Die Corona-Krise fordert auch die Versorgungformen in der Psychiatrie und Psychotherapie heraus. Insbesondere Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen sind auf die Flexibilität von Behandlungsangeboten angewiesen. Die Corona-Krise lässt dabei die Stärken der unterschiedlichen Behandlungssettings sehr deutlich zu tage treten, aber auch ihre Schwächen. Ob eine alternative Finanzierungsform wie sie in den Modellprojekten nach § 64b SGB V möglich ist, sich in dieser Situation besonders geeignet zeigt, über ein großes Maß an Flexibilität für die Nutzer und Nutzerinnen passende Behandlungsformen anbieten zu können, soll in diesem Symposium anhand von sehr unterschiedlichen Beispielen dargestellt und diskutiert werden: Dabei geht es neben den Besonderheiten einer psychiatrischen Klinik am Allgemeinkrankenhaus mit ihren umfangreichen somatischen Anforderungen auch um Beispiele aus einem großen Fachkrankenhaus und einem ambulanten Versorgungsnetzwerk mit den speziellen Anforderungen großer Systeme.
10:00 Uhr
Resiliente Abteilungspsychiatrie in der Corona-Krise
Martin Zinkler, Heidenheim (Germany)
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Martin Zinkler, Heidenheim (Germany)
Die Patienten psychiatrischer Kliniken und ambulanter gemeindepsychiatrischer Dienste unterlagen zu Beginn der Corona-Pandemie erheblichen Einschränkungen: ganze Stationen und Tageskliniken wurden geschlossen, Besuche verboten, Wochenendbelastungen nicht mehr genehmigt und Gruppentherapien wurden ganz pausiert oder erheblich verringert. Gemeindepsychiatrische Dienste und Suchtberatungsstellen schlossen ihre Pforten. Die Kliniken mit Regionalbudgets nach §64b SGB V konnten sich hingegen flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Patienten einstellen. An der Heidenheimer Klinik, eine von gut 20 Kliniken in Deutschland mit einem Regionalbudget (für alle Patienten, alle psychiatrischen Diagnosen und alle Krankenkassen), wurden Patienten, die sich nicht mehr ins Krankenhaus trauten, zu Hause behandelt. Patienten aus Altenheimen wurden vor Ort gesehen und behandelt, um stationäre Aufnahmen zu vermeiden. Damit konnte die Belegung der Stationen bis auf 40% reduziert und das Ansteckungsrisiko verringert werden. Budgetäre Aspekte spielten bei dieser Umstellung keine Rolle, denn das Jahresbudget bezieht sich ja nicht auf Behandlungstage oder -fälle, sondern auf die Anzahl der Personen, die von der Klinik behandelt werden. Die geringere Belegung der Stationen erlaubte es ohne weiteres, Bereiche zur Isolierung von Covid-19 positiv getesteten Patienten abzutrennen, um auch für diese Patienten ein zuverlässiges Behandlungsangebot zu gewährleisten. Gruppentherapien wurden verkleinert und dafür häufiger angeboten. Frei werdende Personalressourcen wurden für aufsuchende und tagesklinische Behandlungen eingesetzt. Fazit: Die 64b Modellvorhaben erweisen sich nicht nur im Regelbetrieb hinsichtlich Flexibilität in der Behandlungsgestaltung den Mainstream-Kliniken mit PEPP-Finanzierung überlegen, sondern zeigen in der Krise ihre Resilienz zur Aufrechterhaltung eines notwendigen Behandlungsangebots.