Die psychiatrische Diagnostik beruht in der alltäglichen Praxis hauptsächlich auf klinischen Beobachtungen, deren pathophysiologische Grundlagen oft unklar sind, und die daraus abgeleiteten Therapieindikationen und Prognosen sind entsprechend unzuverlässig. Eine Biomarker -geleitete Psychiatrie hingegen orientiert sich an objektiv messbaren Korrelaten neurobiologischer Prozesse und ermöglicht gezieltere und hoffentlich auch effizientere Behandlungsansätze.
Dieses Symposium gibt ein Update zu innovativen Biomarkern verschiedener Störungsbilder und stellt jeweils klinische Anwendungsmöglichkeiten zur Biomarker geleiteten Behandlung vor.
Sebastian Walther beschreibt wie bei psychotischen Erkrankungen objektiv messbare motorische Verhaltensmerkmale mit MRT-basierter Bildgebung zusammenhängen und dies für die Behandlung mittels nicht-invasiver Hirnstimulation nutzbar ist.
Im Vortrag von Marcus Herdener wird dargestellt, inwiefern sich verschiedene bildgebende Verfahren eignen könnten, um bessere Vorhersagen zum Ansprechen auf therapeutische Interventionen und zum klinischen Verlauf bei Abhängigkeitserkrankungen zu ermöglichen. Zudem wird insbesondere die potentielle Bedeutung mittels moderner Bildgebung darstellbarer Veränderungen im Glutamatstoffwechsel als translationaler Biomarker für die Entwicklung und den stratifizierten Einsatz neuer pharmakologischer Interventionen diskutiert.
Thorsten Mikoteit gibt einen Überblick über molekulare und Schlaf-assoziierte Biomarker von Depressionen. Es werden erste Ergebnisse einer prospektiven Studie zur klinischen Evaluation eines REM-Schlaf assoziierten Biomarkers zur Prädiktion von Antidepressiva-Response und zur prospektiven Therapiesteuerung vorgestellt.
Ulrike Schmidt referiert über primäre und sekundäre Vulnerabilitätsmarker der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und zeigt zudem neue Daten zu molekularen PTBS-Biomarkern, die in die Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren (HPA)- Achse involviert sind.
10:20 Uhr
Molekulare und schlafassoziierte Biomarker bei affektiven Störungen
Thorsten Mikoteit, Solothurn (Switzerland)
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Autor:in:
Thorsten Mikoteit, Solothurn (Switzerland)
Einführung: In der Praxis erfolgt die Auswahl eines Antidepressivums zur Behandlung einer Depression nach dem "try and error"-Prinzip. Das hat ungünstige Auswirkungen auf Erfolg und Dauer einer Behandlung. Zu den vielversprechendsten Biomarkern, die das Ansprechen auf eine Therapie vorhersagen könnten, gehören einerseits der molekulare Marker Brain-derived neurotrophic factor (BDNF) und andererseits elektrophysiologische Korrelate der frontocingulären Hirnaktivität im rapid-eye movement (REM) Schlaf.
Methode: In zwei kontrollierten prospektiven Studien wurden folgende Marker auf ihre Vorhersagekraft bezüglich Therapieansprechen überprüft: 1) BDNF im Serum vor Therapiebeginn oder dessen Anstieg in der ersten Woche; 2) Herzratenvariabilität (HRV) im REM-Schlaf vor Therapiebeginn und deren Veränderung in der ersten Woche; 3) die präfrontale Theta-Cordance im REM-Schlaf (R-PTC) nach einer Woche Therapie. Schliesslich wurde in einer randomisiert kontrollierten Studie untersucht, ob eine mit dem Biomarker R-PTC gelenkte Therapie zu einer höheren Responserate führt als eine Standardtherapie.
Ergebnisse/Diskussion: Eine hohe basale Konzentration von BDNF i.S. sagte zu 93% ein Ansprechen voraus (p < .05), nicht aber der Anstieg von BDNF i.S. in der ersten Woche. Nicht die basale HRV im REM-Schlaf, aber deren Veränderung innerhalb der ersten Woche, sagten die Response zu 81% voraus (p < .01). Die R-PTC unterschied nach einer Woche zwischen Respondern und Non-Respondern mit hoher Effektstärke (d = 1.3, p < .001, PPV = 92%). Wurde die R-PTC nach einer Woche zur Therapieoptimierung herangezogen, konnte das Non-Responserisiko um 30% gesenkt werden.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse dieser Studien legen nahe, dass es spätestens nach einer Woche anhand der erwähnten Biomarker möglich ist, die Response verlässlich vorherzusagen. Gemäss vorläufiger Ergebnisse könnte der prospektive Einsatz des Biomarkers R-PTC den Behandlungserfolg signifikant verbessern.