Wahn ist ein klassisches Phänomen der Psychopathologie, das durch seine Komplexität fasziniert und zugleich bei Berufsanfängern verunsichernd sein kann. In der klinischen Praxis ist Wahn häufig schwer zugänglich und der Umgang mit wahnkranken Patientinnen und Patienten bereitet oftmals Mühe. In diesem Symposium versuchen sich die Vortragenden aus verschiedenen Perspektiven dem Phänomen Wahn zu nähern, um so ein theoretisches und klinisch-praktisches Bild des Wahns zu zeichnen und daraus Vorgehensweisen für den Berufsalltag abzuleiten.
Thomas Fuchs wird in seinem Vortrag in psychopathologische Konzeptionen von Wahn einführen und die zwischenmenschliche Konstitution von Realität, insbesondere durch «joint attention» und Perspektivenübernahme, analysieren. Dabei wird er zeigen, wie dieser Aufbau einer gemeinsamen Wirklichkeit im Wahn misslingt. Dies erlaubt ein vertieftes Verständnis der typischen Unkorrigierbarkeit von wahnhaften Überzeugungen. Achim Haug wird sich in seinem Vortrag der Erfassung von Symptomen des Wahns mittels des AMDP-Systems widmen und insbesondere auf die Beurteilung der Phänomene eingehen. Rolf-Dieter Stieglitz stellt im Anschluss weitere Instrumente vor, die ergänzend und systematisch zum Einsatz kommen können, um die Diagnose eines Wahns zu erfassen und zu beurteilen, was die Grundlage für therapeutische Überlegungen darstellen kann. Abschliessend wendet sich Anke Maatz in ihrem Vortrag der kommunikativen Darstellung von Wahn zu, und zwar insbesondere unter dem Aspekt der intersubjektiven Teilbarkeit dieser Erfahrung. Dies eröffnet Perspektiven für den Umgang mit Wahn(kranken) im klinischen Gespräch wie auch für die Kommunikation mit Angehörigen.
10:10 Uhr
Wahn in der klinischen Praxis
Achim Haug, Zürich (Switzerland)
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Autor:in:
Achim Haug, Zürich (Switzerland)
Wahn in der klinischen Praxis
Achim Haug
Wahn ist ein häufiges psychopathologisches Phänomen in der klinischen Praxis. Wahn tritt nicht nur bei Schizophrenie auf, sondern kann bei verschiedenen anderen psychischen Störungen vorkommen (zB. Manie, Depression, organische Störungen, Abhängigkeitserkrankungen). Untersuchungen zeigen, dass das Vorhandensein von Wahn von Experten mit relativ hoher Übereinstimmung diagnostiziert wird. Eine Abgrenzung des bizarren Wahns von anderen Wahnformen hat dagegen eine eher niedrige Interrater-Reliabilität.
Im Symposium werden die Wahnkriterien vorgestellt und in ihrer Gewichtung diskutiert. Die einzelnen Wahnphänomene (Wahnstimmung, Wahnwahrnehmung, Wahneinfall, Wahndynamik und der Systematisierungsgrad werden erläutert. Die häufigsten Wahnthemen sowie die Abgrenzung zu bizarren Wahnphänomenen werden diskutiert. Entstehungsbedingungen sowie verursachende Variablen werden geschildert und Aspekte der Gesprächsführung und der Therapie von Wahn vorgestellt.
10:30 Uhr
Wahnsinns Sprache
Anke Maatz, Zürich (Switzerland)
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Anke Maatz, Zürich (Switzerland)
Wahnsinns Sprache! Zur kommunikativen Darstellung von Wahn im Gespräch
Versteht man Wahn als «private und privative Wirklichkeit» (Scharfetter), dann erstaunt es, dass man über Wahn überhaupt sprechen kann. In der klinischen Praxis gehört das Gespräch über Wahn aber zum Alltag und, so scheint es zumindest, es gelingt auch häufig. Wie also ist es möglich, die Erfahrung der «privaten und privativen» Wahnwirklichkeit kommunikativ so darzustellen, dass eine Verständigung darüber mit dem Gegenüber zu Stande kommt?
Dieser Frage geht der Vortrag anhand exemplarischer, auf Methoden der Inhalts- und Konversationsanalyse zurückgreifender Untersuchungen narrativer Gesprächsdaten nach. Die dabei heraus gearbeiteten verbalen und non-verbalen Strategien lenken den in der Psychopathologie üblichen Fokus von Sprache als Manifestationsort psychopathologischer Veränderungen auf Sprache als Ressource zur intersubjektiven Auseinandersetzung mit dem Erleb(t)en.