Psychische Erkrankungen kosten Europa jährlich fast 800 Milliarden Euro. Schizophrenie und Depression sind zwei der belastenden Krankheiten. Leider sind die zugrunde liegenden biologischen Ursachen nicht gefunden worden, was zu Schwierigkeiten bei der Identifizierung neuer therapeutischer Ziele und Biomarker führt. Insbesondere die Option, auf intrazelluläre Stellen zu zielen, ist nach wie vor relativ schwach entwickelt. Neuartige Forschungsinstrumente ermöglichen es nun, NMDA-Rezeptor (NMDAR)-Bahnen als vielversprechende Angriffspunkte zu evaluieren.
Im Rahmen des Symposiums soll das mechanistische Verständnis des NMDAR-Signalwegs und seiner Dysregulation bei psychiatrischen Erkrankungen auf der Ebene des Moleküls, der Zelle, des Gehirns und des Verhaltens erlangt werden. Dabei wird gezeigt wie neue Substanzen, die auf die NMDAR-Signalübertragung abzielen, das Verhalten in Modellen steuern (Freudenberg, Frankfurt). Es werden in-vitro Modelle zur Erforschung des glutamatergen Systems vorgestellt (Jung, Halle). Außerdem werden die Effekte des glutatmatergen Systems auf die Hirnfunktion beschrieben (Frodl, Magdeburg) und die Auswirkung der Ketaminbehandlung bei der therapierefraktären Depression dargestellt (Normann, Freiburg).
17:30 Uhr
Neue Substanzen, die am NMDAR Pfad ansetzen und Effekte im Modell
Florian Freudenberg, Frankfurt am Main (Germany)
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Autor:in:
Florian Freudenberg, Frankfurt am Main (Germany)
Eine der vorherrschenden Theorien zur Pathophysiologie der Schizophrenie legt nahe, dass eine Funktionsstörung der glutamatergen Signalübertragung, u.a. im Hippocampus, eine zentrale Rolle bei der Entstehung dieser Störung spielt. Gene die für Proteine der postsynaptische Dichte (PSD) kodieren wurden wiederholt mit der Schizophrenie in Verbindung gebracht. Darunter finden sich unter anderem NMDA-Rezeptor kodierende Gene, aber auch die assoziierter Proteine, wie der neuronalen Stickstoffmonoxid-Synthase (nNOS oder NOS-I, kodiert durch das NOS1-Gen) und dessen Adaptorprotein (NOS1AP; zuvor CAPON genannt). In Neuronen ist nNOS mit der PSD glutamaterger Synapsen durch Interaktion mit PSD-93 oder -95 verbunden, wodurch nNOS in die Nähe von NMDA-Rezeptoren gebracht wird. Dies ermöglicht den NMDA-Rezeptor-abhängigen Calcium Einstrom zur Aktivierung von nNOS. NOS1AP interagiert mit dem nNOS/PSD-95/NMDA Rezeptorkomplex und ist an der Vermittlung von dessen Signalgebung beteiligt. Erhöhte NOS1AP-Spiegel wurden bei Schizophrenie-Patienten berichtet, und für die Schizophrenie relevante Endophänotypen wurden mit NOS1AP Genvarianten assoziiert.
Aus diesem Grund haben wir in den vergangenen Jahren die funktionelle Rolle der NOS1AP Überexpression in vitro und in vivo untersucht und versucht diesen Signalweg pharmakologisch zu manipulieren. Wir konnten unter anderem zeigen, dass hippokampale und präfrontale Überexpression von NOS1AP tatsächlich für die Schizophrenie relevante Endophänotypen in Mäusen beeinflusst und konnten diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen. In proof-of-concept Studien zeige die selektive, pharmakologische Beeinflussung von NOS1AP Interaktionen einen positiven Einfluss auf Endophänotypen der Schizophrenie.
Unsere Befunde liefern wichtige Erkenntnisse über die funktionelle Rolle der nNOS-NOS1AP-Interaktion bei Schizophrenie, die letztendlich zu neuen und innovativen Behandlungsmöglichkeiten der Schizophrenie führen könnten.
17:40 Uhr
In-vitro Modelle zur Erforschung des glutamatergen Systems
Matthias Jung, Halle (Saale) (Germany)
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Autor:innen:
Matthias Jung, Halle (Saale) (Germany)
Jenny Pfeifer , Halle (Saale) (Germany)
Annika Majer , Halle (Saale) (Germany)
Jessica Reinsch , Halle (Saale) (Germany)
Jenny Kintzel , Halle (Saale) (Germany)
Carla Hartmann , Halle (Saale) (Germany)
Annette Hartmann , Halle (Saale) (Germany)
Benttina Konte , Halle (Saale) (Germany)
Ina Giegling , Halle (Saale) (Germany)
Dan Rujescu, Halle (Saale) (Germany)
Im Bereich der psychiatrischen Erkrankungen gibt es ein steigendes Interesse daran genetische Prädispositionen besser zu verstehen. In genetischen Studien haben wir heterozygote Deletionen im Gen Neurexin 1 (NRXN1) gefunden, die mit der Schizophrenie einhergehen. Schizophrenie ist eine komplexe psychiatrische Erkrankung, die etwa 1 % der Weltbevölkerung betrifft. NRXN1 ist ein synaptisches Protein, das in der Entwicklung und der Funktion von reifen Neuronen eine entscheidende Rolle spielt. Deletionen in NRXN1 verändern die Homeostase des glutamatergen Systems in zentralen Nervensystem.
Um die Störung des glutamatergen Systems in der Schizophrenie besser zu verstehen haben wir Blut von Schizophrenie-Patienten mit einer NRXN1-Deletion verwendet um induziert pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) herzustellen. Diese Stammzellen wurden zur Herstellung von glutamatergen Neuronen verwendet. Dieses in vitro-Modell haben wir funktionell charakterisiert.
Die Analyse der kortikalen Neurone fokussierte sich auf zelluläre Mechanismen, die das glutamaterge System im zentralen Nervensystem steuern. Transkript- und Proteinanalysen bestätigten große Unterschiede in der Entwicklung und Funktionalität der Neurone. Hierbei ergaben sich wichtige Hinweise für ein besseres Verständnis der pathophysiologischen Prozesse in der Schizophrenie.