2020 hat nach der von der DGPPN geförderten Pilotstudie die vom G-BA geförderte Implementierungsstudie für die S3-Leitlinie zur Verhinderung von Zwang auf 52 psychiatrischen Stationen begonnen (PreVCo – Prevention of Violence and Coercion in German Psychiatric Hospitals). Anlässlich dieser größten derartigen bisher in Deutschland durchgeführten Studie möchten wir gerne über Erfahrungen aus der Pilotstudie berichten, Hintergründe zum Implementierungskonzept erläutern und einige Zwischenergebnisse präsentieren. Die Referentinnen und Referenten kommen von den zwei Studienzentren in Berlin und Baden-Württemberg.
16:10 Uhr
Implementierung der S3-Leitlinie zur Verhinderung von Zwang (PreVCo Prevention of Violence and Coercion): Studiendesign und Herausforderungen eines RCT mit 52 psychiatrischen Stationen
Tilman Steinert, Ravensburg (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Tilman Steinert, Ravensburg (Germany)
Leitlinien geben Behandlungsempfehlungen auf der Basis der recherchierten wissenschaftlichen Evidenz. Es bleibt aber eine große Herausforderung, sicherzustellen, dass in der klinischen Praxis auch gemäß Leitlinienempfehlungen gehandelt wird. Neben dieser erforderlichen Implementierung ist auch die Frage zu beantworten, ob eine leitliniengemäße Behandlung tatsächlich zu besseren Behandlungsergebnissen - in diesem Fall weniger Zwangsmaßnahmen - führt. Die gegenwärtig laufende PreVCo -Studie (Prevention of Violence and Coercion), gefördert durch den G-BA, soll diese Fragen für die S3 Leitlinie "Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen" (2018) klären. Wir haben zunächst 12 konkrete Empfehlungen für psychiatrische Stationen aus der Leitlinie abgeleitet (12 Punkte-Programm), die in einer Pilotstudie an 5 Kliniken getestet wurden. Dabei geht es darum, dass jede Station sich aus den 12 Empfehlungen 2-3 für sie passende aussucht und an deren Umsetzung arbeitet. Die Hälfte der 52 Stationen beginnt nach einer Baseline-Phase mit der mit Hilfe einer/eines Studienmitarbeiterin/Studienmitarbeiters selbst geplanten Intervention, die andere Hälfte fungiert als Kontrollgruppe und beginnt mit der Intervention ein Jahr später. Das Primary Outcome ist die Anzahl der stattfindenden Zwangsmaßnahmen (pro Zeit und Bett). Jede Station wird also mit einer zuvor gematchten Kontrollstation verglichen, die Kontrollstationen wiederum mit sich selbst (Prä/post). Bei dem Matching-Prozess wird darauf geachtet, Stationen mit einer ähnlichen Baselinehäufigkeit von Zwangsmaßnahmen und einem ähnlichen Erfüllungsgrad der 12 Punkte zu vergleichen. Der wichtigste Kontrollparameter wird die Häufigkeit aggressiver Übergriffe sein, weil eine Senkung von Zwangsmaßnahmen nicht durch eine Zunahme aggressiver Übergriffe erkauft werden sollte.
16:20 Uhr
Wie gut sind psychiatrische Stationen für den leitliniengemäßen Umgang mit Zwang und Gewalt gerüstet? Baselineerhebung der PreVCo-Studie
Sophie Hirsch, Tübingen (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Sophie Hirsch, Tübingen (Germany)
Es gibt eine Vielzahl von Studien, wie Zwang und Gewalt auf einzelnen psychiatrischen Stationen oder in Kliniken reduziert werden können, ohne dass diese Maßnahmen flächendeckend in die Versorgung von Patientinnen und Patienten Eingang finden. Nachdem die S3-Leitlinie zur Verhinderung von Zwang und zur Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens diese Studien gebündelt hat, möchte die PreVCo-Studie die evidenzbasierten Maßnahmen nun deutschlandweit im Rahmen einer randomisiert kontrollierten Studie implementieren. Es gibt allerdings Befunde aus epidemiologischen Studien, dass sich Kliniken in der Anwendung von Zwangsmaßnahmen erheblich unterscheiden, ohne dass diese Unterschiede bisher wissenschaftlich erklärbar sind. Zudem ist bekannt, dass es bereits durch Beobachtungseffekte, z. B durch die Teilnahme an einer Studie oder das bloße Dokumentieren und Zählen von Zwangsmaßnahmen, zu einer erheblichen Reduktion dieser Maßnahmen kommen kann. Aufgrund dieser beiden Phänomene ist die Erhebung verlässlicher Ausgangsdaten bei Interventionsstudien von besonderer Bedeutung. Über drei Monate wurden auf 55 Stationen deutschlandweit Daten zu Zwangsmaßnahmen (Fixierung, Festhalten, Isolierung, Zwangsmedikation), aggressiven Übergriffen gegen Personen sowie zu Aufnahmen/Belegung, Entlassdiagnosen und Rechtsstatus (Freiwilligkeit des Aufenthalts) erhoben. Zudem wurde der Grad der leitliniengemäßen Behandlung von geschulten Beratern sowie den Stationsteams anhand einer Likert-Skala, die 12 verschiedene evidenzbasierte Empfehlungen abbildet, bewertet. Diese Daten sollen im Rahmen des Vortrags vorgestellt werden. Dabei dienten die Daten zu Zwangsmaßnahmen sowie die Daten zur Leitlinientreue auch zur Stratifizierung der an der Studie teilnehmenden Stationen vor Randomisierung.
16:30 Uhr
Erfahrungen mit der Implementierungsberatung für psychiatrische Stationen
Andreas Bechdolf, Berlin (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Andreas Bechdolf, Berlin (Germany)
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Implementierung der S3-Leitlinien zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen im Rahmen einer Pilotstudie. Hierbei wurden an fünf Kliniken in Deutschland über sechs Monate Implementierungsberater aus dem Kreis der Leitlinienexperten eingesetzt, die die Kliniken bei der Implementation zu Maßnahmen der Leitlinie zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen unterstützen sollten. Die Erhebung zeigt, dass die Stationen nach der Beratung mehr Interventionen zur Reduktion von Zwang anwenden als vorher.