Autor:in:
Lutz Frölich, Mannheim (Germany)
Die Therapie demenzieller Syndrome, insbesondere der Alzheimer-Erkrankung, zielt weiterhin auf drei Bereiche: Stabilisierung der kognitiven Störungen und Alltagskompetenz sowie Behandlung der Verhaltensstörungen. Das therapeutische Gesamtkonzept umfasst immer pharmakologische Maßnahmen und psychosoziale Interventionen für Betroffene und Angehörige im Kontext eines Gesamtbehandlungsplans. Wegen der mäßigen Effektstärken der derzeit verfügbaren Antidementiva, der Bedeutung des langen asymptomatischen oder prodromalen Intervalls neurodegenerativer Erkrankungen und der generellen Attraktivität des Konzeptes rücken Präventionsstrategien zunehmend in das öffentliche Interesse. Ausgangspunkt sind epidemiologische Erkenntnisse über die verringerte Inzidenz von Demenzen in verschiedenen Ländern über die letzten Jahrzehnte. Ca. 40% des Demenzrisikos lassen sich über ein komplexes Lebensspannen-abhängiges Modell erklären, das Zeitdauer und Timing von 12 prinzipiell modifizierbaren Risikofaktoren einbezieht. Im Einzelnen waren dies folgende Faktoren in abnehmender Risikostärke: sensorische Beeinträchtigungen, v.a. Hörminderung, geringere lebenslange kognitive Stimulation i.S. von Bildung, Rauchen, Depression, soziale Isolation, traumatische Hirnschädigungen, körperliche Inaktivität, Bluthochdruck, Luftverschmutzung, übermäßiger Alkoholkonsum, Übergewicht und Diabetes. Das Konzept der Lebensstil-abhängigen Risikofaktoren läßt es plausibel erscheinen, dass darauf aufbauende Interventionen zu einem geeigneten Zeitpunkt und über ausreichend lange Dauer tatsächlich eine Minderung des Demenzrisikos bewirken.
Tatsächlich sind in den letzten 10 Jahren acht langdauernde und komplexe Interventionsstudien durchgeführt worden. Vier Studien fokussierten auf Hypertonie-Behandlung: Während in drei früheren Studien eine Reduktion des Demenzrisikos durch eine antihypertensive Behandlung nicht nachgewiesen werden konnte, zeigt die aktuelle SPRINT-MIND-Studie (eine intensivierte Hypertoniebehandlung) eine Reduktion des Risikos für leichte kognitive Störung und einen Trend für Demenzmanifestation. Von drei Studien mit Multidomain-Interventionen (FINGER, MAPT, PreDIVA, HATICE) ergaben zwei Studien kleine Effekte auf die Kognition in primären Analysen oder in Subgruppen mit besonderem Risiko, zum Beispiel in bei Amyloid-positiven Personen. Die Studien zeigten aber auch die besonderen methodischen Schwierigkeiten dieser Studienart (z.B. bzgl. Dauer und Studienadhärenz, Auswahl der Studienpopulation). Konsequenzen für zukünftige Studien sind, dass Demenzprävention grundsätzlich i.S. einer Risikoreduktion zu verstehen ist, und wegen der Natur der Erkrankung nur geringe Effekte zu erwarten sind, und dass zielgerichtete Intervention bei Personen mit einer individualisierten Risikoprofilierung wahrscheinlich die sinnvollste Präventions-Strategie sind. Obwohl überzeugende Evidenzen noch fehlen, sollten individuelle Maßnahmen zur Lebensstil-Modifikation bereits jetzt Teil der Empfehlungen zu nicht-pharmakologischen Maßnahmen für Patienten in Prodromal- und Demenzstadien in der Praxis sein.