Psychedelika wie Psilocybin oder LSD stellen eine der derzeit interessantesten Entwicklungen in der psychiatrischen Therapieforschung dar. In diesem Symposium soll die Diskussion, die beim Kongress 2019 mit einem Symposium und einer Pro-Con-Debatte begann und ein überwältigendes Echo hatte, fortgesetzt werden und von den verschiedensten Seiten beleuchtet werden. Es sprechen ein klinischer Therapieforscher (Gründer, ZI Mannheim), der Gründer eines privaten Unternehmens, das Psilocybin zur Marktreife entwickeln möchte (Lars Wilde, Compass Pathways), ein Gesundheitswissenschaftler und Präventionsforscher, der sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema beschäftigt (Jungaberle, Mind Foundation) und ein Systemwissenschaftler, der sich seit Jahrzehnten mit der Frage nach der Interaktion zwischen Gehirn und Geist auseinandersetzt (Tretter, Bertalanffy Center, Wien). Psychedelika nicht nur als Therapeutika, sondern auch als Methodenwerkzeuge, versprechen, zur Weiterentwicklung des Faches Psychiatrie beizutragen.
10:00 Uhr
Eingriff ins Gehirn: Wie wirken Psychopharmaka und Psychedelika?
Gerhard Gründer, Mannheim (Germany)
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Gerhard Gründer, Mannheim (Germany)
Obwohl die molekularen Wirkmechanismen von Psychopharmaka im Detail verstanden werden, ist noch weitgehend unklar, wie sich die Bindung an ein bestimmtes molekulares Ziel im Gehirn in Veränderungen der Stimmung, der Emotionen oder des Verhaltens niederschlägt. Das zentrale Paradigma, das die Psychiatrie und Psychopharmakologie seit Jahrzehnten dominiert, ist, dass bestimmte molekulare Dysfunktionen psychiatrischen Störungen zugrunde liegen und dass diese mit einer kontinuierlichen medikamentösen Behandlung behandelt werden müssen und können - analog zu z.B. dem Typ-1-Diabetes („Stoffwechselstörung im Gehirn“). Diese traditionelle Sichtweise ist zu eng und muss in Frage gestellt werden, nicht nur, weil sie möglicherweise die Entwicklung neuer Psychopharmaka in eine falsche Richtung geführt hat. Psychedelika haben auch ein definiertes molekulares Ziel, den 5-HT2A-Serotoninrezeptor. Aber auch hier ist es völlig rätselhaft, wie der Agonismus an einem Neurotransmitterrezeptor zu tiefgreifenden Veränderungen in der Wahrnehmung von sich selbst, Zeit und Raum führt. Es ist ebenso unklar, wie Psychedelika ihre therapeutischen Wirkungen bei psychiatrischen Störungen ausüben, die zumindest bei einigen Patienten überraschend lang anhaltend zu sein scheinen. - Psychedelika stellen unser derzeitiges Denken über die Neurobiologie psychiatrischer Störungen, die in der Psychiatrie vorherrschenden biologischen Behandlungsansätze und die Beziehung zwischen Gehirnfunktion und Psyche im Allgemeinen in Frage. Diese Präsentation wird das aktuelle Denken in der akademischen Psychiatrie zusammenfassen und versuchen, einige zukünftige Perspektiven für Forschung und klinische Praxis aufzuzeigen.