Die Vorausplanung therapeutischer Entscheidungen durch den Patienten dient der Durchsetzung seines Willens im Falle einer krankheitsbedingten Aufhebung der freien Willensbildung. In der somatischen Medizin trifft dies vor allem auf lebensbedrohende Zustände, akut oder am Lebensende, zu. Bei psychischen Störungen wurde über lange Zeit auf episodisch auftretende, krisenhafte Verschlechterungen fokussiert.
Entwicklungen in der Palliativmedizin bis hin zu der durch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Regelung zur Suizidbeihilfe ausgelösten Diskussion um die Reichweite des Rechts auf ein selbstbestimmtes Sterben, wie auch der banale Fakt, das Menschen mit psychischer Störung älter werden, zeigen, dass diese Trennung eine künstliche ist. Vorausplanung sollte im Fachgebiet der Psychiatrie daher breiter gedacht und aktiv von therapeutischer Seite angeboten werden. Advance Care Planning, vorausschauende Behandlungsplanung, ist ein Ansatz dafür.
In dem Symposium soll daher zunächst ein Überblick über die historische Entwicklung der Vorausplanung, verschiedene Instrumente und Advance Care Planning im Sinne einer begleitenden Vorausplanung ermöglicht werden. Medizinethische Überlegungen zur Vorausplanung im Allgemeinen und bei psychischen Störungen im Besonderen folgen diesem Überblick und leiten über zu gerontopsychiatrischer Patient*innen. Gerade bei diesen zeigt sich der Bedarf einer umfassenden Vorausplanung, die sowohl die psychische Störung als auch die somatischen (Ko-) Morbiditäten umfasst. Abschließend sollen die Besonderheiten und Chancen der Vorausplanung einer palliativmedizinischen Versorgung bei Menschen mit psychischen Störungen erläutert werden.
10:00 Uhr
Von Behandlungsvereinbarungen zum Advance Care Planning – Instrumente zur Vorausplanung in der Psychiatrie
Katrin Radenbach, Göttingen (Germany)
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Autor:in:
Katrin Radenbach, Göttingen (Germany)
Psychische Störungen können Situationen verursachen, in denen eine Person nicht mehr in der Lage ist, selbstbestimmt Entscheidungen über Notwendigkeit, Art oder Umfang ihrer medizinischen Behandlung zu treffen. Ein Ansatz, um für einen psychiatrischen Krisenfall Vorsorge zu treffen und um auch im Falle fehlender Einwilligungsfähigkeit Patientenautonomie zu realisieren, ist das "Advance Care Planning". Darunter versteht man die umfassende Vorausplanung zukünftiger Behandlungen unter Zuhilfenahme von Beratung und unterschiedlichen mehr oder weniger standardisierten Dokumenten zur Verschriftlichung solcher Pläne für zukünftige Krisensituationen.
In der Psychiatrie kommen unterschiedliche Instrumente der Vorausplanung zum Einsatz, wie z.B. psychiatrische Patientenverfügungen, Behandlungsvereinbarungen und Krisenpässe. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, medizinische Behandlungen in zukünftigen Krisensituationen vorausschauend zu planen.
Im Kontext der Psychiatrie wurden Instrumente der Vorausplanung in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Befürworter wiesen darauf hinweisen, dass durch sie ein Dialog zwischen Ärztin/Arzt und Patient*in angeregt, die Patientenautonomie gefördert, Patientenpräferenzen auch in Krisensituationen berücksichtigt und unter Umständen sogar Zwangsmaßnahmen reduziert werden können. Kritiker verwiesen dagegen auf Situationen, in denen die Anwendung von Vorausverfügungen – etwa durch Ablehnung jeglicher Therapie – dazu führen könne, dass Patient*innen einen schweren gesundheitlichen Schaden erleiden und sich für Mitarbeitende und Mitpatient*innen in psychiatrischen Kliniken eine äußerst belastende Situation entwickelt.
Der Vortrag stellt das Konzept "Psychiatrisches Advance Care Planning" und mögliche Instrumente der Vorausplanung vor.