RECOVER ist das Synonym für ein Versorgungsmodell, welches eine gestufte, strukturierte und koordinierte Versorgung beinhaltet. Entwicklung, Implementierung, Erprobung und Transfer des Modells werden durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) von 2017 bis 2020 gefördert. Aktuell unterstützen 19 Krankenkassen das RECOVER-Modell.
Das RECOVER-Versorgungsmodell wurde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf implementiert. Das Modell umfasst die Bildung eines regionalen Netzverbundes, welcher einen kurzfristi-gen Versorgungszugang, eine multiprofessionelle und interdisziplinäre biopsychosoziale Ein-gangsdiagnostik, die Verfügbarkeit eines Crisis Resolution Teams für akute Krankheitsphasen und gestufte Behandlung für vier Schweregradstufen von leicht bis schwere psychische Erkrankung beinhaltet.
Das Modell wird in einer randomisiert-kontrollierten Studie mit den Behandlungsarmen RECO-VER und Treatment-As-Usual über jeweils ein Jahr untersucht. Teilnahmeberechtigt sind Men-schen mit psychischen Erkrankungen ab dem 16. Lebensjahr. Die Rekrutierung endete im De-zember 2019. Die Studie untersucht neben Gesundheitskosten und Kosteneffektivität auch patientenbezogene Endpunkte in Bezug auf Symptome, Funktion, Lebensqualität und Zufriedenheit mit der Versorgung.
Während der Studienlaufzeit wurde das Modell in das Zentrum für Psychosoziale Medizin am Klinikum Itzehoe transferiert. Der Transfer beinhaltete die Modifikation des Modells an bestehende regionale Versorgungsstrukturen. Seit dem 1.1.2020 läuft die Erprobung in Itzehoe.
Im Rahmen des Symposiums werden die wesentlichen Strukturen und Inhalte des Modells, klinische und gesundheitsökonomische Daten bei Beginn der Behandlung, sowie der Transfer in den Kreis Steinburg dargestellt. In der gesundheitsökonomischen Analyse werden Aufnahmedaten mit einer Vergleichsstichprobe der Allgemeinbevölkerung gematcht und schweregradabhängige Versorgungskosten und Produktivitätsverluste ermittelt.
16:00 Uhr
Das RECOVER-Versorgungsmodell: gestufte, strukturierte und koordinierte Versorgung von psychischen Erkrankungen im Netzverbund
Martin Lambert, Hamburg (Germany)
16:20 Uhr
Schweregradabhängige Krankheitskosten bei Menschen mit psychischen Erkrankungen
Hannah König, Hamburg (Germany)
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Autor:in:
Hannah König, Hamburg (Germany)
Psychische Erkrankungen zählen zu den Hauptursachen der Krankheitslast in Deutschland. Neben der beeinträchtigten Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen gehen psychische Erkrankungen mit steigenden gesellschaftlichen Kosten einher, die insbesondere durch stationäre Aufenthalte sowie Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit verursacht werden. Ziel dieser Analyse ist es, unter Nutzung der RECOVER-Baselinedaten schweregradabhängige Versorgungskosten und Produktivitätsverluste von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu ermitteln. Dabei soll untersucht werden, wie sich die durchschnittlichen Kosten bei Menschen mit psychischen Erkrankungen in Abhängigkeit von der Krankheitsschwere von der Allgemeinbevölkerung unterscheiden.
Die durchschnittlichen halbjährlichen Kosten von Menschen mit psychischen Erkrankungen (n=905) sollen für vier Schweregrade aus einer gesellschaftlichen Perspektive ermittelt werden. Direkte Kosten werden berechnet, indem die Angaben der Patienten zur Inanspruchnahme medizinischer und nicht-medizinischer Leistungen (ambulant, stationär und Pflege) mit standardisierten Kostensätzen monetär bewertet werden. Indirekte Kosten (durch Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit) werden nach dem Human-Kapital-Ansatz berechnet. Die Angaben zu Produktivitätsverlusten werden mit durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen, ergänzt um die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, monetär bewertet. Mit einer Allgemeinbevölkerungsstichprobe (n=5.005) als Vergleichsgruppe soll ermittelt werden, in welchem Maße die geschätzten Kosten von Menschen mit psychischen Erkrankungen über den Bevölkerungsdurchschnitt hinausgehen (Exzesskosten). Unterschiede zwischen der RECOVER-Gruppe und der Vergleichsgruppe werden im Hinblick auf soziodemografische Kovariaten und somatische Komorbiditäten mit dem Entropy Balancing Verfahren adjustiert. Die Exzesskosten werden mit generalisierten linearen Modellen (GLM) mit einer Gamma-Verteilung und einer Log-Link-Funktion geschätzt.
16:30 Uhr
Transfer des Recover-Modells in den Kreis Steinburg: regionale Besonderheiten, konzeptionelle Überlegungen und erste Erfahrungen
Lea Falk, Itzehoe (Germany)
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Autor:in:
Lea Falk, Itzehoe (Germany)
Wir berichten über Erfahrungen mit dem Transfer des Recover-Versorgungsmodells in den Kreis Steinburg, einer kleinstädtisch-ländlichen Region ca. 50 km außerhalb von Hamburg.
Das ZPM hat als psychiatrische Abteilung an einem Allgemeinkrankenhaus den Pflichtversorgungsauftrag für eine Bevölkerung von 132.000 Einwohnern. Seit 2003 erfolgt die Finanzierung über ein regionales Psychiatriebudget (RPB). Dies hatte einen massiven Abbau stationärer Behandlungskapazitäten zugunsten tagesklinischer, ambulanter und ambulant-aufsuchender Behandlungen zur Folge.
Das RPB bietet allen Bewohnern des Kreises unabhängig von der Versicherung niederschwellig und ohne Einschreibeverfahren einen Zugang zur Versorgung. Die Wahl des Behandlungssettings richtet sich nur an dem Behandlungsbedarf der Patientinnen aus. Entsprechend dieser Grundphilosophie, war unser Anspruch, dass das Recover-Modell von Anfang an zu einem Teil des Routine-Angebotes für alle Bewohner des Kreises werden sollte. Wir konnten dafür auf die jahrelangen Erfahrungen in der Ambulantisierung und Setting-übergreifenden Arbeiten zurückgreifen und die vorhandenen Strukturen für das Recover-Modell nutzen.
In der Präsentation werden wir darstellen, wie wir das Recover-Versorgungsmodell an unsere lokalen Gegebenheiten und Bedarfe angepasst haben. Es werden fördernde aber auch behindernde Faktoren diskutiert und erste Erfahrungen der klinischen Arbeit dargestellt.