Zwangsstörungen zählen mit einer Prävalenz von 3,4% in der jüngsten deutschen epidemiologischen Studie zu den häufigen psychischen Erkrankungen. Die Störung führt oft zu starken Auswirkungen auf das psychosoziale Funktionsniveau und neigt besonders zu Chronifizierung, so dass frühzeitige und effektive Therapiemaßnahmen von großer Bedeutung sind. Das Symposium soll auf neue, für die Praxis relevante Forschungsergebnisse fokussieren. Es sollen Ergebnisse aus Therapiestudien mit neuen innovativen therapeutischen Ansätzen, v.a. aus der Psychotherapieforschung, sowie neue Erkenntnisse zu biologischen Faktoren vorgestellt werden.
Professor Dr. Steffen Moritz aus Hamburg hat erste Pilotstudien mit einem für Zwangsstörungen neuen Therapieansatz unter Einsatz virtueller Realität durchgeführt, berichtet davon erste Ergebnisse und diskutiert das Potenzial diesen innovativen Ansatzes für das Spektrum künftiger Therapiemöglichkeiten.
Dr. Simone Pfeuffer von der Arbeitsgruppe von Professor Voderholzer, Prien/München leitet ein Projekt bei Jugendlichen und Erwachsenen mit Zwangsstörungen, bei denen mithilfe von Videokonferenztechnik Expositionsübungen im häuslichen Umfeld der Patienten durchgeführt werden. Die Behandlung von Patienten mit Zwangsstörungen zu Hause ist wegen der oft bestehenden Abhängigkeit der Symptomatik vom Kontext von großer Bedeutung. Die Behandlung wurde bereits bei ca. 100 Patienten durchgeführt. Es werden Daten zur Akzeptanz, aber auch zur Wirksamkeit im Vergleich mit Exposition in Eigenregie, bzw. als Hausaufgabe berichtet. PD Dr. Benedikt Reuter von der FU Berlin von der Arbeitsgruppe Professor Kathmann berichtet Ergebnisse aus der Therapieprozess-Forschung zum Therapieprozess, die zu einem besseren Verständnis der Wirksamkeit von Expositionsbehandlung beitragen. PD Dr. Endres vom Universitätsklinikum Freiburg berichtet neue Erkenntnisse zu Differenzialdiagnosen der Zwangsstörung, die für die Therapie hoch relevant sind.
16:00 Uhr
Virtuelle Realität in der Therapie von Zwangsstörungen, erste Ergebnisse von Pilotstudien
Lara Bücker, Hamburg (Germany)
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Autor:innen:
Lara Bücker, Hamburg (Germany)
Franziska Miegel, Hamburg (Germany)
Anna Baumeister, Hamburg (Germany)
Fariba Mostajeran, Hamburg (Germany)
Simone Kühn, Hamburg (Germany)
Steffen Moritz, Hamburg (Germany)
Lena Jelinek, Hamburg (Germany)
Hintergrund: Expositionstherapie in virtueller Realität (VR) ist bei Patienten mit Angststörungen wirksam. Bei Zwangsstörungen sind die Daten auf Machbarkeitsstudien beschränkt, und es ist unklar, ob durch eine Exposition in VR eine psychische Belastung durch andere Emotionen als Angst (z.B. Ekel) hervorgerufen werden kann. In der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, ob bei Patientinnen mit Kontaminations- und Waschzwängen eine psychische subjektive Belastung sowie eine objektive Erregung durch eine Exposition in VR induziert werden kann.
Methoden: Acht Patientinnen mit Kontaminations- und Waschzwängen wurden mit einer Exposition in VR behandelt. Zu Beginn der Behandlung und nach sechs Wochen wurde die Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) erfasst. In vier aufeinanderfolgenden Expositionssitzungen (in einer virtuellen schmutzigen öffentlichen Toilette) wurden die subjektive Belastung (subjective units of distress, SUD), die Herzfrequenz und die Hautleitfähigkeit (Erregung) sowie das Präsenzgefühl (d.h. die Illusion, dass die virtuelle Realität als real erlebt wird) und die Simulatorkrankheit gemessen.
Ergebnisse: Die Exposition in VR war in der Lage, eine subjektive Belastung sowie Erregung zu induzieren. Das qualitative Feedback war heterogen und das Präsenzgefühl moderat. Die Zwangssymptome (Y-BOCS) verringerten sich im Laufe der Behandlung mit mittleren bis großen Effektstärken, aber nur zwei Patienten konnten als Behandlungs-Ansprecher (Responder) gewertet werden und zwei Patienten brachen die Behandlung wegen mangelnden Behandlungserfolgs ab.
Zusammenfassung: Obwohl die Exposition in VR in der Lage war, subjektive Belastung und Erregung in Verbindung mit Ekel zu induzieren und ein mäßiges Präsenzgefühl hervorrufen konnte, schmälert die niedrige Rate der Behandlungs-Ansprecher die positiven Ergebnisse. Mögliche Gründe für die heterogenen Ergebnisse und Implikationen werden diskutiert.
16:10 Uhr
Videokonferenzbasierte Exposition als Home-Treatment: Akzeptanz und Durchführbarkeit, Evaluation bei ca. 100 Patienten mit Zwangsstörung
Simone Pfeuffer, Prien am Chiemsee (Germany)
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Autor:in:
Simone Pfeuffer, Prien am Chiemsee (Germany)
Kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition und Reaktionsmanagement ist die Therapie erster Wahl bei Zwangsstörungen. Expositionen sollen dabei größtmöglichen Realitätscharakter aufweisen (Lakatos & Reinecker, 2007). Gleichzeitig stellt die therapeutische Allianz den wichtigsten Wirkfaktor der Expositionsbehandlung dar (Kanfer, Reinecker, & Schmelzer, 2000). In den S-3 Leitlinien wird deshalb empfohlen, therapeutisch begleitete Expositionen auch im häuslichen Umfeld der Patienten durchzuführen. Aufgrund wohnortferner Behandlung und organisatorischer Schwierigkeiten wird Patienten diese Möglichkeit oft vorenthalten (Külz et al., 2010). Die Nutzung neuer Medien stellt hierbei eine vielversprechende Alternative dar (Vogel et al., 2012).
An der Schön Klinik Roseneck werden derzeit videokonferenz-basierte Expositionen im heimischen Umfeld erprobt, bei denen die Patienten via Smartphone-App mit dem Therapeuten in der Klinik verbunden sind. Erstmals werden dabei videobasierte Heimexpositionen sowohl mit therapeutenbegleiteten Expositionen in der Klinik als auch mit den bisher üblichen selbstständigen Heimexpositionen (Kontrollgruppe) vergleichen und zwar hinsichtlich Behandlungserwartung (CEQ; Devilly & Borkovev, 2000), Einfluss auf die therapeutische Allianz (WAI-SR; Wilmers, et al. 2008) und Bewertung der Therapiestunde (SEQ; Stiles & Snow, 1984). Zudem werden Benutzerfreundlichkeit (SUS; Bangor, Kortam & Miller, 2008) und Natürlichkeit (VTS; Bouchard & Robillard, 2000) des technischen Equipments durch die Patienten bewertet. Bislang haben N = 100 Patienten mit der Hauptdiagnose einer Zwangsstörung an der laufenden Studie teilgenommen.
Das Videokonferenzsetting wird von den Patienten als natürlich und das technische Equipment als benutzerfreundlich bewertet. Videobasierte Expositionen werden als äquivalente Behandlungsmethode bewertet. Verglichen mit selbstständigen Heimexpositionen erzielten videobasierte Exposit
16:20 Uhr
Expositionsbasierte Verhaltenstherapie bei der Zwangsstörung: Praxisbewährung und klinisch relevante Veränderungsprozesse
Benedikt Reuter, Berlin (Germany)
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Autor:innen:
Benedikt Reuter, Berlin (Germany)
B. Elsner, (Germany)
N. Kathmann, (Germany)
Evidenzbasierte Leitlinien empfehlen expositionsbasierte Verhaltenstherapie aufgrund zahlreicher Wirksamkeitsnachweise in randomisiert-kontrollierten Studien als Behandlungsmethode der ersten Wahl bei einer Zwangsstörung. Ihre immer noch unzureichende Anwendung in der Versorgungspraxis könnte mit Zweifeln an der Wirksamkeit unter realen Versorgungsbedingungen zusammenhängen. Außerdem erreichen auch bei leitliniengerechter Behandlung bis zu 50% der Patient*innen keine Remission. Im Vortrag werden aktuelle Studien vorgestellt, in denen die Wirksamkeit unter realen Versorgungsbedingungen nachgewiesen wird und therapeutische Veränderungsprozesse als Ansatzpunkte zur Erhöhung nachhaltiger Behandlungserfolge untersucht werden. Die Studien legen nahe, dass die Verletzung von Erwartungen in Expositionsübungen eine wichtige Rolle für die Wirksamkeit darstellt und dass langfristig stabile Behandlungserfolge erzielt werden, wenn in der Therapie eine vollständige Remission erreicht wird.
16:30 Uhr
„PANDAS/PANS" und andere immunologische Erkrankungen in der Differenzialdiagnostik der Zwangsstörungen und die Bedeutung für die Therapie – ein Update
Dominique Endres, Marburg (Germany)