Dieses Symposium steht ganz im Sinne des diesjährigen Kongressmottos „Psychiatrie und Psychotherapie in der sozialen Lebenswelt“. Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen leben heute überwiegend in der Gemeinde und werden dort behandelt. Die Erfolge psychiatrischer Behandlung werden dabei auch an einer verbesserten Inklusion gemessen. Wissenschaftlich ist der Begriff der Inklusion bisher nicht einheitlich definiert. Dirk Richter (Bern) geht im Symposium auf die Begriffe von Teilhabe, Inklusion und Integration ein und gibt eine Übersicht über relevante Konzepte und ihre theoretischen Hintergründe.
Teilhabechancen psychisch kranker Menschen zu verbessern, erfordert auch, die aktuelle Situation zu beschreiben. Zahlen über die aktuelle Umsetzung von Teilhabe in dieser Patientengruppe liegen kaum vor. Uta Gühne (Leipzig) stellt Ergebnisse aus dem IMPPETUS-Projekt (Implementierung der Patientenleitlinie Psychosoziale Therapien für Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen) vor und zeichnet dabei die Wünsche der Befragten hinsichtlich beruflicher Tätigkeit und deren gegenwärtige Arbeitssituation auf. Johanna Breilmann (Günzburg) wird aktuelle Daten zur sozialen Teilhabe hinsichtlich sozialer Beziehungen und der Wohnsituation schwer psychisch kranker Menschen aus dem IMPPETUS-Projekt präsentieren.
Anstrengungen, die Teilhabechancen der Betroffenen zu verbessern, tragen unterschiedliche Züge und werden von verschiedenen Akteuren geleistet. Eine Möglichkeit wird in der Unterstützung durch Peers gesehen. Stefan Weinmann (Berlin) beschreibt Herausforderungen und Erfahrungen bei der Integration von Genesungsbegleitern auf einer psychiatrischen Akutstation und in der stationsäquivalenten aufsuchenden Behandlung (StäB). Hierfür werden Daten einer Prä-Post-Studie gezeigt, in der untersucht wurde, ob die Einführung von Peers auf einer Akutstation zu einer höheren individuellen Recovery-Orientierung, einer höheren Selbstwirksamkeit und zu weniger Zwangsmaßnahmen führt.
08:30 Uhr
Teilhabe, Inklusion, Integration – eine Übersicht über Konzepte und ihre theoretischen Hintergründe
Dirk Richter, Bern (Switzerland)
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Autor:in:
Dirk Richter, Bern (Switzerland)
Die Psychiatriereformen aus dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts waren mit dem Ziel der gesellschaftlichen Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen angetreten - und sind diesbezüglich eindeutig gescheitert. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Begrifflichkeiten und Konzepte wie Integration, Inklusion und Teilhabe beleuchtet der Beitrag die Gründe des Scheiterns und zeigt Perspektiven auf, wie Inklusion gelingen kann.
08:40 Uhr
Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zwischen Arbeitswunsch und Wirklichkeit – Ergebnisse einer Beobachtungsstudie
Uta Gühne, Leipzig (Germany)
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Autor:innen:
Uta Gühne, Leipzig (Germany)
Alexander Pabst, Leipzig (Germany)
Alkomiet Hasan, Augsburg (Germany)
Markus Kösters, Günzburg (Germany)
Steffi G. Riedel-Heller, Leipzig (Germany)
Teilhabechancen (schwer) psychisch kranker Menschen zu verbessern, erfordert unter anderem, die aktuelle Situation zu beschreiben. Zahlen über die aktuelle Umsetzung von Teilhabe in dieser Patientengruppe liegen kaum vor. Gleichzeitig wissen wir wenig über die Präferenzen der Betroffenen. Vorgestellt werden Ergebnisse aus einer Beobachtungsstudie zur Arbeitssituation schwer psychisch kranker Menschen und ihrem Wunsch nach einer Beschäftigung.
In der Beobachtungsstudie IMPPETUS (Implementierung der Patientenleitlinie Psychosoziale Therapien für Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen) wurden 383 Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren unter Verwendung standardisierter Instrumente befragt. Mögliche Prädiktoren für eine starke Präferenz für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurden mit Hilfe eines hierarchischen binären logistischen Regressionsmodells analysiert.
Nur ein Viertel (26,4 %) der Patienten ist auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt. Ein weiteres Viertel ist arbeitslos (24,5 %). Die Ergebnisse zeigen, dass der Wunsch nach Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei mehr als der Hälfte der Patienten stark ausgeprägt ist. Unter den Befragten in Arbeitslosigkeit äußern zwei Drittel einen starken Wunsch nach Arbeit. Komorbide chronische körperliche Krankheit und die subjektiv beurteilte Arbeitsfähigkeit sind mit dem Wunsch nach Arbeit verbunden.
Diese Daten bestätigen einen substanziellen Ausschluss von Personen mit schweren psychischen Erkrankungen aus der Arbeitswelt. Zwei von drei Befragten in Arbeitslosigkeit geben einen starken Wunsch nach Arbeit an. Neben dem Beschäftigungsstatus sollte der Wunsch nach Arbeit routinemäßig bewertet werden. Identifiziert wurde hier eine Zielgruppe für sog. Supported-Employment-Ansätze.
08:50 Uhr
Soziale Beziehungen und Wohnsituation von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen – Ergebnisse einer Beobachtungsstudie
Johanna Breilmann, Günzburg (Germany)
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Autor:innen:
Johanna Breilmann, Günzburg (Germany)
Steffi G. Riedel-Heller, Leipzig (Germany)
Alkomiet Hasan, Augsburg (Germany)
Markus Kösters, Günzburg (Germany)
Hintergrund: Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen sind oft hinsichtlich des Aufbaus und Erhalts sozialer Kontakte sowie hinsichtlich ihrer Wohnsituation benachteiligt. Derzeit fehlen aktuelle Daten zu sozialen Beziehungen und zur Wohnsituation von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen in Deutschland. Es sollen daher aktuelle Daten zu sozialen Netzwerken und zur Wohnsituation der Betroffenen vorgestellt werden.
Methoden: Es wurden vorläufige Querschnittsdaten der IMPPETUS-Studie („Implementierung der Patientenleitlinie Psychosoziale Therapien für Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen“) deskriptiv ausgewertet. Einschlusskriterien waren: Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen, 18-65 Jahre, Erkrankungsdauer ≥2 Jahre.
Ergebnisse: Es wurden Daten von 397 Patienten ausgewertet. Das mittlere Alter betrug ca. 43 Jahre; 57% der Teilnehmer waren weiblich. Die meisten Probanden sind alleinstehend und haben keine Kinder. Das soziale Netzwerk besteht im Schnitt aus 6 Kontaktpersonen, wobei 80% der Kontaktpersonen aus dem Familien- und Freundeskreis stammen. Zu den meisten Kontaktpersonen haben die Probanden regelmäßig Kontakt. Ein Großteil der Probanden wohnt selbstständig. In kommunalen Einrichtungen (Heim, ambulant betreutes Wohnen) wohnen ca. 1/10 der Probanden; 4% der Probanden sind obdachlos. Etwa ein Drittel wohnt mit dem Partner und/oder Kindern zusammen, während 41% alleine wohnen.
Diskussion: Die Daten zu den sozialen Beziehungen bestätigen Zahlen aus früheren Erhebungen. Damit weisen Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen deutlich kleinere soziale Netzwerke auf als Gesunde. Zudem sind sie deutlich seltener verheiratet und haben seltener Kinder. Die Zahlen hinsichtlich der Wohnsituation zeigen, dass ein recht hoher Anteil selbstständig und alleine oder mit Familie wohnt.