Nach einer langen Geschichte der Unterteilung psychotherapeutischer Methoden in unterschiedliche Schulen (z.B. Psychoanalyse, Verhaltenstherapie) entwickelte sich in den letzten 25 Jahren sowohl klinisch als auch wissenschaftlich eine zunehmende Spezialisierung auf störungsorientierte Ansätze. Derzeit erfahren diese Ansätze allerdings einen Wandel einerseits in Richtung eines modularen Organisationsprinzips, andererseits hin zu neuen transdiagnostischen Verfahren wie ACT, Schematherapie oder Emotionsfokussierte Psychotherapie, die für ein breites Spektrum psychischer Erkrankungen als wirksam propagiert werden. Im Symposium wird der Ansatz einer modularen Psychotherapie als der versuchte Brückenschlag zwischen störungsspezifischen Psychotherapien und individualisierten transdiagnostischen Therapieansätzen dargestellt. Die Vor- und Nachteile dieser Entwicklungen sowie die Implikationen für die Ausbildung von Psychotherapeuten und die Versorgung der Patienten werden vorgestellt.
08:45 Uhr
Modulare Psychotherapie
Sabine C. Herpertz, Heidelberg (Germany)
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Autor:in:
Sabine C. Herpertz, Heidelberg (Germany)
Modulare Psychotherapie setzt an die Stelle störungsspezifischer Psychotherapieprogramme Module als eigenständige funktionelle Einheiten, die untereinander vielfältig kombiniert werden können. Angesichts der Heterogenität in der Symptomatik, der großen Spannbreite an komorbiden Diagnosen als auch der Unterschiede in bedeutsamen ätiologischen Faktoren bei Patient*innen derselben diagnostischen Kategorie stoßen störungsspezifische Ansätze auf Grenzen. Die modulare Psychotherapie kann diagnosebezogene Module mit solchen kombinieren, die an dimensional konzipierte Funktionsbeeinträchtigungen anknüpfen und direkter als diagnostische Kategorien mit Abweichungen in psychologischen und biologischen Systemen zusammenhängen. Zudem setzen an Funktionsbeeinträchtigungen orientierte Therapietargets direkt an den subjektiv erlebten Problemen der Betroffenen an und können in ihrer Zusammensetzung und Reihenfolge individuell konzipiert und in den klinisch-psychiatrischen Alltag integriert werden.
09:00 Uhr
Modulare Psychotherapie vs Standardbehandlung mit KVT – Fallstricke im Studiendesign
Moritz Elsaeßer, Freiburg im Breisgau (Germany)
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Autor:innen:
Moritz Elsaeßer, Freiburg im Breisgau (Germany)
Elisabeth Schramm, Freiburg im Breisgau (Germany)
Obwohl sich störungsspezifische psychotherapeutische Interventionen bei Depression als wirksam erwiesen haben, erreicht ein substantieller Anteil an Patienten keine Response/Remission. In einer Meta-Analyse von Cuijpers et al. (2020) über 101 RCT-Studien mit ~12.000 Patienten zeigte sich eine durchschnittliche Remissionsrate von 45% nach 49.6% Response. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass störungsspezifische Manuale wichtige Faktoren wie die hohe Rate an komorbiden Störungen oder frühe Traumatisierungen und Misshandlungen in der Kindheit nicht berücksichtigen, obwohl sie zentral für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression sind. Der Ansatz einer modularen Psychotherapie als ein Brückenschlag zwischen störungsspezifischen Psychotherapien und individualisierten transdiagnostischen Therapieansätzen (ACT, Schematherapie…) könnte die ernüchternden Behandlungsergebnisse verbessern.
In einer aktuellen DFG-geförderten Feasability-Studie untersuchen wir, ob manualisierte Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) durch den Einsatz personalisierter Module zur Behandlung von Defiziten in spezifischen Funktionsbereichen effektiv ergänzt werden kann. Hierfür werden 70 ambulante Patienten mit episodischer oder persistierender Major Depression, Komorbidität auf Achse I oder II und Misshandlungen im Kindesalter in 20 Einzelsitzungen mit modularer Psychotherapie (KVT + Module) oder Standard-KVT für Depressionen behandelt. Die drei Module der Modularen Psychotherapie (MPT) fokussieren Defizite in den Systemen der negativen Valenz (Hypersensitivität gegenüber sozialer Bedrohung), sozialer Prozesse (Mentalisierung) und Arousal (Emotionsregulation). Nach einer spezifischen Diagnostik werden zur personalisierten Behandlung Elemente aus den Therapieansätzen CBASP, Mentalisierungsbasierte Psychotherapie und Achtsamkeit integriert. Im Rahmen des Symposiums wird das Design der Pilotstudie zur MPT erstmals vorgestellt und Fallstricke (z.B. Training/Supervision) kritisch diskutiert.