Einleitung
Die Zahlen der wohnungslosen Personen steigen in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich an. Zwischen psychischen Erkrankungen und Wohnungslosigkeit bzw. prekären Wohnverhältnissen gibt es komplexe Zusammenhänge. Einerseits kann Wohnungslosigkeit oder der drohende Wohnungsverlust als eine schwerwiegende Komplikation einer schweren psychischen Störung angesehen werden. Andererseits kommt es durch die Wohnungslosigkeit bzw. prekäre Wohnsituation zu einer Verschlechterung der Bedingungen für eine wirksame Behandlung der psychischen Störung.
Methode
Dieses Symposium präsentiert aktuelle empirische Studien zur Epidemiologie, Risikofaktoren, der psychiatrischen Versorgungssituation und präventiven Ansätzen gegen Wohnungslosigkeit bzw. Wohnungsverlust bei Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Ergebnisse und Schlussfolgerung
M. Brönner stellt die SEEWOLF-Studie aus dem Münchner Raum vor. Sie gibt Aufschluss über die Prävalenzen psychischer Erkrankungen bei wohnungslosen Personen und stellt die aktuellen Versorgungsstrukturen den Bedarfen wohnungsloser Menschen gegenüber.
Es folgt die Vorstellung der aktuell laufenden WohnLos-Studie. Es handelt sich hier um eine klinisch-epidemiologische Bestandsaufnahme von Wohnungslosigkeit und prekärer Wohnsituationen bei stationär und ambulant psychiatrisch behandelten Menschen in NRW. J. Heinz gibt eine Übersicht zur Konstruktion und methodischen Umsetzung der Studie und I. Hausleiter präsentiert erste Ergebnisse aus Routinedatenanalysen.
Schließlich geht H.J. Salize auf die prospektive Interventionsstudie MOTIWOHN im Raum Mannheim ein. Die Studie fokussiert Personen, denen der Verlust der eigenen Wohnung drohte und bei denen der Verdacht auf eine bislang unbehandelte psychische Störung bestand.
Die vier Beiträge spannen den Bogen über die verschiedenen Facetten und Ansätze zur Begegnung der wichtigen Problematik der Wohnungslosigkeit bei Menschen mit psychischen Störungen.
14:30 Uhr
Wohnungslosigkeit und psychiatrische Versorgung im Großraum München: die SEEWOLF-Studie
Monika Brönner, München (Germany)
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Autor:in:
Monika Brönner, München (Germany)
In Anlehnung an die Erstuntersuchung von wohnungslosen Menschen in München durch Fichter et al (1990) wurde durch Initiative des Katholischen Männerfürsorgevereins Mü. e.V. die SEEWOLF-Studie von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TUM durchgeführt. Anhand eines umfangreichen Untersuchungsinstrumentariums wurde der Frage nachgegangen, welche Rolle psychische (SKID) und somatische Erkrankungen, neuropsychologische Befunde (MMST, WIE) und das Aktivitätsniveau und Partizipationsverhalten (Mini-ICF-APP) bei wohnungslosen Menschen spielen und welche Konsequenzen für die praktische Versorgung der Betroffenen zu ziehen sind. 232 (von 1653) Bewohner der Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe im Großraum München nahmen von 2010-2012 an der Studie teil. Der Frauenanteil lag bei 21%, das Durchschnittsalter bei 48 Jahren und die durchschnittliche Dauer der Wohnungslosigkeit bei 5 Jahren. 93% der Untersuchten waren im Laufe ihres Lebens schon einmal psychisch erkrankt, zum Zeitpunkt der Untersuchung waren es 74%. 43% erfüllten die Kriterien für eine substanzinduzierte, 20% für eine affektive, 18% für eine neurotische, Belastungs- oder somatische Störung und 10% für eine schizophrene Spektrumsstörung (1-Monats-Prävalenzen). 55% wiesen eine Persönlichkeitsstörung auf. Der IQ als Maß für das kognitive Leistungsvermögen lag mit 84 unter dem Durchschnitt. Hinsichtlich des Aktivitätsniveaus war die Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit der Untersuchten am meisten beeinträchtigt, hinsichtlich der Partizipation die familiären/ intimen Beziehungen. Der Beginn der psychischen Erkrankung lag im Schnitt 6,5 Jahre vor Eintritt der Wohnungslosigkeit, d.h. die meisten dieser Menschen waren von einer bereits seit langer Zeit bestehenden Mehrfachbelastung betroffen. Die meisten der Untersuchten litten unter multiplen psychischen Problemen sowie körperlichen und kognitiven Einschränkungen. Diese Menschen benötigen aktiv zugehende Hilfen mit einer umfassenden psychosozialen Betreuung.
14:45 Uhr
Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnverhältnisse bei Menschen mit psychischen Erkrankungen in NRW – Methodik und erste Erkenntnisse aus Routinedatenanalysen der WohnLos-Studie
Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Köln (Germany)