Ausgehend von der Epidemiologie und dem klinischen Bild der Zwangsstörung wird
zunächst auf das neurobiologische Modell einer Dysfunktion der fronto-striato-thalamischen
Regelschleife eingegangen, weil es die Grundlage zum Verständnis der Zwangsstörung
darstellt und auch in der kognitiven Behandlung der Störung eine gewisse Rolle spielt.
Anschließend wird möglichst praxisnah die kognitiv- verhaltenstherapeutische Behandlung
entwickelt. Beginnend mit dem Aufbau einer therapeutischen Beziehung, der Motivationsund
Zielanalyse und der Verhaltensanalyse werden die Techniken der Reizkonfrontation mit
Reaktionsmanagement dargestellt. Weiterer Schwerpunkt werden kognitive Techniken und
Techniken der Achtsamkeit bei der Behandlung der Zwangsstörung sein. Anschließend wird
auf die Evaluation der Behandlung und auf die Differentialindikation der verschiedenen
Behandlungsansätze eingegangen. Den Abschluß bildet eine kurze Darstellung
neurobiologischer Veränderungen des fronto-striato-thalamischen Regelkreises unter
Psychotherapie.
10:00 Uhr
State of the Art der Pharmakotherapie bei Zwangsstörungen und neue therapeutische Entwicklungen
Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee (Germany)
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Autor:in:
Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee (Germany)
In dem Beitrag wird der aktuelle Kenntnisstand zu Akut- und Langzeiteffekten medikamentöser und anderer Therapieverfahren bei Zwangserkrankungen dargestellt. Dabei werden insbesondere auch die Aussagen der S-3-Leitlinie berücksichtigt.
Pharmakotherapie ist nicht Therapie der 1. Wahl, sondern nur dann indiziert, wenn Psychotherapie nicht ausreichend hilft, nicht verfügbar ist oder abgelehnt wird, bzw. als erster Schritt zur Erhöhung der Bereitschaft für eine Psychotherapie erforderlich ist. Bei Indikation für eine Pharmakotherapie sind die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Medikamente der 1. Wahl, Clomipramin 2. Wahl. Die Reduktion der Symptome beträgt etwa 20 – 40 % im Durchschnitt, das Maximum der Wirkung wird nach 8 – 12 Wochen Therapie erreicht. Eine erfolgreiche Therapie soll nach Leitlinien für 1 – 2 Jahre fortgeführt werden.
Probleme der längerfristigen Therapie mit SSRI sind neben Nebenwirkungen häufig Rückfälle und protrahierte Absetzeffekte nach Beendigung der Therapie. Maßnahmen bei Therapieresistenz beinhalten die Ultra-Hochdosistherapie mit SSRIs (nicht Citalopram und Escitalopram) oder die Augmentation mit atypischen Antipsychotika mit Aripiprazol oder Risperidon in niedriger Dosis. Andere Medikamente, wie z.B. Lithium oder Therapieverfahren, die bei therapieresistenten Depressionen zur Anwendung kommen wir EKT oder non-invasive Hirnstimulation, haben sich bei Zwangsstörungen nicht als ausreichend wirksam erwiesen, um aktuell eine Therapieempfehlung geben zu können.
Bezüglich der tiefen Hirnstimulation als invasivem Therapieverfahren hat sich die Datenlage in den letzten Jahren deutlich verbessert, sodass diese Therapie bei bei Versagen mehrerer Psychotherapien und Pharmakotherapien als Mittel der letzten Wahl zur Anwendung kommen kann. Studien zeigen bei ca. 50 - 60 % partielle Besserungen, wobei größere randomisierte kontrollierte Studien weiterhin fehlen.
Interessante neue Entwicklungen liegen vor allem im Bereich der Psychotherapie vor, dazu zählen vor allem Metakognitive Therapie, Achtsamkeits- basierte Therapien, Schematherapie sowie Akzeptanz- und Commitmenttherapie, Internettherapien sowie Videokonferenzbasierte Exposition im häuslichen Umfeld, zu denen es erste positive Studienergebnisse aus offenen und zum Teil kontrollierten Studien gibt.