16:00 Uhr
Die Depression im Alter und die Wahl der Behandlungsstrategie
Vjera Holthoff-Detto, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Vjera Holthoff-Detto, Berlin (Germany)
Die Depression im Alter führt zu schweren psychischen und physischen Symptomen und ist ein häufiger Grund für den Verlust von Selbstständigkeit und Selbstbestimmung. Das Erkrankungsprofil beinhaltet neben affektiven Symptomen jedoch auch prominente und behandlungsrelevante kognitive Defizite sowie ein hohes Risiko für Suizidalität. Der häufigste Grund für den Verlust an Alltagskompetenz trotz affektiver Remission sind kognitive Einbußen, die daher eine zentrale Rolle bei der Behandlungsstrategie einnehmen. Die Psychotherapie ist ein evidenzbasiertes Behandlungskonzept bei älteren Menschen mit Depression, die Themen und der Therapieerfolg sind vergleichbar mit den Behandlungen bei jüngeren Menschen mit Depression. Zentrale Themen der Psychotherapie im Alter können Traumata und Verlusterlebnisse, Insuffizienzgefühle, Angst vor Abhängigkeit sein, sowie die Erarbeitung neuer Lebensziele und die Versöhnung mit schweren persönlichen Erlebnissen. Eine multiprofessionelle Therapieplanung ist die Voraussetzung für die Behandlung der Altersdepression und involviert neben den psychotherapeutischen Gesprächen non-verbale Formen der Therapie wie Gestaltungstherapie, Musiktherapie oder Bewegungstherapie.
Die Komorbidität kann die Behandlungen erschweren und bedarf einer besonderen Berücksichtigung in der individuellen Therapieplanung. Es liegt Evidenz für die pharmakologische Wirkung von Antidepressiva, die Augmentation und Phasenprophylaxe für die Altersdepression vor. Bei der Wahl des Medikaments müssen in der multimorbiden Altersgruppe die Interaktionen besondere Beachtung finden. Die Kenntnis von Risikofaktoren für therapierefraktäre Symptome ist wichtig für die Aufklärung und Behandlungsplanung. Bei therapierefraktären Depressionen besteht für die Elektroheilkrampfbehandlung auch im höheren Lebensalter eine klinisch überzeugende Indikation. Eine psychotherapeutische Weiterbehandlung zur Unterstützung der Remission und des Rückfallschutzes ist im klinischen Alltag überzeugend.
16:30 Uhr
Delire bei älteren Menschen: erkennen, behandeln, vermeiden
Michael Hüll, Emmendingen (Germany)
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Autor:in:
Michael Hüll, Emmendingen (Germany)
Das (nicht durch einen substanzentzugbedingte) Delir (F5.0, F05.1) ist ein akut auftretendes psychopathologisches Syndrom mit einer schwankenden Störung der Aufmerksamkeit und der Bewusstseinslage. Auslösende Faktoren sind Veränderungen des zerebralen Stoffwechsels, wobei unter anderem Infektionen und Medikamente eine wichtige Rolle spielen. Aber auch Schlafentzug, abrupter Wechsel des Aufenthaltsortes und Immobilisierung spielen eine mitauslösende Rolle. Beständige Risikofaktoren sind Alter, dauerhafte Minderungen der Kognitionsleistungen im Sinne einer leichten kognitiven Störung oder einer beginnenden Demenz sowie jegliche Art zerebraler Schädigung. Delirien gehören zu den häufigsten und akut gefährdenden psychiatrischen Störungen. In chirurgischen und internistischen Akutkrankenhäusern sind mehr als 10% der Patienten bereits bei Aufnahme delirant, ca. weitere 10% werden während des Aufenthaltes delirant. Viele Deliren werden übersehen oder fehlgedeutet, insbesondere wenn bei den betroffenen Menschen bereits eine schwere psychiatrische Erkrankung aus der Vorgeschichte bekannt ist. Zur Erkennung ist es besonders wichtig, auf die Kernsymptome Aufmerksamkeit und Bewusstseinslage sowie fremdanamnestische Angaben zum Verlauf zu erhalten. Somatische Einflussfaktoren müssen erhoben und eventuell behandelt werden. Der Milieugestaltung mit Reizreduktion, Vermeidung von Selbstgefährdung und reorientierende Begleitung ist der zentrale Baustein der Behandlung. Der Nutzen des Einsatzes von Psychopharmaka scheint nach jüngeren Studien geringer als klinisch erwartet zu sein. Bei Delirien mit schwer agitiertem und aggressivem Verhalten spielen weiterhin hochpotente Antipsychotika ohne cholinerge Nebenwirkungen eine entscheidende Rolle als Notfallmedikament. Durch Strukturierung von innerklinischen Abläufen und Vermeidung prodelirogener Medikamente lassen sich bis zu 50% der in Kliniken auftretenden Delirien vermeiden.