Angesichts der breiten gesellschaftlichen Diskussion zur Häufigkeit von Gewalt- und Missbrauchserfahrungen von Kindern in unserer Gesellschaft und deren Folgen für die kindliche Entwicklung sind wir gefragt, uns der Erforschung der Folgen früher Traumatisierung zu widmen und uns für präventive Maßnahmen einzusetzen. Die aktuelle Forschung zu den psychopathologischen und neurobiologischen Konsequenzen früher Traumatisierung verweist auf gemeinsame, transdiagnostische Mechanismen psychischer Störungen als Folge früher Stresserfahrungen und legt gleichzeitig nahe, dass die Art und der Zeitpunkt der Traumatisierung differentielle Effekte auf Hirnentwicklung und adulte Hirnfunktionen mit sich bringt. Transdiagnostische Mechanismen scheinen verschiedene traumaassoziierte Dysfunktionen zu vermitteln, wie z.B. eine gestörte Affektregulation, ein vermindertes Belohnungserleben, eine abnorme somatosensorische Verarbeitung und Einschränkungen in sozial-kognitiven Prozessen. Für dieses Symposium konnten wir Wissenschaftler gewinnen, die mittels unterschiedlicher Methoden psychopathologische und neurobiologische Folgen verschiedener Formen von frühen traumatisierenden Beziehungserfahrungen untersucht haben. So wird Sara Schmitz (Mannheim) ihren komplexen Datensatz aus einer ambulanten Assessment-Studie bei Erwachsenen mit traumatischen Kindheitserfahrungen berichten. Anfrea Knop (Berlin) und Katja Seitz (Heidelberg) berichten aus strukturellen und funktionellen Bildgebungsstudien, die den Zusammenhang spezifischer Traumatypen mit Veränderungen in spezifischen funktionellen Hirnnetzwerken zum Thema haben. Vanessa Reindl (Aachen) fokussiert in ihrem Vortrag auf neuroendokrine und -immunologische Adaptationsvorgänge im Kontext früher Traumata.
13:00 Uhr
Negativer Affekt, Misstrauen und emotionale Verarbeitung bei Personen mit traumatischen Kindheitserfahrungen
Sara Schmitz, Mannheim (Germany)
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Autor:in:
Sara Schmitz, Mannheim (Germany)
Ziel dieser Studie ist es, die Zusammenhänge zwischen momentaner Stimmung, interpersonellem Misstrauen und emotionaler Verarbeitung im Alltag von Personen mit traumatischen Kindheitserfahrungen zu untersuchen. Evidenz für diese Zusammenhänge stammen vornehmlich aus querschnittlichen sowie im Labor durchgeführten Studien. Mittels Ambulantem Assessment (AA) wurde in dieser Studie getestet, inwieweit traumatische Kindheitserfahrungen einen Einfluss auf (i) momentanes, interpersonelles Misstrauen und (ii) die Einschätzung der Valenz emotionaler Gesichtsausdrücke haben. Darüber hinaus wurde untersucht, ob traumatische Kindheitserfahrungen den Zusammenhang (iii) zwischen der momentanen Stimmung und interpersonellem Misstrauen sowie (iv) zwischen der momentanen Stimmung und der Einschätzung der Valenz emotionaler Gesichtsausdrücke moderieren. Interpersonelles Misstrauen und emotionale Verarbeitung wurden im Alltag von ProbandInnen mittels zwei neu im AA implementierten experimentellen Aufgaben erfasst. Es wurden Daten von n = 61 StudienteilnehmerInnen über sieben Tage mit je sechs Messzeitpunkten erhoben. Mehrebenen-Analysen zeigten, dass der Schweregrad traumatischer Kindheitserfahrungen mit einer negativeren Einschätzung emotionaler Gesichtsausdrücke im Alltag einherging. Weiterhin fanden wir, dass ein hoher Schweregrad von traumatischen Kindheitserfahrungen bei gleichzeitiger negativer Stimmung mit erhöhtem Misstrauen einherging. Es wird diskutiert, welche neuen Möglichkeiten sich aufgrund unserer Ergebnisse, sowie der erstmals im AA eingesetzten experimentellen Aufgaben für die Trauma-Forschung ergeben.
13:10 Uhr
Einfluss von traumatischen Kindheitserfahrungen auf die Antizipation finanzieller und sozialer Belohnungsreize – eine transdiagnostische fMRT-Studie
Katja Isabell Seitz, Heidelberg (Germany)
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Autor:in:
Katja Isabell Seitz, Heidelberg (Germany)
Personen mit traumatischen Kindheitserfahrungen zeigen während der Antizipation von Belohnungsreizen eine verringerte Aktivität in belohnungsassoziierten Hirnregionen, insbesondere im ventralen Striatum. Während der Fokus bisheriger Bildgebungsstudien meist auf dem Vergleich zwischen traumatisierten und nicht-traumatisierten Stichproben der Allgemeinbevölkerung lag, bleibt offen, inwieweit sich traumatische Kindheitserfahrungen transdiagnostisch auf die Belohnungsantizipation im Erwachsenenalter auswirken. Ziel der vorliegenden Studie war die dimensionale Untersuchung des Zusammenhangs neuronaler Korrelate finanzieller und sozialer Belohnungsantizipation mit traumatischen Kindheitserfahrungen bei Personen mit und ohne psychiatrische Erkrankungen.
Hierzu bearbeiteten 130 TeilnehmerInnen, einschließlich PatientInnen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (n=28), Depression (n=35), Somatischen Belastungsstörung (n=33) und gesunde ProbandInnen (n=34), ein etabliertes Paradigma mit finanziellen und sozialen Belohnungsreizen im Magnetresonanztomographen. Art und Intensität traumatischer Kindheitserfahrungen wurden mit dem Childhood Experience of Care and Abuse Questionnaire, psychopathologische Belastung mit dem Brief Symptom Inventory erfasst.
In der Gesamtstichprobe zeigten sich signifikante neuronale Aktivierungen in belohnungsassoziierten Hirnregionen, einschließlich dem ventralen Striatum, während der Antizipation finanzieller und sozialer Belohnungsreize. Das selbstberichtete Erleben mütterlicher Antipathie im Kindes- und Jugendalter korrelierte signifikant negativ mit der striatalen Aktivität während der Antizipation sozialer, nicht aber finanzieller Belohnungsreize, kontrolliert für die psychopathologische Belastung.
Unsere Ergebnisse legen langfristige Auswirkungen traumatischer Kindheitserfahrungen auf die Antizipation sozialer Belohnungsreize im Erwachsenenalter nahe, die unabhängig von der gegenwärtigen psychopathologischen Belastung zu sein scheinen.
13:30 Uhr
Frühe Stresserfahrungen und neuroendokrine und -immunologische Adaptation bei Pflegekindern
Vanessa Reindl, Aachen (Germany)
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Autor:innen:
Vanessa Reindl, Aachen (Germany)
Klaus Tenbrock, (Germany)
Ann-Katrin Job, (Germany)
Anastasia Wiener, (Germany)
Arnold Lohaus, (Germany)
Nina Heinrichs, (Germany)
Kerstin Konrad, (Germany)
Frühkindliche Vernachlässigungs- und Misshandlungserfahrungen können zu Veränderungen in der neuroendokrinen Stressantwort führen und somit langfristig mit einem erhöhten Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen verbunden sein. Gleichzeitig kann die Unterbringung in einer Pflegefamilie einen wichtigen Schutzfaktor für die Entwicklung der betroffenen Kinder darstellen. Ziel der vorliegenden Studie war es, die neuroendokrinen und immunologischen Veränderungen bei Kindern in Pflegefamilien (KiP) im Vergleich zu Kindern ohne solche belastenden frühen Stresserfahrungen zu untersuchen und die Hypothese zu überprüfen, dass eine gute Beziehungsqualität zwischen KiP und ihren Pflegeeltern zu einer Normalisierung dieser Parameter führt.
Im GROW&TREAT Projekt wird die Entwicklung von KiP, im Alter von 2 - 7 Jahren, über einen Zeitraum von einem Jahr an drei Messzeitpunkten untersucht und mit einer Gruppe von gleichaltrigen Kindern verglichen, die in ihrer Herkunftsfamilie leben. Cortisol-, DHEA- und Progesteron-Konzentrationen der Kinder wurden im Kopfhaar gemessen und sekretorisches Immunglobulin A (sIgA) im Speichel bestimmt. Die Eltern-Kind Beziehung wurden im Selbstbericht der (Pflege-) Eltern erfasst.
Insgesamt zeigten KiP niedrigere Cortisol/DHEA- und höhere Progesteron- Konzentrationen als biologische Kinder. Diese Unterschiede wurde durch die Beziehungsqualität moduliert: KiP mit einer niedrigeren Beziehungsqualität zeigten niedrigere Cortisol-, höhere DHEA- und niedrigere Cortisol/DHEA-Konzentrationen, während KiP mit einer höheren Beziehungsqualität höhere Progesteron-Konzentrationen aufwiesen.
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass frühe Stresserfahrungen mit einem Hypokortisolimus bei gleichzeitig erhöhter Progesteronsekretion bei KiP assoziiert sind. Dabei könnte die Beziehungsqualität zwischen KiP und ihren Pflegeltern die Stressregulation der Kinder modulieren und somit möglicherweise die Folgen von frühkindlichem Stress reduzieren.