Menschen mit psychischen Erkrankungen gehören nicht nur im Gesundheitswesen zu den besonders vulnerablen Gruppen. In diesem Symposium soll aus verschiedenen Perspektiven untersucht werden, wo Krankheitsrisiken, Ausgrenzung und soziale Exklusion drohen. Anita Schick (Mannheim) wird Daten zur sozialen Isolation und zu seelischen Belastungen bei Jugendlichen unter den Bedingungen der COVID-19 Pandemie vorstellen. Elke Prestin (Bielefeld) wird aus der Perspektive einer Betroffenen untersuchen, wie persönliche Erfahrungen durch gesellschaftliche Zusammenhänge geprägt werden. Nicolas Rüsch (Ulm) gibt einen Überblick über die vielfach unerkannte strukturelle Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Deutschland. Georg Schomerus (Leipzig) stellt aktuelle Daten vor, die zeigen, welchen Stellenwert die Versorgung von Menschen mit verschiedenen psychischen Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung hat, wenn aufgrund der COVID-19 Pandemie die Ressourcenverteilung im Gesundheitswesen unter ganz neuen Voraussetzungen stattfindet. Das Symposium stellt damit anhand der vier Vorträge exemplarisch eine Verbindung zwischen aktuellen, weltweiten Ereignissen wie der Pandemie, den Strukturen im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft, und dem Erleben des Einzelnen her. Gleichzeitig werden Ansätze für Verbesserungen auf den verschiedenen Ebenen diskutiert.
11:30 Uhr
Soziale Isolation und psychische Belastungen bei Jugendlichen währen der COVID-19-Pandemie
Anita Schick, Mannheim (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Anita Schick, Mannheim (Germany)
Einleitung: Die Maßnahmen zur Eindämmung der Übertragung von SARS-CoV-2 können bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen negative psychosoziale Folgen haben. Digitale Interventionen können dabei helfen, diese Auswirkungen zu mildern. Unser Ziel war es, die Zusammenhänge zwischen sozialer Isolation, COVID-19-bezogenen Sorgen/ Ängsten, objektiven sozialen Risikoindikatoren, psychischer Belastung und dem Einsatz digitaler mobiler Gesundheitsinterventionen (mHealth) bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen während der COVID-19-Pandemie zu untersuchen.
Methoden: Die Daten wurden im Rahmen einer Querschnittsstudie mit einer repräsentativen Stichprobe von Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren (N=666; M=21.3) erhoben (Zeitraum: 07.05.-16.05.2020). Erfasst wurden Daten zu sozialer Isolation, COVID-19-bezogenen Sorgen/ Ängsten, objektiven sozialen Risikoindikatoren, psychische Belastung sowie Angaben zur aktuellen Nutzung und Einstellung zu digitalen Interventionen.
Ergebnisse:
Soziale Isolation, Sorge und objektive soziale Risikoindikatoren waren mit psychischer Belastung während der COVID-19-Pandemie assoziiert. Zudem wurde ein Dosis-Wirkungs-Zusammenhang gefunden: psychische Belastung trat mit zunehmender sozialer Isolation mit größerer Wahrscheinlichkeit auf. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass psychische Belastung und ein hohes Maß an sozialer Isolation, fehlender Gesellschaft und Sorgen mit einer positiven Einstellung gegenüber der Nutzung digitaler Interventionen und schwere psychische Belastungen mit deren tatsächlichen Nutzung assoziiert waren.
Diskussion:
Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie können mit sozialer Isolation und reduzierter psychischer Gesundheit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen einhergehen. Digitale Interventionen können dazu beitragen, die negativen psychosozialen Auswirkungen ohne Risiko einer Virusinfektion zu mildern, sofern ein objektiver Bedarf und eine subjektive Nachfrage bestehen.
11:40 Uhr
Stigmatisierung psychisch kranker Menschen: persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Zusammenhänge
Elke Prestin, Köln (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Elke Prestin, Köln (Germany)
Nach einer kurzen Einführung in das Begriffsfeld "Stigma/Stigmatisierung" werden konkrete Beispiele aus dem Erleben psychisch erkrankter Menschen in den Blick genommen. Danach befasst sich der Vortrag mit der Frage, welche Rahmenbedingungen in Psychiatrie und Gesellschaft dazu beitragen, dass psychische Krankheit bis heute allzu oft zur Abwertung und Ausgrenzung der Betroffenen führt. Aus der Betrachtung relevanter Einflussgrößen lassen sich Handlungsempfehlungen für das psychiatrische Hilfesystem und für die gesamtgesellschaftliche Ebene ableiten.
11:50 Uhr
Strukturelle Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Deutschland
Nicolas Rüsch, Ulm (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Nicolas Rüsch, Ulm (Germany)
Das Stigma psychischer Erkrankung nimmt drei Formen an: Öffentliches Stigma, Selbststigma und strukturelle Diskriminierung. Mit letzterem ist gemeint, daß Menschen mit psychischen Erkrankungen durch Regeln und Abläufe systematisch benachteiligt werden. Dies kann absichtlich oder unabsichtlich geschehen – etwa in Form gesetzlicher Regelungen, im Gesundheitssystem, in den Bereichen Arbeit und Wohnen oder auch in den Medien. Hier soll einführend das Konzept struktureller Diskriminierung erläutert werden. Es folgen Schlaglichter auf Beispiele struktureller Diskriminierung in Deutschland aus jüngerer Zeit sowie mehr oder weniger erfolgreiche Antistigma-Initiativen in diesem Bereich.
12:00 Uhr
Prioritäten der Allgemeinbevölkerung während der COVID-19-Pandemie – welchen Stellenwert hat die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen?
Georg Schomerus, Leipzig (Germany)