Suchterkrankungen unterliegen deutlichen Geschlechtsunterschieden. Männer haben beispielsweise ein höheres Erkrankungsrisiko für Abhängigkeiten von Alkohol, Tabak und Cannabis sowie für die Internetspielerkrankung. Andererseits leiden Frauen häufiger unter Kaufsucht oder pathologischer Nutzung von sozialen Netzwerken. Im vorgeschlagenen Symposium sollen Geschlechtsunterschiede bei Süchten und süchtigem Verhalten herausgearbeitet werden und daraus Implikationen für Diagnostik, Prävention und Therapie abgeleitet werden. Dazu werden von Experten in diesem Bereich Erkrankungen mit variierenden Geschlechtsverhältnissen gegenübergestellt. Abschließend soll das Suchtstigma unter der Geschlechterperspektive näher beleuchtet werden. Es ist vorgesehen, im ersten Vortrag die Alkoholabhängigkeit (Männerüberhang), im zweiten Vortrag die Computer-/Internetabhängigkeit (Internetspiele: Männerüberhang; soziale Netzwerke: Frauenüberhang) und im dritten Vortrag die Kaufsucht (Frauenüberhang) beispielhaft zu bearbeiten. Abschließend soll eine Betrachtung von Geschlechtsunterschieden im Bereich des Stigmas bei Suchterkrankungen erfolgen. Es handelt sich um ein abgestimmtes Kooperationssymposium mit dem DGPPN Gender-Referat (Referat „Frauengesundheit und Familienpsychiatrie und -psychotherapie“ der DGPPN).
16:00 Uhr
Alkoholbezogene Störungen: Männerkrankheiten – oder doch nicht?
Bernd Lenz, Mannheim (Germany)
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Bernd Lenz, Mannheim (Germany)
Weltweit gehört Deutschland zu den Ländern mit dem höchsten Alkoholkonsum, und dieser verursacht eine hohe Rate von Alkoholfolgeerkrankungen. Im Beitrag wird der Kenntnisstand zu Geschlechtsunterschieden bei sozialem und pathologischem Alkoholkonsum dargestellt. Es werden entsprechende geschlechtssensible präventive und therapeutische Maßnahmen abgeleitet. Außerdem werden mögliche Ursachen für die Geschlechtsunterschiede diskutiert.
Im Vergleich zu Frauen trinken Männer beispielsweise unkontrollierter und insgesamt mehr Alkohol sowie häufiger stärker alkoholische Getränke. Männer haben ein höheres Risiko für eine alkoholbezogene Störung inklusive Rauschtrinken und Alkoholabhängigkeit. Im Entzug zeigen alkoholabhängige Männer stärkere Entzugssymptome und entwickeln häufiger Entzugsanfälle und Delirien als alkoholabhängige Frauen. Im Vergleich zu Männern trinken Frauen hingegen häufiger zuhause, leiden häufiger unter psychiatrischen Begleiterkrankungen und entwickeln Alkoholfolgeschäden nach weniger Jahren und einer kleineren Menge von Alkoholkonsum. Die Geschlechtsunterschiede fordern geschlechtssensible präventive und therapeutische Maßnahmen; diese sind bisher jedoch nur in Ansätzen entwickelt und verfügbar. Ursächlich für die Geschlechtsunterschiede sind biologische, psychologische und soziale Faktoren. Im Vortrag werden beispielsweise Geschlechtshormone, Aggressivität und Impulsivität sowie Erwartungen entsprechend der traditionellen Geschlechternormen diskutiert. Insgesamt sind Frauen in Studien zu alkoholbezogenen Störungen unterrepräsentiert. In zukünftigen wissenschaftlichen Projekten sollte daher bewusst auf ein ausgeglichenes Geschlechtsverhältnis geachtet werden.
16:20 Uhr
Kaufsucht: wirklich typisch weiblich?
Astrid Müller, Hannover (Germany)
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Astrid Müller, Hannover (Germany)
Der Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand zu Geschlechtseffekten bei Kaufsucht. Typische Kennzeichen von Kaufsucht sind eine starke gedankliche Vereinnahmung durch das Thema Kaufen und ein unwiderstehlicher Kaufdrang, die in wiederholtem Kontrollverlust über den Warenkonsum resultieren, welcher der Emotionsregulation dient. Trotz weitreichender negativer Konsequenzen und Einschränkungen in diversen Funktionsbereichen gelingt es den Betroffen oft nicht, den Warenkonsum anhaltend zu reduzieren. Aufgrund phänomenologischer und neuropsychologischer Ähnlichkeiten von Kaufsucht mit stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen und der Störung durch Glücksspielen wird in den letzten Jahren vermehrt die nosolgische Einordnung des pathologischen Kaufens als nicht-stoffgebundene Abhängigkeitserkrankung (Verhaltenssucht) diskutiert. Die geschätzte Prävalenz von Kaufsucht liegt laut einer Metaanalyse bei ca. 5%. Die meisten epidemiologischen und klinischen Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen öfter von Kaufsucht betroffen sind als Männer. Geschlechtsunterschiede bezogen auf die Phänomenologie oder zugrundeliegende bzw. assoziierte psychosoziale Mechanismen wurden bislang kaum untersucht.