Abhängigkeitserkrankungen stellen bei älteren Menschen eine der häufigsten chronischen Erkrankungen dar. Neben Alkoholabhängigkeit, sind es die Behandlungen mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln, sowie mit Schmerzmitteln, die mit Abhängigkeitssyndromen im Alter verbunden sind . Die bei einer Langzeitverschreibung auftretenden Nebenwirkungen wie affektive Indifferenz, Antriebsarmut, kognitiv-mnestische Defizite, Stimmungsschwankungen und körperliche Missempfindungen werden häufig anderen Ursachen, insbesondere dem Alter oder der Grunderkrankung zugeschrieben. Auch im Alter sind Abhängigkeitserkrankungen mit häufigen Rückfällen verbunden, allerdings zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass Verläufe sehr unterschiedlich sein können und beispielsweise die Abstinenz vom Suchtmittelkonsum nach jahrzehntelanger Abhängigkeit ebenso möglich sein kann wie ein Rückfall nach jahrzehntelanger Abstinenz. Im höheren Lebensalter bestehen grundsätzlich dieselben Therapieoptionen wie bei jüngeren Patienten, insbesondere bei Suchterkrankungen, die erst im Alter begonnen haben (late onset). Wenn ein erheblicher Suchtmittelkonsum vom frühen Erwachsenenalter an durchgängig bestanden hat, liegen neben diversen körperlichen Folgeerkrankungen häufig auch psychische und kognitive Beeinträchtigungen vor, die die therapeutischen Möglichkeiten begrenzen bzw. besondere Herangehensweisen erfordern; auch hier sind jedoch Remissionen möglich.
11:30 Uhr
Alkoholabhängigkeit im Alter
Dirk Wolter, Itzehoe (Germany)
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Dirk Wolter, Itzehoe (Germany)
Die Prävalenz von Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit im Alter nimmt zu, insbesondere bei Frauen. Man unterscheidet zwischen einem frühen Beginn im jungen Erwachsenenalter und einem späten Beginn mit Eintritt ins Senium oder danach (early onset vs. late onset), wobei sich die beiden Gruppen in verschiedenen Aspekten deutlich unterscheiden. Vielfach wird late onset-Alkoholikern eine bessere Therapieprognose attestiert.
Weil die Auswirkungen eines übermäßigen Alkoholkonsums meist unspezifisch sind und man sie leicht mit allfälligen „Alterskrankheiten“ verwechseln kann, werden Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit bei alten Menschen häufig übersehen.
Hinsichtlich Screening und Diagnostik gelten im Grundsatz dieselben Prinzipien und werden dieselben Instrumente angewendet, wie bei jüngeren Menschen. Dasselbe gilt für sekundärpräventive und therapeutische Interventionen (Kurz- und Minimalinterventionen bei riskantem Konsum, Entzugsbehandlung, Entwöhnungsbehandlung). Angesichts der Häufigkeit von Demenzerkrankungen im Alter ist die Verhinderung der Wernicke-Enzephalopathie von besonderer Bedeutung.
Die Frage, wo die Grenze zwischen risikoarmem und riskantem Konsum gezogen werden soll, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Zu den Empfehlungen für einen risikoarmen Konsum zählt neben quantitativen Limits der Alkoholmenge (pro Tag oder pro Woche) als zentraler Bestandteil die Empfehlung, mindestens zwei alkoholfreie Tage in der Woche einzuhalten. Die Konfrontation mit dieser Empfehlung besitzt darüber hinaus auch diagnostischen Wert.