Nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren (non-invasive transcranial brain stimulation - NTBS, v.a. transcranial direct current stimulation – tDCS) stellen ein sich aktuell schnell entwickelndes Feld für therapeutische Anwendungen da. Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2015 geförderte Verbund German Center for Brain Stimulation (GCBS) untersucht in diesem Zusammenhang Möglichkeiten koordinierter translationaler Forschung. In dem Symposium werden Schwerpunkte und bisherige Ergebnisse zur tDCS vorgestellt. Michael Nitsche (Dortmund) diskutiert die Übertragbarkeit von Methoden der Motorkortexstimulation auf eine für psychiatrische Anwendungen besonders relevante Stimulation des präfrontalen Kortex. Ein zentrales Problem, aber auch ein Entwicklungsfeld für optimierte und individualisierte Anwendungen ist die hohe inter-individuelle Variabilität NTBS-vermittelter Effekte. Daniel Keeser (München) berichtet vor diesem Hintergrund von aktuellen Befunden aus Untersuchungen mit multimodaler Bildgebung und MRT-basierter Modellierung tDCS-induzierter elektrischer Felder (sog. efields). Eine Stärke der tDCS ist ihre optimale Kombinierbarkeit mit Trainingsinterventionen. Christian Plewnia (Tübingen) und Malek Bajbouj (Berlin) stellen neue Ergebnisse aus kontrollierten klinischen Studien zu einem tDCS unterstützen Training kognitiver Kontrolle und einer tDCS augmentierten Gruppenpsychotherapie bei Depressionen vor. In allen Beiträgen werden aktuelle Perspektiven für die Weiterentwicklung der NTBS aufgezeigt und mit den Kongressteilnehmern diskutiert.
14:40 Uhr
Möglichkeiten einer individualisierten nicht-invasiven Hirnstimulation mittels multimodaler Bildgebung und MRT-basiertem efield Modelling
Daniel Keeser, München (Germany)
14:50 Uhr
tDCS unterstütztes Training kognitiver Kontrolle bei Depression: Ergebnisse einer klinischen Studie
Christian Plewnia, Tübingen (Germany)
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Autor:in:
Christian Plewnia, Tübingen (Germany)
Die verstärkte Wahrnehmung und Verarbeitung negativer Informationen (‚negativity bias‘) ist ein wesentlicher Mechanismus der Entstehung und Aufrechterhaltung depressiver Symptomatik. Sie ist häufig verbunden mit einer unzureichenden Aktivität präfrontaler Netzwerke. Sowohl das Training kognitiver Kontrolle als auch die Stimulation dieser Hirnareale sind Möglichkeiten diese Funktionen zu stärken und damit die Erholung von Depression zu unterstützen.
In einer randomsierten klinischen Pilotstudie haben wir den Effekt des paced auditory serial addition task (PASAT) in Kombination mit transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS) des linken dorsolateralen Präfrontalkortex unterschiedlicher Stärke (2mA, 1mA, Sham) auf depressive Symptomatik (MADRS) getestet (N=51). Das tDCS-unterstützte Training fand innerhalb von 4 Wochen 3x wöchentlich (12 Sitzungen) bei ansonsten konstanter medikamentöser Therapie statt.
Nach Ende der Behandlung zeigte sich insgesamt eine deutliche Besserung der depressiven Symptomatik um 10,6 MADRS-Punkte (t(51) = 5.57, p < .001) jedoch kein Unterschied zwischen der mit Scheinstimulation (sham) und den zwei mit tDCS (1mA: t[51] = 0.54, p = .589, B = -1.25, SE = 2.29; 2mA: t[51] = 0.18, p = .859, B = -0.41, SE = 2.29) behandelten Patientengruppen. Auch zum Follow-up Zeitpunkt war kein signifikanter Unterschied festzustellen.
Der fehlende Effekt der Stimulation beruht möglicherweise auf der in dieser Studie relativ geringen Behandlungsintensität (12 Sitzungen in 4 Wochen). Ein numerischer Unterschied zwischen mit 1mA und sham behandelten Patienten von 5,36 (Effektstärke d=0,53) in der Veränderung des MADRS-Scores 3 Monate nach Ende der Behandlung könnte dennoch als Signal für einen verzögerten positiven Effekt der Kombination von PASAT-Training gewertet werden. Belastbare Nachweise dafür müsste jedoch in weiteren klinischen Studien erbracht werden.