchung der Effekte eines frühzeitigen Interdisziplinären Multimodalen Assessments (IMA) auf die Versorgungsqualität und Effizienz für Patienten mit erhöhtem Risiko einer Schmerzchronifizierung. Die Studie erfolgt multizentrisch in einem prospektiven randomisierten Design.
Um zu überprüfen, ob es durch die gewählten Einschlusskriterien und die Rekrutierungsstrategien in PAIN2020 gelingt, geringer chronifizierte Patienten für eine schmerztherapeutische Diagnostik zu gewinnen und sich hierdurch Unterschiede in den Patientencharakteristika bei Behandlungsbeginn ergeben, wurde ein Vergleich des PAIN2020- und des KEDOQ-Schmerz Datensatzes durchgeführt.
KEDOQ-Schmerz ist der Referenzdatensatz für die spezialisierte Schmerztherapie in Deutschland mit mehr als 20.000 vollständigen, bundesweiten Datensätzen aus allen Versorgungssektoren. KEDOQ-Schmerz liefert, mit hohen Anforderungen an die Vollständigkeit der Datensätze, die Grundlage für eine externe Qualitätssicherung und ist Basis für eine Versorgungsforschung in der Schmerzmedizin, frei von Partikularinteressen.
Methoden: Die Nutzung des Kerndatensatzes KEDOQ-Schmerz in PAIN2020 ermöglicht einen direkten Vergleich beider Datensätze. Es werden hierfür sowohl die Patientenangaben zur Schmerzcharakteristik (insb. Schmerzdauer), Erkrankungsschwere, schmerzbedingten Beeinträchtigung und gesundheitsbezogenen Lebensqualität als auch die Arztangaben zur Schmerzchronifizierung (MPSS) herangezogen.
Ergebnisse: Die KEDOQ-Schmerz Datenbank (K) umfasst N=8.135 (Stand 25.5.20) ambulant behandelte Patienten aus 31 Zentren. In PAIN2020 (P) wurden bis zum 4.4.20 N=523 Patienten in 26 Zentren schrittweise eingeschlossen.
Die Alters- und Geschlechtsverteilung sind in beiden Kollektiven vergleichbar (weiblich K: 64,8%; P: 67,7%; MW Alter K: 55,8; P: 54,4 Jahre).
Eine Schmerzdauer von > 5 Jahren gaben in K: 48,8%, in P: 16,6% der Patienten an. 48,8% der Patienten in K hatten eine maximale Schmerzchronifizierung von MPSS III, in P 15,6%.
Die schmerzbedingte Beeinträchtigung war auch bei den Patienten in P deutlich ausgeprägt (Von Korff Index III oder IV bei 60,2%), in K (73,7%). Ebenso zeigten sich Unterschiede in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (VR-12 MCS/PCS in K: 39,6/29,2 und in P: 43,7/34,8).
Schlussfolgerung: Die Daten deuten darauf hin, dass es in PAIN2020 gelingt, geringer chronifizierte Patienten für eine schmerztherapeutische Diagnostik zu gewinnen. Die Patienten berichten bei Einschluss über eine relevante, behandlungsbedürftige schmerzbedingte Beeinträchtigung und eine deutliche Reduzierung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die Ausprägung der Einschränkungen ist dabei geringer als bei den ambulant behandelten Patienten des KEDOQ-Schmerz-Datensatzes.
Einführung: Im Rahmen des vom Innovationsfonds geförderten Projektes PAIN2020 (01NVF17049) wurden zwei ambulante Therapieformen zur Behandlung von Patienten mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko entwickelt. Die interdisziplinären multimodalen Therapieformen sollen ergänzend zur Regelversorgung entsprechend dem Bedarf der Patienten als begleiten-de Therapie (B-IMST, 3h/Wo. über 10Wo., 8 Patienten) oder Edukation (E-IMST, einmalig 3h, 12 Patienten) angeboten werden. Primäre Zielstellungen entsprechend der NVL Kreuzschmerz (2017) sind die Vermittlung eines bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells, die Erarbeitung patienteninterner und kontextbezogener Einfluss- und Risikofaktoren auf das Schmerzgeschehen sowie der Erhalt bzw. die Verbesserung der subjektiven bzw. funktionellen Leistungsfähigkeit durch Schulung der eigenverantwortlichen Anwendung schmerzreduzierender, bio-psycho-sozialer Strategien.
Methodik: Zur konzeptionellen Ausgestaltung beider Therapieangebote wurden Gremien der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. sowie weitere Vertreter mit Erfahrungen in der IMST sowohl zur Festlegung der Zielstellungen als auch Inhalte einbezogen (mehrstufig). Aus den Ergebnissen entwickelte das PAIN2020-Team je ein Therapiemanual für beide Therapiemodule in PAIN2020. Neben einem Manual werden den Einrichtungen Video-, Arbeits- und Präsentationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Die gleichzeitige Anwesenheit aller Professionen ist eine wesentliche
Voraussetzung für die interdisziplinäre Gruppenführung. Nach einer einjährigen Umsetzungsphase der Therapiemodule zur Prüfung der Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit des vorliegenden Therapiekonzeptes in PAIN2020 erfolgte eine erste Evaluation des Manuals mit Physiotherapeuten, Ärzten und Psychologen aus PAIN2020-Zentren sowie den vorher beteiligten Gremien. In verschiedenen Arbeitsphasen eines eintägigen Workshops (01/2020) wurden das Therapiematerial, die Themenauswahl, das Zeitmanagement sowie die Beziehungsgestaltung zwischen Patienten und Behandlerteam überprüft. Ergänzend konnten die Ergebnisse der bisher vorliegenden Evaluation der Patientenbewertung hinzugezogen werden.
Ergebnis: Wesentliche Leitgedanken der Anpassung der Therapiematerialien fokussieren eine verstärkte Interdisziplinarität mit höherer Beteiligung der ärztlichen Disziplin, mehr Flexibilität sowie einen intensiveren Fokus auf die Patienten-Therapeuten-Beziehung und Problemaktualisierung.
Ausblick: Bis Mai 2020 erfolgten zum Abschluss dieses Konsensprozesses eine Anpassung der vorliegenden Inhalte durch ergänzende Hinweise zur Durchführung und marginal Veränderungen und Umstellungen der Inhalte und Materialien. Im Ergebnis des zweijährigen Entwicklungs- und Erprobungsprozesses zeigt sich ein tragbares Konzept, welches im weiteren Verlauf erneut geprüft werden soll. Dabei sollen auch Anpassungen der alltäglichen Ablaufroutinen und zeitlichen Ressourcen im ambulanten Setting als wichtige Prozess- und Qualitätsparameter berücksichtigt werden.
Hintergrund:
Chronischer Schmerz wird durch viele sozio-ökonomische und emotionale Faktoren beeinflusst. Diese Studie untersucht den Einfluss der Covid-19-Pandemie auf das Schmerzerleben chronischer Schmerzpatienten, sowie auf schmerzbezogene Einschränkung des Lebensvollzugs und individuelle Coping-Mechanismen. Hierzu untersuchen wir Schmerzintensität, sozio-ökonomische und emotionale Belastung sowie individuelle Therapieerwartung und implizite Veränderungen der individuellen Lebensumstände via strukturierter Telefoninterviews.
Methoden:
In Form einer explorativen Studie werden semi-quantitative Telefoninterviews in einem Abstand von drei Monaten durchgeführt. Individuelle Schmerzintensität, Stresslevel und schmerzassoziierte Einschränkung werden untersucht. Hierzu befragten wir 197 Patienten mit chronischen Schmerzen in der frühen Phase der Covid-19-Pandemie im April und Mai 2020. Ein follow-up Interview wird drei Monate später angeschlossen. Stichprobenartig erfolgt eine Kreuzvalidierung der Antworten Die Ergebnisanalyse erfolgt mittels deskriptiver Statistik. Ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen liegt vor.
Ergebnisse:
Am ersten Telefoninterview haben 197 Patienten teilgenommen. Erste Ergebnisse zeigen u.a., dass 56,3% der befragten Patienten keine Veränderung der Schmerzstärke seit Beginn der Coronakrise erfuhren, wohingegen 37,1% über eine Zunahme und 6,6% eine Abnahme der Schmerzen berichteten. Ferner zeigte sich, dass nur wenige Patienten alternative online Angebote in Anspruch nahmen (8,7% medizinische online-Angebote, 5,1% psychotherapeutische online-Angebote, 19,9% sportliche online-Angebote, 39,3% soziale online-Angebote). In Bezug auf die Therapieerwartung gingen der 53,6% der Patienten davon aus, dass ihre Therapie unverändert bleiben würde, wohingegen 39,7% eine Verschlechterung und 6,7% eine Verbesserung annahmen. Weitere Ergebnisse und Zusammenhänge in Bezug auf die laufenden follow-up Interviews werden zum Schmerzkongress präsentiert.
Hintergrund:
Die X-chromosomal vererbte lysosomale Speichererkrankung M. Fabry wird durch eine Mutation des (die alpha-Galaktosidase A kodierenden) GLA-Gens hervorgerufen und zählt zu den sog. seltenen schwerwiegenden progressiven Stoffwechselerkrankungen, die heute durch eine Enzymersatz- oder Chaperontherapie grundsätzlich behandelbar sind. Betroffene weisen eine große und nicht selten uncharakteristische Symptomvielfalt auf (wie z.B. akral betonte Parästhesien und neuropathische (Brenn-)Schmerzen, episodische Schmerzkrisen, Dyshidrose, Temperaturintoleranz, Angiokeratome, Herz- und Nierenerkrankungen sowie zerebrovaskuläre Symptome, etc.), die eine frühzeitige Diagnosestellung erschweren und damit die Effektivität ursächlicher Therapien einschränken.
Zielsetzung: Entwicklung eines online-Tools zur automatisierten phänotypischen Risikoprofilierung von Patienten mit chronischen Schmerzen bzgl. Vorliegen eines M. Fabry auf der Grundlage bereits bestehender Strukturen und Prozesse der Web-Applikation iDocLive®.
Methodik:
Evaluation, Gewichtung/Graduierung und Aggregation typischer klinischer Symptome und Symptomcluster des M. Fabry mit dem Ziel der Entwicklung eines diagnostischen Diagnosealgorithmus unter Berücksichtigung des Kerndatensatzes des Deutschen Schmerzfragebogens der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) durch eine interdisziplinäre Gruppe klinischer Experten. Überprüfung des Algorithmus an Hand des Bestandsdatensatzes des PraxisRegister Schmerz.
Ergebnisse:
Unter konservativer Anwendung des Diagnosealgorithmus konnten im Bestandsdatensatz des PraxisRegister Schmerz (Status quo 31.12.2019, n= 260.013) 149 Patienten (0,057%; Prävalenz: 1 von 1.745) mit einer eindeutigen sowie weitere 314 (0,121%) mit einer auffälligen Konstellation klinischer/phänotypischer Symptome identifiziert werden.
Ausblick:
Nach Implementierung des in Phase 1 entwickelten Algorithmus in die dem PraxisRegister Schmerz konzeptionell zugrunde liegende Web-Applikation iDocLive®, ist in Phase 2 (ab Herbst 2020) die entsprechende Real-World-Anwendung und die kontinuierliche Schärfung des Algorithmus zur phänotypischen Risikoprofilierung unter Verwendung genotypischer Informationen geplant.
PERISCOPE – PatiEnts fiRst hand ImpresSions ContrOlling their migraine with the new Prophylaxis Erenumab
Introduction:
Up until now, reduction of monthly migraine days (MMD) has served as a gold standard in evaluating therapeutic success of prophylactic migraine treatment. From the patient´s perspective however, other factors can have a high impact on their contentment with the achieved therapy outcome. To this end PERISCOPE evaluates the benefit of the fully human monoclonal antibody Erenumab – an inhibitor of the calcitonin gene-related peptide (CGRP) receptor approved for the preventive treatment of migraine in adults- on the quality of life.
Objective;
PERISCOPE evaluates the benefit of the human monoclonal antibody Erenumab on the quality of life from the patients’ point of view.
Methods:
From July to December 2019, 29,042 patients suffering from migraine were interviewed by an online survey about their migraine history and experience with pharmacological and non-pharmacological therapies for migraine. Among the participants, 155 patients were undergoing erenumab treatment and were asked about their perspective on the therapeutic outcomes.
Results:
89.9% of all erenumab treated patients reported improved quality of life, mostly in consequence of more pain free days (81%) and reduced pain intensity (51.2%). An improvement in quality of life was reported by 72.9% of patients who had been classified as non-responders due to less than 50% reduction in MMD. After three months of erenumab therapy, MMD was reduced from originally 15.4 days on average prior to treatment to 7.0 days. The mean days with acute medication were reduced by 5.47 days on average. 96.1% of all patients would recommend erenumab to their friends and relatives.
Conclusion:
PERISCOPE provides real-word evidence from the migraine patients’ perspective. These data allow us to extend our knowledge of erenumab treatment beyond classical assessment of migraine preventives and aim to identify the actual therapeutic value and benefit experienced by the patient.
TELESCOPE – CapTure rEal worLd Evidence in Specialized Centers in Germany cOnducting Prophylactic migraine treatment with Erenumab
Introduction:
Erenumab (Aimovig) is a first-in-class calcitonin gene-related peptide (CGRP) inhibitor approved for the preventive treatment of migraine in adults. Real-world evidence data is highly valued and has become increasingly important in providing evidence of treatment effectiveness in clinical practice.
Objectives:
TELESCOPE aimed to collect real-world data on erenumab treatment outcome from the physicians’ perspective in daily clinical routine.
Methods:
Forty five German headache centers were surveyed from July to December 2019. Physicians with a broad range of migraine patients provided information about their therapy decisions and therapeutic effects of erenumab. In addition, physicians reported therapeutic outcomes of individuals treated with erenumab, in a total of 542 patients.
Results:
Restricted quality of life (100%) and number of monthly migraine days (98.8%) were main reasons for initiation of treatment with erenumab. According to the treating physicians’ reports, erenumab reduced headache intensity (77.4% of patients), improved quality of life (75.5% of patients) and reduced monthly migraine days by half (66% of patients). Mean change in monthly migraine days was -6.2 (12.1 vs. 5.9 ) and mean change in acute medication days was -6.4 (11.5 vs. 5.1). For 69.4% of patients, treating physicians saw a response as early as after the first injection.
Conclusion:
The TELESCOPE study revealed real-world evidence of erenumab’s benefit in German headache centers. According to physicians’ perspective, erenumab treatment showed remarkable therapeutic benefit for the majority of their patients with improvement of the quality of life in more than 75% of the patients.
Einleitung:
Im Jahr 2018 erhielt Erenumab seitens EMA und FDA die Zulassung für die Migräne-Prophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens 4 Migränetagen pro Monat. Vor kurzem bestätigten die 4,5-Jahres-Daten einer laufenden offenen Behandlungsphase einer Studie das langfristige Sicherheitsprofil von Erenumab in einer internationalen Kohorte. Langzeitdaten für die deutsche Bevölkerung sind jedoch noch begrenzt. Ferner sollen die Auswirkungen und die Relevanz von Arzneimittelpausen untersucht werden, die in den Leitlinien für Migränetherapie des DMKG (DGN 2018) empfohlen und nach 6 bis 12 Monaten Behandlung vorgeschlagen werden.
Methoden:
APOLLON ist eine 128-wöchige offene Studie zur Behandlung mit Erenumab, in der Langzeitdaten zur Sicherheit und Verträglichkeit von Migränepatienten in Deutschland ausgewertet werden, die zuvor an einer direkten Vergleichsstudie zur Verträglichkeit von Erenumab und Topiramat teilgenommen haben (NCT03828539). In der APOLLON Studie kann der behandelnde Arzt bei den regulären Visiten die Erenumab-Dosis gemäß des zugelassenen Labels ändern und eine Arzneimittelpause einleiten. Dabei werden die monatlichen Migränetage 4 Wochen vor, während und 12 Wochen nach der medikamentenfreien Zeit dokumentiert. In einer Interimsanalyse werden die Basischarakteristika und die aktuellen sowie geplanten Arzneimittelpausen analysiert.
Ergebnisse:
Auf dem Kongress der DGSS wird eine Analyse der Basischarakteristika der ungefähr 400 eingeschlossenen Patienten sowie eine Analyse der Anzahl und des Zeitpunktes der aktuellen und geplanten Arzneimittelpausen im Behandlungsschema präsentiert.
Fazit:
Diese Analyse wird Einblicke in die Patientenpopulation geben, die zur Bewertung der langfristigen Sicherheit und Verträglichkeit von Erenumab sowie der Häufigkeit und des Zeitplans für Arzneimittelpausen während der Erenumab-Behandlung an etwa 80 deutschen Kopfschmerzzentren beobachtet wird.
EINLEITUNG
Antikörper als Prophylaxe sind neu im Bereich der Migräne, daher ist es wichtig, Informationen über ihre Anwendung im Praxisalltag außerhalb von randomisierten, kontrollierten Studien zu sammeln. Erenumab, ein Calcitonin-Gen-Related Peptide (CGRP)-Rezeptor-Antagonist, wurde mit zwei monatlichen Dosierungen zugelassen: 70 mg und 140 mg. Ziel der SPECTRE-Studie ist es, die Wahl der Anfangsdosis sowie die Dosisumstellung auf der Grundlage von Migränemerkmalen und Komorbiditäten zu verstehen.
METHODEN
Dies ist eine nicht-interventionelle, multizentrische, offene, einarmige Beobachtungsstudie bei Migränepatienten, die mit Erenumab behandelt werden. Die Studie wird an 150 Zentren in Deutschland durchgeführt und zielt auf die Rekrutierung von 1960 erwachsenen Migränepatienten ab. Patienten können entweder neu mit der Behandlung beginnen oder die Behandlung nicht länger als 3 Monate vor Beginn der Studie begonnen haben. Neben einem Kopfschmerztagebuch werden die Patientenfragebögen HIT-6 und TSQM zur Beurteilung der Wirksamkeit von Erenumab und der Zufriedenheit der Patienten mit dem Medikament verwendet.
ERGEBNISSE
Es werden die Ergebnisse einer ersten Zwischenanalyse vorgestellt. Dazu gehören die Ausgangscharakteristika der Migränepatienten sowie der Prozentsatz der Patienten mit der jeweiligen Anfangsdosis von Erenumab, stratifiziert nach den wichtigsten Gründen für die Verschreibung und Komorbiditäten.
SCHLUSSFOLGERUNG
Die SPECTRE-Studie wird wertvolle Einblicke in die klinische Routine der Erenumab-Verschreibungen in Deutschland geben. Die Charakterisierung des Verordnungsmusters und die Analyse des jeweiligen Therapieansprechens wird es gegebenenfalls ermöglichen, individuelle Behandlungsstrategien für jeden Patienten zu entwickeln.
Hintergrund: Antidepressiva sind empfohlen für die Behandlung von chronischen muskuloskeletalen Schmerzen, jedoch sind die Zielkonzentrationen gemessen mit therapeutischen Drug Monitoring (TDM) unbekannt. Deshalb analysierten wir TDM Daten aus Routinekontrollen bei chronischen Schmerzpatienten mit und ohne Depression bezüglich des Behandlungsergebnisses in einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST).
Methodik: Patienten mit chronischen muskuloskeletalen Schmerzen und TDM für Amitriptylin (n=45) oder Duloxetin (n=30) wurden retrospektiv eingeschlossen. Sowohl die Schmerzstärke als auch das Ausmaß an Depression, Angst und erhöhtem Stress wurden mithilfe des deutschen Schmerzfragebogens am Behandlungsbeginn (T0) und nach Abschluss der Behandlung (T1) erhoben. Als positives Outcome wurde eine Reduktion der Schmerzen auf der numerischen Rangskala (NRS) ≥ 2 definiert. Die begleitenden Depression wurde mit Hilfe der ICD-10 Kriterien diagnostiziert. Serum - Konzentrationen der Antidepressiva wurde gemessen mit der Standard- TDM.
Ergebnisse: Nach der IMST reduzierte sich der erhöhte Stress in allen Untergruppen, depressive Symptome nur in der Duloxetin - Gruppe. Responder bezüglich des Maximalschmerzes waren 40% der Patienten in der Amitriptylin - Gruppe und 27% der Patienten in der Duloxetin - Gruppe. Responder mit einer Depression erreichten eine 1,7 - fach höhere Konzentration von Amitriptylin im Vergleich zu Respondern ohne Depression (mindestens 131,5 ng/ml).
Schlussfolgerung: Die Dosierung von Antidepressiva bei der Behandlung von chronischen Schmerzen sollte besonders der begleitenden Depression Rechnung tragen. TDM kann dazu beitragen das Ergebnis bei der Behandlung von chronischen Schmerzen im Rahmen von IMST bei Patienten mit Depression als Komorbidität zu verbessern.
Hintergrund:
Wie sich die ärztliche Kommunikation über Schmerzen auf das Schmerzempfinden von Patienten/-innen auswirkt, wurde bislang nicht systematisch im Bereich der Rheumatologie untersucht. Die beiden einzigen Untersuchungen, die gezielt nach einem Einfluss der Frageform auf die Schmerzstärke suchten, sind im Akutschmerzsetting bei Patientinnen nach Sectio durchgeführt worden. Sie wiesen eine niedrigere Schmerzstärke nach, wenn anstatt nach Schmerzen nach körperlichem Wohlbefinden gefragt wurde (1,2).
Unsere Studie ging davon aus, dass die tägliche Frage nach dem körperlichen Wohlbefinden dazu geeignet ist, das Schmerzempfinden von Patienten/-innen im Kontext einer stationären Therapie, zu vermindern als die tägliche Nachfrage nach den körperlichen Schmerzen.
Material und Methoden:
Eingeschlossen wurden Patienten/-innen von zwei rheumatologischen Stationen eines Akutkrankenhauses, die eine stationäre multimodale rheumatologische Komplextherapie über 15 Tage durchliefen. Die bei Aufnahme und Entlassung routinemäßig erhobenen Größen der Schmerzwahrnehmung, der Müdigkeit und des Gesundheitszustandes via numerischer Rating-Skala wurden retrospektiv ausgewertet. Zudem gaben die Patienten/-innen der Station 1 einmal täglich ihr aktuelles körperliches Wohlbefinden an, die der Station 2 dagegen die Stärke ihres täglich empfundenen Schmerzes. Die Auswertung erfolgte mittels Wilcoxon-Rangsummentest (U-Test).
Ergebnisse:
66 Patienten/-innen nahmen an der Studie teil, davon 53 Frauen und 13 Männer. Sie hatten sowohl entzündlich-rheumatische (n=40) als auch degenerative Erkrankungen (n=7) bzw. Schmerzerkrankungen wie chron. Rückenschmerz (n=2) oder ein Fibromyalgie-Syndrom (n=17). Der Vergleich zwischen den Stationen 1 und 2 erbrachte folgende Ergebnisse: Es ergab sich kein signifikanter Unterschied in der Veränderung der Müdigkeit (n=37). Die Schmerzintensität hingegen nahm auf Station 2 signifikant stärker ab (n=37, p=0,004). Auch die Veränderung des Gesundheitszustandes war auf Station 2 signifikant besser (n=37, p=0,001). Das täglich abgefragte Schmerzempfinden (Station 2, n=33) nahm im Behandlungsverlauf signifikant stärker ab, als das täglich abgefragte Wohlbefinden (Station 1, n=33) zunahm (p=0,007).
Diskussion:
In dieser Studie ließ sich nicht nachweisen, dass eine positive Frageform (körperliches Wohlbefinden) im Gegensatz zu einer üblichen Frage nach Schmerz zu einer Verringerung der gefühlten Schmerzintensität führt. Wir sahen überraschend das Gegenteil. Schmerzen, aber auch der allgemeine Gesundheitszustand, besserten sich in der Gruppe mit Frage nach dem körperlichen Wohlbefinden weniger stark im Rahmen der Komplextherapie.
Dies stellt die erste Untersuchung dar, die versucht Ergebnisse aus der Akutschmerzmedizin bei Patienten/-innen mit chronischen Schmerzen zu replizieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können einen positiven Einfluss auf das Schmerzerleben bei positiv gestellter Frageform jedoch nicht bestätigen.
Hintergrund: In den letzten 12 Jahren wurden Grundlagen der automatisierten Schmerzerkennung mit Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI), die aus der Fremdbeobachtung des Schmerzes hervorgegangen sind, untersucht und optimiert. Zielgruppen sind primär Patientenkollektive mit eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten. Fokussiert wird momentan die Klassifikation der Schmerzintensität. Visionär ist jedoch auch die Erkennung der Schmerzqualität (ziehend, stechend) und -lokalisation von Relevanz. Bisher wurde nicht untersucht, wie Anästhesisten und Pflegekräfte auf Intensivstationen der Entwicklung und Implementation einer automatisierten Schmerzerkennung für den klinischen Alltag gegenüberstehen.
Methode: Es wurden N = 102 klinische Mitarbeiter der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Ulm befragt. Ihnen wurde ein Video gezeigt, in welchem die Technologie, die Grundlage und die Ziele einer automatisierten Schmerzerkennung skizziert werden. Anschließend erfolgten Fragen zu: (1.) dem erwarteten Benefit der automatisierten Schmerzerkennung im Kontext, (2.) der Präferenz der zu verwendenden Modalität (physiologisch, paralinguistisch, videobasiert, multimodal), (3.) dem maximalem Betrag der finanziellen Investition, (4.) der Präferenz der erforderlichen Erkennungsrate der Schmerzintensität und letztendlich (5.) der Bereitschaft, eine automatisierte Schmerzerkennung im klinischen Alltag zu verwenden.
Ergebnisse: Den höchsten Benefit der automatisierten Schmerzerkennung erwarten die Befragten in der Vermeidung von Über- oder Unterversorgung mit Analgetika bei Patienten mit eingeschränkter Kommunikation. Von den Meisten wurde eine automatisierte Schmerzerkennung im klinischen Setting mit einem multimodalen Verfahren (aus Fusion von physiologischer, paralinguistischer und videobasierter Modalität) präferiert. 50 % der Befragten gaben an, sie würden die Technologie der automatisierten Schmerzerkennung in der Klinik verwenden, 32,4 % vielleicht und 17,4 % gaben an, dass sie diese Technik nicht einsetzen würden.
Schlussfolgerung: Die automatisierte Schmerzerkennung mit Algorithmen der KI wird von Ärzten und Pflegekräften einer anästhesiologischen Intensivstation grundsätzlich als mögliches neues Verfahren akzeptiert, mit erwartetem Benefit für Patienten mit eingeschränkter Kommunikation. Es sind jedoch Studien mit der automatisierten Schmerzerkennung im klinischen Setting sind unbedingt erforderlich, auch Überprüfung der Akzeptanz und Praktikabilität. Es bleibt unklar, ob bzw. wann eine Translation in die klinische Praxis tatsächlich erfolgen kann.
Hintergrund
Fatigue ist ein häufig genanntes Symptombild bei chronischen Schmerzen und kann als ein aversiver Motivationsstatus definiert werden (³). Anzunehmende neurobiologische strukturelle Zusammenhänge lassen eine Überschneidung von Motivation und Fatigue vermuten, die bei der Schmerzwahrnehmung eine übergeordnete Rolle spielen(¹,²).
Ziel der Studie war es, zu elaborieren, ob Fatigue und Motivation schmerzbeeinflussende Faktoren bei Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen Schmerzerkrankung sind und ob eine dreiwöchige stationäre interdisziplinär-multimodale Schmerztherapie einen Einfluss auf die beiden genannten Facetten nimmt.
Methode
Am Zentrum für Schmerztherapie junger Menschen in Garmisch-Partenkirchen wurde im Zeitraum von 02/2019 bis 06/2019 eine empirische Datenerhebung mittels der deutschen Übersetzung des Multidimensional-Fatigue Inventory (MFI-20) und weiteren klinischen Fragebögen (DSF-KJ; DIKJ; klinikinterne Kurzevaluation) zu Beginn (T1) und am Ende (T2) des schmerztherapeutischen Aufenthalts durchgeführt. Ausgewertet wurden die Daten von 94 Jugendlichen (84 weiblich, 10 männlich), welche im Durchschnitt 14;7 Jahre (SD=1,65) alt waren.
Ergebnisse
Es zeigt sich kein linearer Zusammenhang zwischen der Dauer der Schmerzerkrankung und einer höheren Fatigue bzw. niedrigerer Motivation.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Fatigue- und Motivationswerte im Laufe der Therapie verbessern (GFd=.51; PFd= .52, RAd= .53, RMd= .30). Unabhängig von der Schmerzstärke stand eine höhere generelle Fatigue zu Therapieanfang mit einer höheren Schmerzintensität am Therapieende in Zusammenhang (R2= .06; p < .02). Im Random-Effects-Modell ist erkenntlich, dass die Veränderung der generellen Fatigue zwischen T1 und T2 zu einer Veränderung der Schmerzstärke zwischen diesen Zeitpunkten führt (X2=.012; R2=.18).
Schlussfolgerung
Basierend auf dieser Grundlage ist es empfehlenswert, innerhalb der Schmerztherapie die Fatigue mit spezifischen Maßnahmen zu senken. Um in diesen Sachverhalt abschließend Korrelation und Kausalität voneinander abgrenzen zu können, bedarf es weiterer Forschung. Dazu müssen sowohl geeignete Maßnahmen zur Reduktion der Fatigue evaluiert werden als auch spezifische Fragebögen für Kinder und Jugendliche zur Messung der Fatigue etabliert werden.
Background: Appr. 20% of Austrians experience chronic pain, and 25% report severe pain that impairs functionality. Perceived stress, pain, and fatigue are sequelae of rheumatic and musculoskeletal diseases (RMD) that contribute to functional impairment, perhaps due to reduced vitality, motivation, and self-efficacy. Such cognitive-emotional deficits may limit ability for self-care (e.g., grooming) and fulfilling expected roles (e.g., employment). However, positive psychological factors, such as gratitude (GQ; i.e., appreciate positive aspects of life), self-compassion (SC; i.e., recognize shared humanity; practice self-kindness and mindfulness when distressed), and self-forgiveness (SF; i.e., self-reconciliation upon acknowledging wrongdoing), may improve functionality by mitigating stress (e.g., reducing inflammation and cardiac pathophysiology), pain (e.g., reducing catastrophizing), and fatigue (e.g., improving sleep). At the bivariate level, we hypothesized that GQ, SC, and SF would be positively related, and each would be inversely related to stress, pain, fatigue, and functional status. Further, stress, pain, fatigue, and functional status would be positively related. At the multivariate level, we predicted that stress, pain, and fatigue would mediate, in parallel, the relation between GQ, SC, or SF and functional disability, such that higher levels of these protective factors would be related to less physiological distress and, in turn, to better functional status.
Methods: We recruited patients (n = 1,218; 52% (n = 632) female; Mage = 58 years, SD = 11) from a large Austrian health facility, the Gasteiner Heilstollen healing clinic. Ankylosing spondylitis (37%; n = 434), osteoarthritis (34%; n = 404), and fibromyalgia (24%; n = 278), were the most prevalent diagnoses, and 673 (55%) patients had comorbid conditions. Participants completed online self-report measures.
Results: In bivariate analyses, all variables were significantly related in hypothesized directions (p < .05). In mediation analyses, with 10,000 bootstrapped samples, total effects of gratitude, self-compassion and self-forgiveness were significant (GQ: t = -5.29, p < .0001; SC: t = -7.59, p < .0001; SF: t = -6.87, p < .0001), and direct effects were nonsignificant when stress, pain, and fatigue were added (GQ: t = -1.01, p = .31; SC: t = .34, p = .73; SF: t = -.74, p = .46). Each model accounted for 37% of indirect effect variance (R2 = .37, p < .0001) and all indirect effects were significant.
Conclusion: Supporting hypotheses, gratitude, self-compassion, and self-forgiveness were linked to less stress, pain, and fatigue and, in turn, to better functionality. Therapeutic promotion of positive psychological characteristics (e.g., mindfulness meditation; gratitude diaries) and reduction of stress (e.g., progressive muscle relaxation), pain (e.g., cognitive behavioral therapy), and fatigue (e.g., sleep diaries) may improve functional status in persons with chronic pain.
Theoretischer Hintergrund: Vermeidungsverhalten aufgrund von schmerzbezogener Angst gilt als Risikofaktor bei der Entwicklung chronischer Schmerzen und steht im Zusammenhang mit dem subjektiven Beeinträchtigungserleben der Betroffenen (Vlaeyen & Linton, 2000, 2012). Auf konzeptuellem Wissen basierende Generalisierung könnte, neben perzeptuellen Generalisierungsprozessen, eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Aufrechterhaltung von maladaptiver schmerzbezogener Angst und Vermeidung spielen.
Methode: Daher wurde im Rahmen dieser Studie Generalisierung von schmerzbezogener Angst und Vermeidung auf konzeptuell verwandte Kontexte in einer gesunden Stichprobe (N=50) untersucht. Hierzu wurde eine angepasste Version des operanten Roboterarm-Paradigmas (Meulders, Franssen, Fonteyne, & Vlaeyen, 2016) verwendet, welche durch ein Trade-Off zwischen Bewegungsaufwand und Schmerzwahrscheinlichkeit gekennzeichnet ist. Vermeidungsverhalten wurde dabei durch Ausweichbewegungen operationalisiert. Beispiele von zwei übergeordneten Kategorien (Szenen draußen vs. Szenen drinnen) wurden als Bildschirmhintergrund verwendet, um einen sicheren und einen Gefahrenkontext zu erstellen. In der Akquisitionsphase erfolgten im sicheren Kontext keine Schmerzreize, während schmerzvolle Reize im Gefahrenkontext durch aufwendigere Bewegungen vermieden werden konnten. In der Generalisierungsphase wurde Angst und Vermeidungsverhalten im Kontext neuer Beispiele der gelernten Kategorien getestet.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass neue Hintergrundszenen, die den Originalhintergründen des Gefahrenkontextes konzeptuell ähneln, zu mehr Vermeidungsverhalten führen als dem sicheren Kontext ähnelnde neue Hintergrundszenen. Vorläufige Analysen deuten auf ein anderes Muster für schmerzbezogene Angst hin, welche nicht selektiv auf konzeptuell verwandte Kontexte generalisiert wurde.
Schlussfolgerung: Schmerzbezogenes Vermeidungsverhalten kann basierend auf konzeptuellen Wissen selektiv auf neue Kontexte generalisiert werden.
Neben übermäßigem Vermeidungsverhalten aufgrund von bspw. Bewegungsangst wurde übermäßiges Durchhalteverhalten als weiterer wichtiger Einfluss, der zur Chronifizierung von Schmerzen führen kann, identifiziert (Hasenbring, 1993). In einer Therapie benötigen Patienten mit diesen entgegengesetzt scheinenden Verhalten unterschiedliche Schwerpunkte. Steht bei den einen die Reduktion von Bewegungsangst, Steigerung der Belastbarkeit und Aktivität im Vordergrund sind es bei den anderen Entspannungsfähigkeit, Pausenmanagement und die Förderung von Regeneration. Bereits in der Diagnostik von Patienten mit chronischen Schmerzen sind diese Verhaltenstendenzen identifizierbar. Als ökonomisches Erhebungsinstrument steht hierfür der Avoidance- Endurance- Questionnaire (AEQ, Hasenbring et al. 2009) zur Verfügung, wobei das zugrundliegende Avoidance- Endurance- Model drei maladaptive (Fear Avoidance Response (FAR), Distress Endurance Response (DER), Eustress Endurance Response (EER)) und eine adaptive (Adaptive Response (AR)) Verhaltenstendenzen unterscheidet. In der vorliegenden Untersuchung von 73 Patienten eines stationären Interdisziplinären Schmerzassessments konnten 68 % als DER, 10 % als EER und 18 % als FAR-Typen identifiziert werden. Zudem zeigt sich im Vergleich der Gruppen untereinander in der Gruppe der DER-Patienten der höchste relative Anteil an Opioid- und Antikonvulsivamedikation, der höchste relative Anteil des höchsten Chronifizierungsgrads (MPSS), das höchste Stresserleben (DASS-S) sowie die geringste Funktionskapazität (FFbH-R). Aufgrund des geringen Stichprobenumfangs und der ungleichen Verteilung der Gruppen müssen die Ergebnisse als vorläufig angesehen werden. Dennoch weisen diese Befunde auf die Bedeutung einer exakten Diagnostik mit Berücksichtigung der Verhaltenstendenzen hin, die wegweisend für eine individuell angepasste Therapie sein könnte. Insbesondere in Gruppentherapien sollte der Fokus nicht ausschließlich auf Vermeidungs- sondern auch auf Durchhalteverhalten gerichtet sein.
Context: Chronic visceral pain is highly prevalent, with a major psychological and socioeconomic burden, and effective long-term treatments are still not available. Systemic inflammatory processes and an altered neuro-immune communication are discussed to contribute to the pathophysiology of chronic visceral pain syndromes. Furthermore, inflammatory processes pose a potential risk factor for mood disorders, especially of the depressive spectrum, and clinical studies demonstrate a complex and reciprocal connection between chronic pain and negative emotions. While these data support a close relationship between inflammation and negative mood in the context of visceral pain, a deeper understanding of the underlying psycho-neuro-biological processes is still needed. Thus, we conducted a randomized controlled study in healthy volunteers, and experimentally induced a transient low-grade systemic inflammation as well as a negative, depression-like mood to investigate the effects of inflammation and mood on visceral pain sensitivity.
Methods: In this ongoing randomized, double-blind, placebo-controlled cross-over fMRI study, healthy volunteers (N = 37; 16 female) received low-dose endotoxin (lipopolysaccharide; inflammation condition) or saline (placebo condition) on two otherwise identical study days. In both conditions, sad and neutral emotional states were induced using the established Velten paradigm. Immediately after mood induction, individualized painful rectal distensions were applied. Subjective ratings of mood, pain intensity and unpleasantness were obtained, and blood oxygen level-dependent (BOLD) responses were analyzed using fMRI. Blood samples were repeatedly collected to analyze pro-inflammatory plasma cytokines.
Results: Endotoxin application led to transient increases in pro-inflammatory serum cytokine concentrations, indicating low-grade inflammation. Participants’ ratings of sadness were significantly increased in the negative mood condition compared to the neutral mood condition. During systemic inflammation, perceived intensity and unpleasantness of visceral pain stimuli were significantly increased. However, no effects of negative mood or the interaction of inflammation and negative mood on visceral pain sensitivity were found. Statistical analysis of fMRI data is ongoing to address neural mechanisms of inflammation-induced visceral hyperalgesia.
Conclusion: The present interim analysis shows that endotoxin application led to a systemic inflammatory response. While greater sadness ratings were observed in the negative mood condition, supporting the efficacy of the mood induction paradigm, no effects of negative mood on visceral pain sensitivity were found. However, inflammation significantly increased perceived intensity and unpleasantness of visceral pain. These findings from a carefully controlled experimental study can help to disentangle the complex interactions between inflammation, negative mood, and visceral pain.
Introduction: Temporomandibular Disorders (TMD) have been related to psychosocial factors which appear as determinant or risk factors for the incidence or progression of this condition. How important are these factors in the clinical decision-making during the TMD treatment? The present survey was intended to explore the opinion about the measurement method of psychosocial factors on TMD patients proposed by the Axis II of the Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders (DC/TMD). Methods: The survey was constructed according to Axis I and II items of the DC/TMD. They were revised by two psychologists and one dentist. The first group of survey participants consisted of RDC/TMD Consortium Network (current INfORM) members attending a closed workshop with the goal of improving the clinical applicability of the Axis II. A similar online survey was offered to a group attending an international conference on oral pain. This adapted version excluded all specific questions requiring a previous knowledge of the DC/TMD and it was previously tested in a workgroup for TMD at the Frankfurt University. Results: Group 1: 21 participants (100% of attendants) answered the survey. 71.4% declared using Axis II for all orofacial pain patients. Familiar pain and extent of whole-body pain (94.4% and 93.8% respectively) followed by pain interference, depression and anxiety (77.8%, 76.5%, 72.2% respectively) were considered the most relevant factors in clinical decision-making. However, other psychological factors not included in Axis II are believed to be important to be assessed in TMD patients: catastrophizing, coping ability and stress (90%, 89.5%, 88.9%). Group 2: From 125 conference attendants, 29,6% (37) participated in this study. The clinical findings dominated the clinical decision making. Familiar pain, pain intensity, and range of mandibular movement were reported as the most relevant factors in the clinical decision making, followed by anxiety score. All psychological factors were attributed the same importance (3.2 out of 10). Reasons for not implementing the Axis II were mostly time demand. Comparison between groups: Non-parametrical tests showed statistically significant differences between groups for the importance of the elements of DC/TMD and for the importance to measure psychological factors in TMD patients. The group 1weighted significantly higher the importance of the psychosocial factors in general. Significant differences were also observed by the evaluation of time-demand for DC/TMD between the group 1 and those in the group 2. Conclusion: Mainly challenges regarding the importance of using the Axis II in the clinical treatment of TMD were linked to the effective clinical applicability of psychosocial instruments. The Axis II may still be in development, some instruments were not considered relevant for clinical decision-making, and some not included psychosocial factors were designated importance.
Background: Purpose of this study was to examine the diagnostic accuracy of a three-items questionnaire (PEG) for grading chronification of non-odontogenic orofacial pain.
Methods: 286 consecutive patients with non-odontogenic orofacial pain filled out the PEG questionnaire and the Graded Chronic Pain Status (GCPS, version 2). The PEG questionnaire consists of the following three items from the Brief Pain Inventory (BPI): „average Pain intensity“(P), „interference with Enjoyment of life“ (E), and „interference of General activity“ (G) during the past week.
The internal consistency of PEG was tested with Cronbach’s α. The correlation between the scores of both instruments was examined with non-parametric tests (Spearman’s ρ). The validity measures of the PEG included sensitivity, specificity, precision, and accuracy, which were calculated for three groups according to the PEG average score. Differences in GCPS Grade between the PEG groups were examined with the Mann-Whitney-U-test. Level of significance was set at p ≤ 0.05.
Results: The mean age of the 213 patients (158 female), who were included in the analysis according to the eligibility criteria, was 43.1±16.7 years. 49.3% of the sample had some orofacial pain-related disability ( > 0 disability points at GCPS); the mean characteristic pain intensity (CPI) was 51.2±23.2 and average overall PEG score was 4.3±2.7. There were no significant differences between sexes for any score. The correlation between pain related disability and PEG score was strong, significant, and positive (ρ=0.77; p < 0.001). The internal consistency of the PEG questionnaire was high (Cronbach’s α=0.86). The overall accuracy of the PEG was estimated at 69%. Grading patients with the PEG yielded into three chronification groups (mild, moderate and severe pain related disability) which differed from each other significantly regarding their GCPS grade (Kruskal-Wallis p < 0.001).
Conclusions: The three-item PEG questionnaire is appropriate for grading non-odontogenic orofacial pain chronification. We propose its use for screening of orofacial pain.
Wir berichten über einen 18-jährigen, männlichen Patienten, welcher im August 2016 in unserem Schmerzzentrum wegen stärkster neuropathischer Schmerzen (NRS11 9) im linken Bein vorgestellt wurde.
Fünf Wochen zuvor erlitt er im Rahmen eines Verkehrsunfalls ein Polytrauma. Die linksseitige transforaminale Sakrumfraktur wurde minimalinvasiv durch zwei kanülierte Schrauben stabilisiert. In der Aufwachphase berichtete der Patient über neu aufgetretene massive Schmerzen im linken Bein und ein neues motorisches Defizit. Bei elektrophysiologischem Nachweis einer Schädigung des N. ischiadicus und einer extraossären Schraubenlage wurde die craniale Schraube noch am gleichen Tag entfernt.
Die bereits durch den Hausarzt initiierte medikamentöse Therapie (Hydromorphon ret. 24 mg/d plus Bedarfsmedikation, Gabapentin 2700 mg/d, Celecoxib 400 mg/d, Metamizol 2 g/d, Amitriptylin 75 mg/d) hatte keine wesentliche Schmerzlinderung gebracht.
Bei der Aufnahme erfüllte der Patient die Budapestkriterien. Wir entschlossen uns zur Anlage eines Periduralkatheters bei medikamentös nicht beherrschbarer Schmerzkrise, welche eine sehr gute Schmerzlinderung brachte. Eine MRT-Untersuchung ergab eine langstreckige ödematöse Verquellung der Spinalnerven L5 bis S2.
Wir stellten daraufhin bei CRPS II und unzureichender Wirkung einer adäquaten analgetischen Medikation die Indikation zur Testung der analgetischen Effektivität einer DRG-Stimulation. Es erfolgte eine Implantation von SlimTip®-Elektroden an die Nervenwurzeln L4 und L5 links, die Platzierung einer Elektrode an die Nervenwurzel S1 war technisch nicht möglich. Nach bereits eingetretener Schmerzlinderung unter der intraoperativen Teststimulation erfolgte die Implantation eines Generators (Axium®, St. Jude Medical) in gleicher Sitzung. Der periinterventionelle Verlauf gestaltete sich komplikationslos.
Der Patient war im weiteren Verlauf schmerzfrei, die gesamte Medikation konnte innerhalb weniger Wochen ausgeschlichen werden. Er nahm ab März 2017 ein Studium auf. Das neurologische Defizit war über die nächsten Jahre weitgehend rückläufig. Im März 2019 erfolgte ein Generatorwechsel bei Batterieerschöpfung, seit Herbst 2019 ist die Stimulation ausgeschaltet, es besteht weiterhin Schmerzfreiheit. Perspektivisch ist nach ausreichend langem Auslassversuch die Explantation des Systems geplant.
Neuropathische Schmerzen sind ein Risikofaktor für die Chronifizierung postoperativer Schmerzen (1) und sprechen häufig nur schlecht auf eine medikamentöse Behandlung an (2). Diese therapierefraktären Fälle sind entsprechend der S3-Leitlinie „Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen“ eine Indikation für die Testung der analgetischen Effektivität einer neuromodulativen Behandlung (3). Eine frühzeitige Vorstellung dieser Patienten in einem spezialisierten Zentrum kann eine Chronifizierung und Invalidisierung in vielen Fällen verhindern, auch wurden neurorestorative Effekte der DRG-Stimulation beschrieben (4).
Fragestellung: Durch wiederholte Applikation von Lokalanästhetika in die Umgebung des Ganglion stellatum als Teil des sympathischen Grenzstrangs können neuropathische Schmerzen an den oberen Extremitäten und am Kopf gelindert werden. Die Vorzüge der ultraschallgezielten Ganglion stellatum-Blockadetechnik (us-SGB) gegenüber der „blinden“ Infiltration, nämlich die Reduktion von Nebenwirkungen (1, 2) und Lokalanästhetikavolumina (3), sind nachgewiesen und beschrieben. Ziel der vorliegenden Studie war nun die Validierung der ultraschallgezielten Punktionstechnik in den Musculus longus colli (MLC) durch die Erfassung der räumlichen Ausbreitung des Injektats mittels Magnetresonanztomographie (MRT). Die Wirkung der us-SGB wurde anhand von Hauttemperaturveränderungen und dem Auftreten der Horner’schen Trias objektiviert.
Methoden: Bei 12 gesunden, männlichen Probanden wurden doppelt verblindet, randomisiert insgesamt 37 ultraschallgezielte, transthyreoidale Stellatumblockaden (us-SGB) durchgeführt. Dabei wurden 3 ml Flüssigkeitsvolumen in den MLC injiziert, als Verum 3 ml Lokalanästhetikum Ropivacain 1 % und als Placebo 3 ml isotone Kochsalzlösung. Vor und nach der us-SGB erfolgte jeweils eine T2-gewichtete MRT-Untersuchung der Halsregion, um die räumlich-anatomische Verteilung des Injektats zu erfassen. Zur Wirkungskontrolle der Stellatumblockade wurde jeweils vor und nach der Intervention die Hauttemperatur an den oberen Extremitäten im Seitenvergleich bestimmt und Symptome der Horner’schen Trias sowie Nebenwirkungen dokumentiert.
Ergebnisse: Die MRT bestätigte die korrekte Applikation aller Injektate in den Muskelbauch des MLC. Die Lokalisation bzw. Lage der maximalen axialen Injektatflächenverteilung reichte dabei vom mittleren HWK 5 bis zum oberen BWK 1. Alle Probanden zeigten nach der us-SGB mit Verum (Ropivacain) signifikante Horner-Symptome und eine signifikante Temperaturdifferenz der oberen Extremitäten (M ± SD = 1,7 ± 1,8 °C, p < ,01), während die Probanden nach der us-SGB mit Placebo keine Horner-Symptome und keine Temperaturdifferenz der oberen Extremitäten (M ± SD = 0,2 ± 0,5 °C, p = ,29) aufwiesen.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die us-SGB per transthyreoidaler Punktion des MLC ermöglicht eine einfache Orientierung im Ultraschallbild. Die us-SGB ist sicher, nebenwirkungsarm und effektiv.
Hintergrund: Die Neurostimulation des Rückenmarks ist eine Therapieform für Patienten mit refraktären und insbesondere neuropathischen chronischen Schmerzen. Es wird unterschieden zwischen konventionell niederfrequenten und hochfrequenten Stimulationsformen, die zu einer Schmerzreduktion mithilfe wiederaufladbarer oder nicht wiederaufladbarer Geräte führen können. Ziel dieser Analyse war es Auswirkungen auf die Medikation und die damit verbundenen Kosten sowie das Verordnungsverhalten der Ärzte nach Therapiebeginn zu untersuchen.
Methoden: Diese retrospektive, Längsschnittstudie wurde mithilfe von anonymisierten GKV-Routinedaten aus der für Deutschland repräsentativen, alters- und geschlechtsadjustierten InGef-Forschungsdatenbank, die circa fünf Millionen Versicherte beinhaltet, durchgeführt. Es wurden Patienten mit einer in den Jahren 2013 oder 2014 erstmaligen Implantation eines Neurostimulators für drei Jahre ab Implantation betrachtet.
Ergebnisse: In der InGef-Forschungsdatenbank fanden sich 150 Patienten mit einem initial implantierten Neurostimulator. Davon waren 51% Frauen und 49% Männer mit einem Altersdurchschnitt von 62,5 Jahren. Bei allen untersuchten Medikationen konnte ein Rückgang der Verschreibungen beobachtet werden. Neben der Schmerzmedikation (-18%) gingen vor allem bei Antiphlogistika/Antirheumatika (-23%), Antidepressiva (-33%) sowie bei Antiepileptika (-21%) die Verschreibungen zurück. Bei den durch Opioide verursachten Kosten zeigte sich ein Rückgang von durchschnittlich 952€ pro Patient auf 717€ im letzten Beobachtungsjahr, was einer prozentualen Abnahme von -18% entsprach. Opioide machten mit über 90% den Hauptkostenanteil bei Analgetika aus. Im Vergleich der Facharztgruppen zeigte sich eine große Vielfalt im Verordnungsverhalten. Rund 70% der Patienten erhielten ihre Schmerzmedikation vom Hausarzt, 23% vom Anästhesisten. Orthopäden und Neurochirurgen verschrieben bei unter 5 Patienten Antidepressiva.
Schlussfolgerung: Die Studie zeigt, dass der Beginn einer Rückenmarkstimulation zu einer deutlichen Reduktion aller für die Schmerzpatienten relevanten Medikamente und insbesondere zu einer Kostenreduzierung bei Opioiden führt. Letzteres ist hervorzuheben, da Opioide unter den Schmerzmitteln die meisten Kosten verursachen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Lebensqualität bei Schmerzpatienten durch Einsatz der Rückenmarkstimulation und dadurch bedingt reduzierter Medikation positiv beeinflusst wird. Im Vergleich der Facharztgruppen zeigt sich, dass Orthopäden und Neurochirurgen kaum Antidepressiva verschreiben. Die Ergebnisse offenbaren einen deutlichen Unterschied der Facharztgruppen im Verordnungsverhalten, der darauf schließen lässt, dass nicht immer eine optimale Schmerzmedikation angewandt wird.
Context:
The Gastein Healing Gallery (GHG) as an important part of health resort medicine of the Gastein valley in Austria, combines several treatment factors such as low level radon exposure, high humidity and mild hyperthermia in a moderate altitude above sea level. Patients regularly report marked clinical effects in a variety of domains, including symptoms, reduction of medication, physical functioning, and quality of life. Our objective was to assess the subjective effects of gallery sessions on medication intake and symptoms in a cohort of patients with RA, AS and FMS attending the GHG.
Methods:
We conducted 14 qualitative interviews with patients regularly attending the GHG in Austria. Interviews for the study were open-ended and structured only to the extent of being guided by a set of predefined topics, including effects of the gallery visits on symptomatology and physical and mental health. Conversations were tape-recorded and later transcribed verbatim. The content analysis was performed according to Mayring with the program MaxQDA. The creation of categories followed both deductive and inductive methods.
Results:
Fourteen patients took part in the interviews. The mean age was 58 years (SD 5,4), 6 patients were female. Four patients each suffered from RA or AS and 6 patients from FMS. On average the patients had 11 stays with gallery sessions (min. 1 – 35 max.). Of our participants, 14%/64%/22% rated the gallery sessions as extremely/very/pretty successful. Five salient themes emerged from the analysis: 1) ability to reduce or even to stop pain medications including opioids and cortisone as well as biologics, antiepileptics or asthma medication, 2) reduction of pain after every stay and prolongation of pain-free periods with regular stays, 3) positive influence on mood and thoughts resulting in less depression and anxiety and more feelings of happiness, 4) improvement of severity and frequency of fatigue, stiffness and muscle cramps, and 5) better sleeping quality leading to more energy, better functioning during the day and a more harmonic interaction with fellow human beings.
Conclusions:
In this qualitative study, patients across diagnostic groups report, in their own words, considerable improvements in medication use and symptoms of their chronic disease. Regular therapeutic visits to the GHG lead to an overall reduction of their medication intake or even stopping use of pain killers, biologics or cortisone. Interestingly, patients indicate considerable improvements in a variety of different symptoms, including pain, stiffness, depression and sleep, suggesting a complex effect of the mild radon hyperthermia in the Gallery on different physiological processes.
To conclude, patients with RA, AS or FMS benefit significantly from regular stays in the GHG in respect to their medication intake and multiple symptoms of their chronic diseases.
Hintergrund: Patienten mit „chronic widespread pain“ (CWP) und/oder Fibromyalgiesyndrom (FMS) gelten unter Ärzten als schwierig behandelbar, es existieren verschiedene Therapiekonzepte, teilweise wird die Diagnose Fibromyalgiesyndrom nicht anerkannt.
Ziel dieser Studie ist eine aktuelle Bestandsaufnahme zu den subjektiven Krankheitsmodellen und Behandlungspräferenzen von Patienten, Hausärzte und Psychotherapeuten beim FMS bzw. CWP.
Methoden: Von Dezember 2019 bis Februar 2020 wurden kurze, selbstentwickelte Fragebögen an 88 Patienten mit FMS bzw. CWP der Praxis für Neurologie und Psychiatrie Leutkirch, sowie an 146 Hausärzte und 88 Psychotherapeuten aus dem Landkreis Ravensburg per Post, Fax oder E-Mail verschickt. 30 Patienten (34%), 19 Hausärzte (13%) und 10 Psychotherapeuten (11%) nahmen an der Studie teil.
Befragt wurde zur Genese (psychiatrisch, psychosomatisch oder somatisch) sowie zu Behandlungsoptionen (Lifestyle-Änderung, Physiotherapie, Analgetika einschl. Opioide, Psychopharmaka und Psychotherapie). Bei den Patienten wurden zudem vergangene Psychotherapien und deren Behandlungserfolge untersucht. Die Ärzte und Therapeuten wurden befragt, ob sie ihre Patienten zu einer Psychotherapie überweisen bzw. diese psychotherapeutisch behandeln.
Ergebnisse: Die ersten Ergebnisse zeigen, dass Ärzte, Psychotherapeuten und Patienten hauptsächlich eine psychosomatische/psychische Genese annehmen, aber auch 47 % der Patienten von einer körperlichen Ursache ausgehen. Bei der Behandlung sind sich alle Gruppen einig, dass Lifestyle-Änderungen und Psychotherapie wichtig sind. 89% der Hausärzte und 50 % der Patienten sprechen sich zudem für Psychopharmaka aus und für Patienten sind orthopädische und physiotherapeutische Behandlungen relevant. Die Patienten, die eine psychische/psychosomatische Genese von FMS/CWP annehmen, sehen tendenziell eher Psychopharmaka und Psychotherapie als relevante Therapien an.
Schlussfolgerung: Wenngleich die niedrigen Rücklaufquoten die Aussagekraft limitieren, wird von Hausärzten, Psychotherapeuten und Patienten hauptsächlich eine psychische/psychosomatische Genese von FMS und CWP angenommen, und überwiegend Lifestyle-Änderungen und eine Psychotherapie als relevant angesehen.
Um die Krankheitsmodelle und Behandlungspräferenzen näher zu evaluieren, sind strukturierte Telefon-Interviews bei den befragten Patienten geplant.
Hintergrund: Das Fibromyalgie Syndrom (FMS) ist ein chronisches Schmerzsyndrom mit unterschiedlichen Symptomenkomplexen und Verlaufsformen. Eine objektive Diagnose und individualisierte Behandlung wird durch die unklare Pathophysiologie und breite phänotypische Varianz erschwert. Veränderungen in der Peripherie auf lokaler (Haut) und systemischer (Blut) Ebene sind in FMS beschrieben, deren potentiell pathophysiologische Beteiligung bislang jedoch nur fragmentär und uneinheitlich bekannt. microRNAs (miRNAs) sind posttranskriptionelle Schlüsselregulatoren, die maßgeblich auf die Genexpression einwirken. Abweichend exprimierte miRNAs erlauben dadurch Rückschlüsse auf FMS spezifische Änderungen im zellulären Kontext.
Methodik: Wir rekrutierten FMS Patientinnen (n = 39) und alters-adaptierte gesunde Probandinnen (n = 23). Alle Teilnehmerinnen wurden neurologisch untersucht und mit Fragebögen bezüglich FMS-, Schmerz-, und Depressionssymptomen charakterisiert. Als Biomaterial wurden Vollblut und aus diagnostischen Hautbiospie gewonnene primäre Keratinozyten-Zellkulturen untersucht. Aus den Proben extrahierte RNA wurde für small RNA-Sequenzierungen genutzt, um Änderungen im jeweiligen miRNA Transkriptom zu erfassen. Nachfolgend wurden von deregulierten miRNAs beeinflusste Zellprozesse bioinformatorisch determiniert und einzelne Schlüssel-miRNAs und deren Zielgene per qRT-PCR validiert.
Ergebnisse: Im Vergleich zu gesunden Probandinnen zeigten 69 miRNAs im Blut und 41 miRNAs in Keratinozyten von FMS Patientinnen eine deregulierte Expression. Unter den abgeleiteten Genpfaden wurden die Fettsäuresynthese und Forkhead Box Protein O1 (FOXO1) (Blut), sowie der extrazelluläre Matrix Rezeptor Signalweg (Keratinozyten) als potenzielle Schlüsselpfade identifiziert. Die Hochregulation von miR-182-5p und miR-576-5p im Blut von FMS Patientinnen in Relation zu Kontrollen konnte durch qRT-PCR bestätigt werden (p < 0,01 bzw. p < 0,001). Zusätzlich wurde die verminderte Expression der Zielgene fatty acid synthase und FOXO1 im Blut der FMS Patientinnen (p < 0,05 bzw. p < 0,0001) nachgewiesen.
Schlussfolgerung: Wir weisen eine Deregulation der miRNA Transkriptome in Blut und Hautzellen von FMS Patientinnen nach. Diese peripheren miRNA Signaturen könnten zukünftig zur objektiven Diagnose und Charakterisierung von FMS beitragen. Identifizierte regulierte Schlüsselpfade geben darüber hinaus wertvolle neue Einblicke in mögliche pathophysiologische Zusammenhänge.
Hintergrund: Die Graduierung von Schmerzchronifizierung bei Craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) hat als Ziel anhand des Schmerzprofils den funktionellen vom dysfunktionellen Schmerz zu trennen. Schmerzchronifizierung spielt eine entscheidende Rolle für die Prognose von CMD, jedoch wird dieser Aspekt bei Meta-Analysen zur Wirksamkeit verschiedener Therapien für CMD bisher nicht berücksichtigt. Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse ist es die Wirksamkeit von Aufbissschienen bei Patienten mit schmerzhafter CMD unter besonderer Rücksichtnahme des Chronifizierungsgrades der Studienpopulationen herauszufinden.
Methoden: Verschiedene Datenbanken (Pubmed/MEDLINE, EMBASE, Cochrane Library, Livivo, OpenGrey, drks.de, Clinicaltrials.gov.) sowie zusätzliche relevante Literatur durch Handsuche bei relevanten Zeitschriften dienten der Literaturrecherche. Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte klinische Studien bei Erwachsenen mit einer schmerzhaften CMD, wobei eine Okklusionsschiene als Therapiearm beinhaltet wurde. Ausschlusskriterien waren die Abwesenheit von Volltext, oder fehlender relevanter Information trotz wiederholter (Versuche zur) Kontaktaufnahme mit den Autoren, oder < 7 Teilnehmer pro Therapiearm. Die Messparameter von Interesse waren Intensität der Gesichtsschmerzen, Kieferöffnungskapazität, Kiefergelenksgeräusche, Palpationsschmerzen im Gesicht, Depression und Somatisierung. Die Abgrenzung zwischen funktionalen und dysfunktionalen chronischen Schmerz wurde anhand festgelegter klinischer und anamnestischer Kriterien vorgenommen. Nachfolgend sind diese Kriterien als differenzierte Faktoren der Effektivität okklusaler Schienentherapie erforscht. Die Studienbewertung erfolgte mithilfe des Risk of Bias-Tool von Cochrane. Die Daten wurden von zwei unabhängigen Forschern extrahiert, und nachdem mit Hilfe des Review Managers (RevMan 5.3) von Cochrane analysiert.
Ergebnisse: Der systematische Review umfasste 102 Studien, mit insgesamt häufig geringem oder unklarem Risk of Bias. Die häufigste Vergleichstherapie war keine Therapie und bei der Mehrheit der Studien war die Schiene als alleinige aktive Therapie vorhanden. Die Beobachtungsdauer war bei 30 Studien unter 3 Monate, hingegen hatten 34 Studien über 6 Monate Beobachtungsdauer. 80 Studien konnten der Meta-Analyse unterzogen werden. Probanden mit funktionalen Schmerzen erfuhren im Zeitraum von 0 bis 6 Monaten nach Behandlung mit einer Okklusionsschiene eine statistisch signifikant effektivere Schmerzreduktion (p < 0,00001) und niedrigere Werte der Somatisierung (p=0,01) und Depression (p=0,002) als Probanden mit dysfunktionalen Schmerzen.
Schlussfolgerung: Die routinemäßige Differenzierung der schmerzhaften CMD-Patienten mit funktionalem von diesen mit dysfunktionalem Schmerz, scheint von klinischer Bedeutung für die Prognose und dem Therapieeffekt der Okklusionsschienen zu sein.
Registrierungsnummer der Review bei PROSPERO: CRD42019123169
Since Inflammatory Bowel Disease (IBD) is frequently associated with chronic abdominal pain and visceral hypersensitivity, affections to the sensory nerves within the enteric nervous system (ENS) appear to be pivotal. In both inflammatory bowel diseases, i.e. the transmural inflammation of Crohn´s disease (CD) and the inflammation restricted to the colonic mucosa in ulcerative colitis (UC), infiltrations of the plexus by immune cells occur. However, the type of immune cells involved is so far unknown. Therefore, we characterized the immune cell infiltrations of myenteric plexus (MP) in CD and UC and compared them to control individuals.
We identified 25 IBD patients (13 CD and 12 UC) and 13 controls that had received surgery (ileocecal resections or colectomy). The severity of both disease activity and abdominal pain was assessed by multiple questionnaires. Formalin-fixed, paraffin-embedded tissue was stained by classical immunohistochemistry: MP were identified by PGP9.5 expression, T-cells were characterized by their expression for CD3, CD4, CD8, Tregs for Foxp3, B-cells for CD20 and monocytic cells for CD68 and CD163. All cells were quantified within the plexus and within a defined area (100 µm around the plexus).
The populations of CD4+ T-cells, macrophages and monocytes within ganglia of the MP were unchanged in CD, UC. However, infiltrations within and around the MP contained significantly more CD3+ T-cells in CD (135 ± 147 intraganglionic (intrag.) cells/mm²; 2619 ± 3273 periganglionic (perig.) cells/mm²) and UC (93 ± 87 intrag. cells/mm²; 961 ± 710 perig. cells/mm²) compared to controls (24 ± 42 intrag. cells/mm²; 274 ± 333 perig. cells/mm²). These T-cells were mainly CD8+ T-cells in CD and UC (intrag. cells in CD: 303 ± 296 cells/mm² compared to 39 ± 56 cells/mm² in controls, perig. cells in CD: 4950 ± 4778 cells/mm² and UC: 576 ± 415 cells/mm² compared to 161 ± 212 cells/mm² in controls) as well as perig. Tregs in CD (Foxp3+ T-cells 38 ± 66 cells/mm² compared to 0 ± 0 cells/mm² in controls). CD20+ B-cells were also significantly increased in CD (1614 ± 2000 perig. cells/mm² compared to 1 ± 3 perig. cells/mm² in controls and 64 ± 89 intrag. cells/mm² compared to 0 ± 0 intrag. cells/mm² in controls). CD68+ monocytes were increased in CD MP (11923 ± 8738 perig. cells/mm² compared to 3683 ± 2140 perig. cells/mm² in controls and 1051 ± 729 intrag. cells/mm² compared to 430 ± 349 intrag. cells/mm² in controls). The next step will be comparisons and associations of findings with clinical questionnaires.
In IBD, intraganglionic infiltrations of MP are composed of CD3+CD8+ T-cells in CD. Moreover, CD20+ B-cells as well as CD68+ monocytes are found in MP infiltrations of CD. The periganglionar infiltrate includes CD3+CD8+ T-cells in CD and UC, Foxp3+ T-cells in CD and CD20-positive B-cells in CD. These findings indicate that altered peri-/intraganglionic inflammatory immune cell infiltration may play a role in IBD-associated abdominal pain.
Hintergrund
Die Juvenile Idiopathische Arthritis (JIA) ist die häufigste rheumatische Erkrankung des Kindesalters. Besonders häufig findet sich die Oligoartikuläre JIA mit asymmetrischem Extremitätenbefall. Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (complex regional pain syndrome = CRPS) als eine der Schmerzerkrankungen des Kindesalters weist ebenfalls einen asymmetrischen Extremitätenbefall auf. Die JIA gilt als potenzieller Prädispositionsfaktor für die Entwicklung einer chronischen Schmerzstörung.
Methode
In einer Single-Center Studie des Zentrums für Schmerztherapie junger Menschen wurden alle Patienten, die während der der Jahre 2018 und 2019 in unserer Klinik behandelt wurden, in einer retrospektiven Kohortenanalyse ausgewertet. Die Statistik erfolgte deskriptiv.
Ergebnisse
Insgesamt konnten 1033 Patienten (1171 stationäre Fälle) ausgewertet werden. Davon erfüllten 106 die Budapest-Kriterien für ein CRPS. Die Gruppe der CRPS Patienten zeigte gegenüber den übrigen chronischen Schmerzpatienten Unterschiede bezüglich: Geschlechterverteilung (w/m 79/22% vs. 84/16%), Alter (13,5 vs. 14,9 Jahre) und benötigte innerhalb der zwei Jahre doppelt so häufig einen zweiten Aufenthalt (18,9 vs. 9,3%).
Die auffälligsten Unterschiede ergaben sich jedoch bei der Analyse der Nebendiagnosen. Lediglich 2 CRPS Patienten (1,9%) hatten eine JIA, während dies bei 11,9% der übrigen Patienten der Fall war (p < .01). Es fand sich kein CRPS Patient mit einer Oligo-JIA in der Vorgeschichte. Bezüglich der JIA-Kategorien fanden sich vor allem polyartikuläre Verläufe (4,7%) und Psoriasis-Arthritiden (3,3%) in der Gruppe der übrigen Schmerzpatienten. In beiden Gruppen fand sich kein Fall einer systemischen JIA.
Die Analyse der psychiatrisch-psychologischen Nebendiagnosen zeigte einen Unterschied bezüglich der F32./F33.-Gruppe (depressive Episode; rezidivierende depressive Störung) und der Anpassungsstörungen (F43.2) mit überwiegend depressiver Symptomatik, welche sich bei den CRPS-Patienten seltener fanden (24,5 vs. 38,6%; p < .01).
Diskussion
Dies ist unseres Wissens nach die bislang größte untersuchte Kohorte kindlicher und jugendlicher CRPS-Fälle. Es fand sich kein Hinweis für eine prädisponierende Rolle der JIA bei der Entwicklung eines CRPS. Die JIA scheint jedoch ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Schmerzstörung insbesondere bei polyartikulären Verläufen und einer Psoriasisarthritis. Auch scheint die depressive Vulnerabilität in der Gruppe der CRPS-Fälle seltener als bei anderen chronischen Schmerzpatienten.
Hintergrund:
Bei 20.000 Schmerzpatienten seit 1975 habe ich zum Teil die ganze Familie über drei Generationen behandelt. Darunter waren 860 Kinder bis zum 18. Lebensjahr (4,3%.).
Deren Beschwerden umfassen die ganzen Krankheiten der Pädiatrie – Asthma bronchiale, Infektanfälligkeit, Schulterarm-Nackengürtel-Syndrom, Migräne, Cephalgie, Nabelkolik, Konzentrationsschwäche, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Gille de la Tourette-Syndrom – und machen dabei den größten Teil der Beschwerden aus.
Methoden:
Schmerztherapeutische Intervention mit Laserakupunktur und bei älteren Kindern auch Nadelakupunktur, gezielte Neuraltherapie und ggf. Phytotherapie, Physiotherapie, TENS, mild analgetisch wirkenden Medikamenten ist ein Beispiel wirksamer, nebenwirkungsarmer Schmerztherapie im Kindesalter, die unter dem gesundheitlichkurativen wie -präventiven Aspekt weiterverbreitet werden und unter medizinischen wie volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten einen hohen Stellenwert in der pädiatrischen Behandlung haben sollten.
Ergebnis:
Eine effektive Schmerztherapie bereits im Kindesalter ist somit nicht nur ein Gebot der Humanität, um den Kindern und späteren Erwachsenen viel Leid zu ersparen, sondern auch von volkswirtschaftlicher Relevanz.
Diskussion:
Da es bis jetzt kaum Pädiater gibt, die sich mit der speziellen Schmerztherapie im Kindesalter befassen und an Schmerzkonferenzen oder anderen Schmerzfortbildungen teilnehmen, soll diese Arbeit einerseits aufzeigen, wie wichtig die pädiatrische Schmerztherapie ist und den präventiven Aspekt pädiatrischer Schmerztherapie verdeutlichen. Denn wie auch bei der Schmerztherapie Erwachsener ist es hier sehr wichtig, vielleicht noch mehr, die Schmerzen der Kinder anhaltend zu beseitigen und einem Neuauftreten vorzubeugen, um den Kindern eine gute schulische und berufliche Ausbildung ohne Beeinträchtigung durch Schmerzen zu ermöglichen. Außerdem sollen eine Chronifizierung der Schmerzen und mögliche Folgeerkrankungen durch jahrzehntelangen Analgetikagebrauch abgewendet, andererseits Anstoß für eine bessere Schmerztherapieaus- und weiterbildung im pädiatrischen Bereich gegeben werden.
Durch die erhöhten Anforderungen in Schule und beruflicher Ausbildung sowie die vielfältigen medialen Ablenkungen sind die Kinder heute erhöhtem Streß ausgesetzt, der vorbestehende Schmerzen verstärkt oder neue Schmerzsyndrome auslöst. Hinzu kommen Schmerzen im Bereich des Halteapparates durch Zunahme der Körpergröße, schnelleres Längenwachstum und mangelnde körperliche Bewegung. Kinder mit Schmerzen können sich aber nicht ausreichend in Schule oder Berufsausbildung konzentrieren, was schließlich zu schlechteren Qualifikationen einerseits und häufigem Krankenstand und Arbeitsausfall führt.
Hintergrund: Kopfschmerzen stellen ein zentrales Gesundheitsproblem in unserer Gesellschaft dar und auch die Kopfschmerzprävalenz im Kindesalter ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Kopfschmerzerkrankungen gehen mit einer Minderung der Lebensqualität und Produktivität einher und sind mit ökonomischen Kosten verbunden. Studien belegen den präventiven Effekt von nicht medikamentösen Maßnahmen wie Biofeedback, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Autogenes Training oder Atemübungen.
Hier wurde der Effekt einer kindgerechten Entspannungstechnik „Dicke Haut Übung“ (DHÜ) auf Kopfschmerzen und Schmerzwahrnehmungsschwelle im Vergleich zu einer Kontrollgruppe untersucht.
Methoden: Insgesamt wurden 76 Kinder mit primärer Kopfschmerzdiagnose in die Studie eingeschlossen und in eine Trainingsgruppe (n=36) und eine Kontrollgruppe (n=40) eingeteilt. Die Trainingsgruppe führte täglich 2-mal die „DHÜ“ als Entspannungstechnik über 3 Monate durch, wohingegen die Kontrollgruppe keine zusätzliche Intervention bekam, jedoch ebenso wie die Trainingsgruppe in spezialisierter ambulanter Therapie betreut wurde. Es gab zwei Testzeitpunkte: zu Beginn der Studie (A) und nach drei Monaten (E). Getestet wurden jeweils die mechanische Detektions- und Schmerzschwelle (von Frey-Filamente, Pinpricks) und die elektrische Schmerzschwelle. Außerdem wurden Kopfschmerzfragebögen ausgefüllt (PedMIDAS, P-PDI, Dresdner Kopfschmerzfragebogen).
Ergebnisse: Die Kopfschmerzintensität (Schmerzskala A: 6,15 Punkte; E: 5,15 Punkte; t(35)=3,038; p=0,004), die Kopfschmerzbeeinträchtigung (keine (0 Pkt.), leicht (1Pkt.), mittelmäßig (2 Pkt.) oder schwer (3Pkt.) A: 2,92 Pkt.; E: 2,5 Pkt.; (z=-2,215; p=0,027), sowie das Allgemeinbefinden wurde in der Trainingsgruppe signifikant verbessert (gar nicht (0Pkt.), wenig (1Pkt.), mittel (2Pkt.), stark (3Pkt.), stärkst vorstellbar (4Pkt.) A: 2,3 Punkte; E: 1,9 Punkte; (z=-2,503; p=0,012), wobei sich keine Änderung in der Kontrollgruppe ergab. Die Differenz der Medikamenteneinnahme verringerte sich signifikant in der Trainingsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe (Einnahme über 3 Monate: gar keine Schmerzmittel (0Pkt.), >1x/Monat (1Pkt.), >1x/Woche (2Pkt.); DHÜ-Gruppe: A: 1,2 Pkt., E: 0,8 Pkt. ;KG: A: 0,97 Pkt., E: 0,9 Pkt. (U= 521,500; z=-2,437; p=0,015).
Interventions- und Kontrollgruppe zeigten signifikant weniger Kopfschmerztage am Ende der Studienzeit. Patienten der Kontrollgruppe wurden über den Studienzeitraum empfindlicher für elektrische Schmerzreize (A: 12,34 mA; E: 11,5 mA; z=-2,283; p=0,022).
Schlussfolgerungen: Neben einer speziellen ambulanten Kopfschmerztherapie zeigt das tägliche Durchführen der „DHÜ“ einen zusätzlichen, reduzierenden Effekt auf die Kopfschmerzintensität, die kopfschmerzbedingte Beeinträchtigung sowie einen positiven Effekt auf das Allgemeinbefinden junger Kopfschmerzpatienten. Der zusätzliche Nutzen der Übung kommt durch die signifikante Reduktion des Analgetikagebrauchs deutlich zum Vorschein.
Emotionsregulierung im Kontext von chronischen Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen
Hintergrund
Einer dualistischen Betrachtung von Schmerzen als Sinnes- und Gefühlswahrnehmung folgend, spielen bei der Chronifizierung affektive Aspekte eine Rolle. Der Einfluss von Emotionsregulierungsstrategien bei der Chronifizierung von Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen ist Gegenstand der Untersuchung. Da chronische Schmerzen mit affektiven Begriffen beschrieben werden, und so eine emotionale Komponente annehmen, stellt sich die Frage, inwiefern maladaptivere Emotionsregulierungsstrategien eine Chronifizierung begünstigen. Zusätzlich wurde untersucht, inwiefern sich im Zuge einer interdisziplinär-multimodalen Schmerztherapie (IMST) die Ausprägungen Akzeptanz, Neubewertung und Unterdrückung verändern.
Methoden
Die Ausprägungen der Emotionsregulierungsstrategien wurden zum Beginn (T1) sowie zum Ende (T2) einer dreiwöchigen, IMST mittels des Affective Style Questionnaire-Youth (ASQ-Y) vom 02/2019 bis zum 06/2019 erhoben und jeweils mit der Normstichprobe verglichen. Zur Auswertung kamen insgesamt 69 Patienten in einem Alter von 14;7 (SD= 1,75) Jahren. Komorbidität wurde mittels des Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ) geprüft.
Ergebnisse
Bei der statistischen Auswertung zeigten sich zu beiden Testzeitpunkten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Emotionsregulierung zwischen Kindern und Jugendlichen mit attestierten chronischen Schmerzen und der Normstichprobe. Auch eine Veränderung der Emotionsregulierungsstrategien konnte nicht belegt werden. Eine besondere Bedeutung der Emotionsregulierungsstrategie Akzeptanz konnte ebenso nicht gezeigt werden. Auch zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der Schmerzdauer und dem Ausmaß der affektiven Beschreibung von Schmerzen.
Bei vorliegender depressiver Symptomatik, gemessen mittels DIKJ zeigte sich zu T1 und T2 eine stärkere Ausprägung der Emotionsregulierungsstrategie Unterdrückung sowie gleichzeitig eine schwächere Ausprägung der Strategien Akzeptanz und Neubewertung.
Schlussfolgerung
Mittels ASQ-Y gemessene Emotionsregulierungsstrategien scheinen kein Prädiktor für eine Chronifizierung der Schmerzen dazustellen und zeigen sich über einen dreiwöchigen Zeitraum als ein stabiles Merkmal. Selbstregulatorische Prozesse bezüglich des Umgangs mit Schmerzen und Emotionen sind voneinander abzugrenzen. Depressive Symptomatik steht im Zusammenhang mit maladaptiv eingestuften Emotionsregulierungsstrategien. Eine kausale Richtung kann jedoch nicht bestimmt werden. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen verdeutlichen die Wichtigkeit einer individuell an den Patienten angepasste Therapie bei chronischen Schmerzen.