In diesem Symposium sollen Schwierigkeiten in der psychiatrischen Begutachtung aus neurologischer, psychiatrischer und juristischer Sicht aufgewiesen werden. Es gilt, differentialdiagnostische Überlegungen betreffs hirnorganischer Veränderungen zu treffen, neue Verfahren in der Beschwerdenvalidierung darzulegen und zu diskutieren, und letztlich die Ursachen von Kommunikationsstörungen zwischen Auftraggeber und Gutachter zu beleuchten.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung (DGNB) , die die Referenten entsendet, ist gerade bei diesen Themen in einem ständigen Prozess der verbesserten Qualitätskontrolle. Sie ist federführend bzw. beteiligt bei der Erstellung von Leitlinien; sie vergibt außerdem erstmals in 2020 einen Forschungsförderpreis.
Im Rahmen dieses Symposiums sollen z.B. Skalen zur Erfassung der Funktionsbeeinträchtigungen höherer Hirnleistungen vorgestellt werden. Schädigungen des ZNS und komplexe psychische Störungen sollen in ihrem Wechselspiel bzw. in ihrer Abgrenzung gegeneinander bewertet werden. In der Beschwerdenvalidierung gilt es, authentische von nicht-authentischen Symptomen zu differenzieren bzw. abzugrenzen. Übertragung und Gegenübertragung in der Begutachtungssituation werden zusammen mit standardisierten Testverfahren einer kritischen Betrachtung unterzogen. Induktive und deduktive Denkansätze von Medizinern und Juristen werden erläutert. Unklare Fragestellungen aus juristischer Sicht und unpräzise Antworten im medizinischen Gutachten werden beispielhaft dargestellt.
Mit diesem Symposium sollen Psychiater/innen, Neurologen/-innen, Psychologen/-innen angesprochen werden, um mehr Sicherheit und Kompetenz in der Begutachtung von schwierigen Fragestellungen bei z.B. Traumafolgestörungen, chronischen Schmerzzuständen, affektiven Störungen, funktionellen Störungen zu erhalten.
14:30 Uhr
Begutachtung bei hirnorganischen Psychosyndromen und Demenzen
Hans-Christian Hansen, Neumünster (Germany)
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Hans-Christian Hansen, Neumünster (Germany)
Psychische Funktionsstörungen aufgrund symptomatischer zerebraler ("organischer") Erkrankungen können klinisch offensichtlich sein oder treten nur in sehr subtiler Ausprägung auf. In jedem Fall beeinflussen sie das Krankheitsgeschehen und den Verlauf oft erheblich und wirken sich ungünstig aus. Selbst wenn der Zusammenhang dieser Störungen mit einer ZNS-Schädigung auf der Hand liegt, spielen psychosoziale Faktoren mitunter die wesentliche Rolle, sowohl im postakuten als auch chronischen Verlauf. Schwierigkeiten bei der Krankheitsbewältigung und der erforderlichen persönlichen Neuorientierung, seien sie partnerschaftlich, familiär oder beruflich gewinnen zusammen mit Fragen der sozialen Unterstützung und Teilhabe an Bedeutung. Dies gilt besonders bei nicht vorübergehenden Beeinträchtigungen. Die Begutachtung dieser Fragenkomplexe erfordert eine detailliertere Kenntnis von höheren Hirnleistungen und Basisfunktionen. Sie wird häufig durch neuropsychologische Gutachten unterstützt, die ganz gezielt eingesetzt werden und eigenen Qualitätsmerkmalen gehorchen. Wesentliche Skalen zur Funktionsbewertung mit indikationsübergreifendem Charakter werden unter Bezug auf eine leitliniengerechte Gutachtenerstellung vorgestellt.
14:45 Uhr
Das Sender-Empfänger-Problem in der Begutachtung – Ursachen von Kommunikationsstörungen zwischen Auftraggeber und Gutachter
Peter W. Gaidzik, Hamm (Germany)
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Peter W. Gaidzik, Hamm (Germany)
Im öffentlichen Raum wird nicht selten die fehlende Verwertbarkeit ärztlicher Gutachten kritisiert, vom subjektiven Eindruck her sogar häufiger als beispielsweise in Bezug auf technische Gutachten. Die ärztlichen Sachverständigen beklagen die für sie unklare Fragestellung der meist rein juristisch ausgebildeten Auftraggeber, diese wiederum beklagen angebliche unscharfe bis hin unbrauchbaren Antworten in den gutachtlichen Ausführungen. Die Ursachen dieser Kommunikationsdefiziten werden in der Regel in den vermeintlich divergenten Denkmustern beider Berufsgruppen verortet: Ärzte seien es gewohnt, vom Fall her, also induktiv zu denken, Juristen hingegen von der Regel her, mithin deduktiv. Beides ist bei näherer Betrachtung nur vordergründig richtig, denn letztlich müssen die Vertreter beider Wissenschaften sich induktiver wie deduktiver Denkansätze bedienen, um ihrer jeweiligen Funktion gerecht werden zu können. Aus Sicht des Verfasser liegt die wesentliche Ursache vielmehr darin, dass die Mediziner die begriffliche Vielfalt im Recht, die Juristen die methodischen Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten in der Medizin unterschätzen. Zum anderen neigen beide Berufsgruppen dazu, die sprachliche Präzision im eigenen Fach zuweilen zu vernachlässigen, insbesondere aber im jeweils anderen Fach ungeprüft vorauszusetzen und so im Ergebnis zu überschätzen. Dies wird an verschiedenen Beispielen verdeutlicht.
15:00 Uhr
Fallstricke in der psychiatrischen Begutachtung und Methoden der Beschwerdenvalidierung
Hildegard Schain, Düren (Germany)
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Hildegard Schain, Düren (Germany)
Gerade in der psychiatrischen Begutachtung gilt es, nicht-authentische von authentischen Störungen zu differenzieren. Es ist nicht nur das wichtige Instrument der Übertragung und Gegenübertragung im Begutachtungssetting; standardisierte Verfahren nehmen daneben einen immer größer werdenden Raum ein, wie z.B. Structured Interview of Reported Symptoms (SIRS-2). Dieses erfolgt in der Verknüpfung mit den klinischen Befunden sowie mit den testpsychologischen Verfahren wie z.B. MMPI-2, PAI/VEI u.a.. Bedeutsam ist die Beschwerdenvalidierung v.a. in der Begutachtung von chronischen Schmerzzuständen, Traumafolgestörungen, affektiven Störungen. Konkrete Handlungsanweisungen für die gutachterliche Praxis i.R. dieses Symposiums sollen Sicherheit und Kompetenz in der Begutachtung ausbauen.