11:30 Uhr
Management von Nebenwirkungen
Michael Paulzen, Aachen (Germany)
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Autor:in:
Michael Paulzen, Aachen (Germany)
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung, so könnte man meinen. Während früher vor allem die Kontrolle von Zielsymptomen im Fokus einer Psychopharmakotherapie standen, so spielt heutzutage zusätzlich die Vermeidung von Nebenwirkungen, sogenannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, UAW, eine zunehmend wichtigere Rolle. UAW unter Psychopharmakotherapie sind häufig und in ihrer Ausprägung vielfältig. Zur Sicherstellung einer hohen Lebensqualität und zur Verbesserung der Therapieadhärenz gewinnen Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten von UAWs eine immer stärkere Bedeutung.
Da nahezu alle Antipsychotika und Antidepressiva vor allem in der Eindosierungsphase eine QTc-Verlängerung verursachen können, empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle bei Risikopatienten. In diesen Fällen hat sich die Umstellung auf andere Substanzen mit einem niedrigeren Risiko für kardiale Nebenwirkungen bewährt. Auch eine langsamere Aufdosierung kann kardiale UAWs verhindern, wie dies z.B. für das Clozapin-assoziierte Risiko einer Myokarditis gezeigt konnte.
Viele Antipsychotika verursachen extrapyramidale motorische Störungen (EPS), deren Behandlung die Umstellung auf Antipsychotika mit niedrigerem EPS-Risiko, wie auch die kurzfristige Einnahme anticholinergischer Substanzen (z.B. Biperiden) einschließt. Während die meisten Nebenwirkungen mit Absetzen der Medikation sistieren, bleiben andere dauerhaft bestehen. Dies gilt insbesondere für Spätdyskinesien und metabolische Nebenwirkungen. Bei der Prävention und Behandlung bewegt man sich meist im (experimentellen) off-Label-Bereich.
Antipsychotika und Stimmungsstabilisatoren sind noch häufiger als Antidepressiva assoziiert mit Gewichtszunahme. Effiziente Behandlungsoptionen schließen Lifestyle-Interventionen, wie auch den Einsatz von Topiramat oder Metformin mit ein. Zu den therapeutischen Strategien gehören auch regelmäßige Kontrollen von Glukosespiegel und Lipidprofil.
Etablierte und experimentelle Strategien zum Nebenwirkungsmanagement werden adressiert und sollen hierdurch Denkanstöße bieten, um die Behandlung psychiatrischer Patienten zu optimieren.
12:00 Uhr
Management von Wechselwirkungen
Christoph Hiemke, Mainz (Germany)
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Autor:in:
Christoph Hiemke, Mainz (Germany)
Arzneimittelkombinationen sind häufig und meist auch notwendig im Alltag der Pharmakotherapie, um einen möglichst guten Behandlungserfolg zu erzielen. Mit steigender Anzahl an Arzneistoffen steigt allerdings das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Arzneimittelwechselwirkungen. Bei Psychopharmaka ist häufig mit pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Arzneimittelwechselwirkungen zu rechnen. Aus den Erkenntnissen der vergangenen Jahrzehnte sind sie weitgehend vorhersehbar und wechselwirkungsbedingten UAW gehören daher meist zu den zu den vermeidbaren Medikationsfehlern. Um möglichst sicher zu kombinieren, gibt es umfangreiche Literatur, Tabellenwerke und hilfreiche computergestützte Programme. Allerdings ist es oft schwierig einzuschätzen, ob ein angezeigtes potenzielles Wechselwirkungsrisiko klinisch relevant ist oder nicht. Darüber hinaus ist die Kombinationsvielfalt so groß, dass es unmöglich ist, jede verordnete Arzneimittelliste bezüglich ihres Interaktionsrisikos individuell umfassend zu prüfen. Bei einer Behandlung mit fünf Arzneistoffen, wären zehn Kombinationspaare zu prüfen, bei zehn Arzneistoffen 45 Paare. Die Nutzung von Interaktionsprogrammen ist hilfreich, aber alle Wechselwirkungsprogramme sind unvollständig und häufig fehlerhaft. Ein weiteres Problem von Computerprogrammen ist die Generierung von klinisch nicht relevanten Wechselwirkungen, sogenanntes Overalerting. Kritische Wechselwirkungen können auch ohne Computer erfasst werden, wenn man Risikosignale erkennt. Dies sind für pharmakokinetische Wechselwirkungen vor allem Arzneistoffe, die Arzneimittel abbauende Enzyme hemmen oder induzieren, so genannte Perpetrator Drugs. Mit pharmakodynamischen Wechselwirkungen ist vor allem zu rechnen, wenn die Liste der Medikamente Arzneistoffe mit neuro-, kardio-, nephro- oder hepatotoxischem Potential enthält. Mit Wechselwirkungsrisiken ist auch bei der Behandlung mit potentiellen COVID-19-Therapeutika zu rechnen. Erfahrungen und Studien über Wechselwirkungen mit Psychopharmaka gibt es so gut wie keine. Im Rahmen dieses Beitrages soll beispielhaft vorgestellt werden, wie man potentielle Risiken von COVID-19-Therapeutika mit Psychopharmaka erkennt und einschätzen kann, um die Arzneistoffe möglichst sicher kombinieren zu können.